Gewürze und Muskatnussbaum: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Spices1.jpg|mini|Gewürze auf dem Markt von Agadir, Marokko, 2005]]
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[[Datei:Spice Shop Nasiriyah Iraq.jpg|mini|Ein Gewürzladen in Nasiriyya, Irak mit importierten Gewürzsorten aus Indien, 2007]]
[[Datei:Jiayuguan-128.JPG|mini|Gewürze in Jiayuguan, China]]
[[File:13-08-06-abu-dhabi-marina-mall-54.jpg|thumb|Gewürze in einem Supermarkt in Abu Dhabi]]
Der Begriff '''Gewürze''' umfasst [[Pflanzen]]teile ([[Blatt (Pflanze)|Blätter]], [[Blüte]]n, [[Rinde]], [[Wurzel (Pflanze)|Wurzeln]], [[Frucht|Früchte]], Saft), die frisch, getrocknet oder bearbeitet vorkommen und die wegen ihres natürlichen Gehaltes an Geschmacks- und Geruchsstoffen als [[Würzen|würzende]] oder geschmacksgebende Zutaten bei der Zubereitung von [[Gericht (Speise)|Speise]]n und [[Getränk]]en aller Art eingesetzt werden.<ref>Definition laut Duden, Stand 2017, ''[http://www.duden.de/rechtschreibung/Gewuerz Gewürz]'': {{"|aus bestimmten Teilen von Gewürzpflanzen bestehende oder aus ihnen hergestellte aromatische Substanz, die Speisen zugesetzt wird, um ihnen eine bestimmte Geschmacksrichtung zu verleihen.}}</ref> Sämtliche sonstigen Stoffe, die der Geschmacksverbesserung dienen oder die Bekömmlichkeit verbessern, werden als „[[Würzmittel]]“ bezeichnet.
 
Gewürze haben zudem nicht nur geschmacklichen Nutzen, sondern werden traditionell auch zur Haltbarmachung von Lebensmitteln und Getränken verwendet. Ferner vertreibt ihr Duft auch [[Vorratsschädling]]e.<ref>{{Literatur |Autor=Hansjörg Küster |Titel=Älteste Hinweise auf Gärten. Gewürze im Neolithikum Mitteleuropas |Herausgeber=Renate Rolle, Frank M. Andraschko |Sammelwerk=Frühe Nutzung pflanzlicher Ressourcen. Internationales Symposium Duderstadt, 12.–15. Mai 1994 |Verlag=LIT Verlag |Ort=Münster |Jahr=1999 |ISBN= |Seiten=55–60, hier S. 56}}</ref>
 
== Geschichte ==
 
Gewürze spielten im [[Europa]] des [[Mittelalter]]s und der frühen [[Neuzeit]] eine ebenso bedeutende wirtschaftliche und politische Rolle wie heute das [[Erdöl]]. Sie waren extrem wertvoll, weil sie nicht nur zum Würzen verwendet wurden, sondern auch als [[Konservierung]]sstoffe und Grundlage für [[Arzneimittel]]. Zudem waren einige Gewürze, wie Muskatnuss und Gewürznelken, bedeutende [[Statussymbol]]e.
 
Der [[Gewürzhandel]], speziell mit Gewürzen aus [[Asien]], war daher ein einträgliches Geschäft, durch das zunächst vor allem arabische Staaten und die italienischen [[Seerepubliken]], später auch die Kolonialmächte, reich wurden, weshalb sie ihre [[Monopol]]stellung auch mit Waffengewalt verteidigten. Die Erschließung des [[Seeweg nach Indien|Seewegs um Afrika]] von Europa zu den Inseln [[Hinterindien]]s ab dem 15. Jahrhundert war der Beginn der [[Europäische Expansion|europäischen Expansion]].
 
Die teuersten Gewürze heute sind: [[Safran]], gefolgt von [[Vanille (Gewürz)|Vanille]] und [[Grüner Kardamom|Kardamom]]. Früher war [[Pfeffer]] so wertvoll, dass er mit [[Gold]] aufgewogen wurde. Die abschätzige Bezeichnung [[Pfeffersack]] für einen reichen Menschen stammt aus dieser [[Zeitalter|Epoche]]. [[Zimt]] war ebenfalls sehr kostbar: 1530 soll der Kaufmann [[Anton Fugger]] die [[Schuldschein]]e [[Karl V. (HRR)|Karls V.]] vor dessen Augen in einem Feuer aus Zimtstangen verbrannt haben, um seinen Reichtum zu demonstrieren.
 
