Gegenraum

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Der Gegenraum, wie ihn Rudolf Steiner vor allem in seinem Astronomiekurs, aber auch an anderen Stellen ausführlich besprochen hat, ist begrifflich zu fassen als eine Art von negativem Raum, der durch Umstülpung aus dem äußeren dreidimensionalen Raum hervorgeht. Er ist unerlässlich zu einem tieferen Verständnis der Planetenbewegung und ihrem Zusammenhang mit der Gestaltung des menschlichen Organismus durch die ätherischen Umkreiskräfte.

"Sie sehen, wir kommen hier dazu, den Raum überwinden zu müssen. Es ist durchaus notwendig. Sie werden sehen, wenn Sie wirklich gewissenhaft vorgehen im Begreifen der Erscheinungen, daß Sie nicht auskommen mit den bloßen dreidimensionalen Raumvorstellungen. Sie müssen das Zusammenwirken ins Auge fassen zwischen einem Raum, der die drei gewöhnlichen Dimensionen hat und den Sie sich ideell vorstellen können als von einem Mittelpunkt radial auslaufend, und einem anderen Raum, der diesen dreidimensionalen Raum fortwährend vernichtet, und der nun nicht von einem Punkte ausgehend gedacht werden darf, sondern der ausgehend gedacht werden muß von der in unbegrenzter Weite liegenden Sphäre; wobei also der Punkt das eine Mal den Flächeninhalt Null hat und das andere Mal den Flächeninhalt einer unermeßlich großen Kugelfläche. Wir müssen also unterscheiden zwischen zweierlei Punkten: zwischen einem Punkt, der den Flächeninhalt Null hat, den er nach außen wendet, und einem Punkt, der den Flächeninhalt einer unbegrenzt großen Kugelfläche hat, den er nach innen wendet. Im rein Geometrischen genügt es, wenn wir uns den abstrakten Punkt vorstellen. Im Reiche der Wirklichkeit genügt das nicht. Wir kommen nicht zurecht, wenn wir uns den bloß abstrakten Punkt vorstellen. Da müssen wir überall fragen, ob der Punkt, den wir uns vorstellen, nach innen oder nach außen gekrümmt ist, denn danach richtet sich sein Wirkungsfeld.

Aber noch etwas anderes müssen Sie ins Auge fassen. Sie können sich ja nun vorstellen, Sie hätten irgendwo diesen Punkt, der eine Sphäre ist (Fig. 11, starker Kreis). Zunächst ist für Sie keine Notwendigkeit, den Punkt, der ja in unermeßlichen Weiten liegt, gerade just hier (a) vorzustellen. Wir können ihn ja auch ein Stückchen weiter draußen vorstellen (b c). Jeden Punkt können Sie irgendwo draußen vorstellen, nur müssen Sie sich diese Sphäre hier (innerer Kreis) frei lassen. Denn das ist ausgespart gewissermaßen,

Fig. 11
Fig. 11

das ist der umgekehrte Kreis oder die umgekehrte Kugel, wenn Sie wollen. Aber denken Sie sich, es läge das Folgende vor: Dasjenige, was da außerhalb dieses abstrakten Kreises (starker Kreis) liegt, was also dieser Punkt ist, der seine Krümmung nach innen kehrt - denn der ganze Raum, der da außerhalb dieser Kugelfläche (starker Kreis) liegt, ist eben dann ein Punkt, der seine Krümmung nach innen kehrt -, dieser Raum, der wäre wiederum doch irgendwo begrenzt. Also, Sie können weit gehen, aber die Wirklichkeit wäre nicht so, daß Sie überall hingehen könnten, da läge wiederum irgendwo eine Grenze ganz anderer Art (gestrichelter Kreis). Was müßte denn das zur Folge haben? Das müßte zur Folge haben, daß hier irgendwo (P) auftreten müßte dasjenige, was wiederum dazu gehört zu dem, was da draußen liegt. Es müßte da drinnen eine kleine Sphäre auftreten, die zu dem gehört, was da draußen liegt. Sie würden also sagen müssen: Da außerhalb einer Sphäre gibt es etwas; aber sehen kann ich das, was da draußen liegt, indem ich da (P) hineinschaue. Denn das ist dasjenige, was da wieder erscheint, was da sich wieder geltend macht, was die Fortsetzung ist von dem, was da draußen liegt. Dasjenige, was ich suche, wenn ich in die unendlichen Fernen gehe, kommt mir aus dem Zentrum wiederum zum Vorschein."

