Numerologie und Übermensch: Unterschied zwischen den Seiten

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Unter '''Numerologie''' ([[Latein|lat.]] ''{{lang|la|numerus}}'' „Zahl“ und [[Wikipedia:-logie|-logie]]), '''Zahlenmystik''' oder '''Zahlensymbolik''' versteht man die Überzeugung, dass [[Zahl]]en und Kombinationen aus Zahlen außer ihrer mathematischen Funktion eine weiterreichende [[Symbol|sinnbildliche]] bzw. [[wesen]]hafte Bedeutung zukommt.
'''Übermensch''' ({{ELSalt|υπεράνθρωπος}} ''Hyperánthropos''; [[lat.]] ''{{lang|la|homo superior}}'') ist ein Begriff aus dem [[Philosophie|philosophischen Denken]]. Als Übermensch wird ein „Idealmensch“ bezeichnet, der über das gewöhnliche Leben eines als normal und meist negativ bewerteten Menschen hinausgewachsen ist oder hinausstrebt. Die weitaus bekannteste ''Übermensch''-Konzeption stammt von [[Friedrich Nietzsche]].


Als Grundlage der Numerologie können u. a. zahlreiche aus der Natur abgeleitete kulturelle oder religiöse Bedeutungen von Zahlen betrachtet werden, z. B. die [[Wikipedia:7-Tage-Woche|sieben Tage der Woche]] (aus den [[Wikipedia:Mondphase|Mondphase]]n abgeleitet), die [[Siebenjahresperioden|Lebenjahrsiebte]] (menschliche Entwicklung) oder die zwölf Monate von den [[Tierkreiszeichen|12 Sternbildern]] des [[Tierkreis]]es. Die Zahl Zehn hat für den Menschen schon aufgrund der Anzahl der Finger eine grundsätzliche Bedeutung (z. B. als primitive Zählmethode oder beim [[Wikipedia:Dezimalsystem|Dezimalsystem]]).
== Begriffsgeschichte ==
Die früheste Prägung des Wortes ''Übermensch'' ist als „hyperanthropos“ bekannt und wurde schon im 1. Jahrhundert v. Chr. von [[w:Dionysios von Halikarnassos|Dionysios von Halikarnassos]] benutzt. [[w:Lukian von Samosata|Lukian]] verwendete im 2. Jahrhundert n. Chr. den Begriff, allerdings zum Spott auf die großen Herren der Welt, die im Totenreich auf ihre natürliche Größe zurechtgestutzt würden. In deutscher Sprache tauchte der ''Übermensch'' erstmals bei Hermann Rab, [[w:Provinzial|Provinzial]] der sächsischen Dominikanerprovinz, 1527 in einem Brief auf, wo er so etwas wie ein Schimpfwort für [[Lutheraner]]“ ist.


== Griechische Zahlensymbolik ==
Der Übermensch spielt in [[Dante Alighieri|Dantes]] ''[[Göttliche Komödie]]'' eine zentrale Rolle. Das [[Hapax legomenon]] ''transumanar'' (Wortschöpfung Dantes, aus [[lat]]. ''trans'', „hindurch“, „über … hinweg“ und ''umano'', „menschlich“, als [[Verb]]um (hier) jedoch das „Übermenschlichen“) wird besonders im Paradiso (erwähnt in Canto I, 70) zu einem Hauptmotiv. Analogien lassen sich in der verhängnisvollen Vergöttlichung des [[Glaukos (Meeresgott)|Glaukos]] finden. In [[Ovid]]s ''[[Metamorphosen (Ovid)|Metamorphosen]]'' (7, 219; 13, 898 - 14, 74) war Glaukos ein sterblicher Fischer, der durch Zufall ein magisches Kraut entdeckte, das ihn durch Verzehr unsterblich machte. Allerdings wuchsen ihm Brust- und Schwanzflossen, die Arme und Beine bildeten sich zurück. Dies zwang ihn, für immer im Meer zu leben.<ref>Siehe auch: [//danteworlds.laits.utexas.edu/textpopup/par0101.html ''danteworlds.laits.utexas.edu''], abgerufen am 22. Februar 2015, 20:57.</ref> In Dantes Werk bedeutet das Übermenschliche nichts weniger als „den Status des Menschen, seine Daseinsbedingungen hinter sich zu lassen, auf dem Wege zum Göttlichen.“ Konkret bedeutet das aber, dass der normale Mensch (im Gegensatz zu dem Wanderer Dante) dieses Übermenschlichen nicht im Diesseits, sondern erst im Jenseits erleben wird.<ref>Hartmut Köhler (Übers. u. Komm.): „La Commedia / Die Göttliche Komödie III. Paradiso / Paradies“, Stuttgart 2012, S. 21–25, ISBN 978-3-15-010796-6.</ref>


Schon [[Pythagoras von Samos]] formulierte Gedanken zur Numerologie.
[[Datei:Faust und Erdgeist, Illustration von Goethe.jpg|mini|hochkant|„Geschäftiger Geist, wie nah fühl ich mich Dir!“ ([[Faust. Eine Tragödie.|Faust]], Illustration von [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]])]]
*[[eins]]: [[Gott]], [[Sonne]], [[Mann]], Grundlage aller Zahlen
Angeregt wurde Dante sicherlich von Schriften des [[Pseudo-Dionysius Areopagita]] (besonders die in lateinischen Übersetzungen häufig vorkommenden Ausdrücke ''super hominem'', ''ultra hominum modum'', ''superhumanus''), aber auch [[Thomas von Aquin]], [[Augustinus von Hippo|Augustinus]] und schon [[Matthäus (Evangelist)|Matthäus]] könnten sprachliche Anstöße gegeben haben. Bei [[w:Lukian von Samosata|Lukian]] noch heidnisch, wurde der Begriff „Übermensch“ erstmals in christlichem Sinne vom Propheten Montanus (gest. 178) verwendet. Schon [[w:Ernst Benz|Ernst Benz]] legte ausführlich dar, dass der Terminus „Übermensch“ in der Theologie der Kirche weit entwickelt war, Jahrhunderte vor der Verbreitung von [[Friedrich Nietzsche|Nietzsches]] antichristlichem Pathos.
*[[zwei]]: [[Teufel]], [[Mond]], [[Frau]]
*[[drei]]: Versöhnung von Gegensätzen, Gott [[Zeus]]
*[[vier]]: [[Materie]], Gott [[Uranos]]
*[[fünf]]: [[Sinnlichkeit]], Männlichkeit, [[Sexualität]], Gott [[Hermes]]
*[[sechs]]: [[Ehe]], [[Harmonie]], Göttin [[Aphrodite]]
*[[sieben]]: [[Geburt]], [[Tod]], [[Magie]], Gott [[Poseidon]]
*[[acht]]: [[materiell]]e [[Welt]], Gerechtigkeit, Gott [[Kronos]]
*[[neun]]: [[Geist]], Gott [[Ares]]
*[[zehn]]: [[Vollkommenheit]]


