David Hilbert und Wiener Kreis: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Hilbert.jpg|mini|250px|David Hilbert (1912)]]
Der '''Wiener Kreis''' des [[Logischer Empirismus|Logischen Empirismus]] war eine Gruppe Intellektueller aus den Bereichen der [[Philosophie]], der [[Naturwissenschaft]]en, [[Sozialwissenschaft]]en, der [[Mathematik]] und [[Logik]], die sich von 1924 bis 1936 unter der Leitung von [[Wikipedia:Moritz Schlick|Moritz Schlick]] regelmäßig in [[Wikipedia:Wien|Wien]] trafen.
[[Datei:Eingang Mathematisches Kolloquium.TIF|mini|Eingangstür des Mathematischen Seminars der [[Wikipedia:Universität Wien|Universität Wien]], Boltzmanngasse. Treffpunkt des Wiener Kreises.]]


'''David Hilbert''' (* [[23. Januar]] [[1862]] in [[Wikipedia:Königsberg (Preußen)|Königsberg]]<ref>Constance Reid ''Hilbert'', Springer Verlag 1972, gibt Wehlau bei Königsberg an</ref>; † [[14. Februar]] [[1943]] in [[Göttingen]]) war ein [[Deutschland|deutscher]] [[Mathematiker]]. Er gilt als einer der bedeutendsten Mathematiker der [[Neuzeit]]. Viele seiner Arbeiten auf dem Gebiet der [[Mathematik]] und [[Mathematische Physik|mathematischen Physik]] begründeten eigenständige Forschungsgebiete. Mit seinen Vorschlägen begründete er die bis heute bedeutsame [[Formalismus (Mathematik)|formalistische]] Auffassung von den [[Grundlagen der Mathematik]] und veranlasste eine kritische Analyse der Begriffsdefinitionen der Mathematik und des mathematischen [[Beweis (Mathematik)|Beweises]]. Diese Analysen führten zum [[Gödelscher Unvollständigkeitssatz|Gödelschen Unvollständigkeitssatz]], der unter anderem zeigt, dass das [[Hilbertprogramm]], die von ihm angestrebte vollständige [[Axiom]]atisierung der Mathematik, nicht gänzlich erfüllt werden kann. Hilberts programmatische Rede auf dem internationalen Mathematikerkongress in Paris im Jahre 1900, in der er eine [[Hilbertsche Probleme|Liste von 23 mathematischen Problemen]] vorstellte, beeinflusste die mathematische Forschung des 20. Jahrhunderts nachhaltig.<ref>[http://www.sueddeutsche.de/wissen/-geburtstag-des-mathematikers-david-hilbert-schneller-als-einstein-1.1263715 ''150. Geburtstag des Mathematikers David Hilbert – Schneller als Einstein''. In: Süddeutsche Zeitung, 22. Januar 2012] auf: sueddeutsche.de</ref><ref>[http://www.zeit.de/2012/03/David-Hilbert ''Der Einstein der Mathematik''. In: Die Zeit, 12. Januar 2012] auf: zeit.de</ref>
== Überblick ==
Zum Kern der Gruppe zählten neben Schlick [[Wikipedia:Hans Hahn|Hans Hahn]], [[Wikipedia:Philipp Frank|Philipp Frank]], [[Wikipedia:Otto Neurath|Otto Neurath]], [[Wikipedia:Rudolf Carnap|Rudolf Carnap]], [[Wikipedia:Herbert Feigl|Herbert Feigl]], [[Wikipedia:Richard von Mises|Richard von Mises]], [[Wikipedia:Karl Menger|Karl Menger]], [[Kurt Gödel|Kurt Gödel]], [[Wikipedia:Friedrich Waismann|Friedrich Waismann]], [[Wikipedia:Felix Kaufmann|Felix Kaufmann]], [[Wikipedia:Victor Kraft|Victor Kraft]] und [[Wikipedia:Edgar Zilse|l]]. Zu den gelegentlichen Besuchern des Wiener Kreises gehörten [[Wikipedia:Alfred Tarski|Alfred Tarski]], [[Wikipedia:Hans Reichenbach (Physiker)|Hans Reichenbach]], [[Wikipedia:Carl Gustav Hempel|Carl Gustav Hempel]], [[Willard Van Orman Quine]], [[Wikipedia:Ernest Nagel|Ernest Nagel]], [[Wikipedia:Alfred Jules Ayer|Alfred Jules Ayer]], [[Wikipedia:Frank P. Ramsey|Frank P. Ramsey]].<ref>Vgl. die Zurechnung zu „Kern“ und „Peripherie“ des Wiener Kreises in Stadler 1997.</ref> Auch [[Ludwig Wittgenstein]] und [[Karl Popper]] standen in engem Kontakt zum Wiener Kreis, nahmen selbst aber nie an den Treffen des Schlick-Zirkels teil.<ref>Von 1926 bis 1933 fanden gelegentliche Treffen Wittgensteins mit Schlick, Waismann, Carnap und Feigl statt. Vgl. Stadler 1997, Kapitel zu "Wittgenstein und der Wiener Kreis", 467-488.</ref><ref>Zu Popper und dem Wiener Kreis, vgl. Stadler 1997, 502-545.</ref>


