John McTaggart und Leiblichkeit ist das Ende der Werke Gottes: Unterschied zwischen den Seiten

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[[File:John Mctaggart Ellis McTaggart.jpg|thumb|John McTaggart Ellis McTaggart]]
„'''Leiblichkeit ist das Ende der Werke Gottes'''“ ist ein berühmtes Zitat aus [[Friedrich Christoph Oetinger]]s 1776 veröffentlichtem Werk ''Biblisches und Emblematisches Wörterbuch''. Oetinger unterscheidet dabei den verweslichen [[Physischer Leib|physischen Leib]] von dem unverweslichen Leib, den er als [[Astralleib|siderischen]] oder [[Ätherleib|ätherischen Leib]] bezeichnet. Dieser unverwesliche Leib, der [[Auferstehungsleib]], ist mit dem „Ende der Werke Gottes“ gemeint. Oetinger bezieht sich in seinen Ausführungen auf die 1732 ins [[Deutsche Sprache|Deutsche]] übersetzte Schrift des niederländischen Philosophen und Mathematikers [[Bernard Nieuwentijt]] über ''„Die Erkänntnüss der Weissheit, Macht und Güte des göttlichen Wesens“''<ref>Bernard Nieuwentijt: ''Die Erkänntnüss der Weissheit, Macht und Güte des göttlichen Wesens'', Frankfurt 1732, S. 824 [https://books.google.at/books?id=B5JlAAAAcAAJ&pg=PA824 google]</ref>, in deren neunundzwanzigster und letzter Betrachtung ''„von der Möglichkeit der Auferstehung“'' gesprochen wird. Unter dem Stichwort „[[Leib]], [[Soma]]“ ist in Oetingers Schrift zu lesen:
'''John McTaggart Ellis McTaggart''' (* 3. September 1866 in London; † 18. Januar 1925 ebenda) war ein englischer [[Philosoph]].


McTaggart – ein Freund und Lehrer von [[Bertrand Russell]] – brachte die Philosophie von [[Hegel]] in den englischsprachigen Raum ein und wird dem [[Neuhegelianismus]] und dem [[Britischer Idealismus|Britischen Idealismus]] zugerechnet.
{{Zitat|Wenige sehen so weit wie Nieuwentijt, der in jedem Menschen einen doppelten Leib erweist, einen verborgenen siderischen oder ätherischen und einen offenbaren. Man schlage nach in Nieuwentijt, pag. 824. Er zeigt, dass der sichtbare Leib aus blutflüssigen und festen Teilen bestehe, welche nach gewisser Ordnung aus Brot und Wasser gezeugt werden. Er zeigt, dass der eigene Leib von ganz anderer Art sei. Die Grund-Bildung oder Spiritus Rector behält seine eigene Zugehörden, nicht in verweslichen Teilen, sondern in unverweslichen. Dieser eigene Leib ist doch leiblich, und leiblich sein aus dem Fleisch und Blut JEsu ist die höchste Vollkommenheit, sonst wohnte die Fülle GOttes nicht leibhaft in Christo. Leiblichkeit ist das Ende der Werke GOttes, wie aus der Stadt GOttes klar erhellet Offenb. 20.|Friedrich Christoph Oetinger|''Biblisches und Emblematisches Wörterbuch'', S. 407|ref=<ref>Friedrich Christoph Oetinger: ''Biblisches und Emblematisches Wörterbuch'', Heilbronn am Neckar 1776, S. 407 [https://archive.org/details/biblischesundemb00oeti/page/406 archive.org]</ref>}}


== Biografie ==
== Einzelnachweise ==
Seine Eltern waren Francis und Caroline Ellis. Infolge einer Erbschaftsklausel des mütterlichen Großonkels Sir John McTaggart führten die Eltern den zusätzlichen Nachnamen McTaggart, so dass der offizielle Familienname Ellis McTaggart lautete. Da der Sohn den Vornamen John McTaggart erhielt, kam es zu diesem vollständigen Namen: ''John McTaggart Ellis McTaggart''.
 