== Biblische Zahlensymbolik ==
Vom ''Übermenschen'' sprachen, jeweils mit unterschiedlichem Bedeutungsinhalt, unter anderem der Theologe [[w:Heinrich Müller (Theologe, 1631)|Heinrich Müller]] in dem Werk ''Geistliche Erquickungsstunden'' (1664),<ref>Walter Kaufmann: ''Nietzsche. Philosoph, Psychologe, Antichrist''. Übersetzt von Jörg Salaquarda. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1982, ISBN 3-534-08769-0, S.&nbsp;359</ref> [[Johann Gottfried von Herder]] und der indische Philosoph [[Sri Aurobindo]]. [[Johann Wolfgang von Goethe]] gebrauchte den Ausdruck, wiederum in spöttischem Sinn, in seiner Tragödie [[Faust. Eine Tragödie|''Faust I'']]: „Welch erbärmlich Grauen fasst Übermenschen dich!“ sagt der [[Erdgeist]]. Faust sei eigentlich nur „ein furchtsam weggekrümmter Wurm“. Im Gedicht ''Zueignung'' schreibt Goethe:
In der [[Wikipedia:Bibel|Bibel]] erscheinen die Zahlen 1, 2, 3, 4, 6, 7, 8, 10, 12, 13 und ihren Vielfachen oft mit symbolischer Bedeutung.
*[[eins]]: Einzigartigkeit, z.&nbsp;B. in Bezug auf Gott ([[Wikipedia:5. Buch Mose|5. Mose]] 6,4), Einmaligkeit (Jesaja 42,8), Einigkeit (Johannes 10,30; 17,21; Galater 3,28), z.B. auch in der Ehe (1. Mose 2,24; Matthäus 19,6; Epheser 5,28-32)
*[[zwei]]: Bei Rechtsbestimmungen zwei Zeugen zur Bekräftigung (5. Mose 17,6; 19,15; Matthäus 18,16; Johannes 8,17f; 2. Korinther 13,1; 1. Timotheus 5,19; Hebräer 10,28). Wiederholung zur Erhöhung des Wahrheitsgehalts (1. Mose 41,32; Matthäus 8,28; 9,27; 20,30).
*[[drei]]: Höhere Eindringlichkeit als bei Zwei. Im Sinne von „ganz bestimmt, sicherlich“ (Prediger 4,12; Matthäus 26,34;26,75; Johannes 21,15-17).<ref>Noch heute wünschen jüdische Volksangehörige dem Erwachsenen bei dessen Geburtstag ''dreimal vierzig Jahre''.</ref> Jesus wird nach drei Tagen auferstehen (Markus 8,31). Zur Unterstreichung werden Aussagen dreimal wiederholt (Jesaja 6,3; Offenbarung 4,8; 8,13). In nachbiblischer Zeit auch auf die [[Dreifaltigkeit]] aus Gott dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist angewendet.
*[[vier]]: In alle oder von allen vier Himmelsrichtungen. Den „ganzen“ Erdkreis betreffend (Matthäus 24,31; Offenbarung 7,1). Anzahl der Evangelien im [[Wikipedia:Neues_Testament|Neuen Testament]].
*[[sechs]]: Deutet auf Unvollkommenheit und Unzulänglichkeit hin. Typisch für diese „gefallene“ Welt und Zeit (2. Mose 21,2; 4. Mose 35,15). Zahl des gegen Gott und sein Volk rebellierenden – die Sieben nicht erfüllen wollenden – Menschen (2. Samuel 21 und 22).
*[[sieben]]: Vollkommenheit, Vollständigkeit, nach der Weisheit Gottes, aber auch die sieben [[Todsünde]]n. Schöpfungswoche mit dem siebten Tag als besonderem Ruhetag [[Sabbat]] = Samstag. Das Fest der [[Wikipedia:Pessach|ungesäuerten Brote]] und das [[Wikipedia:Sukkot|Laubhüttenfest]] dauerten je sieben Tage (2. Mose 34,18; 3. Mose 23,34). Bezug auf Zahl sieben oft vorkommend im [[Johannesevangelium]] und in der [[Offenbarung des Johannes|Offenbarung]].
*[[acht]]: Ein Neuanfang wird gemacht. Acht Menschen werden mit der Arche gerettet (1. Petrus 3,20). Am achten Tag wird beschnitten (3. Mose 12,3). Am achten Tag nach Beginn der Monatsblutung gilt die verheiratete, jüdische Frau wieder als rein (3. Mose 15). Das Chanukka-Fest (Tempelweihe genannt in Johannes 10,22) dauert acht Tage.
*[[zehn]]: Repräsentiert alle. [[Gebot]]e, Plagen (2. Mose 10f), Aussätzige (Lukas 17), Jungfrauen (Matthäus 25), etc.
*[[zwölf]] ([[zwölf Stämme Israels]]): Setzt sich zusammen aus 3 x 4. Die Drei steht für „sicherlich, gewiss“. Die Vier steht für „in alle Himmelsrichtungen“, das „ganze Land“, der „ganze Erdkreis“. Also: Die Nachkommen Jakobs werden ganz gewiss das ganze Land füllen (vgl. 1. Mose 28,13-14). Manche Aussagen der Bibel leiten sich von diesen 12 Stämmen ab: 12 [[Apostel|Apostel Jesu]], die Zahl 144.000 (Offenbarung 7), etc.
*[[dreizehn]]: dreizehn Eigenschaften Gottes (2. Moses 34)<ref>Hermann Brandt:''[http://www.ein-plan.de/ewf/text/evReli_5_Religionswissenschaft_Judentum.pdf Das Judentum.]'' Vorlesungsmitschrift Wintersemester 2002/2003,  
Erziehungswissenschaftliche Fakultät der [[Wikipedia:Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg|Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg]], S. 26</ref> . Nachbiblisch als [[Teufel|Teuflische]] Zahl verstanden, entstanden aus der Störung der Zahl zwölf, die das göttliche [[Gleichgewicht]] darstellt. Im Mittelalter eine Glückszahl: die zwölf mit Jesus um den Abendmahlstisch versammelten Jünger plus Jesus als der Dreizehnte. Zahl der Vollkommenheit.
*[[vierzig]]: Vierzig Jahre entsprechen ungefähr der Dauer einer Generation des Menschen. Von daher hat die Zahl wohl eine große Bedeutung erlangt. Neben dem numerischen Zahlenwert bedeutet die Zahl „viele“ bzw. eine „große Anzahl“. 40 Söhne (Richter 12,14). 40 Jahre in der [[Wikipedia:Wüste|Wüste]] nach dem Auszug aus [[Wikipedia:Ägypten|Ägypten]]. Das Land hatte 40 Jahre Ruhe (Richter 3,11;5,31;8,28). 40 Tage Versuchung Jesu in der Wüste. Vierzig Tage sind oft eine spezielle Vorbereitungszeit für Menschen: Mose war 40 Tage auf dem Berg (2. Mose 24,18), Elia war 40 Tage unterwegs, um Gott am Horeb zu begegnen (1. Könige 19,8), Jona verkündigte den Bewohnern von Ninive eine 40-Tage-Frist (Jona 3,4), Jesus zeigte sich nach der Auferstehung vierzig Tage seinen Jüngern (Apostelgeschichte 1,3). Meist ist die Vierzig der numerische Wert für eine Anbahnungs- oder Läuterungszeit bis ein konkretes göttliches Wirken auftritt, sie dient aber auch als Merkmal für eine von Gott gewährte Gnade.
*[[sechsundvierzig]]: Die Bauzeit von 46 Jahren in Johannes 2,20 ist wohl als symbolische Zahl zu verstehen.
*[[fünfzig]]: Es unterstreicht die Zahl fünfzig in bestimmten Fällen den Beginn eines neuen Abschnittes. Das hebräisch-jüdische Jobeljahr ([[Jubeljahr]]): Jedes fünfzigste Jahr soll die Freilassung für alle Bewohner des Landes ausgerufen werden (3. Mose 25,10). Fünfzig Tage nach dem Auszug aus Ägypten erhielten die Israeliten die 10 Gebote, und sie erneuerten den Bund mit Gott. Daran erinnert das [[Wikipedia:Schawuot|Schawuot]]-Fest. Ebenfalls an einem Schawuot-Fest ([[Pfingsten]]) wurde der Heilige Geist ausgegossen. Dieses Ereignis markierte den Beginn der Mission der [[Apostel]] (Apostelgeschichte 2).
*[[siebzig]]: Nach hebräisch-jüdischer Tradition gibt es 70 Völker (1. Mose 10); dementsprechend sandte Jesus 70 bzw. 72 [[Jünger]] aus (Lukas 10,1). Alle Seelen des Hauses Jakob, die nach Ägypten kamen, waren 70 (1. Mose 46,27). Mose setzte 70 Älteste ein (4. Mose 11,16). Der [[Wikipedia:Sanhedrin|Sanhedrin]] umfasste 70 Ratsmitglieder plus den Vorsitzenden.
*[[sechshundertsechsundsechzig]]: Die Zahl [[sechs]] steht für den gegen Gott rebellierenden Menschen in dieser Zeit und Welt (2. Samuel 21 und 22). In der Zahl 666 nach Offenbarung 13,18 ist die Zahl 6 in dreifacher Steigerung enthalten. Der Text betont, es sei eines Menschen Zahl. Die dreimalige Erwähnung der Zahl 6 will sagen: ohne Zweifel der absolute Gegner Gottes und seines Gesalbten. (Hinweis: Es gibt jedoch auch andere Erklärungsansätze zur Zahl 666).
*[[Hundertvierundvierzigtausend|144.000]]: Die Anzahl der „versiegelten“ Israeliten in der [[Offenbarung_des_Johannes|Offenbarung]]. Setzt sich zusammen aus (3x4) x 12 x (10x10x10). Will unterstreichen: 3 = ganz gewiss; 4 = vom ganzen Erdkreis; 12 = alle erwählten Stämme; 10x10x10 = ganz gewiss alle, die das Kriterium für die Erwählung erfüllen.


Teils scheinen diese Zahlen nachträglich, an- bzw. eingepasst worden zu sein. Die unterlegte Botschaft dieser Zahlen bekräftigt die Aussagen der jeweiligen Texte und Erzählungen, so im [[Wikipedia:Buch Daniel|Buch Daniel]], im [[Johannesevangelium]] und in der [[Offenbarung des Johannes]].
<poem>
: ''Kaum bist du Herr vom ersten Kinderwillen,''
: ''So glaubst du dich schon Übermensch genug,''
: ''Versäumst die Pflicht des Mannes zu erfüllen!''
: ''Wie viel bist du von andern unterschieden?''
: ''Erkenne dich, leb' mit der Welt in Frieden!''
</poem>


