Makarie und Kategorie:Wilhelm Meister: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Charlotte Amalie of Saxe-Meiningen.jpg|miniatur|[[Wikipedia:Charlotte von Sachsen-Meiningen|Charlotte von Sachsen-Meiningen]] (1751-1827), Gemälde auf Öl, 1775]]
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[[Kategorie:Wilhelm Meister|!]]
'''Makarie''' (von {{ELSalt|Μακαρία}} ''Makaria'' „Glückseligkeit“) ist eine Gestalt aus [[Goethe]]s Roman «[[Wilhelm Meisters Wanderjahre]]». Als „eine ältliche, wunderwürdige Dame“ tritt sie hier als Tante von ''Lenardo'' und ''Hersilie'' auf. Ihr lebendes Vorbild war die Herzogin [[Wikipedia:Charlotte von Sachsen-Meiningen|Charlotte von Sachsen-Meiningen]] (1751-1827), die wie ihr Gemahl [[Wikipedia:Ernst II. (Sachsen-Gotha-Altenburg)|Ernst II. Ludwig von Sachsen-Gotha-Altenburg]] (1745-1804) als Mäzenin für die [[Astronomie]] wirkte und auch selbst astronomische Beobachtungen machte und für den Hofastronomen [[Wikipedia:Franz Xaver von Zach|Franz Xaver von Zach]] Hilfstafeln berechnete. In Goethes Roman erscheint sie als wundersame [[Hellsehen|Seherin]], deren geistiger Blick für das ganze [[Sonnensystem]] und darüber hinaus geöffnet ist. Ihr steht als Gegenpol die ''[[Metallfühlerin]]'' gegenüber, deren Bewusstsein für die Tiefen der [[Erde (Planet)|Erde]] geöffnet ist und die von den Geheimnissen der [[Metalle]] spricht.
[[Kategorie:Werk von Goethe]]
 
[[Kategorie:Goethe]]
{{GZ|Und eine zweite Episode im «Wilhelm Meister» ist
diejenige, wo uns eine Persönlichkeit vorgeführt wird,
die im höchsten Maße zeigt das Aufgehen des Ich in dem
großen Selbst der Welt. Diese Persönlichkeit wird uns in
der merkwürdigen Gestalt der Makarie geschildert. Da
zeigt Goethe eine Persönlichkeit, die innerlich erwacht
ist, die den Geist in sich selber so weit entwickelt hat,
daß sie in dem lebt, was die Welt als Geist durchzieht.
Goethe stellt sie so dar, daß sie durch ein inneres
Wissen, das in ihr lebt nach der Auferweckung ihrer
Seele, durch die Entfesselung ihrer inneren Kräfte dasjenige
von innen heraus weiß, was ein geschickter, auf der
Höhe seiner Zeit stehender Astronom über die Bahnen
der Sterne berechnet. Was höchste geisteswissenschaftliche
Untersuchungen sind, das stellt Goethe dar an der
Stelle, wo er zum Ausdruck bringt, wie sich die Seele
gerade durch Geisteswissenschaft einleben kann in das
ganze Universum, wie Selbsterkenntnis Welterkenntnis
und Welterkenntnis Selbsterkenntnis werden kann.|58|253f}}
 
{{GZ|Da tritt diese merkwürdige Gestalt in Goethes «Wilhelm Meister»
auf, Makarie, eine gereifte weibliche Persönlichkeit, die durch ihr
kränkliches, krankhaftes Sein wenig mehr zusammenhängt mit dem
irdischen Leben, die sozusagen sich ganz herausgehoben hat aus dem
irdischen Leben, die kaum mehr viel sich bewegt innerhalb der irdischen
Räumlichkeiten, die verehrt wird von allen, die um sie herum
sind, von allen Familiengliedern im engeren, aber auch im weiteren
Sinne, und die dadurch, daß sie unabhängig geworden ist von dem
Irdischen, ein merkwürdiges kosmisches Leben entwickelt. Und dieses
kosmische Leben, das Goethe so schildert, wie wenn Makarie
mitlebte mit den Eigentümlichkeiten der Sterne, nicht mit den Eigentümlichkeiten
der Erde, das führt dazu, daß sozusagen alle physische
Weltenbetrachtung aus dem Geiste, aus der Seele Makariens verschwindet
und sie ganz den kosmischen Gesetzmäßigkeiten hingegeben
ist. Aber je mehr sie sich den kosmischen Gesetzmäßigkeiten
hingibt, desto mehr hören die irdischen Naturgesetze auf, für sie eine
Bedeutung zu haben, desto mehr verwandeln sich die Naturgesetze
in kosmische Moralgesetze. Sie wird zur moralischen Autorität für
alle, die sie kennenlernen. Und sie vertritt nicht eine Moralität, die
auf Geboten beruht, nicht irgendeine Moralität, die von der oder
jener Seite entlehnt ist, sondern sie vertritt eine Moralität, die dem
Menschen, wenn er sich vom Irdischen frei macht, aber es noch hat,
so erscheint, als ob sie von den Sternen selber in ihrem Gange geoffenbart
würde. Und was auf diese Weise Makarie mit ihrer Sternenschau
für ihre Umgebung verkündet, das interpretiert ihr Freund,
der Astronom, der aber jetzt der Schüler der Seherin in den kosmischen
Welten wird.
 