Von 1882 bis 1885 besuchte McTaggart das Clifton College in [[Bristol]] und von 1885 bis 1888 das [[Trinity College (Cambridge)|Trinity College]] in [[Cambridge]]. 1888 erwarb er den [[Bachelor|B.A.]] und 1892 den [[Master of Arts|M.A.]] Cambridge, wo er von 1897 bis 1922 als Dozent lehrte.
 
== Denken ==
[[File:Z1zahlanalogie.jpg|thumb|Zahlenreihe]]
 
McTaggarts Aufsatz zur [[Philosophie der Zeit]], ''The Unreality of Time'' (1908), ist einer der einflussreichsten Texte der gesamten Disziplin. Er unterscheidet dort zwischen verschiedenen Betrachtungsweisen der Zeit, die er A-, B- und C-Reihen nennt. Seiner Auffassung nach sind sowohl die A- wie auch die B-Reihe widersprüchlich oder mit den Phänomenen inkompatibel, woraus er schließt, dass die Zeit überhaupt eine Illusion sei. Diesem Fazit schließen sich zwar die wenigsten Theoretiker an, sein Beweis der Unwirklichkeit der Zeit gilt demnach unkontrovers als gescheitert<ref>[https://audiothek.philo.at/podcasts/ringvorlesung-raum-und-zeit/01-raum-zeit-mctaggerts-konzeption-von-raum-und-ze Sven Bernecker: ''Raum & Zeit: McTaggerts Konzeption von Raum und Zeit.'']</ref>, seine begriffliche Unterscheidung ist aber nach wie vor die Standardterminologie. Die A-Reihe operiert mit transitorischen Begriffen wie "vergangen", "gegenwärtig" und "zukünftig", die jeweils relativ auf die Perspektive der ersten Person eines Sprechers als [[Deixis|deiktisches Zentrum]] sind. Die Sätze der A-Reihe sind also [[Deixis|indexikalisch]] und zeitlich, das heißt, sie ändern ihren Wahrheitswert mit der beweglichen Gegenwart. Es liegt somit eine sogenannte ''tensed series'' oder ''dynamic-series'' vor. Zeit ist gerichtet, der Fluss der Zeit bewegt sich mit der Gegenwart und entspricht der erlebten Zeit. Die B-Reihe operiert dagegen mit Begriffen wie "früher als", "gleichzeitig" oder "später als", die relativ auf andere Zeitstellen und dadurch unabhängig von einer rein subjektiven Perspektive sind. Die Sätze der B-Reihe sind zeitlos, denn ihre relationale Bestimmung ändert sich nicht, es ist unerheblich, zu welchem Zeitpunkt man auf die Ereignisse schaut, ihr Wahrheitswert bleibt immer gleich. Diese Reihe wird daher als ''tensless series'' oder ''static-time-series'' bezeichnet. Zeit fließt nicht, zeitliche Bestimmungen sind statisch und permanent; Zeit ist analog zum Raum, so dass alle Zeitpunkte gleichzeitig vorhanden sind. Zeit ist objektiv und wissenschaftlich. Zieht man die Zeitbestimmungen von der A-Reihe ab, so erhält man eine C-Reihe, eine Reihe permanenter Relationen, vergleichbar mit der Reihe der [[Natürliche Zahlen|natürlichen Zahlen]]. Sie ist nicht zeitlich, weil sie keine Veränderung einschließt, und sie hat keine eigene Richtung, sondern nur eine Reihenfolge.
 
