Wesensglieder und Übermensch: Unterschied zwischen den Seiten

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(→‎Steiners Ergebnis zu den Wesensgliedern: "Bau" ist natürlich als "Körperbau", "Geschmack" als "kultureller Geschmack, Stil", "Gott" als "göttlicher Funken" zu verstehn)
 
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Aus [[Anthroposophie|anthroposophischer]] Sicht besteht das Menschenwesen nicht nur aus dem sinnlich sichtbaren stofflichen Leib, sondern verfügt darüber hinaus über höhere, nur übersinnlich erfahrbare leibliche, seelische und geistige '''Wesensglieder'''.
'''Übermensch''' ({{ELSalt|υπεράνθρωπος}} ''Hyperánthropos''; [[lat.]] ''{{lang|la|homo superior}}'') ist ein Begriff aus dem [[Philosophie|philosophischen Denken]]. Als Übermensch wird ein „Idealmensch“ bezeichnet, der über das gewöhnliche Leben eines als normal und meist negativ bewerteten Menschen hinausgewachsen ist oder hinausstrebt. Die weitaus bekannteste ''Übermensch''-Konzeption stammt von [[Friedrich Nietzsche]].


== Steiners Ergebnis zu den Wesensgliedern ==
== Begriffsgeschichte ==
Die früheste Prägung des Wortes ''Übermensch'' ist als „hyperanthropos“ bekannt und wurde schon im 1. Jahrhundert v. Chr. von [[w:Dionysios von Halikarnassos|Dionysios von Halikarnassos]] benutzt. [[w:Lukian von Samosata|Lukian]] verwendete im 2. Jahrhundert n. Chr. den Begriff, allerdings zum Spott auf die großen Herren der Welt, die im Totenreich auf ihre natürliche Größe zurechtgestutzt würden. In deutscher Sprache tauchte der ''Übermensch'' erstmals bei Hermann Rab, [[w:Provinzial|Provinzial]] der sächsischen Dominikanerprovinz, 1527 in einem Brief auf, wo er so etwas wie ein Schimpfwort für „[[Lutheraner]]“ ist.


In Bezug auf die herkömmlichen Bezeichnungen ergibt sich aus Steiners Werk folgende Einteilung der inneren und äußeren menschlichen Wesensschichten:
Der Übermensch spielt in [[Dante Alighieri|Dantes]] ''[[Göttliche Komödie]]'' eine zentrale Rolle. Das [[Hapax legomenon]] ''transumanar'' (Wortschöpfung Dantes, aus [[lat]]. ''trans'', „hindurch“, „über … hinweg“ und ''umano'', „menschlich“, als [[Verb]]um (hier) jedoch das „Übermenschlichen“) wird besonders im Paradiso (erwähnt in Canto I, 70) zu einem Hauptmotiv. Analogien lassen sich in der verhängnisvollen Vergöttlichung des [[Glaukos (Meeresgott)|Glaukos]] finden. In [[Ovid]]s ''[[Metamorphosen (Ovid)|Metamorphosen]]'' (7, 219; 13, 898 - 14, 74) war Glaukos ein sterblicher Fischer, der durch Zufall ein magisches Kraut entdeckte, das ihn durch Verzehr unsterblich machte. Allerdings wuchsen ihm Brust- und Schwanzflossen, die Arme und Beine bildeten sich zurück. Dies zwang ihn, für immer im Meer zu leben.<ref>Siehe auch: [//danteworlds.laits.utexas.edu/textpopup/par0101.html ''danteworlds.laits.utexas.edu''], abgerufen am 22. Februar 2015, 20:57.</ref> In Dantes Werk bedeutet das Übermenschliche nichts weniger als „den Status des Menschen, seine Daseinsbedingungen hinter sich zu lassen, auf dem Wege zum Göttlichen.“ Konkret bedeutet das aber, dass der normale Mensch (im Gegensatz zu dem Wanderer Dante) dieses Übermenschlichen nicht im Diesseits, sondern erst im Jenseits erleben wird.<ref>Hartmut Köhler (Übers. u. Komm.): „La Commedia / Die Göttliche Komödie III. Paradiso / Paradies“, Stuttgart 2012, S. 21–25, ISBN 978-3-15-010796-6.</ref>


::::#[[Physischer Leib]] (Leichnam)
[[Datei:Faust und Erdgeist, Illustration von Goethe.jpg|mini|hochkant|„Geschäftiger Geist, wie nah fühl ich mich Dir!“ ([[Faust. Eine Tragödie.|Faust]], Illustration von [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]])]]
::::#[[Ätherleib]] (Bau)
Angeregt wurde Dante sicherlich von Schriften des [[Pseudo-Dionysius Areopagita]] (besonders die in lateinischen Übersetzungen häufig vorkommenden Ausdrücke ''super hominem'', ''ultra hominum modum'', ''superhumanus''), aber auch [[Thomas von Aquin]], [[Augustinus von Hippo|Augustinus]] und schon [[Matthäus (Evangelist)|Matthäus]] könnten sprachliche Anstöße gegeben haben. Bei [[w:Lukian von Samosata|Lukian]] noch heidnisch, wurde der Begriff „Übermensch“ erstmals in christlichem Sinne vom Propheten Montanus (gest. 178) verwendet. Schon [[w:Ernst Benz|Ernst Benz]] legte ausführlich dar, dass der Terminus „Übermensch“ in der Theologie der Kirche weit entwickelt war, Jahrhunderte vor der Verbreitung von [[Friedrich Nietzsche|Nietzsches]] antichristlichem Pathos.
::::#[[Astralleib]] (Sinne)
::::#[[Empfindungsseele]] (Gemüt)
::::#[[Verstandesseele]] (Verstand)
::::#[[Ich]] (Seele)
::::#[[Bewusstseinsseele]] (Gewissen)
::::#[[Geistselbst]] (Eigenart)  
::::#[[Lebensgeist]] (Geschmack)
::::#[[Geistesmensch]] (Gott)


==Leib, Seele und Geist==
Vom ''Übermenschen'' sprachen, jeweils mit unterschiedlichem Bedeutungsinhalt, unter anderem der Theologe [[w:Heinrich Müller (Theologe, 1631)|Heinrich Müller]] in dem Werk ''Geistliche Erquickungsstunden'' (1664),<ref>Walter Kaufmann: ''Nietzsche. Philosoph, Psychologe, Antichrist''. Übersetzt von Jörg Salaquarda. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1982, ISBN 3-534-08769-0, S.&nbsp;359</ref> [[Johann Gottfried von Herder]] und der indische Philosoph [[Sri Aurobindo]]. [[Johann Wolfgang von Goethe]] gebrauchte den Ausdruck, wiederum in spöttischem Sinn, in seiner Tragödie [[Faust. Eine Tragödie|''Faust I'']]: „Welch erbärmlich Grauen fasst Übermenschen dich!“ sagt der [[Erdgeist]]. Faust sei eigentlich nur „ein furchtsam weggekrümmter Wurm“. Im Gedicht ''Zueignung'' schreibt Goethe:
Einer ersten tiefergehenden Betrachtung zeigt sich der [[Mensch]] als dreigliedrige Wesenheit (-> [[Trichotomie]]), die sich aus [[Leib]], [[Seele]] und [[Geist]] zusammensetzt {{lit|GA 9, Kapitel ''Leib, Seele und Geist''}}.


Durch seinen lebendigen Leib tritt der Mensch mit der irdischen Umwelt in Kontakt. Er ist der Träger der [[Sinnesorgane]] und des [[Gehirn]]s, mit deren Hilfe der Mensch die irdische Welt wahrnehmen, vorstellen und verstandesmässig erfassen kann. Nur durch seine leiblichen Organe kann sich der Mensch bewusst der sinnlichen Welt gegenüberstellen und von ihr unterscheiden. Dadurch erwacht sein [[Selbstbewusstsein]].
<poem>
: ''Kaum bist du Herr vom ersten Kinderwillen,''
: ''So glaubst du dich schon Übermensch genug,''
: ''Versäumst die Pflicht des Mannes zu erfüllen!''
: ''Wie viel bist du von andern unterschieden?''
: ''Erkenne dich, leb' mit der Welt in Frieden!''
</poem>


Der Leib, für sich selbst genommen, könnte allerdings gar kein Bewusstsein entwickeln. Er wäre alleine von bewusstlosen Lebensprozessen bestimmt, wie es etwa bei den Pflanzen der Fall ist. Dass überhaupt Bewusstsein entstehen kann, dazu bedarf es der Seele, die sich des Leibes als Werkzeug bedient, um mit seiner Hilfe die irdische Welt erkennen und verändern zu können. Erst durch die Seele fühlt sich der Mensch bewusst, freudvoll oder leidvoll, mit der Erdenwelt verbunden.
Im Roman ''[[Schuld und Sühne]]'' (1866) des russischen Schriftstellers [[Dostojewski]] ist die Vorstellung der Hauptfigur Raskolnikow Vorläuferin der Idee von Nietzsche von einem zur Herrschaft berufenen „Übermenschen“. Raskolnikow, der davon träumt, ein Napoleon zu werden, hat sich einer Selbsttäuschung hingegeben. Er zerbricht an dem Versuch, als Übermensch die Funktion Gottes mit zu übernehmen, über Gut und Böse zu entscheiden. „Der wahre Meister“ des Verbrechens sei [[Napoleon]], erkennt er an: „Ich bin genauso eine Laus wie die andere.“ Dostojewski verurteilte also das Gefühl der Macht und das individualistische Prinzip.<ref>Vgl. hierzu Rainer Buck: ''Fjodor M. Dostojewski: Sträfling, Spieler, Seelenforscher'', B&S 2013, [https://books.google.fr/books?id=bFBqAwAAQBAJ&pg=PT67&dq S. 67]; Fedor Dostojewski: ''Schuld und Sühne'', Aufbau Verlag, 1956, [http://gutenberg.spiegel.de/buch/schuld-und-suhne-2100/40 Nachwort.]</ref>