== Babylonische Zahlensymbolik ==
Im Roman ''[[Schuld und Sühne]]'' (1866) des russischen Schriftstellers [[Dostojewski]] ist die Vorstellung der Hauptfigur Raskolnikow Vorläuferin der Idee von Nietzsche von einem zur Herrschaft berufenen „Übermenschen“. Raskolnikow, der davon träumt, ein Napoleon zu werden, hat sich einer Selbsttäuschung hingegeben. Er zerbricht an dem Versuch, als Übermensch die Funktion Gottes mit zu übernehmen, über Gut und Böse zu entscheiden. „Der wahre Meister“ des Verbrechens sei [[Napoleon]], erkennt er an: „Ich bin genauso eine Laus wie die andere.“ Dostojewski verurteilte also das Gefühl der Macht und das individualistische Prinzip.<ref>Vgl. hierzu Rainer Buck: ''Fjodor M. Dostojewski: Sträfling, Spieler, Seelenforscher'', B&S 2013, [https://books.google.fr/books?id=bFBqAwAAQBAJ&pg=PT67&dq S. 67]; Fedor Dostojewski: ''Schuld und Sühne'', Aufbau Verlag, 1956, [http://gutenberg.spiegel.de/buch/schuld-und-suhne-2100/40 Nachwort.]</ref>
Für altorientalische Religionen wie z.&nbsp;B. in [[Babylon]] haben Zahlen eine mystische Bedeutung. Bestimmte Zahlen entsprechen dem Einfluss der Gestirne und Konstellationen
*[[eins]]: Ist das Zeichen für Einheit.
*[[zwei]]: Ist das Zeichen für die Zweiteilung des [[Weltall]]s, oben und unten; auch [[Mond]] und [[Sonne]], [[Winter]] und [[Sommer]] wurden damit in Verbindung gebracht.
*[[drei]]: Entspringt der Dreiteilung des [[Universum|Kosmos]] in drei Sphären der [[Fixstern]]e; ebenso Dreiteilung des irdischen Alls in Lufthimmel, Erde und Ozean. Auch die Trias Vater, Mutter, Sohn ([[En-Ki]], [[Nin-Hur-Sanga]], [[Marduk]]) lässt sich damit in Verbindung bringen.
*[[vier]]: Die vier Weltecken, vier Weltrichtungen, vier Winde, vier Jahreszeiten, vier Phasen des Mondes usw. stehen damit in Zusammenhang.
*[[fünf]]: Das mystische [[Pentagramm]] entstand durch Hinzuziehen der [[Venus (Planet)|Venus]] als 5. Dimension zu den Planeten der vier Weltecken. Die Woche von fünf Tagen, die kosmischen Türme von fünf Stufen sind zu identifizieren.
*[[sechs]]: Zahl des [[Adad|Hadad]]. Sechs Doppelmonate, sechs Weltalter zuweilen wird das Sonnenrad mit sechs Strahlen dargestellt.
*[[sieben]]: Zahl der Gestirne (Sonne, Mond, Planeten Merkur-Jupiter), sieben kosmische Türme mit sieben Stufen, sieben Locken des [[Gilgamesch]], sieben Zweige des Lebensbaums, sieben [[Plejaden]], sieben Hauptsterne am großen Himmelswagen, sieben Namen des [[Mars (Mythologie)|Mars]], sieben Wochentage mit Hervorhebung des 7. als Unglückstag. Sieben Tage steigt die babylonische Flut, sieben Tage fällt die Flut, sieben Sühneriten, Schlange mit sieben Köpfen oder sieben Zungen. Sieben Tore hat die Unterwelt in der Höllenfahrt der [[Ischtar|Ištar]].  
*[[acht]]: Ist die Zahl der Ištar-Venus. Sie wird durch ein 8-strahliges Zeichen dargestellt, verdreifacht bedeutet das Zeichen „Stern“. Acht Richtungen der Windrose, acht Speichen des Glücksrades, acht Tore hat ein Bauwerk [[Sanherib]]s.
*[[neun]]: Hervorgehoben in bestimmten Kalendersystemen, zerlegt in 3 x 3; multipliziert mit 3 ergibt den Tag, an dem sich Mond und Sonne die Bestimmung teilen (27).
*[[zehn]]: Zahl des [[Marduk]].
*[[elf]]: Die elf Strahlen Marduks, elfsaitige Harfe aus Telloh.
*[[zwölf]]: Zahl des [[Nergal]]. Grundlage des Duodezimalsystems (5 + 7; 5 x 12). Der zwölfjährige Umlauf des [[Jupiter (Planet)|Jupiter]], Zwölfteilung des [[Tierkreis]]es, 12 Doppelstunden für den Tag. 12 [[Schaubrote]] in den Ritualtafeln, bisweilen auch die Zahl des babylonischen Olymp.
*[[dreizehn]]: Die 13 gehört zur Zwölf. Galt als [[Glückszahl]] durch (12 + 1) Götterpaare.
*[[vierzehn]]: Zahl der bösen [[Dämon]]en. Verdoppelung der Sieben. Vierzehn Tore hat die Unterwelt in der Legende, vierzehn Nothelfer begleiten [[Nergal]] in die Unterwelt. Siehe aber auch die christlichen heiligen [[Vierzehn Nothelfer]] in positiver Bedeutung.
*[[fünfzehn]]: Zahl der Ištar. Ruhetag im Mondlauf, Vollmondstag, [[Nebukadnezar]] baut in 15 Tagen seinen Palast. [[Niniveh]], Stadt der Ištar  hat 15 Tore.
*[[siebenundzwanzig]]: jeden 27. Tag treffen sich Mond und Sonne, um ihre Bestimmung zu teilen.
*[[fünfzig]]: 50 Ehrennamen des Marduk, 50 Tempel.
*[[siebzig]]: Zahl des vollendeten Kreislaufs.
*[[zweiundsiebzig]]: 72 Älteste;  Sonnenrechnung (5 x 72 = 360);  [[Präzession]]szahl (in 72 Jahren wandert der Frühlingspunkt um 1 Grad).
*[[dreihundertsechzig]]: Rundzahl des Jahres. 30 x 12 Brote aus Weizenmehl werden beim Tempelbau-Ritus aufgelegt.


== Chinesische Zahlensymbolik ==
Kritisch verarbeitet [[Theodor Fontane]] den Begriff in seinem Roman ''[[Der Stechlin (Roman)|Der Stechlin]]'' (1897), wo der alte Stechlin sagt: „Jetzt hat man statt des wirklichen Menschen den sogenannten Übermenschen etabliert; eigentlich gibt es aber bloß noch [[Untermensch]]en, und mitunter sind es gerade die, die man durchaus zu einem ‚Über‘ machen will. Ich habe von solchen Leuten gelesen und auch welche gesehn. Ein Glück, daß es, nach meiner Wahrnehmung, immer entschieden komische Figuren sind, sonst könnte man verzweifeln.“<ref>Theodor Fontane: ''Der Stechlin'' [1897], mit einem Nachwort von Walter Müller-Seidel, Insel, Frankfurt 1975, S.&nbsp;347</ref>
''Hauptartikel: [[Chinesische Zahlen #Zahlensymbolik|Chinesische Zahlensymbolik]]


Eine zentrale Rolle spielt(e) die Numerologie auch im alten wie modernen [[China]]. Von besonderer Bedeutung sind etwa die 3 als Grundlage zahlreicher Triaden, die fünf, die acht, sowie schließlich die 12 als Determinante des [[Chinesischer Kalender|Kalenders]] wie des [[Chinesischer Tierkreis|Tierkreises]].
== Friedrich Nietzsche ==
Aus Sicht [[Friedrich Nietzsche]]s ist es die Aufgabe des Menschen, einen Typus hervorzubringen, der höher entwickelt ist als er selbst.<ref>Primus-Heinz Kucher, ''Verdrängte Moderne – vergessene Avantgarde: Diskurskonstellationen zwischen Literatur, Theater, Kunst und Musik in Österreich 1918–1938'', Vandenhoeck & Ruprecht 2015, S. 68</ref> Diesen dem Menschen überlegenen Menschen nennt Nietzsche den ''Übermenschen'', ein Begriff, welcher bei Nietzsche sowohl eine geistige als auch eine biologische Bedeutung hat. Nietzsche verwendet den Begriff ''Übermensch'' das erste Mal in seinen Jugendschriften in Bezug auf [[George Gordon Byron|Lord Byron]], der als „geisterbeherrschender Übermensch“ charakterisiert wird.<ref>''Jugendschriften'', dtv, München 1994, Band 2, Seite 10.</ref> In systematischer Weise taucht der Begriff des Übermenschen zuerst in seinem Werk ''[[Also sprach Zarathustra]]'' (1883–85) auf, auch wenn sein Konzept des Übermenschen schon in seinem Werk ''Menschliches, Allzumenschliches'' (1878) teilweise entwickelt ist. Nietzsche übernahm den Terminus vom französischen materialistischen Philosophen [[w:Helvétius|Helvétius]], der vom ''„homme supérieur“'' geschrieben hatte.


== Zahlen im Märchen ==
=== Immoralismus und Biologismus ===
In Märchen werden Zahlen als Symbole mit einer magischen Bedeutung dargestellt. Die Zahlen 3, 7 und 13 haben besonders hervorgehobene Bedeutungen, da sie den Hauptfiguren Glück oder Pech bringen. So ist zum Beispiel in dem Märchen [[Aschenputtel]] von drei Haselnüssen die Rede, denen die Heldin letztendlich ihr Glück verdankt. <!--muss mich nochmal einlesen in das Thema, habe zuviel davon vergessen, kann aber auch gerne anderweitig ergänzt werden.-->
Das Ziel der Menschheit liegt nach Nietzsche nicht in der Zukunft oder im allgemeinen Wohlergehen der derzeit bestehenden Gattung, sondern in den immer wieder auftretenden „höchsten Exemplaren“, eben den Übermenschen. Aus dieser philosophischen Position resultiert seine Ablehnung der „idealistischen“ Interpretation des Übermenschen und die positive Einschätzung gerade von immoralistischen und nach Größe strebenden Machtmenschen wie [[Alkibiades]], [[Julius Cäsar]], [[Cesare Borgia]] oder [[Napoléon Bonaparte]]. So schrieb er in [[Ecce homo (Nietzsche)|Ecce homo]] (1888):


== Zahlen aus Wörtern ==
{{Zitat|Das Wort »Übermensch« zur Bezeichnung eines Typus höchster Wohlgeratenheit, im Gegensatz zu »modernen« Menschen, zu »guten« Menschen, zu Christen und andren Nihilisten –&nbsp;ein Wort, das im Munde eines Zarathustra, des Vernichters der Moral, ein sehr nachdenkliches Wort wird&nbsp;– ist fast überall mit voller Unschuld im Sinn derjenigen Werte verstanden worden, deren Gegensatz in der Figur Zarathustras zur Erscheinung gebracht worden ist: will sagen als »idealistischer« Typus einer höheren Art Mensch, halb »Heiliger«, halb »Genie« … Andres gelehrtes Hornvieh hat mich seinethalben des Darwinismus verdächtigt; selbst der von mir so boshaft abgelehnte »Heroen-Kultus« jenes großen Falschmünzers wider Wissen und Willen, [[Thomas Carlyle|Carlyles]], ist darin wiedererkannt worden. Wem ich ins Ohr flüsterte, er solle sich eher nach einem [[Cesare Borgia]] als nach einem [[Parsifal]] umsehn, der traute seinen Ohren nicht.}}
Unter Numerologie wird auch häufig die Umwandlung von Wörtern in Zahlenwerte verstanden. Hierzu werden  einzelnen Buchstaben Zahlenwerte zugeordnet, die dann gemäß verschiedener Rechenverfahren, die in der Regel die Bildung der [[Quersumme]] beinhalten, in Ergebniszahlen resultieren.


Die Bedeutung dieser Ergebniszahlen wird aus Tabellen entnommen, die an die Bedeutungen des [[Tarot]] erinnern.
Neben dem [[Idealismus]] weist Nietzsche hier auch den Zusammenhang mit dem [[Darwinismus]] zurück. Wie jedoch beispielsweise [[Rüdiger Safranski]] argumentiert, finden sich in Nietzsches Schriften durchaus darwinistisch-biologistische Ansätze, oft verbunden mit Gedanken zur [[Eugenik]]. Bereits im Zarathustra vergleicht Nietzsche die ''Entwicklung'' vom Affen zum Menschen mit der Entwicklung vom Menschen zum Übermenschen. In einem Notizbuch von 1884 schrieb Nietzsche, dass man durch ''Züchtung'' und durch „Vernichtung von Millionen Mißrathener“ den „zukünftigen Menschen“ gestalten soll. In der [[Zur Genealogie der Moral|Genealogie der Moral]] (1887) findet sich der Gedanke, dass die Menschheit als Masse dem Gedeihen einer einzelnen stärkeren ''Species'' Mensch geopfert werden könnte. Ziel sei es, eine Herrenkaste zu züchten, welche zur Herrschaft über Europa berufen sei. Schließlich spricht er in [[Ecce homo (Nietzsche)|Ecce homo]] von der „Partei des Lebens“, welche die ''Höherzüchtung'' des Menschen und die Vernichtung alles „Entartenden“ und „Parasitischen“ in die Hand nimmt. Safranski schließt:
Verfahren zur Namenszahlberechnung sind verbreitet von [[Cheiro]], [[Pythagoras]] (oder "englisch") und [[Herbert Reichstein|Reichstein]].
Ähnlich dem Tageshoroskop existieren auch Zuordnungen von Zahlenwerten zu Kalendertagen.