McTaggart sieht die A-Reihe als fundamentaler für die Zeit an als die B-Reihe und will zeigen, dass die Zeit nicht real sein kann, wenn die Unterscheidungen „vergangen“, „gegenwärtig“ und „zukünftig“ nie auf die Wirklichkeit zutreffen. Er stellt im Wesentlichen drei Thesen (Prämissen) auf, woraus sich als [[Konklusion]] die [[Unwirklichkeit]] der Zeit ergibt. Werden die Prämissen akzeptiert, dann ist der Beweis gelungen, weil das Argument [[Deduktion|deduktiv]] stichhaltig ist.
 
* These 1: Keine Zeit ohne Veränderung.<br />
Diese These ist allgemein anerkannt.(Veränderung ist nicht der Zeitfluss, denn dies würde die A-Reihe bereits voraussetzen, sondern die Tatsache, dass Gegenstände zeitlich nacheinander unverträgliche Eigenschaften haben.)<br />
* These 2: Veränderung gibt es nur in der A-Reihe.<br />
Die B-Serie ist nicht in der Lage, den Zeitfluss darzustellen. Ereignisse sind statisch relativ zueinander geordnet, es gibt keine echte Veränderung. Diese ist nur in der A-Serie möglich.<br />
* These 3: Die A-Reihe ist widersprüchlich.<br />
Nach der A-Reihe kommt jedem Ereignis oder Zeitpunkt das Attribut zu, dass es sowohl gegenwärtig, zukünftig und auch vergangen ist. Dies seien aber widersprüchliche Bestimmungen, welche nicht gleichzeitig [[wirklich|real]] sein können, weshalb die A-Reihe unreal ist. Auch eine Umgehung der Gleichzeitigkeit der Attribute führt zu Widersprüchen. Ist aber die A-Reihe [[Unwirklichkeit|unreal]], jedoch eine notwendige Voraussetzung für die Zeit, könne die Zeit selbst nur unreal sein.
 
Diese Thesen sind nicht unangreifbar. Einer der wesentlichsten Punkte ist die heutige Auffassung des Begriffes von Veränderung<ref>[http://wittgensteinrepository.org/agora-alws/article/view/2576/2876 Christian Kanzian: ''Warum McTaggarts Beweis für die Unwirklichkeit der Zeit fehlschlägt.'']</ref>, nach der die These 2 nicht bestehen kann: Nach Russell gibt es auch in der B-Reihe durch das Eintreten neuer Ereignisse und Tatsachen zeitliche Veränderung. Ein Gedankenexperiment <!-- Verweis erwünscht! --> von [[Sydney Shoemaker]] <!-- siehe englische WP --> entwirft eine Möglichkeit, nach welcher Zeit auch ohne Veränderung möglich sein könnte. Dass McTaggarts Beweisversuch für die Unwirklichkeit der Zeit (also der Nachweis einer [[Antinomie]]) gescheitert ist, bedeutet allerdings nicht, dass die [[Wirklichkeit|Realität]] der Zeit damit schon bewiesen wäre.
 
== Werke (Auswahl) ==
* ''Studies in the Hegelian Dialectic''. The University Press, Cambridge 1886.
* ''Studies in the Hegelian Cosmology''. The University Press, Cambridge 1891.
* ''The Unreality of Time''. In: Mind. A Quarterly Review of Psychology and Philosophy 17/1908, S. 457–474.
** Deutsche Übersetzung: ''Die Irrealität der Zeit.'' In: Walther Ch. Zimmerli, Mike Sandbothe (Hrsg.): ''Klassiker der modernen Zeitphilosophie''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993, ISBN 3-534-12013-2, S. 67–86
* ''The Nature of Existence''. The University Press, Cambridge 1921-1927.
* ''The changes of method in Hegel's dialectic''. Mind (N. S.) 1(1892)1, 56 - 71; 1(1892)2, 188 - 205
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|John Mc Taggart Ellis Mx Taggert}}
* {{WikipediaDE|Philosophie der Zeit}}
 