Gewürze werden jedoch schon sehr viel länger verwendet. [[Dill (Pflanze)|Dill]] breitete sich vor mehr als 5000 Jahren vom östlichen Mittelmeer in Richtung Atlantik aus. Seine Verwendung bei der Nahrungszubereitung wurde für etwa 3600 v. Chr. im westlichen Alpenraum nachgewiesen. Auch der [[Pharao]] [[Amenophis II.]] ließ sich 1400 v. Chr. Dill mit in das Grab legen.
Auch [[Echter Kapernstrauch|Kapern]] wurden bereits vor rund 6750 Jahren auf dem Gebiet der heutigen Türkei in das Essen getan und auch in 7800 Jahre alten [[Kochtopf|Töpfen]] aus dem heutigen Syrien nachgewiesen. Spätestens 1100 v. Chr. wurden Kapern auch auf Zypern genutzt.
[[Koriander]] fand sich in 3000 bis 4000 Jahre alten Küchenresten aus dem heutigen Syrien sowie im Ägypten des zweiten Jahrtausends vor Christus, auch [[Kreuzkümmel]] wurde in jenen Zeiten bereits in der [[Küche#Neolithikum und Antike|Küche]] verwendet.
Doch nicht erst sesshafte Menschen, sondern auch deren nomadische Vorfahren nutzten bereits Gewürze. So fand sich Koriander bereits in der vor 23000 Jahren genutzten Nahal-Hemar-Höhle in Israel.
Bereits vor 6100 bis 5750 Jahren, am Wechsel zur menschlichen [[Sesshaftwerdung]], würzten Menschen im westlichen Ostseeraum ihre Speisen mit [[Knoblauchsrauke]]. Archäologen fanden Reste der [[Pfeffer|pfeffrig]] und nach [[Knoblauch]] schmeckenden Pflanze in [[Kochtopf|Töpfen]], in denen [[Speisefisch|Fisch]] und [[Wild]] zubereitet wurden.<ref>Hayley Saul, Marco Madella, Anders Fischer, Aikaterini Glykou, Sönke Hartz, Oliver E. Craig: ''Phytoliths in Pottery Reveal the Use of Spice in European Prehistoric Cuisine''. In: PLoS ONE 8(8): 2013, e70583. {{DOI|10.1371/journal.pone.0070583}}.</ref>
 
== Etymologie ==
 
Das Wort Gewürz hat seinen Ursprung im [[mittelhochdeutsch]]en ''{{lang|gmh|wurz}}'' ({{gohS|wurz}} und ''{{lang|goh|wurza}}'', mhd. ''{{lang|gmh|wurz(e)}}'', nhd. ''wurz'') und bedeutete in seinen Ursprungsformen einfach ‚Wurzel‘. Erhalten ist diese Bedeutung z.B. noch in den Wörtern [[Gewöhnliche Haselwurz|Haselwurz]] (beziehungsweise [[Haselwurzen]]) und [[Nieswurz]].
 
== Klassifizierung nach Herkunft ==
Als Gewürz gelten definitionsgemäß nur Pflanzenteile.<ref>[http://www.lebensmittellexikon.de/g0000110.php lebensmittellexikon.de]</ref>
 
* Blätter (getrocknete [[Küchenkraut|Kräuter]], [[Echter Lorbeer|Lorbeerblätter]], [[Kaffirlimette]]nblätter)
* Knospen, Blüten oder Blütenteile ([[Safran]], [[Gewürznelke]]n, [[Kaper]]n)
* Rinden ([[Zimt]])
* [[Wurzel (Pflanze)|Pflanzenwurzeln]], [[Rhizom]]e, [[Zwiebel (Pflanzenteil)|Zwiebeln]] ([[Ingwer]], [[Kurkuma]], [[Meerrettich]], [[Wasabi]], [[Küchenzwiebel]], [[Knoblauch]])
* Früchte oder Samen ([[Muskatnussbaum|Muskatnuss]], [[Pfeffer]], [[Paprika]], [[Wacholder]]beeren, [[Vanille (Gewürz)|Vanille]], [[Kümmel]], [[Anis]])
 
Bei einigen Pflanzen, wie Kümmel, Zimt und Muskatnuss können mehrere Bestandteile der Pflanze verwendet werden.
 
