Limbus (Theologie): Unterschied zwischen den Versionen

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== Der Limbus in der Literatur ==
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In [[Dante Alighieri]]s ''[[Göttliche Komödie|Göttlicher Komödie]]'' befinden sich Dichter, Philosophen und Wissenschaftler aus vor- und außerchristlichen Kulturen im Limbus, der der Hölle vorgelagert ist.
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== Der Limbus im Islam ==


Im [[Islam]] gibt es ein ähnliches Konzept, den ''[[Barzach]]''.
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Aktuelle Version vom 20. Mai 2022, 19:09 Uhr

Domenico Beccafumi: Christi Abstieg in die Unterwelt

Limbus (lat. für ‚Rand‘, ‚Saum‘, ‚Umgrenzung‘) bezeichnet in der katholischen Theologie zwei Orte am Rande der Hölle (auch als Vorhölle, Vorraum oder äußerster Kreis der Hölle bezeichnet), an dem sich Seelen aufhalten, die ohne eigenes Verschulden vom Himmel ausgeschlossen sind.

Der Limbus war nie Teil der kirchlichen Lehre, sondern gilt lediglich als theologische Spekulation, die sich aus den Dogmen der Kirche zu Themen wie Sünde, Erbsünde, Erlösung und Taufe ergibt.

Begriff

Man unterscheidet

  1. den limbus patrum. Dies sei der Ort für die Seelen der verstorbenen Gerechten des Alten Bundes aus der Zeit vor der Geburt Jesu Christi, also z. B. der biblischen Propheten wie Mose und Abraham. Diese konnten bis zur Auferstehung Christi nicht in den Himmel kommen, da dieser niemandem offenstand. Bei Christi Abstieg in das „Reich der Toten“ habe dieser die Gerechten im limbus patrum jedoch in den Himmel geführt, weshalb heute niemand mehr im limbus patrum sei.
  2. den limbus puerorum (auch: limbus infantium). Dies sei der Ort für die Seelen der ungetauft verstorbenen Kinder, die nicht zum Vernunftgebrauch gelangten und sich damit auch keiner Sünde schuldig machten, also zum Zeitpunkt des Todes nur der Schuld der Erbsünde unterlagen. Dies aber nur in dem Fall, dass es für sie nicht noch einen eigenen Heilsweg gibt, den nur Gott allein kennt und der der Kirche nicht offenbart worden ist.

Weder der Limbus patrum noch der Limbus infantium haben ein biblisches Fundament, sondern ihre Konzeption ergab sich als theologische Spekulation aus der Frage nach der Notwendigkeit des Erlösertodes Christi und dem Erfordernis der Taufe für das Seelenheil. Als solches war das Konzept des Limbus als ein Ort auch nie Dogma[1], sondern lediglich Teil theologischer Spekulation, in welcher das Konzept des Limbus als Theorie vertreten wurde.[2] Geschichtlich gab es so auch unterschiedliche Vorstellungen, was der Limbus bedeutet.

  1. Verlust der Gottesschau, geistige Umnachtung und Traurigkeit, milde Sinnesstrafen
  2. Verlust der Gottesschau, geistige Umnachtung und Traurigkeit, aber keinerlei Sinnesstrafen
  3. Nur Verlust der Gottesschau (ohne weitere Aussagen)
  4. Verlust der Gottesschau, aber zugleich eine rein natürliche Glückseligkeit.

Diskussion um den Limbus

Seit der Kirchenlehrer Augustinus von Hippo die Lehre von der Erbsünde formulierte, sah die Theologie die Taufe als unverzichtbar für das Seelenheil und damit die Erlösung an. Augustinus hielt es für ausgeschlossen, dass ungetaufte Kinder in das Paradies oder auch nur in einen anderen Ort der Glückseligkeit eingehen könnten. Die Synode von Karthago im Jahr 418 verfestigte diese Lehre und damit die Ansicht, dass Säuglinge, die ungetauft sterben, in die Hölle kommen.

Im Mittelalter wurde diese Lehre (allerdings nicht von offizieller kirchlicher Seite) wieder abgemildert: Die ohne persönliches Verschulden vom Himmel ausgeschlossenen Seelen kommen demnach zwar weiterhin, der kirchlichen Lehre entsprechend, in die Hölle, aber an einen besonders milden Ort an deren Rand, genannt Vorhölle oder Limbus. Petrus Abaelardus (1079–1142) lehrte, dass solche Kinder keine Sinnesstrafen erlitten, nur den Verlust der Gottesschau. Thomas von Aquin beschrieb im 13. Jahrhundert den limbus puerorum als Ort ewiger natürlicher Glückseligkeit. Der Dominikaner Hugo Ripelin von Straßburg legte in seinem Werk Compendium theologicae veritatis (1268) dar, dass sich dieser Ort über der Hölle der Verdammten befände.

Das Konzil von Basel/Ferrara/Florenz (1431 bis 1445) bestätigte die Lehre der Synode von Karthago, dass die Taufe unverzichtbar sei und Menschen, die im alleinigen Zustand der Erbsünde sterben, in die Hölle kommen.

Während des 18. und 19. Jahrhunderts formulierten einzelne Theologen (Bianchi 1768, H. Klee 1835, Caron 1855, H. Schell 1893) Theorien, wie ungetauft gestorbene Kinder dennoch gerettet werden könnten. Im Jahr 1952 konnte der Theologe Ludwig Ott in seinem Grundriss der katholischen Dogmatik dies als Möglichkeit ausführen, wenngleich er darin dennoch den Limbus als die herkömmliche, etablierte Ansicht darstellte.