Goethe hat nur in einer fein sublimierten Weise dasjenige, was
Sie sich noch für das erste Drittel des 19. Jahrhunderts überall lebend
vorzustellen haben, in einer höheren Gesellschaftsklasse dargestellt.
Man muß sich zum Beispiel vorstellen, daß es in dieser Zeit immerhin
noch, zerstreut allerdings, Familien gab, welche Familienmitglieder
hatten, weibliche Familienmitglieder, die von einem bestimmten Alter
an einfach nicht mehr fähig waren, sich auf der Erde zu bewegen,
die bettlägerig wurden, deren Haut weiß und durchsichtig wurde,
die durch die weiße, durchsichtig gewordene Haut interessant verlaufendes
blaues Geäder bis an die Oberfläche ihres Leibes zeigten, die
selten sprachen. Wenn sie aber sprachen, dann horchten alle, die in
der Umgebung waren, sorgfältig auf das, was gesprochen wurde,
denn dann erwiesen sich diese weiblichen Persönlichkeiten als solche
Seherinnen, wie Goethe sie nur typisiert herausgehoben hat in seiner
Makarie. Und man findet immerhin in dem ersten Drittel des 19.
Jahrhunderts in Mitteleuropa überall Sagenkreise. Da wird erzählt:
Dort und dort, in jenem Orte liegt eine solche Seherin; sie hat dieses
oder jenes aus ihrer prophetischen Gabe heraus gesprochen. - Und
solche Dinge wurden weit in den Gegenden herumgetragen. Und sie
wurden mit jener Poesie herumgetragen, die möglich war in der
menschheitlichen gesellschaftlichen Ordnung, als es noch keine
Zeitungen gab, denn die Zeitungen haben ja im wesentlichen
zur Vernichtung des Geisteslebens ein Ungeheures beigetragen.
So läßt also Goethe in seiner Makarie eine solche Gestalt auftreten.
Und nun steht an einer bestimmten Stelle der «Wanderjahre» dieser
Makarie entgegen die Metallfühlerin. Ihr Freund ist Montanus. Die
Metallfühlerin fühlt ebenso, was im Innern der Erde vorgeht, also,
ich möchte sagen, ganz und gar das Geistige der irdischen Natur.
Sie weiß von den Geheimnissen der Metalle der Erde zu sprechen,
sie weiß davon zu sprechen, wie die einzelnen Metalle auf den Menschen
wirken. Und Montanus interpretiert dieses, was bei der Metallfühlerin
geschieht, ebenso, wie der Astronom dasjenige interpretiert,
was durch Makarie geoffenbart wird.
 
So hat Goethe in einer außerordentlich interessanten Weise der
kosmischen Seherin gegenübergestellt diese Metallfühlerin, welche
die Geheimnisse der Erde durch ihre besondere Organisation - wiederum
eine etwas krankhafte Organisation - enthüllt. Goethe zeigt,
daß er dasjenige, wodurch der Mensch tüchtig ist, wodurch der
Mensch vor allen Dingen seine Taten auf der Erde ausführen kann,
weder bei denen sucht, die nach der einen Seite im Kosmos leben,
noch bei den anderen, die nach der andern Seite im Innern der Erde
leben. Er sucht das, was den Menschen für das Erdenleben tüchtig
macht, da, wo der Mensch von beiden Fähigkeiten in seinem Bewußtseinszustand
nichts weiß, wo sie unbewußt hereinwirken, diese
beiden Fähigkeiten, wo aber, wie im Waagebalken, ein Ausgleich
zwischen beiden ist.
 