Nach der anderen Seite zu ist die Seele aber zugleich nach dem Geist hin orientiert, nach dem eigentlichen schöpferischen Prinzip. Die Seele nimmt mit Sympathie oder Antipathie an dem Geschaffenen teil; der Geist aber ist es, der die Welt des Geschaffenen überhaupt erst hervorbringt. Im Grossen ist es der unermüdlich schaffende Weltgeist, der die ganze Natur hervorgebracht und ihr ihre eigentümliche Struktur verliehen hat; im Kleinen hat aber auch der menschliche Geist, sein individuelles Ich, teil an diesem schaffenden Prinzip. Der Mensch wird dadurch in gewissem Sinn zum Schöpfer und Erzieher seiner selbst. Dadurch unterscheidet sich der Mensch vom Tier, das zwar auch eine Seele und damit auch Bewusstsein, aber kein Selbstbewusstsein hat. In Lust und Leid ist das Tier hilflos seinem Schicksal ausgeliefert und an die engen Schranken seiner arttypischen Prägung gebunden. Der Mensch hingegen kann zum bewussten schöpferischen Mitgestalter, ja zum Herren seines Schicksals werden. Er kann mit energischem Willen auch noch den schwersten Schicksalsschlägen einen tieferen Sinn abgewinnen und an ihnen reifen - und gerade daran erwacht sein Selbstbewusstsein ganz besonders.
Kritisch verarbeitet [[Theodor Fontane]] den Begriff in seinem Roman ''[[Der Stechlin (Roman)|Der Stechlin]]'' (1897), wo der alte Stechlin sagt: „Jetzt hat man statt des wirklichen Menschen den sogenannten Übermenschen etabliert; eigentlich gibt es aber bloß noch [[Untermensch]]en, und mitunter sind es gerade die, die man durchaus zu einem ‚Über‘ machen will. Ich habe von solchen Leuten gelesen und auch welche gesehn. Ein Glück, daß es, nach meiner Wahrnehmung, immer entschieden komische Figuren sind, sonst könnte man verzweifeln.“<ref>Theodor Fontane: ''Der Stechlin'' [1897], mit einem Nachwort von Walter Müller-Seidel, Insel, Frankfurt 1975, S.&nbsp;347</ref>


In alten Zeiten kannte man diese Dreigliedrigkeit des menschlichen Wesens sehr genau. Dieses Wissen ging aber allmählich verloren. Schon auf dem Konzil von Konstantinopel von 869 wurde die Lehre von der Trichotomie (Dreigliedrigkeit) des Menschenwesens für ketzerisch erklärt, und es durfte seit dem nur mehr gelehrt werden, dass der Mensch aus Leib und Seele bestehe. Höchsten wurden der Seele noch einige geistige Fähigkeiten, etwa sein intelektuelles Denkvermögen, zugestanden. Man wollte dadurch die unüberbrückbare Kluft zwischen Gott und Mensch deutlich machen und den Menschen vor einem gefährlichen Hochmut bewahren - zugleich rückte man ihn dadurch aber näher an das Tier heran. Und während man in alten Zeiten davon überzeugt war, dass der Mensch ein Spross der göttlichen Welt ist, so begann man nun immer mehr an die Abstammung des Menschen vom Tier zu glauben, was ja heute noch immer den Kerngedanken der modernen Evolutionslehren bildet. Dabei ging auch das Wissen um die menschliche Seele immer mehr verloren, und heute richtet sich das allgemeine Bewusstsein hauptsächlich nur mehr auf den menschlichen Leib, dem man vielleicht noch einige seelische Eigenschaften zugesteht. Indem sich der Mensch so immer mehr auf sein leibliches Dasein in der physisch-sinnlichen Welt hin orientiert, erfährt zwar sein Selbstbewusstsein eine mächtige Anregung, zugleich verschwindet aber die Möglichkeit zu einer tiefergehenden Erkenntnis des menschlichen Wesens. Der Mensch erkennt sich zwar als Individuum, viel stärker als das jemals in der Vergangenheit der Fall war, aber er weiss nicht, was seine Individualität eigentlich ausmacht. Daraus resultieren oftmals schwere innere seelische Lebenskonflikte, die nur überwunden werden können, wenn man sich ein neues Bewusstsein für die dreigliedrige Natur des menschlichen Wesens erwirbt.
== Friedrich Nietzsche ==
Aus Sicht [[Friedrich Nietzsche]]s ist es die Aufgabe des Menschen, einen Typus hervorzubringen, der höher entwickelt ist als er selbst.<ref>Primus-Heinz Kucher, ''Verdrängte Moderne – vergessene Avantgarde: Diskurskonstellationen zwischen Literatur, Theater, Kunst und Musik in Österreich 1918–1938'', Vandenhoeck & Ruprecht 2015, S. 68</ref> Diesen dem Menschen überlegenen Menschen nennt Nietzsche den ''Übermenschen'', ein Begriff, welcher bei Nietzsche sowohl eine geistige als auch eine biologische Bedeutung hat. Nietzsche verwendet den Begriff ''Übermensch'' das erste Mal in seinen Jugendschriften in Bezug auf [[George Gordon Byron|Lord Byron]], der als „geisterbeherrschender Übermensch“ charakterisiert wird.<ref>''Jugendschriften'', dtv, München 1994, Band 2, Seite 10.</ref> In systematischer Weise taucht der Begriff des Übermenschen zuerst in seinem Werk ''[[Also sprach Zarathustra]]'' (1883–85) auf, auch wenn sein Konzept des Übermenschen schon in seinem Werk ''Menschliches, Allzumenschliches'' (1878) teilweise entwickelt ist. Nietzsche übernahm den Terminus vom französischen materialistischen Philosophen [[w:Helvétius|Helvétius]], der vom ''„homme supérieur“'' geschrieben hatte.


==Die grundlegenden Wesensglieder==
=== Immoralismus und Biologismus ===
Das Menschenwesen lässt sich noch wesentlich differenzierter beschreiben, nämlich als 4-gliedrige, 7-gliedrige oder 9-gliedrige Wesenheit. Abgesehen von seinem Ich hat der Mensch ''diese'' Wesensglieder nur während des Erdenlebens; die [[Wesensglieder der Toten]] sind anders geartet.
Das Ziel der Menschheit liegt nach Nietzsche nicht in der Zukunft oder im allgemeinen Wohlergehen der derzeit bestehenden Gattung, sondern in den immer wieder auftretenden „höchsten Exemplaren“, eben den Übermenschen. Aus dieser philosophischen Position resultiert seine Ablehnung der „idealistischen“ Interpretation des Übermenschen und die positive Einschätzung gerade von immoralistischen und nach Größe strebenden Machtmenschen wie [[Alkibiades]], [[Julius Cäsar]], [[Cesare Borgia]] oder [[Napoléon Bonaparte]]. So schrieb er in [[Ecce homo (Nietzsche)|Ecce homo]] (1888):


Anders geartet sind auch die [[Wesensglieder der Elementarwesen]] und die [[Wesensglieder der Hierarchien]].
{{Zitat|Das Wort »Übermensch« zur Bezeichnung eines Typus höchster Wohlgeratenheit, im Gegensatz zu »modernen« Menschen, zu »guten« Menschen, zu Christen und andren Nihilisten –&nbsp;ein Wort, das im Munde eines Zarathustra, des Vernichters der Moral, ein sehr nachdenkliches Wort wird&nbsp;– ist fast überall mit voller Unschuld im Sinn derjenigen Werte verstanden worden, deren Gegensatz in der Figur Zarathustras zur Erscheinung gebracht worden ist: will sagen als »idealistischer« Typus einer höheren Art Mensch, halb »Heiliger«, halb »Genie« … Andres gelehrtes Hornvieh hat mich seinethalben des Darwinismus verdächtigt; selbst der von mir so boshaft abgelehnte »Heroen-Kultus« jenes großen Falschmünzers wider Wissen und Willen, [[Thomas Carlyle|Carlyles]], ist darin wiedererkannt worden. Wem ich ins Ohr flüsterte, er solle sich eher nach einem [[Cesare Borgia]] als nach einem [[Parsifal]] umsehn, der traute seinen Ohren nicht.}}


[[Rudolf Steiner]] unterscheidet zunächst 4 grundlegende '''Wesenglieder''' des [[Mensch]]en und geht damit über die heute gängige Anschauung, die nur den physischen Leib gelten lassen will, weit hinaus. Diese und die höheren [[Seelische Wesensglieder|seelischen]] und [[Geistige Wesensglieder|geistigen Wesensglieder]] entfalten sich in [[Siebenjahresperioden]]. Die grundlegenden Wesenglieder sind:
Neben dem [[Idealismus]] weist Nietzsche hier auch den Zusammenhang mit dem [[Darwinismus]] zurück. Wie jedoch beispielsweise [[Rüdiger Safranski]] argumentiert, finden sich in Nietzsches Schriften durchaus darwinistisch-biologistische Ansätze, oft verbunden mit Gedanken zur [[Eugenik]]. Bereits im Zarathustra vergleicht Nietzsche die ''Entwicklung'' vom Affen zum Menschen mit der Entwicklung vom Menschen zum Übermenschen. In einem Notizbuch von 1884 schrieb Nietzsche, dass man durch ''Züchtung'' und durch „Vernichtung von Millionen Mißrathener“ den „zukünftigen Menschen“ gestalten soll. In der [[Zur Genealogie der Moral|Genealogie der Moral]] (1887) findet sich der Gedanke, dass die Menschheit als Masse dem Gedeihen einer einzelnen stärkeren ''Species'' Mensch geopfert werden könnte. Ziel sei es, eine Herrenkaste zu züchten, welche zur Herrschaft über Europa berufen sei. Schließlich spricht er in [[Ecce homo (Nietzsche)|Ecce homo]] von der „Partei des Lebens“, welche die ''Höherzüchtung'' des Menschen und die Vernichtung alles „Entartenden“ und „Parasitischen“ in die Hand nimmt. Safranski schließt:


::# [[Physischer Leib]]
{{Zitat|Nietzsches Bild vom Übermenschen ist ambivalent, und es verbirgt sich darin ein existenzielles Drama. Der Übermensch repräsentiert einen höheren biologischen Typus, er könnte das Produkt einer zielstrebigen Züchtung sein; er ist aber auch ein Ideal für jeden, der Macht über sich selbst gewinnen und seine Tugenden pflegen und entfalten will, der schöpferisch ist und auf der ganzen Klaviatur des menschlichen Denkvermögens, der Phantasie und Einbildungskraft zu spielen weiß. Der Übermensch realisiert das Vollbild des Menschenmöglichen, und darum ist Nietzsches Übermensch auch eine Antwort auf den Tod Gottes.}}
::# [[Ätherleib]], auch als Lebensleib oder Bildekräfteleib bezeichnet
::# [[Astralleib]], auch [[Trieb- und Empfindungsleib]] genannt
::# [[Ich]]


Schon in den [[Ägyptische Mysterien|altägyptischen Mysterien]] war diese Gliederung des Menschenwesens bekannt. Die Wesensglieder wurden dort mit folgenden Ausdrücken bezeichnet:
=== Ewige Wiederkunft, Wille zur Macht und Nihilismus ===
Nietzsche verbindet vorerst den Gedanken des ''[[Wille zur Macht|Willens zur Macht]]'' mit seiner Idee der ''[[Ewige Wiederkunft|Ewigen Wiederkunft]]''. Der Gedanke der Ewigen Wiederkunft besagt, dass sich alle Ereignisse im Universum auf ewig wiederholen werden, da es eine unendlich lange Zeit gebe, jedoch eine nur endliche Zahl möglicher Zustände der Welt. Damit sind alle möglichen Zustände bereits eingetreten und der gegenwärtige Zustand stelle eine Wiederholung dar. Alles, was der Mensch erlebt, wurde also von diesem schon unendlich oft erlebt und wird ebenso unendlich oft wieder durchlebt werden. Diesen Gedanken zu denken, ist für Nietzsche ''das Schwerste''. Erst wer fähig ist, ihn zu ertragen, d.&nbsp;h., in die Interpretation des eigenen Lebens zu integrieren, der beweist sich als Übermensch und überwindet somit den [[Nihilismus]] der Ewigen Wiederkunft. In einem Akt der gänzlichen Einverleibung ''identifiziert'' sich der Übermensch mit der Ewigen Wiederkunft.