== Kleine Zahlenmystik aus der Esoterik ==
{{Zitat|Nietzsches Bild vom Übermenschen ist ambivalent, und es verbirgt sich darin ein existenzielles Drama. Der Übermensch repräsentiert einen höheren biologischen Typus, er könnte das Produkt einer zielstrebigen Züchtung sein; er ist aber auch ein Ideal für jeden, der Macht über sich selbst gewinnen und seine Tugenden pflegen und entfalten will, der schöpferisch ist und auf der ganzen Klaviatur des menschlichen Denkvermögens, der Phantasie und Einbildungskraft zu spielen weiß. Der Übermensch realisiert das Vollbild des Menschenmöglichen, und darum ist Nietzsches Übermensch auch eine Antwort auf den Tod Gottes.}}


Es sei hier besonders auf das Werk "Zahlenmystik" von Hartmut Werner verwiesen.
=== Ewige Wiederkunft, Wille zur Macht und Nihilismus ===
Nietzsche verbindet vorerst den Gedanken des ''[[Wille zur Macht|Willens zur Macht]]'' mit seiner Idee der ''[[Ewige Wiederkunft|Ewigen Wiederkunft]]''. Der Gedanke der Ewigen Wiederkunft besagt, dass sich alle Ereignisse im Universum auf ewig wiederholen werden, da es eine unendlich lange Zeit gebe, jedoch eine nur endliche Zahl möglicher Zustände der Welt. Damit sind alle möglichen Zustände bereits eingetreten und der gegenwärtige Zustand stelle eine Wiederholung dar. Alles, was der Mensch erlebt, wurde also von diesem schon unendlich oft erlebt und wird ebenso unendlich oft wieder durchlebt werden. Diesen Gedanken zu denken, ist für Nietzsche ''das Schwerste''. Erst wer fähig ist, ihn zu ertragen, d.&nbsp;h., in die Interpretation des eigenen Lebens zu integrieren, der beweist sich als Übermensch und überwindet somit den [[Nihilismus]] der Ewigen Wiederkunft. In einem Akt der gänzlichen Einverleibung ''identifiziert'' sich der Übermensch mit der Ewigen Wiederkunft.


11 (2) die Zahl der Stärke – die zwei Säulen
Darüber hinaus besitzt der Übermensch auch einen Überschuss an Lebenskraft und Willen zur Macht, was ihn zu besonderer Selbstbeherrschung und Selbstentfaltung befähigt. Er stellt somit eine radikale Lebensbejahung als Gegenentwurf zum [[Nihilismus]] dar. Der Übermensch gilt deshalb als Überwinder des Nihilismus. Er ist der Schöpfer neuer (produktiverer) Werte, die er aus sich selbst bezieht und die anstelle der durch den Nihilismus zuvor zerstörten bzw. verneinten transzendenten Werte ([[Gott]], [[Religion]], ewige und unbezweifelbare [[moral]]ische und [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretische]] [[Dogma|Dogmen]]) nunmehr eine immanente, dem Leben zugewandte und dem Leben dienliche Entsprechung finden.


12 (3) die Zahl von Raum und Zeit – der Tierkreis
Aus dieser Perspektive wäre der Übermensch somit nicht eine neue [[Gattung (Biologie)|Gattung]], welche auf den von Nietzsche sogenannten „Letzten Menschen“ folgt, sondern er geht aus dem einzelnen Menschen hervor, der sich selbst überwunden hat.


:: die 12 Jünger die 12 Doppelstunden
=== Metaphysik-Kritik und der Begriff vom Übermenschen ===
Es bleibt zu ergänzen, dass die neuere philosophische Nietzsche-Interpretation über idealistische, biologistische oder existenzielle Tendenzen hinaus den Begriff des Übermenschen in den Zusammenhang von Nietzsches ''Erkenntnis- und Metaphysikkritik'' stellt.<ref>Zusammenfassend dargestellt bei Georg Römpp, „Nietzsche leicht gemacht“, UTB 3718, Köln/Weimar 2013</ref> Demnach ist Nietzsches ganze Philosophie aus dem Blickwinkel seiner fundamentalen Kritik am „Allgemeinen“ zu verstehen. Demgegenüber wollte er das „Individuelle“ geltend machen, das in unserer vorherrschend platonisch geprägten Kultur des Denkens, in der Philosophie, den Wissenschaften und in der Ethik tendenziell ausgeklammert wird; dies war auch schon die Grundlage von Nietzsches Moralkritik, denn in seiner Sichtweise stellt die verallgemeinernde Ethik Handlungen, Verhalten und Motive als „gleich“ dar, die in Wahrheit nicht gleich sind, d.&nbsp;h., sie unterdrückt gewaltsam das, was nach Nietzsche – einzig wirklich ist, nämlich das Individuelle. Nietzsche stellt also einem historischen Empirismus einen – freilich ebenfalls radikal übersteigerten – Individualismus gegenüber.


:: die 12 Dimensionen
Analog lässt sich der Begriff des Übermenschen verstehen als der Entwurf einer gedanklichen Welt, in dem menschliche ''Individuen'' nicht mehr unter ''allgemeinen'' und gleichmachenden Begriffen wie eben ‚Mensch’ verstanden werden müssen. Nietzsches Kritik lautet also, Individuen unter einen schematischen Begriff wie ‚Mensch’ zu subsumieren, mache diese auf ungerechtfertigte und gewaltsame Weise ‚gleich’, obwohl sie doch als Individuen eigentlich nicht auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen seien, sondern sich vollständig voneinander unterschieden. Aus diesem freilich sehr selektiven Blickwinkel lässt sich auch verstehen, warum sich bei Nietzsche nirgends eine harte ‚Definition’ des Übermenschlichen findet, da der Begriff lediglich auf ein ''Ziel des Denkens'' deutet, das gerade nicht darin bestehen soll, eine neue ‚Gleichheit’ der Individuen unter einer bestimmten Definition zu definieren.


13 (4) die Zahl von Tod und Wiedergeburt - Spannung (auch Verrat)
=== Nationalsozialismus ===
Die biologistische und immoralistische Seite von Nietzsches Übermenschen-Konzeption bot dem [[Nationalsozialismus]] die Möglichkeit, seine Lehre mit der „[[Herrenmensch|Herrenmenschen-Ideologie]]“ im Sinne des nationalsozialistischen Gesellschaftsmodells gleichzusetzen. Nietzsches Ablehnung des [[Nationalismus]] wurde von den Nationalsozialisten ignoriert. Maßgeblichen Anteil an dieser Interpretation hatte vor allem Nietzsches Schwester [[Elisabeth Förster-Nietzsche]], die, im Gegensatz zu Nietzsche selbst, in einem Naheverhältnis zu national-[[Völkische Bewegung|völkischen]] Kreisen stand.


14 (5) Mäßigkeit – die kleine Tafel der Kategorien – die 14 Nothelfer
=== Fiktion ===
Der amerikanische Schriftsteller [[Jack London]] schrieb seine Romane ''[[Der Seewolf]]'' und ''[[Martin Eden]]'' mit der Intention, das Übermenschen-Ideal und Nietzsches individualistische Philosophie zu kritisieren.<ref>Patrick Bridgwater: ''Nietzsche in Anglosaxony. A Study of Nietzsche's Impact on English and American Literature''. Leicester University Press, S. 167–169</ref>


15 (6) Teufel – die große Tafel der Kategorien
Das Wort „Übermensch“ (in der englischen Übersetzung ''superman'') inspirierte die Amerikaner [[Jerry Siegel]] und [[Joe Shuster]] zu ihrer berühmten [[Superman|Comicfigur gleichen Namens]], die jedoch inhaltlich nichts mit Nietzsches philosophisches Konzept zu tun hat: Der Superman der Comics ist ein menschlich wirkender Außerirdischer, der zwar übermenschliche Körperkräfte und phantastische Fähigkeiten besitzt, aber vehement traditionelle moralische Werte verteidigt, vor allem den Schutz der Schwachen vor Schurken und Katastrophen. Er ist also gerade nicht [[Jenseits von Gut und Böse (Nietzsche)|jenseits von gut und böse]] im Sinne des [[Nihilismus]]. Im Januar 1933 erschien von Siegel und Shuster eine Kurzgeschichte mit dem Titel ''[[The Reign of the Superman]]'' ([[Deutsche Sprache|dt.]] ''Die Herrschaft des Übermenschen'') im Fanzine ''Science Fiction: The Advance Guard of Future Civilization''. In dieser ursprünglichen Version ist [[Superman]] kein [[Superheld]], sondern ein glatzköpfiger [[Bösewicht]], und ähnelt damit in Erscheinung und Ambitionen eher [[Lex Luthor]]<ref>Joe Sergi, ''The Law for Comic Book Creators: Essential Concepts and Applications'', McFarland 2015, S. 193</ref>, dem [[Antagonist (Literatur)|Gegenspieler]] des späteren Comichelden Superman: Er plant, mit Hilfe seiner übermenschlichen mentalen Fähigkeiten die Herrschaft über die Menschheit zu erlangen.