Goethe weiß nicht, was da zugrunde liegt. Aber er fühlt selber -
aus dem Festhalten einer alten Bildung fühlt er es -, wie diese beiden
Lebensextreme, Geistesextreme, aufeinander wirken und eigentlich
den Menschen zum rechten Menschen machen, wenn sie nicht einseitig
eines oder das andere wirken, sondern wenn sie beide mit ihrer
Eigenart verschwinden, aber zusammenwirken und ein Gleichgewicht
in der menschlichen Natur bewirken.
 
Heute, wo wir vom Standpunkte der Anthroposophie aus sprechen
können, können wir sagen: Da haben wir zunächst im Menschen
den oberen Menschen, den Nerven-Sinnes-Menschen; da haben wir
den mittleren Menschen, den rhythmischen Menschen, und da haben
wir den unteren Menschen, den Stoffwechsel-Gliedmaßen-Menschen.
Überwiegt beim Menschen der obere Mensch, gleicht er sich
nicht mit dem unteren Menschen aus, dadurch daß gewissermaßen
durch eine krankhafte Entwickelung, wie bei Makarie, der ganze
Stoffwechsel-Gliedmaßen-Mensch in eine Art Erstarrung verfallen
ist, in eine solche Erstarrung, die noch nicht das Leben nimmt, die
aber den Menschen unfähig macht, in der irdischen Räumlichkeit
sich zu bewegen, überwiegt also in einer solchen Persönlichkeit das
Geschehen im Kopfe, dann wird der Mensch zum kosmischen Schauer,
zum kosmischen Seher. Tritt wie bei der Metallfühlerin die Nerven-Sinnes-Organisation zurück und bildet sich besonders bedeutsam
das Stoffwechsel-Gliedmaßen-System aus, dann lebt der Mensch
vorzugsweise mit dem Irdischen, dann lebt er mit den Kräften, mit
den Wirksamkeiten der Metalle der Erde, der Mineralien der Erde.
Und im mittleren Menschen ist der Ausgleich.
 
So wollte Goethe eigentlich an dieser Stelle seines sozialen Romanes
«Wilhelm Meisters Wanderjahre» andeuten, wie nach dem
Menschlichen gesucht wurde in Mitteleuropa, wie der Mensch auf
der einen Seite nach dem Kosmos, auf der andern Seite nach dem
Irdischen gegliedert wurde und wie das rechte Menschentum in
dem Ausgleich zwischen beiden besteht.
 
Über diesen Ausgleich zwischen [[Astrologie]] nach oben, [[Alchimie]]
nach unten wurde viel, viel gesonnen. Und wenn einzelne solche
Gestalten herausragen, wie der Paracelsus, wie der Faust, die von
Ort zu Ort gezogen sind, um die Leute zu überraschen mit dem,
was sie als Sinnierer wußten von diesen Geheimnissen, so daß die
Leute aufhorchten auf das, was der Mensch über den Menschen
wissen kann, wenn einzelne solche bedeutsame Persönlichkeiten heraustraten,
so waren diese aber nicht die einzigen. Kleine Paracelsusse,
kleine Fauste gab es überall, die nur nicht so weit wanderten, die ein
kleineres Territorium hatten. Und was heute wiederum in den Geheimnissen
der Wünschelrute erkundet wird, das war etwas, was
dazumal durchaus gang und gäbe war.|225|88ff}}
 
{{GZ|Diese Frau befindet sich zu unserem Sonnensystem - so wird gesagt
- «in einem Verhältnis, welches man auszusprechen kaum wagen
darf. In dem Geiste, der Seele, der Einbildungskraft hegt sie, schaut sie
es nicht nur, sondern sie macht gleichsam einen Teil desselben: sie sieht
sich in jenen himmlischen Kreisen mit fortgezogen, aber auf eine ganz
eigene Art; sie wandelt seit ihrer Kindheit um die Sonne, und zwar,
wie nun entdeckt ist, in einer Spirale, sich immer mehr vom Mittelpunkt
entfernend und nach den äußeren Regionen hinkreisend.» Also
es wird hier erzählt, daß es eine Seele im Frauenkörper gibt, die nicht
mehr mit dem Erdenleben, sondern mit dem Sonnenleben geht, daß sie
im Laufe des Lebens immer größere Kreise zieht, ja, daß man annehmen
kann, daß die Wesen, insofern sie körperlich sind, nach dem Zentrum,
und insofern sie geistig sind, nach der Peripherie streben. Es wird also
eine Seele beschrieben, die mit dem Kosmos lebt...|254|111f}}
 