:* [[Chat]], der physisch-stoffliche Körper
Darüber hinaus besitzt der Übermensch auch einen Überschuss an Lebenskraft und Willen zur Macht, was ihn zu besonderer Selbstbeherrschung und Selbstentfaltung befähigt. Er stellt somit eine radikale Lebensbejahung als Gegenentwurf zum [[Nihilismus]] dar. Der Übermensch gilt deshalb als Überwinder des Nihilismus. Er ist der Schöpfer neuer (produktiverer) Werte, die er aus sich selbst bezieht und die anstelle der durch den Nihilismus zuvor zerstörten bzw. verneinten transzendenten Werte ([[Gott]], [[Religion]], ewige und unbezweifelbare [[moral]]ische und [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretische]] [[Dogma|Dogmen]]) nunmehr eine immanente, dem Leben zugewandte und dem Leben dienliche Entsprechung finden.
:* [[Ka]], die formschaffende Lebens- und Wachstumskraft
:* [[Ba]], der Seelenleib, in dem die körperorientierten Instinkte, Sinnesempfindungen, Leidenschaften und Triebe wirken
:* [[Ach]], das unsterbliche geistiges Urbild des Ba; entspricht dem Ich, das allerdings noch nicht vollständig in den Körper eingezogen ist, sondern gleichsam als höheres Ich über diesem schwebt.


Jedes dieser Wesensglieder hat sein eigenes [[Bewusstsein]], durch das es sich in der Welt orientiert, wovon uns selbst allerdings im wesentlichen nur das bewusst wird, was in den Bereich unseres Ichs fällt, während alles andere unterbewusst bleibt.
Aus dieser Perspektive wäre der Übermensch somit nicht eine neue [[Gattung (Biologie)|Gattung]], welche auf den von Nietzsche sogenannten „Letzten Menschen“ folgt, sondern er geht aus dem einzelnen Menschen hervor, der sich selbst überwunden hat.


Wäre der physische Leib alleine sich selbst überlassen, herrschten im Menschenwesen also nur physikalische und chemische Prozesse, so wäre er sehr bald dem Zerfall anheimgegeben. Das ist nach dem Tod des Menschen der Fall, wenn der physische Leib von den höheren Wesensgliedern verlassen wird. Der Leichnam, der zurückbleibt, verwest. Während des irdischen Lebens des Menschen wird sein physischer Leib hingegen beständig geformt und erneuert durch den Lebensleib. [[Paracelsus]], der noch eine deutliche Ahnung von den höheren Wesengliedern des Menschen hatte, nannte den Ätherleib [[Archäus]]. Während der physische Leib vorwiegend von den lokalen irdischen Bedingungen abhängig ist, wird der Ätherleib wesentlich durch kosmische Gesetzmässigkeiten bestimmt, namentlich durch die lichthaften [[ätherisch|ätherischen]] Sonnenkräfte.
=== Metaphysik-Kritik und der Begriff vom Übermenschen ===
Es bleibt zu ergänzen, dass die neuere philosophische Nietzsche-Interpretation über idealistische, biologistische oder existenzielle Tendenzen hinaus den Begriff des Übermenschen in den Zusammenhang von Nietzsches ''Erkenntnis- und Metaphysikkritik'' stellt.<ref>Zusammenfassend dargestellt bei Georg Römpp, „Nietzsche leicht gemacht“, UTB 3718, Köln/Weimar 2013</ref> Demnach ist Nietzsches ganze Philosophie aus dem Blickwinkel seiner fundamentalen Kritik am „Allgemeinen“ zu verstehen. Demgegenüber wollte er das „Individuelle“ geltend machen, das in unserer vorherrschend platonisch geprägten Kultur des Denkens, in der Philosophie, den Wissenschaften und in der Ethik tendenziell ausgeklammert wird; dies war auch schon die Grundlage von Nietzsches Moralkritik, denn in seiner Sichtweise stellt die verallgemeinernde Ethik Handlungen, Verhalten und Motive als „gleich“ dar, die in Wahrheit nicht gleich sind, d.&nbsp;h., sie unterdrückt gewaltsam das, was – nach Nietzsche – einzig wirklich ist, nämlich das Individuelle. Nietzsche stellt also einem historischen Empirismus einen – freilich ebenfalls radikal übersteigerten – Individualismus gegenüber.


Der Ätherleib verleiht dem Menschenwesen seine sich lebendig erhaltende Gestalt. Dieses Lebensprinzip hat der Mensch mit der lebendig sprießenden und sproßenden Pflanzenwelt gemeinsam. Der Ätherleib kann dem Menschen aber nicht Bewusstsein, Trieb- und Empfindung verleihen. Dazu ist der Astralleib nötig, wie ihn auch die Tiere haben. Der kosmische Bezug ist beim Trieb- und Empfindungsleib noch ausgeprägter als beim Ätherleib, weshalb er auch als Sternenleib oder Astralleib bezeichnet wird; Paracelsus nennt ihn den [[Siderischer Leib|siderischen Leib]]. Da bei den Tieren der Astralleib das bestimmende Wesenglied ist, hängen sie innig mit den gestaltenden Kräften des [[Tierkreis|Tierkreises]] zusammen.
Analog lässt sich der Begriff des Übermenschen verstehen als der Entwurf einer gedanklichen Welt, in dem menschliche ''Individuen'' nicht mehr unter ''allgemeinen'' und gleichmachenden Begriffen wie eben ‚Mensch’ verstanden werden müssen. Nietzsches Kritik lautet also, Individuen unter einen schematischen Begriff wie ‚Mensch’ zu subsumieren, mache diese auf ungerechtfertigte und gewaltsame Weise ‚gleich’, obwohl sie doch als Individuen eigentlich nicht auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen seien, sondern sich vollständig voneinander unterschieden. Aus diesem freilich sehr selektiven Blickwinkel lässt sich auch verstehen, warum sich bei Nietzsche nirgends eine harte ‚Definition’ des Übermenschlichen findet, da der Begriff lediglich auf ein ''Ziel des Denkens'' deutet, das gerade nicht darin bestehen soll, eine neue ‚Gleichheit’ der Individuen unter einer bestimmten Definition zu definieren.


Das [[Selbstbewusstsein]] ist erst mit dem selbstständigen menschlichen Ich gegeben, über das die Tiere nicht verfügen. Das Ich ist der geistige Kern des Menschenwesens und gibt dem Menschen seine eigene unverwechselbare individuelle Prägung.  
=== Nationalsozialismus ===
Die biologistische und immoralistische Seite von Nietzsches Übermenschen-Konzeption bot dem [[Nationalsozialismus]] die Möglichkeit, seine Lehre mit der „[[Herrenmensch|Herrenmenschen-Ideologie]]“ im Sinne des nationalsozialistischen Gesellschaftsmodells gleichzusetzen. Nietzsches Ablehnung des [[Nationalismus]] wurde von den Nationalsozialisten ignoriert. Maßgeblichen Anteil an dieser Interpretation hatte vor allem Nietzsches Schwester [[Elisabeth Förster-Nietzsche]], die, im Gegensatz zu Nietzsche selbst, in einem Naheverhältnis zu national-[[Völkische Bewegung|völkischen]] Kreisen stand.


Während des wachen Erdenlebens des Menschen sind diese 4 Wesensglieder innig miteinander verbunden und durchdringen einander. Grundsätzlich aber sind sie eigenständiger, substanzieller, auf sich selbst gegründeter Natur und können bis zu einem gewissen Grad auch unabhängig voneinander existieren. Das zeigt sich schon während des Schlafes, wo sich Ich und Astralleib aus dem durch den Ätherleib belebten physischen Leib weitgehend herausheben. Mit dem [[Tod]] hebt sich auch noch der Ätherleib aus dem physischen Leib heraus und geht seine eigenen Wege. Er löst sich allerdings schon nach kurzer Zeit, etwa drei Tage nach dem Tod, in der allgemeinen Ätherwelt auf. Da während des Erdenlebens der physische Leib und der Ätherleib besonders fest aneinander gebunden sind und sich niemals für längere Zeit voneinander trennen dürfen (denn sonst tritt der Tod ein), kann man den belebten Leib als etwas Einheitliches auffassen und kommt dadurch zu einer Dreigliederung des Menschenwesens in [[Leib]], [[Seele]] und [[Geist]].
=== Fiktion ===
Der amerikanische Schriftsteller [[Jack London]] schrieb seine Romane ''[[Der Seewolf]]'' und ''[[Martin Eden]]'' mit der Intention, das Übermenschen-Ideal und Nietzsches individualistische Philosophie zu kritisieren.<ref>Patrick Bridgwater: ''Nietzsche in Anglosaxony. A Study of Nietzsche's Impact on English and American Literature''. Leicester University Press, S. 167–169</ref>


Auch der Astralleib löst sich grossteils, allerdings erst im Laufe einer längeren Zeitspanne, die etwa ein Drittel des vergangenen Erdenlebens ausmacht, in der erdnahen Astralwelt auf. Dabei werden alle seelischen Begierden ausgeschieden, die den Menschen noch an das vergangene irdische Leben fesseln. Es ist das eine Zeit der seelischen Läuterung, die nach der christlichen Terminologie auch als Fegefeuer bekannt ist, oder auch mit einem alten indischen Ausdruck [[Kamaloka]] genannt wird (kama = Begierde, loka = Ort).  
Das Wort „Übermensch“ (in der englischen Übersetzung ''superman'') inspirierte die Amerikaner [[Jerry Siegel]] und [[Joe Shuster]] zu ihrer berühmten [[Superman|Comicfigur gleichen Namens]], die jedoch inhaltlich nichts mit Nietzsches philosophisches Konzept zu tun hat: Der Superman der Comics ist ein menschlich wirkender Außerirdischer, der zwar übermenschliche Körperkräfte und phantastische Fähigkeiten besitzt, aber vehement traditionelle moralische Werte verteidigt, vor allem den Schutz der Schwachen vor Schurken und Katastrophen. Er ist also gerade nicht [[Jenseits von Gut und Böse (Nietzsche)|jenseits von gut und böse]] im Sinne des [[Nihilismus]]. Im Januar 1933 erschien von Siegel und Shuster eine Kurzgeschichte mit dem Titel ''[[The Reign of the Superman]]'' ([[Deutsche Sprache|dt.]] ''Die Herrschaft des Übermenschen'') im Fanzine ''Science Fiction: The Advance Guard of Future Civilization''. In dieser ursprünglichen Version ist [[Superman]] kein [[Superheld]], sondern ein glatzköpfiger [[Bösewicht]], und ähnelt damit in Erscheinung und Ambitionen eher [[Lex Luthor]]<ref>Joe Sergi, ''The Law for Comic Book Creators: Essential Concepts and Applications'', McFarland 2015, S. 193</ref>, dem [[Antagonist (Literatur)|Gegenspieler]] des späteren Comichelden Superman: Er plant, mit Hilfe seiner übermenschlichen mentalen Fähigkeiten die Herrschaft über die Menschheit zu erlangen.