"Derjenige, der einfach aufzeichnen würde, was er da in den Weltenweiten sieht, der würde zu nichts kommen. Eine bloße Abzeichnung des Sternenhimmels, wie sie die heutigen Astronomen machen, führt zu nichts. Wenn man aber den ganzen Menschen mit dem vollen Verständnis des Kosmos diesem Kosmos gegenüberstellt, dann bilden sich ihm im Inneren der Seele gegenüber diesen Sternanhäufungen Bilder aus, wie man sie auf alten Karten sieht, wo noch aus dem alten, instinktiven Hellsehen die Imaginationen sich bildeten, und dann bekommt man eine Imagination des ganzen Kosmos. Man bekommt das Gegenbild von dem, was ich gestern gezeigt habe als die menschliche Grundlage der drei geometrischen Raumdimensionen. Man bekommt etwas, was sich in unendlicher Weise konfigurieren kann.

Die Menschen haben ja heute im Grunde genommen gar keine Ahnung davon, wie man einmal in das Weltenall hineingesehen hat in älteren Zeiten, wo eben noch ein instinktives Hellsehen bei den Menschen vorhanden war. Man hält heute dafür, daß die verschiedenen Zeichnungen, die Bilder, die Imaginationen, die gemacht worden sind von den Tierkreisbildern, aus der Phantasie entsprungen sind. Das sind sie nicht. Sie wurden empfunden, wurden geschaut, indem man sich dem Kosmos gegenüberstellte. Der Fortschritt der Menschheit forderte, daß diese instinktive, diese lebendige, diese imaginative Anschauung abgedämmert ist, daß an ihre Stelle die den Menschen befreiende, intellektuelle Anschauung getreten ist, aus der heraus aber, wenn wir ganze Menschen sein wollen, wiederum eine solche Anschauung des Weltenalls errungen werden muß, die wiederum zur Imagination vorschreitet, aber jetzt mit vollem Bewußtsein, nicht mehr instinktiv.

Man bekommt da nun nicht einen Raum, der sich durch drei Dimensionen erschöpfen läßt, wenn man in dieser Weise vom Sternenhimmel herein zu der Raumesvorstellung kommen will, sondern man bekommt einen Raum, den ich auch nur bildhaft andeuten kann: Würde ich den Raum, von dem ich gestern gesprochen habe, anzudeuten haben mit den drei aufeinander senkrecht stehenden Linien (sie werden gezeichnet als Mitte der entstehenden Zeichnung), so müßte ich diesen anderen Raum so andeuten, daß ich überall solche Konfigurationen zeichne, wie wenn Kräfte in Flächen sich von allen Seiten des Weltenalls der Erde näherten und von außen her plastisch wirkten an den Gebilden, welche auf der Erdoberfläche sind.

Raum und Gegenraum
Raum und Gegenraum

Zu einer solchen Vorstellung kommt man, wenn man vorrückt von dem, was mit den physischen Augen an den Lebewesen, vor allen Dingen am Menschen zu sehen ist, zu dem, was ich jetzt hier Imagination genannt habe, wobei sich einem statt des physischen Menschen der Kosmos in Bildform eröffnet und einem einen neuen Raum schenkt. Sobald man dazu vorrückt, kommt man dazu, anzuschauen dasjenige, was ein zweiter Leib des Menschen ist, den ein älteres, ahnendes Hellsehen, ein instinktives Hellsehen genannt hat den Ätherleib, den man besser nennt den Bildekräfteleib; einen übersinnlichen Leib, der aber durchaus aus feiner, ätherischer Substantialität besteht und der durchdringt den physischen Leib des Menschen. Wir können diesen physischen Leib studieren, wenn wir die ihn durchströmenden Kräfte innerhalb seiner Raumausdehnung suchen. Den Äther- oder Bildekräfteleib, der den Menschen durchflutet, können wir nicht studieren, wenn wir von diesem Räume (Mitte) ausgehen. Wir können ihn nur studieren, wenn wir ihn als gebildet aus dem ganzen Kosmos auffassen, wenn wir ihn so auffassen, daß eben diese von allen Seiten sich der Erde nähernden Kraftflächen an den Menschen herankommen und von außen her seinen Bildekräfteleib plastisch formen." (Lit.: GA 082, S. 86ff)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Damit der Mensch ganz Mensch werde, GA 82 (1994), ISBN 3-7274-0820-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Das Verhältnis der verschiedenen naturwissenschaftlichen Gebiete zur Astronomie, GA 323 (1997), ISBN 3-7274-3230-6 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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