Im 15. Kapitel des 3. Buches heißt es über Makarie:
 
{{Zitat|Makarie befindet sich zu unserm Sonnensystem in einem Verhältnis, welches man auszusprechen kaum wagen darf. Im Geiste, der Seele, der Einbildungskraft hegt sie, schaut sie es nicht nur, sondern sie macht gleichsam einen Teil desselben; sie sieht sich in jenen himmlischen Kreisen mit fortgezogen, aber auf eine ganz eigene Art; sie wandelt seit ihrer Kindheit um die Sonne, und zwar, wie nun entdeckt ist, in einer Spirale, sich immer mehr vom Mittelpunkt entfernend und nach den äußeren Regionen hinkreisend.
 
Wenn man annehmen darf, daß die Wesen, insofern sie körperlich sind, nach dem Zentrum, insofern sie geistig sind, nach der Peripherie streben, so gehört unsere Freundin zu den geistigsten; sie scheint nur geboren, um sich von dem Irdischen zu entbinden, um die nächsten und fernsten Räume des Daseins zu durchdringen. Diese Eigenschaft, so herrlich sie ist, ward ihr doch seit den frühsten Jahren als eine schwere Aufgabe verliehen. Sie erinnert sich von klein auf ihr inneres Selbst als von leuchtendem Wesen durchdrungen, von einem Licht erhellt, welchem sogar das hellste Sonnenlicht nichts anhaben konnte. Oft sah sie zwei Sonnen, eine innere nämlich und eine außen am Himmel, zwei Monde, wovon der äußere in seiner Größe bei allen Phasen sich gleich blieb, der innere sich immer mehr und mehr verminderte.
 
Diese Gabe zog ihren Anteil ab von gewöhnlichen Dingen, aber ihre trefflichen Eltern wendeten alles auf ihre Bildung; alle Fähigkeiten wurden an ihr lebendig, alle Tätigkeiten wirksam, dergestalt daß sie allen äußeren Verhältnissen zu genügen wußte und, indem ihr Herz, ihr Geist ganz von überirdischen Gesichten erfüllt war, doch ihr Tun und Handeln immerfort dem edelsten Sittlichen gemäß blieb. Wie sie heranwuchs, überall hülfreich, unaufhaltsam in großen und kleinen Diensten, wandelte sie wie ein Engel Gottes auf Erden, indem ihr geistiges Ganze sich zwar um die Weltsonne, aber nach dem Überweltlichen in stetig zunehmenden Kreisen bewegte.
 
Die Überfülle dieses Zustandes ward einigermaßen dadurch gemildert, daß es auch in ihr zu tagen und zu nachten schien, da sie denn, bei gedämpftem innerem Licht, äußere Pflichten auf das treuste zu erfüllen strebte, bei frisch aufleuchtendem Innerem sich der seligsten Ruhe hingab. Ja sie will bemerkt haben, daß eine Art von Wolken sie von Zeit zu Zeit umschwebten und ihr den Anblick der himmlischen Genossen auf eine Zeitlang umdämmerten, eine Epoche, die sie stets zu Wohl und Freude ihrer Umgebungen zu benutzen wußte.
 
Solange sie die Anschauungen geheimhielt, gehörte viel dazu, sie zu ertragen; was sie davon offenbarte, wurde nicht anerkannt oder mißdeutet, sie ließ es daher in ihrem langen Leben nach außen als Krankheit gelten, und so spricht man in der Familie noch immer davon; zuletzt aber hat ihr das gute Glück den Mann zugeführt, den ihr bei uns seht, als Arzt, Mathematiker und Astronom gleich schätzbar, durchaus ein edler Mensch, der sich jedoch erst eigentlich aus Neugierde zu ihr heranfand. Als sie aber Vertrauen gegen ihn gewann, ihm nach und nach ihre Zustände beschrieben, das Gegenwärtige ans Vergangene angeschlossen und in die Ereignisse einen Zusammenhang gebracht hatte, ward er so von der Erscheinung eingenommen, daß er sich nicht mehr von ihr trennen konnte, sondern Tag für Tag stets tiefer in das Geheimnis einzudringen trachtete.
 