Nach der Definition der Gewürze als „getrocknete Pflanzenteile“ sind keine „Gewürze“:
* [[Gewürzzubereitung]]en wie [[Senf]], [[Currypulver]], [[Chutney]], [[Sojasauce]]
* synthetische [[Aroma|Aromen]] wie [[Vanillin]]
* Stoffe mineralischer Herkunft, wie [[Natriumchlorid|Kochsalz]]
* flüssige oder nicht allein durch Trocknung hergestellte Würzmittel ([[Zucker]], [[Wein]], [[Essig]], [[Kokosmilch]], [[Lakritze]])
* wässerige, saure, ölige oder alkoholische Auszüge der Aromen von Pflanzen ([[Rosenwasser]], [[Mandelöl]], [[Nelkenöl]], [[Vanille (Gewürz)|Vanilleöl]] und Knoblauchöl)
 
== Wirkung ==
 
[[Datei:Spicesindia.jpg|mini|Gewürze auf einem indischen Markt]]
 
Die geschmacksverbessernde Wirkung der Gewürze beruht auf leicht flüchtigen Verbindungen, den ätherischen Ölen. Aufgrund ihrer leichten Flüchtigkeit geben sie der Speise nicht nur einen angenehmen Geruch, sondern auch einen angenehmen Geschmack, da das [[Gustatorische Wahrnehmung|Gesamtgeschmacksempfinden]] sich zum größten Teil in der [[Nase]] abspielt. Je nach Absicht kann man mit Gewürzen einer Speise ein komplett anderes Aroma geben und damit vielleicht ein unerwünschtes Aroma überdecken oder den ureigenen Geschmack der Speisen hervorheben, ergänzen und verstärken. Da die in den Gewürzen enthaltenen ätherischen Öle auch physiologische Wirkung entfalten können, kann man mit verschiedenen Gewürzen auch durchaus medizinische Zwecke erfüllen.
 
Die wichtigsten Funktionen von Gewürzen sind
 
* Konservierung der gewürzten Lebensmittel (Salz, Chili, Rosmarin)
* Anregung des Appetits durch Bitterstoffe (Bitterliköre, Rosmarin, [[Pomeranzenschale]])
* Anregung der Verdauung durch Förderung der Magentätigkeit (Pfeffer, Salz, Essig)
* Hilfe bei Darmkrämpfen und Verhinderung von Blähungen (Fenchel, Anis, Kümmel)
* Verbesserung des Geschmacks von verdorbenen oder faden Lebensmitteln (Rosenwasser, Orangenblüten)
* Ergänzung und Verstärkung des Geschmacks von wenig aromaintensiven Gerichten (Glutamat, Vanille, Butter)
 
Weiterhin gibt es einzelne Wirkungen, die über die genannten Gruppen hinausgehen. So werden viele Gewürze und Kräuter seit alters her für gesundheitliche Zwecke eingesetzt. Dabei lässt sich unterscheiden in kurzfristige Wirkung und längerfristige Effekte auf den menschlichen Organismus. Zum Beispiel:
 
* Anregung der Bildung von Gallenflüssigkeit, Förderung der [[Verdauung|Fettverdauung]] (Zwiebel, Knoblauch)
* Günstige Wirkungen auf die [[Darmflora]] (Ingwer, Knoblauch)
* Aphrodisierende Wirkung, Aktivierung des Herz-Kreislauf-Systems (Nelken, Chili, Ingwer, Kakaobohnen)
* Förderung der Konzentration, aufmunternd (Kakaobohnen, Kaffeebohnen, [[Guaraná]], [[Colanuss]])
* Entspannung, Beruhigung, Einschlafförderung (Salbei, Muskat)
 
Bis zur beginnenden [[Kolonisation]] waren viele Gewürze in Europa selten und entsprechend teuer, ihre Verwendung erfolgte teilweise in Hinblick auf einen gewissen Statuscharakter unnötig reichlich.
 
== Verwendung ==
 
Die pflanzlichen Gewürze werden meist zerstoßen, [[Rebeln|gerebelt]] oder gemahlen verwendet, sofern sie nicht als [[Konzentrat|Essenz]] oder [[Drogenauszug|Extrakt]] vorliegen. Um die aromatisierende Wirkung besser kontrollieren zu können, können bei längeren Garverfahren wie ''[[Dünsten]]'' oder ''[[Schmoren]]'' die Gewürze in eine Gewürzkugel, ähnlich einem [[Tee-Ei]], gefüllt werden und so leicht wieder ohne Rückstände entnommen werden. Die Lebensmitteltechnologie benötigt immer mehr bearbeitete Gewürze und bevorzugt Gewürzpräparationen, welche nur noch aus [[Ätherische Öle|ätherischen Ölen]] bestehen.
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Gewürz}}
* {{WikipediaDE|Gewürz}}
* {{WikipediaDE|Gewürzmischung}}
* {{WikipediaDE|Liste der Küchenkräuter und Gewürzpflanzen}} nach botanischer Klassifikation
* {{WikipediaDE|Liste der Küchengewürze}} in alphabetischer Reihenfolge
 