16 (7) die Zahl des Maßes in Lyrik und Musik - Struktur und Hemmung
Der Ausspruch „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker“ (nach ''[[Götzen-Dämmerung]]'', Sprüche 8, KSA 6, 60) ist das Motto von [[John Milius]]' Film ''Conan the Barbarian'' (dt. ''[[Conan der Barbar]]'', USA 1981).<ref>Henning Ottmann: ''Nietzsche-Handbuch: Leben, Werk, Wirkung'', Metzler, 2000, S. 435.</ref>


17 (8) Erfüllung altes Testament erfüllt sich im neuen – 10 Gebote und 7 Gnadenakte
[[Fantasy]] und der [[Science-Fiction]] handelt immer wieder von Übermenschen, verstanden als menschliche Wesen mit übermenschlichen körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Ein frühes Beispiel ist etwa im Roman ''Slan'' von [[Alfred Elton van Vogt|A. E. von Vogt]] zu finden. Gerade in der [[Comic in den Vereinigten Staaten|amerikanischen Comicliteratur]] herrscht dabei im Gegensatz zu Nietzsche ein moralisches Erzählmotiv vor, wonach die große Macht solcher Wesen auch große Verantwortung für andere Menschen mit sich bringen muss. Ein entsprechender Ausspruch wurde durch den Comicautoren [[Stan Lee]] populär gemacht. Innerhalb der Geschichte werden oft Kunstworte eingeführt, um diese Wesen von gewöhnlichen Menschen abzugrenzen etwa ''Metamensch'' oder ''Metawesen'' (oft kurz ''Meta'').<ref>Siehe z.&nbsp;B. ''[http://www.paninicomics.de/-i11933.html Futures End Das Ende aller Zeiten]'' #2, Panini Comics, Stuttgart 2015</ref> Ursachen für das Auftreten von Personen mit besonderen Fähigkeiten sind dabei manchmal [[Außerirdisches Leben|außerirdische Herkunft]] (z.&nbsp;B. [[Superman]]), [[Menschenversuch|medizinische Versuche]] (z.&nbsp;B. der [[Figuren aus dem Marvel-Universum#Grüner Kobold|Grüne Kobold]]), [[Unfall|Unfälle]] (z.&nbsp;B. [[The Flash]]), [[Vorsehung|Einwirkung von Göttern]] (z.&nbsp;B. [[Wonder Woman]]), [[Zucht]] (z.&nbsp;B. der Kwisatz Haderach aus den [[Dune]]-Romanen) oder auch [[Mutation]] (z.&nbsp;B. die [[X-Men]]; als ''Homo Sapiens Superior'' bilden sie eine eigene Art der Gattung ''[[Homo]]'').


18 (9) hingegen bedeutet "die drei zerbrochenen Tassen". 18 ist genau die Quersumme der asurischen Zahl 666
== Albert Schweitzer ==
[[Wikipedia:Albert Schweizer|Albert Schweitzer]] hat den Begriff des Übermenschen in seiner Auseinandersetzung mit der [[Kulturphilosophie]] in den 1920er Jahren benutzt, um sich kritisch gegen die menschliche [[Hybris]] insbesondere beim Einsatz von Großtechnologien zu wenden:


19 (1) steht für den eigentliche Initiations- und Einweihungsweg ("die drei heiligen Affen")
{{Zitat|Macht über die Kräfte der Natur ist eine Errungenschaft der zur Ausbildung gekommenen Kultur. Der Kulturmensch, der sie erworben hat, kann sie gebrauchen. Daß aber der Neoprimitive von der Kultur das Geistige verwirft und das durch das Geistige geschaffene Materielle beibehält und also in primitiver Mentalität, als verstünde sich dies von selbst, über die von Kulturmenschen erworbene Übermenschen-Macht verfügen will, ist etwas Ungeheuerliches. […] Das ist, wie wenn man das Steuer eines Ozeandampfers einem, der einen Einbaum lenkte, anvertrauen wollte, einem, der seinen mit einem kleinen Segel ausgestatteten Einbaum lenkte.<ref> Albert Schweitzer: Kulturphilosophie III (KPh III). Vier Teile. Dokumentationsabschrift von Johann Zürcher. Einsehbar im Schweitzer-Zentralarchiv Gunsbach/Elsaß, 138, zitiert nach: Claus Günzler: Albert Schweitzer. Einführung in sein Denken, Beck, München 1996, S.&nbsp;43–44.</ref>}}


20 (2) ist die Zahl des Geldes. Ihr Geheimnis heißt „träumen“
In seiner Nobelpreisrede im Jahr 1954 hat er den Begriff nochmals in gleicher Weise eingesetzt:


21 (3) ist die Menora, der siebenarmige Leuchter der Juden. Sie steht für die 3 x 7 Entwicklungsstufen der Schöpfung
{{Zitat|Der Übermensch leidet aber an einer verhängnisvollen geistigen Unvollkommenheit. Er bringt die übermenschliche Vernünftigkeit, die dem Besitz übermenschlicher Macht entsprechen sollte, nicht auf. […] Was uns eigentlich zu Bewußtsein kommen sollte und schon längst zuvor hätte kommen sollen, ist dies, daß wir als Übermenschen Unmenschen geworden sind.<ref>Albert Schweitzer: Aus meiner Kindheit und Jugendzeit. Beck, München 1991, S.&nbsp;119–120.</ref>}}


22 (4) ist nach der 11 die zweite Meisterzahl. Daher steht sie auch für den zweiten Meister mit seinen 4 Jüngern, dem zukünftigen Buddha, der in etwa 3000 Jahren erscheinen wird.
== Der spirituelle Übermensch bei Sri Aurobindo ==


== Weiteres ==
In der Evolutionsphilosophie Sri [[Aurobindo]]s (1872–1950) ist der Mensch ein Übergangswesen, bei dem die Entwicklung nicht stehen bleiben wird. Einen vergleichbaren Gedanken finden wir heute im „Pop-akademischen Diskurs“, wo seit einigen Jahren von einem „Anthropozän“ gesprochen wird.<ref>Siehe "Der Spiegel", Nr. 14/31.3.2018, S. 118: "Das Anthropozän bezeichnet das Zeitalter des Menschen. Indem der Mensch aber sein eigenes Zeitalter bekommt…, denkt er sein Ende schon mit." (Die Formulierung "Pop-akademischer Diskurs" wurde ebenfalls dem Artikel entnommen.)</ref> Allerdings hält Sri Aurobindo es für einen großen Fehler, im Hinblick auf eine zukünftige Entwicklung den Menschen bloß linear fortzudenken, d.&nbsp;h. als weiterhin mentales Wesen mit gesteigerten Fähigkeiten, oder gar als dominanten Herrenmenschen.  
Im ostasiatischen Raum herrscht eine ganz eigene Interpretation, die z.B. in die dortige ganzheitliche [[Baubiologie]] gemäß der [[Feng Shui|Feng-Shui]]-Lehre eingeflossen ist. Verwandte Themen sind hier unter anderem die auf [[Yin und Yang]] basierende Sichtweise der Welt.


Auch die [[Chinese]]n messen Zahlen eine große Bedeutung zu. Zum Beispiel ist hier die 4 ({{zh|c=四|p=sì}}) die Unglückszahl, weil sie im Chinesischen ähnlich wie „sterben“ und „Tod“ ({{zh|c=死|p=sǐ}}) klingt. 8 ({{zh|c=八|p=bā}}) ist durch eine Lautähnlichkeit (zu {{zh|c=发|p=fā}}) die Glückszahl. Daher wird die Zahl 4 in China und Japan möglichst vermieden oder ersetzt.<ref>So wurde etwa das Automodell [[Alfa Romeo 164]] in Japan als 168 angeboten.</ref>
Vielmehr solle der Mensch durch einen Bewusstseinswandel über sich und sein mentales Denken hinauswachsen und über mehrere Zwischenstufen ein „supramentales“ Wahrheitsbewusstsein erreichen, das er auch "Gnosis" nennt. Dieser "Aufstieg" wird ergänzt durch eine seelische Entwicklung, d.&nbsp;h. eine intensive Verbindung zur Herzebene, die sicherstellt, dass das neue Wesen Werten der Liebe, Harmonie, Schönheit und Wahrheit verbunden ist. Sri Aurobindo glaubt, dass die Evolution in einem langfristigen Prozess unweigerlich in Richtung auf dieses ganzheitliche Bewusstsein fortschreiten werde, wobei der Mensch mittels des [[Integraler Yoga|integralen Yoga]] die Möglichkeit habe, die individuelle und kollektive Entwicklung zu beschleunigen.<ref>Wilfried Huchzermeyer, ''Sri Aurobindo und die europäische Philosophie'', Karlsruhe 2015, S. 11–13. Siehe insbes. auch "Superman in Sri Aurobindos Hauptwerken", S. 108–111.</ref>


Einige [[Wikipedia:Verschwörungstheorie|Verschwörungstheoretiker]] messen Zahlen eine große Bedeutung zu – siehe [[Dreiundzwanzig]].
Sri Aurobindo war gut vertraut mit Nietzsches Schriften und würdigt den mutigen Ansatz des deutschen Philosophen, über den Menschen hinaus zu denken. Er bescheinigt ihm, dass er einige brillante Intuitionen hatte, grenzt sich jedoch deutlich ab von allen Gedanken, die in Richtung [[Asura]], Herrenmensch, führen. Sein Superman soll ein Wesen der Liebe sein, das – frei von Ego – im Einklang mit der höchsten Wahrheit handelt.<ref>''Sri Aurobindo und die europäische Philosophie'', S. 106–108</ref>
 
In den [[Wikipedia:Vereinigte Staaten|USA]] wird auch heute noch vermieden, ein 13tes Stockwerk zu benennen. Stattdessen wird es z.B. mit 12A beziffert oder gleich das 14. daraus gemacht. Ähnlich ist es auch in Flugzeugen oder auf Kreuzfahrtschiffen, wo es ebenfalls keine 13. Sitzreihe bzw. kein 13. Deck gibt. Auch in [[Wikipedia:Krankenhaus|Krankenhäusern]] wird auf ein Zimmer Nr. 13 verzichtet, im [[Wikipedia:Formel 1|Formel1-Motorsport]] auf die Startnummer 13. In [[Wikipedia:Wellington|Wellington]], der Hauptstadt [[Wikipedia:Neuseeland|Neuseeland]]s, sind Regierungsbüros oft im 13. Stock, weil diese nicht an Geschäftsleute vermietbar sind, die anscheinend Bedenken haben, diese Adresse könnte geschäftsschädigend sein.
 