Im Anfange, wie er nicht undeutlich zu verstehen gab, hielt er es für Täuschung; denn sie leugnete nicht, daß von der ersten Jugend an sie sich um die Stern- und Himmelskunde fleißig bekümmert habe, daß sie darin wohl unterrichtet worden und keine Gelegenheit versäumt, sich durch Maschinen und Bücher den Weltbau immer mehr zu versinnlichen. Deshalb er sich denn nicht ausreden ließ, es sei angelernt. Die Wirkung einer in hohem Grad geregelten Einbildungskraft, der Einfluß des Gedächtnisses sei zu vermuten, eine Mitwirkung der Urteilskraft, besonders aber eines versteckten Kalküls.
 
Er ist ein Mathematiker und also hartnäckig, ein heller Geist und also ungläubig; er wehrte sich lange, bemerkte jedoch, was sie angab, genau, suchte der Folge verschiedener Jahre beizukommen, wunderte sich besonders über die neusten, mit dem gegenseitigen Stande der Himmelslichter übereintreffenden Angaben und rief endlich aus: »Nun warum sollte Gott und die Natur nicht auch eine lebendige Armillarsphäre, ein geistiges Räderwerk erschaffen und einrichten, daß es, wie ja die Uhren uns täglich und stündlich leisten, dem Gang der Gestirne von selbst auf eigne Weise zu folgen imstande wäre?«
 
Hier aber wagen wir nicht, weiter zu gehen; denn das Unglaubliche verliert seinen Wert, wenn man es näher im einzelnen beschauen will. Doch sagen wir soviel: Dasjenige, was zur Grundlage der anzustellenden Berechnungen diente, war folgendes: Ihr, der Seherin, erschien unsere Sonne in der Vision um vieles kleiner, als sie solche bei Tage erblickte, auch gab eine ungewöhnliche Stellung dieses höheren Himmelslichtes im Tierkreise Anlaß zu Folgerungen.
 
Dagegen entstanden Zweifel und Irrungen, weil die Schauende ein und das andere Gestirn andeutete als gleichfalls in dem Zodiak erscheinend, von dem man aber am Himmel nichts gewahr werden konnte. Es mochten die damals noch unentdeckten kleinen Planeten sein. Denn aus andern Angaben ließ sich schließen, daß sie, längst über die Bahn des Mars hinaus, der Bahn des Jupiter sich nähere. Offenbar hatte sie eine Zeitlang diesen Planeten, es wäre schwer zu sagen in welcher Entfernung, mit Staunen in seiner ungeheuren Herrlichkeit betrachtet und das Spiel seiner Monde um ihn her geschaut; hernach aber ihn auf die wunderseltsamste Weise als abnehmenden Mond gesehen, und zwar umgewendet, wie uns der wachsende Mond erscheint. Daraus wurde geschlossen, daß sie ihn von der Seite sehe und wirklich im Begriff sei, über dessen Bahn hinauszuschreiten und in dem unendlichen Raum dem Saturn entgegenzustreben. Dorthin folgt ihr keine Einbildungskraft, aber wir hoffen, daß eine solche Entelechie sich nicht ganz aus unserm Sonnensystem entfernen, sondern, wenn sie an die Grenze desselben gelangt ist, sich wieder zurücksehnen werde, um zugunsten unsrer Urenkel in das irdische Leben und Wohltun wieder einzuwirken.|[[Johann Wolfgang Goethe]]|''Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden'', Band 8, Hamburg 1948 ff, S. 449-451 [http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Romane/Wilhelm+Meisters+Wanderjahre/Drittes+Buch/Funfzehntes+Kapitel]}}
 
{{GZ|Da haben wir auf eine sehr bedeutungsvolle Art die Anschauung
dargestellt, wie die Seele des Menschen wirklich werden will, wie die
Seele des Menschen aus dem Inneren heraus wiederum zur Sternenwelt
zurückkehren wird. Ich habe Ihnen die Schilderung Makariens vorgelesen
aus «Wilhelm Meisters Wänderjahre» von Goethe, und er hat
dabei ausdrücklich hinzugefügt, daß er nicht alles gesagt habe. Er
deutete an, daß es eine ätherische Dichtung ist, mit den Worten: «Indem
wir nun diese ätherische Dichtung, Verzeihung hoffend, hiermit
beschließen, wenden wir uns wieder zu jenem terrestrischen Märchen,
wovon wir oben eine vorübergehende Andeutung gegeben.»
 