Nach dieser Läuterungszeit ist das menschliche Ich, der eigentliche individuelle Geist des Menschen, frei, den Weg durch die geistige Welt anzutreten, bis es sich nach kürzerer oder längerer Zeit wieder zu einer neuen irdischen Verkörperung bereit macht. Nach Massgabe schicksalsmässiger Notwendigkeiten umkleidet sich dann das menschliche Ich mit einem neuen Astralleib, einem neuen Ätherleib und endlich auch mit einem neuen physischen Leib.
Der Ausspruch „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker“ (nach ''[[Götzen-Dämmerung]]'', Sprüche 8, KSA 6, 60) ist das Motto von [[John Milius]]' Film ''Conan the Barbarian'' (dt. ''[[Conan der Barbar]]'', USA 1981).<ref>Henning Ottmann: ''Nietzsche-Handbuch: Leben, Werk, Wirkung'', Metzler, 2000, S. 435.</ref>


Die Entwicklung des Menschen im Laufe vieler Erdenleben besteht wesentlich darin, dass er immer mehr lernt, seine unteren Wesensglieder, die ihm zunächst naturhaft gegeben sind, durch die schöpferische geistige Kraft seines Ichs zu verwandeln und zum unverwechselbaren Ausdruck seiner geistigen Individualität zu gestalten. Diese Arbeit des Menschen an seinen Wesengliedern ist nur im irdischen Dasein möglich, und solange der Mensch seine geistigen Schöpferkräfte noch nicht so weit entwickelt hat, dass alle seine Wesenglieder aus der vollen bewussten Kraft seines Ichs geformt sind, wird er immer wieder zu neuen irdischen Inkarnationen herabsteigen müssen. Ist dieses ferne Ziel einmal erreicht, sind weitere irdische Verkörperungen nicht mehr nötig; der Mensch könnte daraus keinen geistigen Gewinn mehr ziehen, sondern wird die dann folgende Entwicklung in einem höheren, rein geistigen Daseinsbereich vollziehen.
[[Fantasy]] und der [[Science-Fiction]] handelt immer wieder von Übermenschen, verstanden als menschliche Wesen mit übermenschlichen körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Ein frühes Beispiel ist etwa im Roman ''Slan'' von [[Alfred Elton van Vogt|A. E. von Vogt]] zu finden. Gerade in der [[Comic in den Vereinigten Staaten|amerikanischen Comicliteratur]] herrscht dabei im Gegensatz zu Nietzsche ein moralisches Erzählmotiv vor, wonach die große Macht solcher Wesen auch große Verantwortung für andere Menschen mit sich bringen muss. Ein entsprechender Ausspruch wurde durch den Comicautoren [[Stan Lee]] populär gemacht. Innerhalb der Geschichte werden oft Kunstworte eingeführt, um diese Wesen von gewöhnlichen Menschen abzugrenzen etwa ''Metamensch'' oder ''Metawesen'' (oft kurz ''Meta'').<ref>Siehe z.&nbsp;B. ''[http://www.paninicomics.de/-i11933.html Futures End – Das Ende aller Zeiten]'' #2, Panini Comics, Stuttgart 2015</ref> Ursachen für das Auftreten von Personen mit besonderen Fähigkeiten sind dabei manchmal [[Außerirdisches Leben|außerirdische Herkunft]] (z.&nbsp;B. [[Superman]]), [[Menschenversuch|medizinische Versuche]] (z.&nbsp;B. der [[Figuren aus dem Marvel-Universum#Grüner Kobold|Grüne Kobold]]), [[Unfall|Unfälle]] (z.&nbsp;B. [[The Flash]]), [[Vorsehung|Einwirkung von Göttern]] (z.&nbsp;B. [[Wonder Woman]]), [[Zucht]] (z.&nbsp;B. der Kwisatz Haderach aus den [[Dune]]-Romanen) oder auch [[Mutation]] (z.&nbsp;B. die [[X-Men]]; als ''Homo Sapiens Superior'' bilden sie eine eigene Art der Gattung ''[[Homo]]'').


Entwicklungsgeschichtlich haben die 4 Wesensglieder ein sehr unterschiedliches Alter und dadurch auch eine sehr unterschiedliche Entwicklungsreife erlangt. Der physische Leib ist seinem Ursprung nach das älteste aller Wesensglieder und daher auch in gewisser Weise am höchsten entwickelt. Man denke nur an den Wunderbau des menschlichen Gehirns oder des Knochengerüstes, wo mit gerinstem Materialaufwand höchste Tragefähigkeit und Stabilität erreicht wird. Auch der Ätherleib, der eine unglaubliche Fülle von Lebensprozessen harmonisch aufeinander abstimmt, ist sehr hoch entwickelt. Man vergleiche damit die oft chaotisch wütenden Triebe und Begierden, die in unserem Astralleib wirken, der ein viel geringeres entwicklungsgeschichtliches Alter hat und dadurch entsprechend unreif ist. Das allerjüngste und unvollendetste Wesensglied, das den Menschen aber erst zur einzigartigen Individualität macht, ist das menschliche Ich.
== Albert Schweitzer ==
[[Wikipedia:Albert Schweizer|Albert Schweitzer]] hat den Begriff des Übermenschen in seiner Auseinandersetzung mit der [[Kulturphilosophie]] in den 1920er Jahren benutzt, um sich kritisch gegen die menschliche [[Hybris]] insbesondere beim Einsatz von Großtechnologien zu wenden:


Aufgrund seiner geistigen Natur ist das menschliche Ich unvergänglich, ewig, während sich die drei niederen Wesensglieder nach dem Tod weitgehend auflösen. Indem allerdings das menschliche Ich an der Vergeistigung seiner niederen Wesensglieder arbeitet, entreisst er diese, zumindest teilweise, der Vergänglichkeit. Es entstehen auf diese Weise höhere seelische und geistige Wesensglieder, die zwar substanziell von gleicher Art wie die niederen sind, ihrer geistigen Form nach aber reif sind, in ein rein geistiges, unvergängliches Dasein einzutreten. Einer differenzierteren geistigen Betrachtung zeigt sich dadurch der Mensch als 7- bzw. 9-gliedrige Wesenheit {{lit|GA 13, Kapitel ''Wesen der Menschheit'' und GA 9, Kapitel ''Das Wesen des Menschen''}}.
{{Zitat|Macht über die Kräfte der Natur ist eine Errungenschaft der zur Ausbildung gekommenen Kultur. Der Kulturmensch, der sie erworben hat, kann sie gebrauchen. Daß aber der Neoprimitive von der Kultur das Geistige verwirft und das durch das Geistige geschaffene Materielle beibehält und also in primitiver Mentalität, als verstünde sich dies von selbst, über die von Kulturmenschen erworbene Übermenschen-Macht verfügen will, ist etwas Ungeheuerliches. […] Das ist, wie wenn man das Steuer eines Ozeandampfers einem, der einen Einbaum lenkte, anvertrauen wollte, einem, der seinen mit einem kleinen Segel ausgestatteten Einbaum lenkte.<ref> Albert Schweitzer: Kulturphilosophie III (KPh III). Vier Teile. Dokumentationsabschrift von Johann Zürcher. Einsehbar im Schweitzer-Zentralarchiv Gunsbach/Elsaß, 138, zitiert nach: Claus Günzler: Albert Schweitzer. Einführung in sein Denken, Beck, München 1996, S.&nbsp;43–44.</ref>}}


===Die inneren Rhythmen der Wesensglieder als Ausdruck kosmischer Verhältnisse===
In seiner Nobelpreisrede im Jahr 1954 hat er den Begriff nochmals in gleicher Weise eingesetzt:
Die Tätigkeit der menschlichen Wesensglieder ist durch spezifische zeitliche Rhythmen geprägt, die sich auch in äußeren kosmischen Rhythmen widerspiegeln. Die Kenntnis der Rhythmen ist besonders für die Heilkunst bedeutend, da das Krankheitsgeschehen vielfach nach diesen Rhythmen abläuft. Krankheiten resultieren aus einem disharmonischen Verhältnis der Wesensglieder zueinander, das durch den Heilprozess wieder harmonisiert werden muss.


{|width="600px" align="center"|
{{Zitat|Der Übermensch leidet aber an einer verhängnisvollen geistigen Unvollkommenheit. Er bringt die übermenschliche Vernünftigkeit, die dem Besitz übermenschlicher Macht entsprechen sollte, nicht auf. […] Was uns eigentlich zu Bewußtsein kommen sollte und schon längst zuvor hätte kommen sollen, ist dies, daß wir als Übermenschen Unmenschen geworden sind.<ref>Albert Schweitzer: Aus meiner Kindheit und Jugendzeit. Beck, München 1991, S.&nbsp;119–120.</ref>}}
|Ich 
|Tag-/Nacht-Rhythmus
|-
|Astralleib 
|7 Tage
|-
|Ätherleib 
|4 x 7 = 28 Tage
|-
|physischer Leib &nbsp;&nbsp;&nbsp;
|männlich 12 x 28 Tage (1 Mondjahr)<br>weiblich 10 x 28 Tage (~ Dauer der Schwangerschaft)
|}


{{lit|GA 107, S 148 ff.}}
== Der spirituelle Übermensch bei Sri Aurobindo ==


==Die höheren seelischen und geistigen Wesensglieder==
In der Evolutionsphilosophie Sri [[Aurobindo]]s (1872–1950) ist der Mensch ein Übergangswesen, bei dem die Entwicklung nicht stehen bleiben wird. Einen vergleichbaren Gedanken finden wir heute im „Pop-akademischen Diskurs“, wo seit einigen Jahren von einem „Anthropozän“ gesprochen wird.<ref>Siehe "Der Spiegel", Nr. 14/31.3.2018, S. 118: "Das Anthropozän bezeichnet das Zeitalter des Menschen. Indem der Mensch aber sein eigenes Zeitalter bekommt…, denkt er sein Ende schon mit." (Die Formulierung "Pop-akademischer Diskurs" wurde ebenfalls dem Artikel entnommen.)</ref> Allerdings hält Sri Aurobindo es für einen großen Fehler, im Hinblick auf eine zukünftige Entwicklung den Menschen bloß linear fortzudenken, d.&nbsp;h. als weiterhin mentales Wesen mit gesteigerten Fähigkeiten, oder gar als dominanten Herrenmenschen.  
Im Zuge der menschheitlichen wie auch der individuellen menschlichen Entwicklung arbeitet der Mensch so an seinen niederen Wesensgliedern, dass sie immer mehr zum Ausdruck seiner Individualität werden. Diese Arbeit vollzieht sich auf erster Stufe noch nicht vollbewusst, aber es werden dadurch neue, seelische Wesensglieder ausgebildet.