Bei den [[Wikipedia:Bahai|Bahai]] haben die Zahlen [[neun]] und [[neunzehn]] eine besondere Bedeutung.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
*[[Kabbala]]
* {{WikipediaDE|Übermensch}}
*[[Gematrie]]
* {{WikipediaDE|Untermensch}}
*[[Wikipedia:Liste besonderer Zahlen|Liste besonderer Zahlen]]
* [[Transhumanismus]]


== Literatur ==
== Literatur ==
*Helmut Werner: ''Lexikon der Numerologie und Zahlenmystik''. Knaur (Esoterik), München 1995; Komet, Köln 2001, ISBN 978-3-89836-132-3
* Manuel Knoll: The Übermensch as Social and Political Task: A Study in the Continuity of Nietzsche’s Political Thought, in: Manuel Knoll/ Barry Stocker (Hg.): Nietzsche as Political Philosopher, Berlin/Boston 2014, S. 239–266.
*Helyn Hitchcock: ''Das große Buch der Numerologie''. Goldmann (Arkana), München 2003, ISBN 978-3-442-21534-8
* {{Literatur| Autor=Rüdiger Safranski| Titel=Nietzsche. Biographie seines Denkens| Jahr=2000| Verlag=Carl Hanser| Ort=München/Wien| Seiten= 267ff|ISBN=3-446-19938-1}}
*Faith Javane / Dusty Bunker: ''Zahlenmystik. Das Handbuch der Numerologie''. Goldmann (Esoterik), München 2005, ISBN 978-3-442-12248-6
* Carsten Schmieder: ''Contra culturam: Nietzsche und der Übermensch'', in: A.U. Sommer (Hg.), Nietzsche – Philosoph der Kultur(en)?, Verlag W. de Gruyter, Berlin, New York 2008, S. 97–102 ISBN 978-3-11-020130-7
*SOFOS: ''Die Zahl - Dein Leben''. Eine Numerologie des 21. Jahrhunderts, Goldmann (Arkana), München 2001, ISBN 3-442-21571-4 (''Das hier gefundene System überzeugt und ist universell anwendbar. Die Charakterdeutungen sind präzise und manchmal höchst überraschend.'')
* Wilfried Huchzermeyer: ''Der Übermensch bei Friedrich Nietzsche und Sri Aurobindo.'' Hinder + Deelmann, Gladenbach 1986, ISBN 3-87348-123-5
*[[Penny McLean]]: ''Numerologie und Schicksal'', Heinrich Hugendubel Verlag, Kreuzlingen/München 2000, ISBN 3-89631-380-0
* Pierre Kynast: ''Friedrich Nietzsches Übermensch. Eine philosophische Einlassung''. pkp Verlag, Leuna 2013, ISBN 978-3-943519-04-4
*[[Penny McLean]]: ''Numerologie und Namen'', Heinrich Hugendubel Verlag, Kreuzlingen/München 2001, ISBN 3-7205-2250-4
* [[w:Ernst Benz|Ernst Benz]] (Hrsg.): ''Der Übermensch. Eine Diskussion''. Rhein-Verlag, Zürich 1961
*Stefan Heinlein: ''Christliche Zahlensymbolik und ihre Chiffrierung in der alten Kunst.''  In: Magie der Zahl. Ausstellungskatalog. [[Wikipedia:Staatsgalerie Stuttgart|Staatsgalerie Stuttgart]] 1997. S. 291-303.
* [[w:Georg Römpp|Georg Römpp]]: ''Nietzsche leicht gemacht'', UTB 3718, Köln/Weimar 2013, ISBN 978-3-8252-3718-9
*Frédéric Lionel: ''Das Vermächtnis des Pythagoras''. Aquamarin Verlag, Grafing 1990, ISBN 3-922936-94-6


== Weblinks ==
== Weblinks ==
*[http://www.kreudenstein-online.de/Bibelkritik/zahlensymbolik.htm Hebräische Zahlensymbolik in der Bibel]
{{wiktionary|Übermensch}}
*[http://www.rodurago.net/index.php?site=details&link=1 Bedeutung der Zahlen]
* [http://www.odinring.de/ubermensch/ubermensch.htm ''Der Übermensch''] Essay von [[Sri Aurobindo]], erschienen in seiner Zeitschrift ''Arya'', 1920
*[http://schicksal-in-zahlen.de/literatur.html Numerologie nach Reichstein]
* [http://www.f-nietzsche.de/hw_philos.htm ''Nietzsche – Mensch und Übermensch (1988)''] auf ''F-Nietzsche.de''
*[http://numerologie.abhyanga.de Online Numerologie-Rechner] nach [[Cheiro]], [[Pythagoras]] oder [[Reichstein]].
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/zahlenmysik.html Projekt Zahlenmystik] Websaite


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />
[[Kategorie:Philosophische Anthropologie|Ubermensch]]
[[Kategorie:Neoexistentialismus|Ubermensch]]
[[Kategorie:Nietzsche|Ubermensch]]


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Version vom 24. März 2020, 20:56 Uhr

Übermensch (griech. υπεράνθρωπος Hyperánthropos; lat. homo superior) ist ein Begriff aus dem philosophischen Denken. Als Übermensch wird ein „Idealmensch“ bezeichnet, der über das gewöhnliche Leben eines als normal und meist negativ bewerteten Menschen hinausgewachsen ist oder hinausstrebt. Die weitaus bekannteste Übermensch-Konzeption stammt von Friedrich Nietzsche.

Begriffsgeschichte

Die früheste Prägung des Wortes Übermensch ist als „hyperanthropos“ bekannt und wurde schon im 1. Jahrhundert v. Chr. von Dionysios von Halikarnassos benutzt. Lukian verwendete im 2. Jahrhundert n. Chr. den Begriff, allerdings zum Spott auf die großen Herren der Welt, die im Totenreich auf ihre natürliche Größe zurechtgestutzt würden. In deutscher Sprache tauchte der Übermensch erstmals bei Hermann Rab, Provinzial der sächsischen Dominikanerprovinz, 1527 in einem Brief auf, wo er so etwas wie ein Schimpfwort für „Lutheraner“ ist.

Der Übermensch spielt in Dantes Göttliche Komödie eine zentrale Rolle. Das Hapax legomenon transumanar (Wortschöpfung Dantes, aus lat. trans, „hindurch“, „über … hinweg“ und umano, „menschlich“, als Verbum (hier) jedoch das „Übermenschlichen“) wird besonders im Paradiso (erwähnt in Canto I, 70) zu einem Hauptmotiv. Analogien lassen sich in der verhängnisvollen Vergöttlichung des Glaukos finden. In Ovids Metamorphosen (7, 219; 13, 898 - 14, 74) war Glaukos ein sterblicher Fischer, der durch Zufall ein magisches Kraut entdeckte, das ihn durch Verzehr unsterblich machte. Allerdings wuchsen ihm Brust- und Schwanzflossen, die Arme und Beine bildeten sich zurück. Dies zwang ihn, für immer im Meer zu leben.[1] In Dantes Werk bedeutet das Übermenschliche nichts weniger als „den Status des Menschen, seine Daseinsbedingungen hinter sich zu lassen, auf dem Wege zum Göttlichen.“ Konkret bedeutet das aber, dass der normale Mensch (im Gegensatz zu dem Wanderer Dante) dieses Übermenschlichen nicht im Diesseits, sondern erst im Jenseits erleben wird.[2]

„Geschäftiger Geist, wie nah fühl ich mich Dir!“ (Faust, Illustration von Goethe)

Angeregt wurde Dante sicherlich von Schriften des Pseudo-Dionysius Areopagita (besonders die in lateinischen Übersetzungen häufig vorkommenden Ausdrücke super hominem, ultra hominum modum, superhumanus), aber auch Thomas von Aquin, Augustinus und schon Matthäus könnten sprachliche Anstöße gegeben haben. Bei Lukian noch heidnisch, wurde der Begriff „Übermensch“ erstmals in christlichem Sinne vom Propheten Montanus (gest. 178) verwendet. Schon Ernst Benz legte ausführlich dar, dass der Terminus „Übermensch“ in der Theologie der Kirche weit entwickelt war, Jahrhunderte vor der Verbreitung von Nietzsches antichristlichem Pathos.

Vom Übermenschen sprachen, jeweils mit unterschiedlichem Bedeutungsinhalt, unter anderem der Theologe Heinrich Müller in dem Werk Geistliche Erquickungsstunden (1664),[3] Johann Gottfried von Herder und der indische Philosoph Sri Aurobindo. Johann Wolfgang von Goethe gebrauchte den Ausdruck, wiederum in spöttischem Sinn, in seiner Tragödie Faust I: „Welch erbärmlich Grauen fasst Übermenschen dich!“ sagt der Erdgeist. Faust sei eigentlich nur „ein furchtsam weggekrümmter Wurm“. Im Gedicht Zueignung schreibt Goethe:

Kaum bist du Herr vom ersten Kinderwillen,
So glaubst du dich schon Übermensch genug,
Versäumst die Pflicht des Mannes zu erfüllen!
Wie viel bist du von andern unterschieden?
Erkenne dich, leb' mit der Welt in Frieden!

Im Roman Schuld und Sühne (1866) des russischen Schriftstellers Dostojewski ist die Vorstellung der Hauptfigur Raskolnikow Vorläuferin der Idee von Nietzsche von einem zur Herrschaft berufenen „Übermenschen“. Raskolnikow, der davon träumt, ein Napoleon zu werden, hat sich einer Selbsttäuschung hingegeben. Er zerbricht an dem Versuch, als Übermensch die Funktion Gottes mit zu übernehmen, über Gut und Böse zu entscheiden. „Der wahre Meister“ des Verbrechens sei Napoleon, erkennt er an: „Ich bin genauso eine Laus wie die andere.“ Dostojewski verurteilte also das Gefühl der Macht und das individualistische Prinzip.[4]

Kritisch verarbeitet Theodor Fontane den Begriff in seinem Roman Der Stechlin (1897), wo der alte Stechlin sagt: „Jetzt hat man statt des wirklichen Menschen den sogenannten Übermenschen etabliert; eigentlich gibt es aber bloß noch Untermenschen, und mitunter sind es gerade die, die man durchaus zu einem ‚Über‘ machen will. Ich habe von solchen Leuten gelesen und auch welche gesehn. Ein Glück, daß es, nach meiner Wahrnehmung, immer entschieden komische Figuren sind, sonst könnte man verzweifeln.“[5]

Friedrich Nietzsche

Aus Sicht Friedrich Nietzsches ist es die Aufgabe des Menschen, einen Typus hervorzubringen, der höher entwickelt ist als er selbst.[6] Diesen dem Menschen überlegenen Menschen nennt Nietzsche den Übermenschen, ein Begriff, welcher bei Nietzsche sowohl eine geistige als auch eine biologische Bedeutung hat. Nietzsche verwendet den Begriff Übermensch das erste Mal in seinen Jugendschriften in Bezug auf Lord Byron, der als „geisterbeherrschender Übermensch“ charakterisiert wird.[7] In systematischer Weise taucht der Begriff des Übermenschen zuerst in seinem Werk Also sprach Zarathustra (1883–85) auf, auch wenn sein Konzept des Übermenschen schon in seinem Werk Menschliches, Allzumenschliches (1878) teilweise entwickelt ist. Nietzsche übernahm den Terminus vom französischen materialistischen Philosophen Helvétius, der vom „homme supérieur“ geschrieben hatte.