Und bevor Goethe die Schilderung Makariens gibt, sagt er: «Zu
diesem Punkte aber gelangt, können wir der Versuchung nicht widerstehen,
ein Blatt aus unseren Archiven» - Goethe meint geistige Archive
- «mitzuteilen, welches Makarien betrifft und die besondere
Eigenschaft, die ihrem Geist erteilt ward. Leider ist dieser Aufsatz erst
lange Zeit, nachdem der Inhalt mitgeteilt worden, aus dem Gedächtnis
geschrieben und nicht, wie es in einem so merkwürdigen Fall wünschenswert
wäre, für ganz authentisch anzusehen. Dem sei aber, wie
ihm wolle, so wird hier schon so viel mitgeteilt, um Nachdenken zu erregen
und Aufmerksamkeit zu empfehlen, ob nicht irgendwo schon etwas
ähnliches oder sich annäherndes bemerkt und verzeichnet worden.»
 
Ich wollte Sie auf diese Episode aus «Wilhelm Meisters Wanderjahre» aufmerksam machen, weil Sie daraus ersehen, daß wir mit unserer
Geisteswissenschaft wirklich den Anforderungen der Zeit entgegenkommen.
Die Menschennatur ändert sich so, daß sie wieder aus
sich selber heraus gebären wird, was sie verloren hat von der alten
Erbschaft aus der vorirdischen Welt. Und es werden die Menschen
wissen müssen, was an sie herantritt, sonst würden sie ganz verwirrt
werden. So muß sich das, was Geisteswissenschaft ist, in unsere Zeit
hineinstellen.
 
Aber in dem Augenblicke, wo die Menschen auf dieses, worauf hier
gedeutet worden ist, aufmerksam werden, kommt unweigerlich, daß
sie auch auf die Reinkarnationslehre kommen müssen, weil sie sich
sagen müssen, daß eine solche Entelechie aus der jenseitigen Welt, aus
der Jupiter-, Saturnsphäre und so weiter doch wieder etwas zu tun
haben könnte mit der Erde und zu uns zurückkehren könnte. Deshalb,
sagen diejenigen Okkultisten, die die Reinkarnationslehre nicht aufkommen
lassen wollen, müssen Barrikaden aufgerichtet werden gegen
das Herankommen dieser Anschauung, und diese Barrikaden werden
dadurch aufgerichtet, daß man die Menschen möglichst ablenkt von
dem Zusammenhange mit den Weltenkörpern des Sonnensystems. So
sehen wir, wie gerade von dieser Seite ein intensives Interesse vorhanden
ist, gewisse Dinge nicht aufkommen zu lassen. Ich habe gestern
gesagt: Ist ein Interesse für eine einseitige Richtung vorhanden, so
findet sie immer eine Stütze; die Wahrheit im allgemeinen aber wird
angefochten und alles mögliche geschieht, um die Wahrheit an sich gar
nicht herauskommen zu lassen. Und es wird zu dem richtigen Stehen
innerhalb unserer geistigen Bewegung gehören, daß wir uns voll bewußt
sind, daß die Wahrheit, die gesucht wird, von vielen, vielen Seiten angefochten
werden wird. Aber nichts ist notwendiger, als daß wir versuchen,
um gewappnet zu sein, wirklich nach allen Seiten hin Klarheit
des Denkens zu entwickeln. Sie müssen ins Auge fassen, daß dasjenige,
was als gegnerisch, namentlich was als gegnerische Persönlichkeiten
gegen unsere Bewegung auftritt, wirklich zum großen Teile Figuranten
sind für die gegnerischen Mächte. Wir treten da in ein Wirken übersinnlicher
Gewalten ein. Diese übersinnlichen Gewalten, zu denen [[Ahriman]]
und [[Luzifer]] gehören, wirken selbstverständlich im Menschenleben
durch Menschenseelen, die einfach ihre Werkzeuge sind.|254|114ff}}
 
== Literatur ==
 
* [[Rudolf Steiner]]: ''Metamorphosen des Seelenlebens – Pfade der Seelenerlebnisse. Erster Teil'', [[GA 58]] (1984), ISBN 3-7274-0585-6 {{Vorträge|058}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Drei Perspektiven der Anthroposophie. Kulturphänomene, geisteswissenschaftlich betrachtet.'', [[GA 225]] (1990), ISBN 3-7274-2252-1 {{Vorträge|225}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die okkulte Bewegung im neunzehnten Jahrhundert und ihre Beziehung zur Weltkultur'', [[GA 254]] (1986), ISBN 3-7274-2540-7 {{Geschichte|254}}
 
{{GA}}
 
[[Kategorie:Wilhelm Meister]] [[Kategorie:Hellsehen]]

Version vom 26. Juni 2018, 01:03 Uhr