Indem das menschliche Ich unbewusst den Astralleib, also die naturgegebenen Triebe und Empfindungen, verwandelt, entsteht die [[Empfindungsseele]], die sehr eng mit dem Astralleib verbunden bleibt und mit ihm in gewissem Sinn eine Einheit bildet. Durch die Empfindungsseele werden die sinnlichen Wahrnehmungen und die sich an diese anknüpfenden gefühlsmäßigen Empfindungen vermittelt.
Vielmehr solle der Mensch durch einen Bewusstseinswandel über sich und sein mentales Denken hinauswachsen und über mehrere Zwischenstufen ein „supramentales“ Wahrheitsbewusstsein erreichen, das er auch "Gnosis" nennt. Dieser "Aufstieg" wird ergänzt durch eine seelische Entwicklung, d.&nbsp;h. eine intensive Verbindung zur Herzebene, die sicherstellt, dass das neue Wesen Werten der Liebe, Harmonie, Schönheit und Wahrheit verbunden ist. Sri Aurobindo glaubt, dass die Evolution in einem langfristigen Prozess unweigerlich in Richtung auf dieses ganzheitliche Bewusstsein fortschreiten werde, wobei der Mensch mittels des [[Integraler Yoga|integralen Yoga]] die Möglichkeit habe, die individuelle und kollektive Entwicklung zu beschleunigen.<ref>Wilfried Huchzermeyer, ''Sri Aurobindo und die europäische Philosophie'', Karlsruhe 2015, S. 11–13. Siehe insbes. auch "Superman in Sri Aurobindos Hauptwerken", S. 108–111.</ref>


Im Laufe des geistigen [[Schulungsweg]]s verwandelt sich die Empfindungsseele zur [[Intuitionsseele]], durch die das [[Bewusstsein]] nach und nach unmittelbar in anderen [[Geistige Wesen|geistigen Wesen]] zu erwachen beginnt.
Sri Aurobindo war gut vertraut mit Nietzsches Schriften und würdigt den mutigen Ansatz des deutschen Philosophen, über den Menschen hinaus zu denken. Er bescheinigt ihm, dass er einige brillante Intuitionen hatte, grenzt sich jedoch deutlich ab von allen Gedanken, die in Richtung [[Asura]], Herrenmensch, führen. Sein Superman soll ein Wesen der Liebe sein, das – frei von Ego – im Einklang mit der höchsten Wahrheit handelt.<ref>''Sri Aurobindo und die europäische Philosophie'', S. 106–108</ref>


Durch die Verwandlung des Ätherleibs, der u.a. der Träger der menschlichen Temperamente, des Gedächtnisses und der festverwurzelten Lebensgewohnheiten ist, wird seelisch die [[Verstandes- oder Gemütsseele]] ausgestaltet. Das bewusste logische Denken beginnt damit zu erwachen und zugleich eine deutliche Empfindung des eigenen Ichs. Der Verstand reicht aber noch nicht an die wirklich im Geistigen begründeten ewigen Wahrheiten heran. Mit seiner Hilfe entwirft der Mensch selbstgeschaffene und logisch in sich stimmige Gedankenstrukturen, die ihm helfen, sich über sein Verhältnis zur Welt aufzuklären. Gerade durch diese bewusste eigene Verstandestätigkeit leuchtet die Ich-Empfindung sehr stark auf. Diese Verstandesstrukturen sind aber durchaus noch vom subjektiven Standpunkt des einzelnen Menschen bzw. von der in einem weiteren Kreis vertretenen Lehrmeinung, d.h. von einem erlernten Vorwissen, abhängig. Sie sind also prinzipiell niemals frei von Vorurteilen, auf die die weitere logische Beweisführung notwendig aufbauen muss. So entsteht, sofern kein Denkfehler vorliegt, zwar ein logisch richtiges, aber einseitiges Bild der Wirklichkeit. Man muss nur einen Blick auf die Philosophiegeschichte werfen, wo die unterschiedlichsten, oft diametral entgegengesetzten Standpunkte logisch stringent begründet wurden, um dessen gewahr zu werden.
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Übermensch}}
* {{WikipediaDE|Untermensch}}
* [[Transhumanismus]]


Durch geistige Schulung wandelt sich die Verstandes- und Gemütsseele zur [[Inspirationsseele]].
== Literatur ==
* Manuel Knoll: The Übermensch as Social and Political Task: A Study in the Continuity of Nietzsche’s Political Thought, in: Manuel Knoll/ Barry Stocker (Hg.): Nietzsche as Political Philosopher, Berlin/Boston 2014, S. 239–266.
* {{Literatur| Autor=Rüdiger Safranski| Titel=Nietzsche. Biographie seines Denkens| Jahr=2000| Verlag=Carl Hanser| Ort=München/Wien| Seiten= 267ff|ISBN=3-446-19938-1}}
* Carsten Schmieder: ''Contra culturam: Nietzsche und der Übermensch'', in: A.U. Sommer (Hg.), Nietzsche – Philosoph der Kultur(en)?, Verlag W. de Gruyter, Berlin, New York 2008, S. 97–102 ISBN 978-3-11-020130-7
* Wilfried Huchzermeyer: ''Der Übermensch bei Friedrich Nietzsche und Sri Aurobindo.'' Hinder + Deelmann, Gladenbach 1986, ISBN 3-87348-123-5
* Pierre Kynast: ''Friedrich Nietzsches Übermensch. Eine philosophische Einlassung''. pkp Verlag, Leuna 2013, ISBN 978-3-943519-04-4
* [[w:Ernst Benz|Ernst Benz]] (Hrsg.): ''Der Übermensch. Eine Diskussion''. Rhein-Verlag, Zürich 1961
* [[w:Georg Römpp|Georg Römpp]]: ''Nietzsche leicht gemacht'', UTB 3718, Köln/Weimar 2013, ISBN 978-3-8252-3718-9


Die [[Bewusstseinsseele]] wird durch die unterbewusste Arbeit des menschlichen Ichs am physischen Leib gebildet. Durch sie erst fühlt sich der Mensch als völlig eigenständiges Subjekt von der objektiven Außenwelt abgetrennt und ihr gegenübergestellt. Erst in der Bewusstseinsseele beginnen nun die ewigen Wahrheiten selbst durch die Vernunft unmittelbar zur menschlichen Seele zu sprechen. Die Vernunft ist die erste Form, durch die sich das Geistige selbst, unabhängig vom subjektiven Standpunkt des einzelnen Menschen, in der menschlichen Seele unmittelbar kundgibt. Durch die Vernuft versetzt sich der individuelle menschliche Geist in Einklang mit dem Weltgeist, wodurch die so erfahrenen Wahrheiten notwendig zugleich einen moralischen Charakter an sich tragen, denn alle Moral gründet letztlich auf dem harmonischen Zusammenwirken aller geistigen Kräfte. Diese ewigen sittlichen Wahrheiten dürfen aber nicht mit den einseitigen, oft sehr unterschiedlichen Moralregeln verwechselt werden, die da oder dort in den einzelnen Kulturkreisen vertreten werden und wurden.  
== Weblinks ==
{{wiktionary|Übermensch}}
* [http://www.odinring.de/ubermensch/ubermensch.htm ''Der Übermensch''] Essay von [[Sri Aurobindo]], erschienen in seiner Zeitschrift ''Arya'', 1920
* [http://www.f-nietzsche.de/hw_philos.htm ''Nietzsche – Mensch und Übermensch (1988)''] auf ''F-Nietzsche.de''


Durch geistige Schulung wird die Bewusstseinseele allmählich zur [[Imaginationsseele]] umgebildet, durch die die [[Geistige Welt|geistige Welt]] in imaginativen Bildern sichtbar wird.
== Einzelnachweise ==
<references />


Ihrem Wesen nach sind diese drei Wesensglieder seelischer, d.h. astraler Natur. Die Verstandesseele, die durch die Arbeit am Ätherleib entsteht, ist also nicht etwa der verwandelte Ätherleib selbst, sondern der seelische Abdruck dieser Arbeit im Astralleib. Ähnlich gilt das auch für die Bewusstseinsseele, in der sich seelisch die Arbeit des Ichs am physischen Leib widerspiegelt; aber sie ist nicht der verwandelte physische Leib selbst.
[[Kategorie:Philosophische Anthropologie|Ubermensch]]
[[Kategorie:Neoexistentialismus|Ubermensch]]
[[Kategorie:Nietzsche|Ubermensch]]


Erst durch die bewusste Tätigkeit des Ichs können die niederen Wesensglieder so vergeistig werden, dass sie als neue geistige Wesensglieder der unsterblichen Individualität eingegliedert werden. Durch die bewusste Arbeit des Ichs am Astralleib wird dieser nach und nach zum [[Geistselbst]] verwandelt. Aus dem Ätherleib entsteht der [[Lebensgeist]], und aus dem physischen Leib der [[Geistesmensch]].
{{Wikipedia}}
 
Der Mensch stellt sich dadurch zunächst als 9-gliedrige Wesenheit dar, wodurch ein noch differenzierteres Bild des in Leib, Seele und Geist gegliederten dreifaltigen Menschenwesens entworfen wird:
 
::::#[[Physischer Leib]] 
::::#[[Ätherleib]]
::::#[[Astralleib]]
::::#[[Empfindungsseele]]   
::::#[[Verstandes- oder Gemütsseele]] ([[Ich]])
::::#[[Bewusstseinsseele]]
::::#[[Geistselbst]] 
::::#[[Lebensgeist]]
::::#[[Geistesmensch]]
 
Ebenso wie die Empfindungsseele eng verbunden mit dem Astralleib ist, so ist auch die Bewusstseinsseele mit dem Geistsselbst zu einer Einheit verwoben. Berücksichtigt man dies, und dass sich das Ich ganz besonders in der Verstandesseele ausdrückt, ergibt sich eine 7-gliedrigen Darstellung des Menschenwesens:
 
::::#Physischer Leib
::::#Ätherleib
::::#Astralleib
::::#Ich
::::#Geistselbst
::::#Lebensgeist
::::#Geistesmensch
 
==Entwicklung der Wesensglieder==
===Im einzelnen Erdenleben===
 
Mit der eigentlichen Geburt wird erst der physische Leib als eigenständige Wesenheit geboren. Im Laufe des Lebens entfalten sich die höheren Wesensglieder in aufeinanderfolgenden [[Siebenjahresperioden|siebenjährigen Entwicklungsperioden]]. In alten Zeiten war diese stufenweise Entfaltung der höheren Wesensglieder in hohem Maß durch die im Menschen veranlagten natürlichen Entwicklungskräfte gewährleistet. Diese Kräfte versiegen aber immer mehr. Heute muß der Mensch seine Entwicklung verstärkt durch sein bewusstes geistiges Streben selbst in die Hand nehmen.
 