Immoralismus und Biologismus

Das Ziel der Menschheit liegt nach Nietzsche nicht in der Zukunft oder im allgemeinen Wohlergehen der derzeit bestehenden Gattung, sondern in den immer wieder auftretenden „höchsten Exemplaren“, eben den Übermenschen. Aus dieser philosophischen Position resultiert seine Ablehnung der „idealistischen“ Interpretation des Übermenschen und die positive Einschätzung gerade von immoralistischen und nach Größe strebenden Machtmenschen wie Alkibiades, Julius Cäsar, Cesare Borgia oder Napoléon Bonaparte. So schrieb er in Ecce homo (1888):

„Das Wort »Übermensch« zur Bezeichnung eines Typus höchster Wohlgeratenheit, im Gegensatz zu »modernen« Menschen, zu »guten« Menschen, zu Christen und andren Nihilisten – ein Wort, das im Munde eines Zarathustra, des Vernichters der Moral, ein sehr nachdenkliches Wort wird – ist fast überall mit voller Unschuld im Sinn derjenigen Werte verstanden worden, deren Gegensatz in der Figur Zarathustras zur Erscheinung gebracht worden ist: will sagen als »idealistischer« Typus einer höheren Art Mensch, halb »Heiliger«, halb »Genie« … Andres gelehrtes Hornvieh hat mich seinethalben des Darwinismus verdächtigt; selbst der von mir so boshaft abgelehnte »Heroen-Kultus« jenes großen Falschmünzers wider Wissen und Willen, Carlyles, ist darin wiedererkannt worden. Wem ich ins Ohr flüsterte, er solle sich eher nach einem Cesare Borgia als nach einem Parsifal umsehn, der traute seinen Ohren nicht.“

Neben dem Idealismus weist Nietzsche hier auch den Zusammenhang mit dem Darwinismus zurück. Wie jedoch beispielsweise Rüdiger Safranski argumentiert, finden sich in Nietzsches Schriften durchaus darwinistisch-biologistische Ansätze, oft verbunden mit Gedanken zur Eugenik. Bereits im Zarathustra vergleicht Nietzsche die Entwicklung vom Affen zum Menschen mit der Entwicklung vom Menschen zum Übermenschen. In einem Notizbuch von 1884 schrieb Nietzsche, dass man durch Züchtung und durch „Vernichtung von Millionen Mißrathener“ den „zukünftigen Menschen“ gestalten soll. In der Genealogie der Moral (1887) findet sich der Gedanke, dass die Menschheit als Masse dem Gedeihen einer einzelnen stärkeren Species Mensch geopfert werden könnte. Ziel sei es, eine Herrenkaste zu züchten, welche zur Herrschaft über Europa berufen sei. Schließlich spricht er in Ecce homo von der „Partei des Lebens“, welche die Höherzüchtung des Menschen und die Vernichtung alles „Entartenden“ und „Parasitischen“ in die Hand nimmt. Safranski schließt:

„Nietzsches Bild vom Übermenschen ist ambivalent, und es verbirgt sich darin ein existenzielles Drama. Der Übermensch repräsentiert einen höheren biologischen Typus, er könnte das Produkt einer zielstrebigen Züchtung sein; er ist aber auch ein Ideal für jeden, der Macht über sich selbst gewinnen und seine Tugenden pflegen und entfalten will, der schöpferisch ist und auf der ganzen Klaviatur des menschlichen Denkvermögens, der Phantasie und Einbildungskraft zu spielen weiß. Der Übermensch realisiert das Vollbild des Menschenmöglichen, und darum ist Nietzsches Übermensch auch eine Antwort auf den Tod Gottes.“

Ewige Wiederkunft, Wille zur Macht und Nihilismus

Nietzsche verbindet vorerst den Gedanken des Willens zur Macht mit seiner Idee der Ewigen Wiederkunft. Der Gedanke der Ewigen Wiederkunft besagt, dass sich alle Ereignisse im Universum auf ewig wiederholen werden, da es eine unendlich lange Zeit gebe, jedoch eine nur endliche Zahl möglicher Zustände der Welt. Damit sind alle möglichen Zustände bereits eingetreten und der gegenwärtige Zustand stelle eine Wiederholung dar. Alles, was der Mensch erlebt, wurde also von diesem schon unendlich oft erlebt und wird ebenso unendlich oft wieder durchlebt werden. Diesen Gedanken zu denken, ist für Nietzsche das Schwerste. Erst wer fähig ist, ihn zu ertragen, d. h., in die Interpretation des eigenen Lebens zu integrieren, der beweist sich als Übermensch und überwindet somit den Nihilismus der Ewigen Wiederkunft. In einem Akt der gänzlichen Einverleibung identifiziert sich der Übermensch mit der Ewigen Wiederkunft.

Darüber hinaus besitzt der Übermensch auch einen Überschuss an Lebenskraft und Willen zur Macht, was ihn zu besonderer Selbstbeherrschung und Selbstentfaltung befähigt. Er stellt somit eine radikale Lebensbejahung als Gegenentwurf zum Nihilismus dar. Der Übermensch gilt deshalb als Überwinder des Nihilismus. Er ist der Schöpfer neuer (produktiverer) Werte, die er aus sich selbst bezieht und die anstelle der durch den Nihilismus zuvor zerstörten bzw. verneinten transzendenten Werte (Gott, Religion, ewige und unbezweifelbare moralische und erkenntnistheoretische Dogmen) nunmehr eine immanente, dem Leben zugewandte und dem Leben dienliche Entsprechung finden.

Aus dieser Perspektive wäre der Übermensch somit nicht eine neue Gattung, welche auf den von Nietzsche sogenannten „Letzten Menschen“ folgt, sondern er geht aus dem einzelnen Menschen hervor, der sich selbst überwunden hat.

Metaphysik-Kritik und der Begriff vom Übermenschen

Es bleibt zu ergänzen, dass die neuere philosophische Nietzsche-Interpretation über idealistische, biologistische oder existenzielle Tendenzen hinaus den Begriff des Übermenschen in den Zusammenhang von Nietzsches Erkenntnis- und Metaphysikkritik stellt.[8] Demnach ist Nietzsches ganze Philosophie aus dem Blickwinkel seiner fundamentalen Kritik am „Allgemeinen“ zu verstehen. Demgegenüber wollte er das „Individuelle“ geltend machen, das in unserer vorherrschend platonisch geprägten Kultur des Denkens, in der Philosophie, den Wissenschaften und in der Ethik tendenziell ausgeklammert wird; dies war auch schon die Grundlage von Nietzsches Moralkritik, denn in seiner Sichtweise stellt die verallgemeinernde Ethik Handlungen, Verhalten und Motive als „gleich“ dar, die in Wahrheit nicht gleich sind, d. h., sie unterdrückt gewaltsam das, was – nach Nietzsche – einzig wirklich ist, nämlich das Individuelle. Nietzsche stellt also einem historischen Empirismus einen – freilich ebenfalls radikal übersteigerten – Individualismus gegenüber.

Analog lässt sich der Begriff des Übermenschen verstehen als der Entwurf einer gedanklichen Welt, in dem menschliche Individuen nicht mehr unter allgemeinen und gleichmachenden Begriffen wie eben ‚Mensch’ verstanden werden müssen. Nietzsches Kritik lautet also, Individuen unter einen schematischen Begriff wie ‚Mensch’ zu subsumieren, mache diese auf ungerechtfertigte und gewaltsame Weise ‚gleich’, obwohl sie doch als Individuen eigentlich nicht auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen seien, sondern sich vollständig voneinander unterschieden. Aus diesem freilich sehr selektiven Blickwinkel lässt sich auch verstehen, warum sich bei Nietzsche nirgends eine harte ‚Definition’ des Übermenschlichen findet, da der Begriff lediglich auf ein Ziel des Denkens deutet, das gerade nicht darin bestehen soll, eine neue ‚Gleichheit’ der Individuen unter einer bestimmten Definition zu definieren.

Nationalsozialismus

Die biologistische und immoralistische Seite von Nietzsches Übermenschen-Konzeption bot dem Nationalsozialismus die Möglichkeit, seine Lehre mit der „Herrenmenschen-Ideologie“ im Sinne des nationalsozialistischen Gesellschaftsmodells gleichzusetzen. Nietzsches Ablehnung des Nationalismus wurde von den Nationalsozialisten ignoriert. Maßgeblichen Anteil an dieser Interpretation hatte vor allem Nietzsches Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche, die, im Gegensatz zu Nietzsche selbst, in einem Naheverhältnis zu national-völkischen Kreisen stand.

Fiktion

Der amerikanische Schriftsteller Jack London schrieb seine Romane Der Seewolf und Martin Eden mit der Intention, das Übermenschen-Ideal und Nietzsches individualistische Philosophie zu kritisieren.[9]

Das Wort „Übermensch“ (in der englischen Übersetzung superman) inspirierte die Amerikaner Jerry Siegel und Joe Shuster zu ihrer berühmten Comicfigur gleichen Namens, die jedoch inhaltlich nichts mit Nietzsches philosophisches Konzept zu tun hat: Der Superman der Comics ist ein menschlich wirkender Außerirdischer, der zwar übermenschliche Körperkräfte und phantastische Fähigkeiten besitzt, aber vehement traditionelle moralische Werte verteidigt, vor allem den Schutz der Schwachen vor Schurken und Katastrophen. Er ist also gerade nicht jenseits von gut und böse im Sinne des Nihilismus. Im Januar 1933 erschien von Siegel und Shuster eine Kurzgeschichte mit dem Titel The Reign of the Superman (dt. Die Herrschaft des Übermenschen) im Fanzine Science Fiction: The Advance Guard of Future Civilization. In dieser ursprünglichen Version ist Superman kein Superheld, sondern ein glatzköpfiger Bösewicht, und ähnelt damit in Erscheinung und Ambitionen eher Lex Luthor[10], dem Gegenspieler des späteren Comichelden Superman: Er plant, mit Hilfe seiner übermenschlichen mentalen Fähigkeiten die Herrschaft über die Menschheit zu erlangen.