== Literatur ==
* [[Michael Dummett]]: ''McTaggarts Beweis für die Irrealität der Zeit: Eine Verteidigung.'' In: Walther Ch. Zimmerli, Mike Sandbothe (Hrsg.): ''Klassiker der modernen Zeitphilosophie.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993, ISBN 3-534-12013-2, S. 120–126
* Edmund Runggaldier: ''Formal semantische Erneuerung der Metaphysik.'' In: Matthias Lutz-Bachmann (Hrsg.): ''Metaphysik heute - Probleme und Perspektiven der Ontologie.'' Alber, Freiburg 2007, S. 57 (70-73) (zu A- und B-Serien)
* John Jamieson Carswell Smart: ''Der Fluß der Zeit.'' In: Walther Ch. Zimmerli, Mike Sandbothe (Hrsg.): ''Klassiker der modernen Zeitphilosophie''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993, ISBN 3-534-12013-2, S. 106–119


== Weblinks ==
* {{DNB-Portal|118781162}}
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/mctaggart/|John M. E. McTaggart|Kris McDaniel}}
* {{IEP|http://www.iep.utm.edu/mctaggar/|John McTaggart Ellis McTaggart (1866-1925)|Emily Thomas}}
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


{{Normdaten|TYP=p|GND=118781162|LCCN=n/79/145629|VIAF=39386012}}
[[Kategorie:Theosophie]] [[Kategorie:Oetinger]]
 
[[en:Corporeality is the end of the works of God]]
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{{Wikipedia}}

Aktuelle Version vom 4. April 2021, 23:53 Uhr

Leiblichkeit ist das Ende der Werke Gottes“ ist ein berühmtes Zitat aus Friedrich Christoph Oetingers 1776 veröffentlichtem Werk Biblisches und Emblematisches Wörterbuch. Oetinger unterscheidet dabei den verweslichen physischen Leib von dem unverweslichen Leib, den er als siderischen oder ätherischen Leib bezeichnet. Dieser unverwesliche Leib, der Auferstehungsleib, ist mit dem „Ende der Werke Gottes“ gemeint. Oetinger bezieht sich in seinen Ausführungen auf die 1732 ins Deutsche übersetzte Schrift des niederländischen Philosophen und Mathematikers Bernard Nieuwentijt über „Die Erkänntnüss der Weissheit, Macht und Güte des göttlichen Wesens“[1], in deren neunundzwanzigster und letzter Betrachtung „von der Möglichkeit der Auferstehung“ gesprochen wird. Unter dem Stichwort „Leib, Soma“ ist in Oetingers Schrift zu lesen:

„Wenige sehen so weit wie Nieuwentijt, der in jedem Menschen einen doppelten Leib erweist, einen verborgenen siderischen oder ätherischen und einen offenbaren. Man schlage nach in Nieuwentijt, pag. 824. Er zeigt, dass der sichtbare Leib aus blutflüssigen und festen Teilen bestehe, welche nach gewisser Ordnung aus Brot und Wasser gezeugt werden. Er zeigt, dass der eigene Leib von ganz anderer Art sei. Die Grund-Bildung oder Spiritus Rector behält seine eigene Zugehörden, nicht in verweslichen Teilen, sondern in unverweslichen. Dieser eigene Leib ist doch leiblich, und leiblich sein aus dem Fleisch und Blut JEsu ist die höchste Vollkommenheit, sonst wohnte die Fülle GOttes nicht leibhaft in Christo. Leiblichkeit ist das Ende der Werke GOttes, wie aus der Stadt GOttes klar erhellet Offenb. 20.“

Friedrich Christoph Oetinger: Biblisches und Emblematisches Wörterbuch, S. 407[2]

Einzelnachweise

  1. Bernard Nieuwentijt: Die Erkänntnüss der Weissheit, Macht und Güte des göttlichen Wesens, Frankfurt 1732, S. 824 google
  2. Friedrich Christoph Oetinger: Biblisches und Emblematisches Wörterbuch, Heilbronn am Neckar 1776, S. 407 archive.org