{| width="400px" align="center" |
|[[Physischer Leib|physischer Leib]]
|0 - 7 Jahre
|-
|[[Ätherleib]]
|7- 14 Jahre
|-
|[[Astralleib]]
|14 - 21 Jahre
|-
|[[Empfindungsseele]] 
|21 - 28 Jahre
|-
|[[Verstandes- oder Gemütsseele]] -> [[Ich]]
|28 - 35 Jahre
|-
|[[Bewusstseinsseele]]
|35 - 42 Jahre
|-
|[[Geistselbst]]
|42 - 49 Jahre
|-
|[[Lebensgeist]]
|49 - 56 Jahre
|-
|[[Geistesmensch]]
|56 - 63 Jahre
|}
 
Die Wesensglieder entwickeln sich während des ganzen Erdenlebens beständig weiter, allerdings mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten, die aber in ganzzahligen Verhältnissen zueinander stehen. Am schnellsten schreitet der physische Leib in seiner Entwicklung voran, am langsamsten das menschliche Ich {{lit|GA 179, S 92ff.}}:
 
{| width="300px" align="center"|
|Physischer Leib
|4:4 =  1
|-
|Ätherleib
|3:4 = 3/4
|-
|Astralleib
|2:4 = 1/2
|-
|Ich
|1:4 = 1/4
|}
 
===Im Lauf der Weltentwicklung===
Die Wesensglieder des Menschen entstanden bzw. entwickeln sich im Zuge der kosmischen Evolution durch die sieben planetarischen [[Weltentwicklungsstufen]].
 
Auf dem [[Alter Saturn|alten Saturn]] wurde die Grundlage des [[Physischer Leib|physischen Leibes]] geschaffen. Dieser war damals noch ein reiner [[Wärmeleib]]. Während der folgenden Entwicklungsstufen nahm der physische Leib eine immer dichtere Gestalt an. Auf der [[Alte Sonne|alten Sonne]] war er gasförmig, auf dem [[Alter Mond|alten Mond]] wurde er bis zum flüssigen Element verdichtet, um schließlich während unserer [[Erdentwicklung]] die feste Form anzunehmen. Aufgrund seiner langen Evolution hat der physische Leib bereits einen sehr hohen Vollkommenkeitsgrad erlangt.
 
Der [[Ätherleib]] wurde erst auf der alten Sonne geschaffen und war damals ganz aus den [[Lichtäther]]kräften gewoben. Auf dem alten Mond hat er zusätzlich die [[Klangäther]]kräfte in sich aufgenommen, und während der Evolution der Erde den [[Lebensäther]].
 
Auf dem alten Mond wurde der [[Astralleib]] des Menschen gebildet, der aufgrund seiner relativ kurzen Entwicklungszeit wenig ausgereift ist und noch viele niedere [[Trieb]]e und [[Begierde]]n enthält.
 
Mit diesen drei Wesensgliedern trat das Menschenwesen in die Erdentwicklung hinüber. Wären keine neuen Impulse hinzugekommen, so hätte sich nun zunächst nur mehr die [[Empfindungsseele]] als verfeinerter Teil des Astralleibes ausbilden können. Um die weitere Entwicklung zu verstehen, muss man wissen, dass sich die Erdentwicklung in zwei Hälften gliedert, die mit den gegenwärtigen Planeten [[Mars]] und [[Merkur]] in Beziehung stehen. Als die Erde noch im astralen Zustand war, wurde sie von den damals noch rein ätherischen Marskräften durchdrungen. Aus diesen Marskräften, die der Erde auch das Eisen brachten, das in das menschliche Blut aufgenommen wurde, entsprang der entscheidende Impuls, der zur Bildung der [[Verstandesseele]] führte, deren Entwicklung in der [[griechisch-römischen Kultur]]epoche kulminierte. Innerhalb der Verstandesseele beginnt das individuelle [[Ich]] des Menschen aufzuleuchten. Die [[Bewusstseinsseele]], die gegenwärtig ausgebildet wird, hängt eng mit den Merkurkräften zusammen, die ihr Licht bereits vorauswerfen. Wenn die Erde einmal wieder in den astralen Zustand übergegangen sein wird, werden die dann rein ätherischen Merkurkräfte ihre volle Wirkung entfalten. Durch den Einweihungsweg wird einiges von diesen Wirkungen schon jetzt in gewissem Sinne vorweggenommen. Die großen Eingeweihten, wie [[Buddha]], [[Hermes]] usw., waren daher [[Merkureingeweihte]].
 
Wenn der Mensch beginnt, vom Zentrum seines Ichs aus den Astralleib zu verwandeln, so bildet sich innerhalb der Bewusstseinsseele das [[Geistselbst]] ([[Manas]]) aus. Diese Entwicklung hat bereits begonnen, wird sich aber erst auf dem [[Neuer Jupiter|künftigen Jupiter]] (dem [[Neues Jerusalem|Neuen Jerusalem]], von dem in der [[Apokalypse]] des [[Johannes]] die Rede ist) vollenden.
 
Während des [[Neue Venus|künftigen Venuszustandes]] wird sich innerhalb des menschlichen Ichs der [[Lebensgeist]] ([[Buddhi]]) fertig ausgestalten, und auf dem zukünftigen [[Vulkan]] schließlich der [[Geistesmensch]] ([[Atma]]).
 
In der Beilage zu einem Brief an [[Marie von Sivers]] vom 25. November 1905 hat [[Rudolf Steiner]] diesen Entwicklungsgang durch folgende Skizze veranschaulicht:
 
<center>[[Bild:Evolution.gif|500px|Die Entwicklung der Wesensglieder im Lauf der planetarischen Weltentwicklungsstufen]]</center>
 
==Literatur==
#Rudolf Steiner: ''Theosophie'', [[GA 9]] (1904)
#Rudolf Steiner: ''Die Geheimwissenschaft im Umriß'', [[GA 13]] (1910)
#Rudolf Steiner: ''Bewusstsein, Leben, Form. Grundprinzipien der geisteswissenschaftlichen Kosmologie'', [[GA 89]] (2001), S 73 ff.
#Rudolf Steiner: ''Geisteswissenschaftliche Menschenkunde'', [[GA 107]] (1988), Elfter Vortrag, Berlin, 21. Dezember 1908
#Rudolf Steiner: ''Geschichtliche Notwendigkeit und Freiheit. Schicksalseinwirkungen aus der Welt der Toten.'', [[GA 179]] (1977), Fünfter Vortrag, Dornach, 15. Dezember 1917
 
{{Vorlage:GA}}
 
{{Audio|Wesensglieder}}
 
[[Kategorie:Grundbegriffe]] [[Kategorie:Wesensglieder]]

Version vom 24. März 2020, 20:56 Uhr

Übermensch (griech. υπεράνθρωπος Hyperánthropos; lat. homo superior) ist ein Begriff aus dem philosophischen Denken. Als Übermensch wird ein „Idealmensch“ bezeichnet, der über das gewöhnliche Leben eines als normal und meist negativ bewerteten Menschen hinausgewachsen ist oder hinausstrebt. Die weitaus bekannteste Übermensch-Konzeption stammt von Friedrich Nietzsche.

Begriffsgeschichte

Die früheste Prägung des Wortes Übermensch ist als „hyperanthropos“ bekannt und wurde schon im 1. Jahrhundert v. Chr. von Dionysios von Halikarnassos benutzt. Lukian verwendete im 2. Jahrhundert n. Chr. den Begriff, allerdings zum Spott auf die großen Herren der Welt, die im Totenreich auf ihre natürliche Größe zurechtgestutzt würden. In deutscher Sprache tauchte der Übermensch erstmals bei Hermann Rab, Provinzial der sächsischen Dominikanerprovinz, 1527 in einem Brief auf, wo er so etwas wie ein Schimpfwort für „Lutheraner“ ist.

Der Übermensch spielt in Dantes Göttliche Komödie eine zentrale Rolle. Das Hapax legomenon transumanar (Wortschöpfung Dantes, aus lat. trans, „hindurch“, „über … hinweg“ und umano, „menschlich“, als Verbum (hier) jedoch das „Übermenschlichen“) wird besonders im Paradiso (erwähnt in Canto I, 70) zu einem Hauptmotiv. Analogien lassen sich in der verhängnisvollen Vergöttlichung des Glaukos finden. In Ovids Metamorphosen (7, 219; 13, 898 - 14, 74) war Glaukos ein sterblicher Fischer, der durch Zufall ein magisches Kraut entdeckte, das ihn durch Verzehr unsterblich machte. Allerdings wuchsen ihm Brust- und Schwanzflossen, die Arme und Beine bildeten sich zurück. Dies zwang ihn, für immer im Meer zu leben.[1] In Dantes Werk bedeutet das Übermenschliche nichts weniger als „den Status des Menschen, seine Daseinsbedingungen hinter sich zu lassen, auf dem Wege zum Göttlichen.“ Konkret bedeutet das aber, dass der normale Mensch (im Gegensatz zu dem Wanderer Dante) dieses Übermenschlichen nicht im Diesseits, sondern erst im Jenseits erleben wird.[2]

„Geschäftiger Geist, wie nah fühl ich mich Dir!“ (Faust, Illustration von Goethe)

Angeregt wurde Dante sicherlich von Schriften des Pseudo-Dionysius Areopagita (besonders die in lateinischen Übersetzungen häufig vorkommenden Ausdrücke super hominem, ultra hominum modum, superhumanus), aber auch Thomas von Aquin, Augustinus und schon Matthäus könnten sprachliche Anstöße gegeben haben. Bei Lukian noch heidnisch, wurde der Begriff „Übermensch“ erstmals in christlichem Sinne vom Propheten Montanus (gest. 178) verwendet. Schon Ernst Benz legte ausführlich dar, dass der Terminus „Übermensch“ in der Theologie der Kirche weit entwickelt war, Jahrhunderte vor der Verbreitung von Nietzsches antichristlichem Pathos.

Vom Übermenschen sprachen, jeweils mit unterschiedlichem Bedeutungsinhalt, unter anderem der Theologe Heinrich Müller in dem Werk Geistliche Erquickungsstunden (1664),[3] Johann Gottfried von Herder und der indische Philosoph Sri Aurobindo. Johann Wolfgang von Goethe gebrauchte den Ausdruck, wiederum in spöttischem Sinn, in seiner Tragödie Faust I: „Welch erbärmlich Grauen fasst Übermenschen dich!“ sagt der Erdgeist. Faust sei eigentlich nur „ein furchtsam weggekrümmter Wurm“. Im Gedicht Zueignung schreibt Goethe:

Kaum bist du Herr vom ersten Kinderwillen,
So glaubst du dich schon Übermensch genug,
Versäumst die Pflicht des Mannes zu erfüllen!
Wie viel bist du von andern unterschieden?
Erkenne dich, leb' mit der Welt in Frieden!