Der Ausspruch „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker“ (nach Götzen-Dämmerung, Sprüche 8, KSA 6, 60) ist das Motto von John Milius' Film Conan the Barbarian (dt. Conan der Barbar, USA 1981).[11]

Fantasy und der Science-Fiction handelt immer wieder von Übermenschen, verstanden als menschliche Wesen mit übermenschlichen körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Ein frühes Beispiel ist etwa im Roman Slan von A. E. von Vogt zu finden. Gerade in der amerikanischen Comicliteratur herrscht dabei im Gegensatz zu Nietzsche ein moralisches Erzählmotiv vor, wonach die große Macht solcher Wesen auch große Verantwortung für andere Menschen mit sich bringen muss. Ein entsprechender Ausspruch wurde durch den Comicautoren Stan Lee populär gemacht. Innerhalb der Geschichte werden oft Kunstworte eingeführt, um diese Wesen von gewöhnlichen Menschen abzugrenzen etwa Metamensch oder Metawesen (oft kurz Meta).[12] Ursachen für das Auftreten von Personen mit besonderen Fähigkeiten sind dabei manchmal außerirdische Herkunft (z. B. Superman), medizinische Versuche (z. B. der Grüne Kobold), Unfälle (z. B. The Flash), Einwirkung von Göttern (z. B. Wonder Woman), Zucht (z. B. der Kwisatz Haderach aus den Dune-Romanen) oder auch Mutation (z. B. die X-Men; als Homo Sapiens Superior bilden sie eine eigene Art der Gattung Homo).

Albert Schweitzer

Albert Schweitzer hat den Begriff des Übermenschen in seiner Auseinandersetzung mit der Kulturphilosophie in den 1920er Jahren benutzt, um sich kritisch gegen die menschliche Hybris insbesondere beim Einsatz von Großtechnologien zu wenden:

„Macht über die Kräfte der Natur ist eine Errungenschaft der zur Ausbildung gekommenen Kultur. Der Kulturmensch, der sie erworben hat, kann sie gebrauchen. Daß aber der Neoprimitive von der Kultur das Geistige verwirft und das durch das Geistige geschaffene Materielle beibehält und also in primitiver Mentalität, als verstünde sich dies von selbst, über die von Kulturmenschen erworbene Übermenschen-Macht verfügen will, ist etwas Ungeheuerliches. […] Das ist, wie wenn man das Steuer eines Ozeandampfers einem, der einen Einbaum lenkte, anvertrauen wollte, einem, der seinen mit einem kleinen Segel ausgestatteten Einbaum lenkte.[13]

In seiner Nobelpreisrede im Jahr 1954 hat er den Begriff nochmals in gleicher Weise eingesetzt:

„Der Übermensch leidet aber an einer verhängnisvollen geistigen Unvollkommenheit. Er bringt die übermenschliche Vernünftigkeit, die dem Besitz übermenschlicher Macht entsprechen sollte, nicht auf. […] Was uns eigentlich zu Bewußtsein kommen sollte und schon längst zuvor hätte kommen sollen, ist dies, daß wir als Übermenschen Unmenschen geworden sind.[14]

Der spirituelle Übermensch bei Sri Aurobindo

In der Evolutionsphilosophie Sri Aurobindos (1872–1950) ist der Mensch ein Übergangswesen, bei dem die Entwicklung nicht stehen bleiben wird. Einen vergleichbaren Gedanken finden wir heute im „Pop-akademischen Diskurs“, wo seit einigen Jahren von einem „Anthropozän“ gesprochen wird.[15] Allerdings hält Sri Aurobindo es für einen großen Fehler, im Hinblick auf eine zukünftige Entwicklung den Menschen bloß linear fortzudenken, d. h. als weiterhin mentales Wesen mit gesteigerten Fähigkeiten, oder gar als dominanten Herrenmenschen.

Vielmehr solle der Mensch durch einen Bewusstseinswandel über sich und sein mentales Denken hinauswachsen und über mehrere Zwischenstufen ein „supramentales“ Wahrheitsbewusstsein erreichen, das er auch "Gnosis" nennt. Dieser "Aufstieg" wird ergänzt durch eine seelische Entwicklung, d. h. eine intensive Verbindung zur Herzebene, die sicherstellt, dass das neue Wesen Werten der Liebe, Harmonie, Schönheit und Wahrheit verbunden ist. Sri Aurobindo glaubt, dass die Evolution in einem langfristigen Prozess unweigerlich in Richtung auf dieses ganzheitliche Bewusstsein fortschreiten werde, wobei der Mensch mittels des integralen Yoga die Möglichkeit habe, die individuelle und kollektive Entwicklung zu beschleunigen.[16]

Sri Aurobindo war gut vertraut mit Nietzsches Schriften und würdigt den mutigen Ansatz des deutschen Philosophen, über den Menschen hinaus zu denken. Er bescheinigt ihm, dass er einige brillante Intuitionen hatte, grenzt sich jedoch deutlich ab von allen Gedanken, die in Richtung Asura, Herrenmensch, führen. Sein Superman soll ein Wesen der Liebe sein, das – frei von Ego – im Einklang mit der höchsten Wahrheit handelt.[17]

Siehe auch

Literatur

  • Manuel Knoll: The Übermensch as Social and Political Task: A Study in the Continuity of Nietzsche’s Political Thought, in: Manuel Knoll/ Barry Stocker (Hg.): Nietzsche as Political Philosopher, Berlin/Boston 2014, S. 239–266.
  •  Rüdiger Safranski: Nietzsche. Biographie seines Denkens. Carl Hanser, München/Wien 2000, ISBN 3-446-19938-1, S. 267ff.
  • Carsten Schmieder: Contra culturam: Nietzsche und der Übermensch, in: A.U. Sommer (Hg.), Nietzsche – Philosoph der Kultur(en)?, Verlag W. de Gruyter, Berlin, New York 2008, S. 97–102 ISBN 978-3-11-020130-7
  • Wilfried Huchzermeyer: Der Übermensch bei Friedrich Nietzsche und Sri Aurobindo. Hinder + Deelmann, Gladenbach 1986, ISBN 3-87348-123-5
  • Pierre Kynast: Friedrich Nietzsches Übermensch. Eine philosophische Einlassung. pkp Verlag, Leuna 2013, ISBN 978-3-943519-04-4
  • Ernst Benz (Hrsg.): Der Übermensch. Eine Diskussion. Rhein-Verlag, Zürich 1961
  • Georg Römpp: Nietzsche leicht gemacht, UTB 3718, Köln/Weimar 2013, ISBN 978-3-8252-3718-9

Weblinks

 Wiktionary: Übermensch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Siehe auch: danteworlds.laits.utexas.edu, abgerufen am 22. Februar 2015, 20:57.
  2. Hartmut Köhler (Übers. u. Komm.): „La Commedia / Die Göttliche Komödie III. Paradiso / Paradies“, Stuttgart 2012, S. 21–25, ISBN 978-3-15-010796-6.
  3. Walter Kaufmann: Nietzsche. Philosoph, Psychologe, Antichrist. Übersetzt von Jörg Salaquarda. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1982, ISBN 3-534-08769-0, S. 359
  4. Vgl. hierzu Rainer Buck: Fjodor M. Dostojewski: Sträfling, Spieler, Seelenforscher, B&S 2013, S. 67; Fedor Dostojewski: Schuld und Sühne, Aufbau Verlag, 1956, Nachwort.
  5. Theodor Fontane: Der Stechlin [1897], mit einem Nachwort von Walter Müller-Seidel, Insel, Frankfurt 1975, S. 347
  6. Primus-Heinz Kucher, Verdrängte Moderne – vergessene Avantgarde: Diskurskonstellationen zwischen Literatur, Theater, Kunst und Musik in Österreich 1918–1938, Vandenhoeck & Ruprecht 2015, S. 68
  7. Jugendschriften, dtv, München 1994, Band 2, Seite 10.
  8. Zusammenfassend dargestellt bei Georg Römpp, „Nietzsche leicht gemacht“, UTB 3718, Köln/Weimar 2013
  9. Patrick Bridgwater: Nietzsche in Anglosaxony. A Study of Nietzsche's Impact on English and American Literature. Leicester University Press, S. 167–169
  10. Joe Sergi, The Law for Comic Book Creators: Essential Concepts and Applications, McFarland 2015, S. 193
  11. Henning Ottmann: Nietzsche-Handbuch: Leben, Werk, Wirkung, Metzler, 2000, S. 435.
  12. Siehe z. B. Futures End – Das Ende aller Zeiten #2, Panini Comics, Stuttgart 2015
  13. Albert Schweitzer: Kulturphilosophie III (KPh III). Vier Teile. Dokumentationsabschrift von Johann Zürcher. Einsehbar im Schweitzer-Zentralarchiv Gunsbach/Elsaß, 138, zitiert nach: Claus Günzler: Albert Schweitzer. Einführung in sein Denken, Beck, München 1996, S. 43–44.
  14. Albert Schweitzer: Aus meiner Kindheit und Jugendzeit. Beck, München 1991, S. 119–120.
  15. Siehe "Der Spiegel", Nr. 14/31.3.2018, S. 118: "Das Anthropozän bezeichnet das Zeitalter des Menschen. Indem der Mensch aber sein eigenes Zeitalter bekommt…, denkt er sein Ende schon mit." (Die Formulierung "Pop-akademischer Diskurs" wurde ebenfalls dem Artikel entnommen.)
  16. Wilfried Huchzermeyer, Sri Aurobindo und die europäische Philosophie, Karlsruhe 2015, S. 11–13. Siehe insbes. auch "Superman in Sri Aurobindos Hauptwerken", S. 108–111.
  17. Sri Aurobindo und die europäische Philosophie, S. 106–108


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