== Literatur ==
 
* {{Literatur | Autor=Ulrike Bültjer | Titel=Lexikon der Kräuter und Gewürze | Verlag=Bassermann Verlag | Ort=München | Jahr=2002 | ISBN=3-8094-1283-X}}
* {{Literatur | Autor=Eberhard Teuscher, Ulrike Bauermann, Monika Werner | Titel=Gewürzdrogen | TitelErg=Ein Handbuch der Gewürze, Gewürzkräuter, Gewürzmischungen und ihrer ätherischen Öle | Verlag=Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH | Ort=Stuttgart | Jahr=2003 | ISBN=3-8047-1867-1}}
* {{Literatur | Autor=Frank Holl (Hrsg.)| Titel=Gewürze – sinnlicher Genuss, lebendige Geschichte. Begleitbuch zur [http://www.lokschuppen.de/fileadmin/rueckblicke/web_gewuerze/ausstellung.htm Ausstellung] im Ausstellungszentrum Lokschuppen Rosenheim | Verlag=Veranstaltungs- und Kongress GmbH | Ort=Rosenheim | Jahr=2010 | ISBN= 978-3-00-030589-4}}
* {{Literatur | Autor=Rita Kopp | Titel=Edelsüß und Rosenscharf – Die Welt der alten Gewürze | Verlag=Thorbecke | Ort=Ostfildern | Jahr=2005 | ISBN=3-7995-3515-2}}
* Hansjörg Küster: ''Kleine Kulturgeschichte der Gewürze – ein Lexikon von Anis bis Zimt.'' Beck, München 2003, ISBN 3-406-49492-7
* {{Literatur | Autor= Marie von der Brück | Titel=Von Absinth bis Zichorie. Kräuter & Gewürze. Verbreitung, Anbau und Verwendung | Verlag=Honos Verlagsgesellschaft | Ort=Zug | Jahr=1985 | ISBN= 3-8299-5519-7}}
* Alfred Klement: ''Gewürzkräuter-Fibel von A – Z.'' Kneipp-Verl., Wien 2008, ISBN 978-3-7088-0429-3
* James A. Duke et al.: ''CRC handbook of medicinal spices.'' CRC, Boca Raton 2003, ISBN 0-8493-1279-5
* Jeanne D'Andrea: ''Ancient herbs.'' J. Paul Getty Trust Publ., Malibu 1989, ISBN 0-89236-035-6
* V. A. Parthasarathy: ''Chemistry of spices.'' CABI Publ., Wallingford 2008, ISBN 978-1-84593-405-7
* Gary Paul Nabhan: ''Cumin, Camels, and Caravans: A Spice Odyssey.'' University of California Press, 2014, ISBN 978-0-520-26720-6. (Eine Geschichte des Gewürzhandels) ([http://www.gbv.de/dms/bowker/toc/9780520267206.pdf Inhaltsverzeichnis])
 
== Weblinks ==
* {{Commonscat|Spices|Gewürz|3=S}}
* {{Wiktionary|Gewürz}}
* [http://www.bmelv.de/cae/servlet/contentblob/379772/publicationFile/25955/LeitsaetzeGewuerze.pdf Definition und Leitsätze des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) für Gewürze und andere würzende Zutaten (.pdf)] (55&nbsp;kB)
* [http://www.gewuerzindustrie.de/ Internetseite des Fachverbandes der Gewürzindustrie e.V.] mit Informationen zu Gewürzen und den „Leitsätzen für Gewürze und andere würzende Zutaten“
* [http://gernot-katzers-spice-pages.com/germ/ Gernot Katzers Lexikon] mit informativen und ausführlichen Informationen über Kräuter und Gewürze (dt. und engl.)
* [http://www.scienceticker.info/2007/06/12/nase-im-darm/ scienceticker.info] – Über die Entdeckung der Sensorzellen für Gewürze im Magen-Darm-Trakt
* [http://www.spices.res.in/ Indian Institute of Spices Research (eng.)] – Sehr informative und einfach organisierte Seite zum Thema
* [http://www.lebensmittelpraxis.de/sortiment/warenkunden/3102-gewuerze-teil-1.html Fachzeitschrift Lebensmittel Praxis] – Gewürzmischungen aus fernen Ländern
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{Normdaten|TYP=s|GND=4020933-7}}
 
[[Kategorie:Würzmittel]]
[[Kategorie:Gewürze|!]]
 
{{Wikipedia}}

Aktuelle Version vom 11. Februar 2019, 01:36 Uhr