Im Weltkatechismus von 1992 findet sich der Begriff des Limbus nicht mehr. Wörtlich äußerte er sich wie folgt: „Was die ohne Taufe verstorbenen Kinder betrifft, kann die Kirche sie nur der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen, wie sie dies im entsprechenden Begräbnisritus tut. Das große Erbarmen Gottes, der will, daß alle Menschen gerettet werden‘, und die zärtliche Liebe Jesu zu den Kindern, die ihn sagen läßt: 'Laßt die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran!' (Mk 10,14), berechtigen uns zu der Hoffnung, daß es für die ohne Taufe gestorbenen Kinder einen Heilsweg gibt. Die Kirche bittet die Eltern eindringlich, die Kinder nicht daran zu hindern, durch das Geschenk der heiligen Taufe zu Christus zu kommen.“ Wie dieser Heilsweg aussehen soll, muss logischerweise offenbleiben, da hierüber eben keine Offenbarung erfolgt ist.

Seit November 2005 beschäftigte sich die päpstliche Internationale Theologenkommission mit dem Thema. Es wurde die Formel vorgeschlagen, dass ungetauft sterbende Säuglinge „in der Erwartung auf universelle Erlösung durch Gott“ sterben. Da Gott alle Menschen erlösen wolle, könne man davon ausgehen, dass auch die Seelen ungetauft verstorbener Kinder in den Himmel kämen.

Am 20. April 2007 (AP) genehmigte Papst Benedikt XVI. die Ergebnisse der Internationalen Theologenkommission[3] und ermöglichte damit die Abwertung der Lehre von limbus puerorum zu einer älteren theologischen Meinung, die nicht vom kirchlichen Lehramt unterstützt wird.[4] Roland Minnerath, der Erzbischof von Dijon, erläuterte die Entscheidung: Die Theologen im Vatikan seien zu der Auffassung gelangt, dass kleine Kinder, die nicht getauft sind und sterben, direkt ins Paradies kämen. Das Dokument der Internationalen Theologenkommission besagt jedoch auch (in Absatz 41), dass der Limbus eine „mögliche theologische Meinung bliebe“. Der Limbus gehöre nicht zur Glaubenslehre der katholischen Kirche, er bliebe jedoch eine Theorie, die die Kirche nicht verurteile und ihren Angehörigen zubillige.

Benedikt XVI. soll die Abwendung von der Lehre des limbus puerorum bereits vor seiner Wahl zum Papst im Sinn gehabt haben. Die britische Tageszeitung Times zitiert seinen Bericht zur Lage des Glaubens von 1985 („Ratzinger-Report“): „Ich persönlich würde es aufgeben, da es immer nur eine Hypothese war.“[5]

Der Limbus in der Literatur

In Dante Alighieris Göttlicher Komödie befinden sich Dichter, Philosophen und Wissenschaftler aus vor- und außerchristlichen Kulturen im Limbus, der der Hölle vorgelagert ist.

Der Limbus im Islam

Im Islam gibt es ein ähnliches Konzept, den Barzach.

Siehe auch

Literatur

  • Jacques Gélis: Les enfants des limbes. Mort-nés et parents dans l'Europe chrétienne. Audibert, Paris 2006, ISBN 2-84749-068-X (Wichtigste kulturgeschichtliche Darstellung, vom führenden französischen Fachmann für die Geschichte der Kindheit).
  • Elke Pahud de Mortanges: Der versperrte Himmel. Das Phänomen der sanctuaires à répit aus theologiegeschichtlicher Perspektive. In: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte. Band 98, 2004, ISSN 0044-3484, S. 31–48.
  • Johannes Maria Schwarz: Zwischen Limbus und Gottesschau. Das Schicksal ungetauft sterbender Kinder in der theologischen Diskussion des zwanzigsten Jahrhunderts. Ein theologiegeschichtliches Panorama. Fe-Medienverlag, Kisslegg 2006, ISBN 3-939684-01-5 (Zugleich: Lugano, Facoltà di Teologia, Diss., 2006).

Weblinks

Commons: Limbus - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. „Es ist bekannt, dass die traditionelle Lehre zu diesem Thema sich der Theorie des Limbus bedient hat, verstanden als Zustand, in dem die Seelen der ohne Taufe sterbenden Kinder aufgrund der Ursünde nicht den Lohn der glückseligen Gottesschau verdienen, jedoch keinerlei Bestrafung unterworfen sind, weil sie keine Sünden begangen haben. Diese Theorie, die von Theologen seit dem Mittelalter ausgearbeitet wurde, hat niemals in die dogmatischen Definitionen des Lehramts Eingang gefunden, auch wenn dasselbe Lehramt sie in seiner ordentlichen Lehre bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil erwähnt hat.“ Internationale Theologische Kommission: Die Hoffnung auf Rettung für ungetauft sterbende Kinder (2007) S. 3f
  2. „Die päpstlichen Stellungnahmen in dieser Periode haben also die Freiheit der katholischen Schulen verteidigt, mit dieser Frage zu ringen. Sie schrieben die Theorie des Limbus nicht als Glaubenslehre fest. Der Limbus war jedoch die allgemeine katholische Lehre bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts.“ Internationale Theologische Kommission: Die Hoffnung auf Rettung für ungetauft sterbende Kinder (2007) S. 31 (PDF-Datei; 298 kB)
  3. The Hope of Salvation for Infants Who Die Without Being Baptized (Englisch)
  4. http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,478599,00.html
  5. www.orf.at
Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Limbus (Theologie) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.