Im Roman Schuld und Sühne (1866) des russischen Schriftstellers Dostojewski ist die Vorstellung der Hauptfigur Raskolnikow Vorläuferin der Idee von Nietzsche von einem zur Herrschaft berufenen „Übermenschen“. Raskolnikow, der davon träumt, ein Napoleon zu werden, hat sich einer Selbsttäuschung hingegeben. Er zerbricht an dem Versuch, als Übermensch die Funktion Gottes mit zu übernehmen, über Gut und Böse zu entscheiden. „Der wahre Meister“ des Verbrechens sei Napoleon, erkennt er an: „Ich bin genauso eine Laus wie die andere.“ Dostojewski verurteilte also das Gefühl der Macht und das individualistische Prinzip.[4]

Kritisch verarbeitet Theodor Fontane den Begriff in seinem Roman Der Stechlin (1897), wo der alte Stechlin sagt: „Jetzt hat man statt des wirklichen Menschen den sogenannten Übermenschen etabliert; eigentlich gibt es aber bloß noch Untermenschen, und mitunter sind es gerade die, die man durchaus zu einem ‚Über‘ machen will. Ich habe von solchen Leuten gelesen und auch welche gesehn. Ein Glück, daß es, nach meiner Wahrnehmung, immer entschieden komische Figuren sind, sonst könnte man verzweifeln.“[5]

Friedrich Nietzsche

Aus Sicht Friedrich Nietzsches ist es die Aufgabe des Menschen, einen Typus hervorzubringen, der höher entwickelt ist als er selbst.[6] Diesen dem Menschen überlegenen Menschen nennt Nietzsche den Übermenschen, ein Begriff, welcher bei Nietzsche sowohl eine geistige als auch eine biologische Bedeutung hat. Nietzsche verwendet den Begriff Übermensch das erste Mal in seinen Jugendschriften in Bezug auf Lord Byron, der als „geisterbeherrschender Übermensch“ charakterisiert wird.[7] In systematischer Weise taucht der Begriff des Übermenschen zuerst in seinem Werk Also sprach Zarathustra (1883–85) auf, auch wenn sein Konzept des Übermenschen schon in seinem Werk Menschliches, Allzumenschliches (1878) teilweise entwickelt ist. Nietzsche übernahm den Terminus vom französischen materialistischen Philosophen Helvétius, der vom „homme supérieur“ geschrieben hatte.

Immoralismus und Biologismus

Das Ziel der Menschheit liegt nach Nietzsche nicht in der Zukunft oder im allgemeinen Wohlergehen der derzeit bestehenden Gattung, sondern in den immer wieder auftretenden „höchsten Exemplaren“, eben den Übermenschen. Aus dieser philosophischen Position resultiert seine Ablehnung der „idealistischen“ Interpretation des Übermenschen und die positive Einschätzung gerade von immoralistischen und nach Größe strebenden Machtmenschen wie Alkibiades, Julius Cäsar, Cesare Borgia oder Napoléon Bonaparte. So schrieb er in Ecce homo (1888):

„Das Wort »Übermensch« zur Bezeichnung eines Typus höchster Wohlgeratenheit, im Gegensatz zu »modernen« Menschen, zu »guten« Menschen, zu Christen und andren Nihilisten – ein Wort, das im Munde eines Zarathustra, des Vernichters der Moral, ein sehr nachdenkliches Wort wird – ist fast überall mit voller Unschuld im Sinn derjenigen Werte verstanden worden, deren Gegensatz in der Figur Zarathustras zur Erscheinung gebracht worden ist: will sagen als »idealistischer« Typus einer höheren Art Mensch, halb »Heiliger«, halb »Genie« … Andres gelehrtes Hornvieh hat mich seinethalben des Darwinismus verdächtigt; selbst der von mir so boshaft abgelehnte »Heroen-Kultus« jenes großen Falschmünzers wider Wissen und Willen, Carlyles, ist darin wiedererkannt worden. Wem ich ins Ohr flüsterte, er solle sich eher nach einem Cesare Borgia als nach einem Parsifal umsehn, der traute seinen Ohren nicht.“

Neben dem Idealismus weist Nietzsche hier auch den Zusammenhang mit dem Darwinismus zurück. Wie jedoch beispielsweise Rüdiger Safranski argumentiert, finden sich in Nietzsches Schriften durchaus darwinistisch-biologistische Ansätze, oft verbunden mit Gedanken zur Eugenik. Bereits im Zarathustra vergleicht Nietzsche die Entwicklung vom Affen zum Menschen mit der Entwicklung vom Menschen zum Übermenschen. In einem Notizbuch von 1884 schrieb Nietzsche, dass man durch Züchtung und durch „Vernichtung von Millionen Mißrathener“ den „zukünftigen Menschen“ gestalten soll. In der Genealogie der Moral (1887) findet sich der Gedanke, dass die Menschheit als Masse dem Gedeihen einer einzelnen stärkeren Species Mensch geopfert werden könnte. Ziel sei es, eine Herrenkaste zu züchten, welche zur Herrschaft über Europa berufen sei. Schließlich spricht er in Ecce homo von der „Partei des Lebens“, welche die Höherzüchtung des Menschen und die Vernichtung alles „Entartenden“ und „Parasitischen“ in die Hand nimmt. Safranski schließt:

„Nietzsches Bild vom Übermenschen ist ambivalent, und es verbirgt sich darin ein existenzielles Drama. Der Übermensch repräsentiert einen höheren biologischen Typus, er könnte das Produkt einer zielstrebigen Züchtung sein; er ist aber auch ein Ideal für jeden, der Macht über sich selbst gewinnen und seine Tugenden pflegen und entfalten will, der schöpferisch ist und auf der ganzen Klaviatur des menschlichen Denkvermögens, der Phantasie und Einbildungskraft zu spielen weiß. Der Übermensch realisiert das Vollbild des Menschenmöglichen, und darum ist Nietzsches Übermensch auch eine Antwort auf den Tod Gottes.“

Ewige Wiederkunft, Wille zur Macht und Nihilismus

Nietzsche verbindet vorerst den Gedanken des Willens zur Macht mit seiner Idee der Ewigen Wiederkunft. Der Gedanke der Ewigen Wiederkunft besagt, dass sich alle Ereignisse im Universum auf ewig wiederholen werden, da es eine unendlich lange Zeit gebe, jedoch eine nur endliche Zahl möglicher Zustände der Welt. Damit sind alle möglichen Zustände bereits eingetreten und der gegenwärtige Zustand stelle eine Wiederholung dar. Alles, was der Mensch erlebt, wurde also von diesem schon unendlich oft erlebt und wird ebenso unendlich oft wieder durchlebt werden. Diesen Gedanken zu denken, ist für Nietzsche das Schwerste. Erst wer fähig ist, ihn zu ertragen, d. h., in die Interpretation des eigenen Lebens zu integrieren, der beweist sich als Übermensch und überwindet somit den Nihilismus der Ewigen Wiederkunft. In einem Akt der gänzlichen Einverleibung identifiziert sich der Übermensch mit der Ewigen Wiederkunft.

Darüber hinaus besitzt der Übermensch auch einen Überschuss an Lebenskraft und Willen zur Macht, was ihn zu besonderer Selbstbeherrschung und Selbstentfaltung befähigt. Er stellt somit eine radikale Lebensbejahung als Gegenentwurf zum Nihilismus dar. Der Übermensch gilt deshalb als Überwinder des Nihilismus. Er ist der Schöpfer neuer (produktiverer) Werte, die er aus sich selbst bezieht und die anstelle der durch den Nihilismus zuvor zerstörten bzw. verneinten transzendenten Werte (Gott, Religion, ewige und unbezweifelbare moralische und erkenntnistheoretische Dogmen) nunmehr eine immanente, dem Leben zugewandte und dem Leben dienliche Entsprechung finden.

Aus dieser Perspektive wäre der Übermensch somit nicht eine neue Gattung, welche auf den von Nietzsche sogenannten „Letzten Menschen“ folgt, sondern er geht aus dem einzelnen Menschen hervor, der sich selbst überwunden hat.

Metaphysik-Kritik und der Begriff vom Übermenschen

Es bleibt zu ergänzen, dass die neuere philosophische Nietzsche-Interpretation über idealistische, biologistische oder existenzielle Tendenzen hinaus den Begriff des Übermenschen in den Zusammenhang von Nietzsches Erkenntnis- und Metaphysikkritik stellt.[8] Demnach ist Nietzsches ganze Philosophie aus dem Blickwinkel seiner fundamentalen Kritik am „Allgemeinen“ zu verstehen. Demgegenüber wollte er das „Individuelle“ geltend machen, das in unserer vorherrschend platonisch geprägten Kultur des Denkens, in der Philosophie, den Wissenschaften und in der Ethik tendenziell ausgeklammert wird; dies war auch schon die Grundlage von Nietzsches Moralkritik, denn in seiner Sichtweise stellt die verallgemeinernde Ethik Handlungen, Verhalten und Motive als „gleich“ dar, die in Wahrheit nicht gleich sind, d. h., sie unterdrückt gewaltsam das, was – nach Nietzsche – einzig wirklich ist, nämlich das Individuelle. Nietzsche stellt also einem historischen Empirismus einen – freilich ebenfalls radikal übersteigerten – Individualismus gegenüber.

Analog lässt sich der Begriff des Übermenschen verstehen als der Entwurf einer gedanklichen Welt, in dem menschliche Individuen nicht mehr unter allgemeinen und gleichmachenden Begriffen wie eben ‚Mensch’ verstanden werden müssen. Nietzsches Kritik lautet also, Individuen unter einen schematischen Begriff wie ‚Mensch’ zu subsumieren, mache diese auf ungerechtfertigte und gewaltsame Weise ‚gleich’, obwohl sie doch als Individuen eigentlich nicht auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen seien, sondern sich vollständig voneinander unterschieden. Aus diesem freilich sehr selektiven Blickwinkel lässt sich auch verstehen, warum sich bei Nietzsche nirgends eine harte ‚Definition’ des Übermenschlichen findet, da der Begriff lediglich auf ein Ziel des Denkens deutet, das gerade nicht darin bestehen soll, eine neue ‚Gleichheit’ der Individuen unter einer bestimmten Definition zu definieren.

Nationalsozialismus

Die biologistische und immoralistische Seite von Nietzsches Übermenschen-Konzeption bot dem Nationalsozialismus die Möglichkeit, seine Lehre mit der „Herrenmenschen-Ideologie“ im Sinne des nationalsozialistischen Gesellschaftsmodells gleichzusetzen. Nietzsches Ablehnung des Nationalismus wurde von den Nationalsozialisten ignoriert. Maßgeblichen Anteil an dieser Interpretation hatte vor allem Nietzsches Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche, die, im Gegensatz zu Nietzsche selbst, in einem Naheverhältnis zu national-völkischen Kreisen stand.

Fiktion

Der amerikanische Schriftsteller Jack London schrieb seine Romane Der Seewolf und Martin Eden mit der Intention, das Übermenschen-Ideal und Nietzsches individualistische Philosophie zu kritisieren.[9]

Das Wort „Übermensch“ (in der englischen Übersetzung superman) inspirierte die Amerikaner Jerry Siegel und Joe Shuster zu ihrer berühmten Comicfigur gleichen Namens, die jedoch inhaltlich nichts mit Nietzsches philosophisches Konzept zu tun hat: Der Superman der Comics ist ein menschlich wirkender Außerirdischer, der zwar übermenschliche Körperkräfte und phantastische Fähigkeiten besitzt, aber vehement traditionelle moralische Werte verteidigt, vor allem den Schutz der Schwachen vor Schurken und Katastrophen. Er ist also gerade nicht jenseits von gut und böse im Sinne des Nihilismus. Im Januar 1933 erschien von Siegel und Shuster eine Kurzgeschichte mit dem Titel The Reign of the Superman (dt. Die Herrschaft des Übermenschen) im Fanzine Science Fiction: The Advance Guard of Future Civilization. In dieser ursprünglichen Version ist Superman kein Superheld, sondern ein glatzköpfiger Bösewicht, und ähnelt damit in Erscheinung und Ambitionen eher Lex Luthor[10], dem Gegenspieler des späteren Comichelden Superman: Er plant, mit Hilfe seiner übermenschlichen mentalen Fähigkeiten die Herrschaft über die Menschheit zu erlangen.

Der Ausspruch „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker“ (nach Götzen-Dämmerung, Sprüche 8, KSA 6, 60) ist das Motto von John Milius' Film Conan the Barbarian (dt. Conan der Barbar, USA 1981).[11]

Fantasy und der Science-Fiction handelt immer wieder von Übermenschen, verstanden als menschliche Wesen mit übermenschlichen körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Ein frühes Beispiel ist etwa im Roman Slan von A. E. von Vogt zu finden. Gerade in der amerikanischen Comicliteratur herrscht dabei im Gegensatz zu Nietzsche ein moralisches Erzählmotiv vor, wonach die große Macht solcher Wesen auch große Verantwortung für andere Menschen mit sich bringen muss. Ein entsprechender Ausspruch wurde durch den Comicautoren Stan Lee populär gemacht. Innerhalb der Geschichte werden oft Kunstworte eingeführt, um diese Wesen von gewöhnlichen Menschen abzugrenzen etwa Metamensch oder Metawesen (oft kurz Meta).[12] Ursachen für das Auftreten von Personen mit besonderen Fähigkeiten sind dabei manchmal außerirdische Herkunft (z. B. Superman), medizinische Versuche (z. B. der Grüne Kobold), Unfälle (z. B. The Flash), Einwirkung von Göttern (z. B. Wonder Woman), Zucht (z. B. der Kwisatz Haderach aus den Dune-Romanen) oder auch Mutation (z. B. die X-Men; als Homo Sapiens Superior bilden sie eine eigene Art der Gattung Homo).

Albert Schweitzer

Albert Schweitzer hat den Begriff des Übermenschen in seiner Auseinandersetzung mit der Kulturphilosophie in den 1920er Jahren benutzt, um sich kritisch gegen die menschliche Hybris insbesondere beim Einsatz von Großtechnologien zu wenden:

„Macht über die Kräfte der Natur ist eine Errungenschaft der zur Ausbildung gekommenen Kultur. Der Kulturmensch, der sie erworben hat, kann sie gebrauchen. Daß aber der Neoprimitive von der Kultur das Geistige verwirft und das durch das Geistige geschaffene Materielle beibehält und also in primitiver Mentalität, als verstünde sich dies von selbst, über die von Kulturmenschen erworbene Übermenschen-Macht verfügen will, ist etwas Ungeheuerliches. […] Das ist, wie wenn man das Steuer eines Ozeandampfers einem, der einen Einbaum lenkte, anvertrauen wollte, einem, der seinen mit einem kleinen Segel ausgestatteten Einbaum lenkte.[13]

In seiner Nobelpreisrede im Jahr 1954 hat er den Begriff nochmals in gleicher Weise eingesetzt:

„Der Übermensch leidet aber an einer verhängnisvollen geistigen Unvollkommenheit. Er bringt die übermenschliche Vernünftigkeit, die dem Besitz übermenschlicher Macht entsprechen sollte, nicht auf. […] Was uns eigentlich zu Bewußtsein kommen sollte und schon längst zuvor hätte kommen sollen, ist dies, daß wir als Übermenschen Unmenschen geworden sind.[14]

Der spirituelle Übermensch bei Sri Aurobindo

In der Evolutionsphilosophie Sri Aurobindos (1872–1950) ist der Mensch ein Übergangswesen, bei dem die Entwicklung nicht stehen bleiben wird. Einen vergleichbaren Gedanken finden wir heute im „Pop-akademischen Diskurs“, wo seit einigen Jahren von einem „Anthropozän“ gesprochen wird.[15] Allerdings hält Sri Aurobindo es für einen großen Fehler, im Hinblick auf eine zukünftige Entwicklung den Menschen bloß linear fortzudenken, d. h. als weiterhin mentales Wesen mit gesteigerten Fähigkeiten, oder gar als dominanten Herrenmenschen.

Vielmehr solle der Mensch durch einen Bewusstseinswandel über sich und sein mentales Denken hinauswachsen und über mehrere Zwischenstufen ein „supramentales“ Wahrheitsbewusstsein erreichen, das er auch "Gnosis" nennt. Dieser "Aufstieg" wird ergänzt durch eine seelische Entwicklung, d. h. eine intensive Verbindung zur Herzebene, die sicherstellt, dass das neue Wesen Werten der Liebe, Harmonie, Schönheit und Wahrheit verbunden ist. Sri Aurobindo glaubt, dass die Evolution in einem langfristigen Prozess unweigerlich in Richtung auf dieses ganzheitliche Bewusstsein fortschreiten werde, wobei der Mensch mittels des integralen Yoga die Möglichkeit habe, die individuelle und kollektive Entwicklung zu beschleunigen.[16]

Sri Aurobindo war gut vertraut mit Nietzsches Schriften und würdigt den mutigen Ansatz des deutschen Philosophen, über den Menschen hinaus zu denken. Er bescheinigt ihm, dass er einige brillante Intuitionen hatte, grenzt sich jedoch deutlich ab von allen Gedanken, die in Richtung Asura, Herrenmensch, führen. Sein Superman soll ein Wesen der Liebe sein, das – frei von Ego – im Einklang mit der höchsten Wahrheit handelt.[17]

Siehe auch

Literatur

  • Manuel Knoll: The Übermensch as Social and Political Task: A Study in the Continuity of Nietzsche’s Political Thought, in: Manuel Knoll/ Barry Stocker (Hg.): Nietzsche as Political Philosopher, Berlin/Boston 2014, S. 239–266.
  •  Rüdiger Safranski: Nietzsche. Biographie seines Denkens. Carl Hanser, München/Wien 2000, ISBN 3-446-19938-1, S. 267ff.
  • Carsten Schmieder: Contra culturam: Nietzsche und der Übermensch, in: A.U. Sommer (Hg.), Nietzsche – Philosoph der Kultur(en)?, Verlag W. de Gruyter, Berlin, New York 2008, S. 97–102 ISBN 978-3-11-020130-7
  • Wilfried Huchzermeyer: Der Übermensch bei Friedrich Nietzsche und Sri Aurobindo. Hinder + Deelmann, Gladenbach 1986, ISBN 3-87348-123-5
  • Pierre Kynast: Friedrich Nietzsches Übermensch. Eine philosophische Einlassung. pkp Verlag, Leuna 2013, ISBN 978-3-943519-04-4
  • Ernst Benz (Hrsg.): Der Übermensch. Eine Diskussion. Rhein-Verlag, Zürich 1961
  • Georg Römpp: Nietzsche leicht gemacht, UTB 3718, Köln/Weimar 2013, ISBN 978-3-8252-3718-9

Weblinks

 Wiktionary: Übermensch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Siehe auch: danteworlds.laits.utexas.edu, abgerufen am 22. Februar 2015, 20:57.
  2. Hartmut Köhler (Übers. u. Komm.): „La Commedia / Die Göttliche Komödie III. Paradiso / Paradies“, Stuttgart 2012, S. 21–25, ISBN 978-3-15-010796-6.
  3. Walter Kaufmann: Nietzsche. Philosoph, Psychologe, Antichrist. Übersetzt von Jörg Salaquarda. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1982, ISBN 3-534-08769-0, S. 359
  4. Vgl. hierzu Rainer Buck: Fjodor M. Dostojewski: Sträfling, Spieler, Seelenforscher, B&S 2013, S. 67; Fedor Dostojewski: Schuld und Sühne, Aufbau Verlag, 1956, Nachwort.
  5. Theodor Fontane: Der Stechlin [1897], mit einem Nachwort von Walter Müller-Seidel, Insel, Frankfurt 1975, S. 347
  6. Primus-Heinz Kucher, Verdrängte Moderne – vergessene Avantgarde: Diskurskonstellationen zwischen Literatur, Theater, Kunst und Musik in Österreich 1918–1938, Vandenhoeck & Ruprecht 2015, S. 68
  7. Jugendschriften, dtv, München 1994, Band 2, Seite 10.
  8. Zusammenfassend dargestellt bei Georg Römpp, „Nietzsche leicht gemacht“, UTB 3718, Köln/Weimar 2013
  9. Patrick Bridgwater: Nietzsche in Anglosaxony. A Study of Nietzsche's Impact on English and American Literature. Leicester University Press, S. 167–169
  10. Joe Sergi, The Law for Comic Book Creators: Essential Concepts and Applications, McFarland 2015, S. 193
  11. Henning Ottmann: Nietzsche-Handbuch: Leben, Werk, Wirkung, Metzler, 2000, S. 435.
  12. Siehe z. B. Futures End – Das Ende aller Zeiten #2, Panini Comics, Stuttgart 2015
  13. Albert Schweitzer: Kulturphilosophie III (KPh III). Vier Teile. Dokumentationsabschrift von Johann Zürcher. Einsehbar im Schweitzer-Zentralarchiv Gunsbach/Elsaß, 138, zitiert nach: Claus Günzler: Albert Schweitzer. Einführung in sein Denken, Beck, München 1996, S. 43–44.
  14. Albert Schweitzer: Aus meiner Kindheit und Jugendzeit. Beck, München 1991, S. 119–120.
  15. Siehe "Der Spiegel", Nr. 14/31.3.2018, S. 118: "Das Anthropozän bezeichnet das Zeitalter des Menschen. Indem der Mensch aber sein eigenes Zeitalter bekommt…, denkt er sein Ende schon mit." (Die Formulierung "Pop-akademischer Diskurs" wurde ebenfalls dem Artikel entnommen.)
  16. Wilfried Huchzermeyer, Sri Aurobindo und die europäische Philosophie, Karlsruhe 2015, S. 11–13. Siehe insbes. auch "Superman in Sri Aurobindos Hauptwerken", S. 108–111.
  17. Sri Aurobindo und die europäische Philosophie, S. 106–108


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