== Leben ==
Die philosophische Position des Wiener Kreises wurde als [[Logischer Empirismus]], [[Logischer Positivismus]] oder [[Neopositivismus]] bezeichnet. Beeinflusst wurde sie durch [[Wikipedia:Ernst Mach|Ernst Mach]], [[David Hilbert]], den französischen [[Wikipedia:Konventionalismus|Konventionalismus]] ([[Wikipedia:Henri Poincaré|Henri Poincaré]] und [[Wikipedia:Pierre Duhem|Pierre Duhem]]), [[Gottlob Frege]], [[Bertrand Russell]] und [[Ludwig Wittgenstein]]. Innerhalb des Wiener Kreises herrschte ein [[Pluralismus (Philosophie)|Pluralismus]] philosophischer Positionen. Die Teilnehmer verband aber der Versuch einer Verwissenschaftlichung der Philosophie mit den Mitteln der modernen [[Logik]] und das Bekenntnis zu den Werten der [[Aufklärung]]. Vorherrschende Themen waren die Grundlagendebatten in den Natur- und Sozialwissenschaften, der Mathematik und Logik, die Aktualisierung des [[Empirismus]] durch die moderne Logik, die Suche nach einem „empiristischen [[Wikipedia:Sinnkriterium|Sinnkriterium]]“, die Kritik der [[Metaphysik]] und die Verbindung der Wissenschaften im Rahmen einer [[Enzyklopädie]] der „[[Wikipedia:Einheitswissenschaft|Einheitswissenschaft]]“.<ref>Vgl. Stöltzner/Uebel 2006, LII-LXXIX</ref>
=== Königsberg ===
==== Kindheit und Jugendzeit ====
[[Datei:ID003743 B175 FriedrichsCollegium.jpg|mini|Friedrichskollegium in Königsberg]]
[[Datei:ID003745 B177 KglWilhelmGymnasium.jpg|mini|Königliches Wilhelm-Gymnasium (Postkarte)]]


Hilbert wurde als Sohn des [[Amtsgerichtsrat]]s Otto Hilbert und seiner Frau Maria Theresia, geb. Erdtmann, geboren. Väterlicherseits entstammte er einer alten ostpreußischen Juristenfamilie, die Mutter kam aus einer Königsberger Kaufmannsfamilie. Der Vater wurde als eher einseitiger Jurist beschrieben, der der Laufbahn seines Sohnes kritisch gegenüberstand, während die Mutter vielseitige Interessen hatte, unter anderem auf dem Gebiet der Astronomie und Philosophie sowie der angewandten Mathematik.<ref name="Blumenthal">Otto Blumenthal: ''Lebensgeschichte.'' In: David Hilbert. Gesammelte Abhandlungen. Band III, Springer-Verlag, 1970, 2. Auflage, S. 388ff [http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN237834022 digitalisierter Volltext]</ref> Er hatte noch eine jüngere Schwester Elise Frenzel, die einen Richter heiratete und schon im Alter von 28 Jahren 1897 verstarb. In seiner Heimatstadt besuchte Hilbert als Schüler zunächst das [[Collegium Fridericianum|Friedrichskollegium]] und wechselte ein Jahr vor dem Abitur auf das mehr naturwissenschaftlich-mathematisch orientierte [[Königliches Wilhelms-Gymnasium (Königsberg)|Wilhelms-Gymnasium]]. Von seinen schulischen Leistungen ist nichts Bemerkenswertes überliefert, anekdotisch wurde kolportiert, dass der junge Hilbert zwar keine guten Deutschaufsätze schrieb (die hatte manchmal seine Mutter verfasst), jedoch seinen Lehrern mathematische Probleme erklären konnte. Sein Mathematiklehrer ''von Morstein'' gab ihm im Abitur die bestmögliche Zeugnisnote und bescheinigte ihm „Gründliches Wissen und die Fähigkeit, die ihm gestellten Aufgaben auf eigenem Wege zu lösen“. Auf seine Schulleistungen angesprochen meinte Hilbert später: „Ich habe mich auf der Schule nicht besonders mit Mathematik beschäftigt, denn ich wußte ja, daß ich das später tun würde.“<ref name="Blumenthal" />
Der Wiener Kreis trat öffentlich in Erscheinung durch die Publikation mehrerer Schriftenreihen (die Buchreichen ''[[Wikipedia:Schriften zur wissenschaftlichen Weltauffassung|Schriften zur wissenschaftlichen Weltauffassung]]'', ''[[Wikipedia:Einheitswissenschaft|Einheitswissenschaft]]'', die Zeitschrift ''[[Wikipedia:Erkenntnis (Zeitschrift)|Erkenntnis]]'') und die Organisation internationaler Konferenzen (u.&nbsp;a. in [[Wikipedia:Prag|Prag]], [[Wikipedia:Königsberg (Preußen)|Königsberg]], [[Wikipedia:Paris|Paris]], [[Wikipedia:Kopenhagen|Kopenhagen]], [[Wikipedia:Cambridge|Cambridge]], UK und [[Wikipedia:Cambridge (Massachusetts)|Cambridge]], Mass.). Im Rahmen des ''Vereins Ernst Mach'' waren Mitglieder des Wiener Kreises auch in der Volksbildung aktiv.


==== Studium, sowie Begegnung und Austausch mit Minkowski und Hurwitz ====
Im Zuge des [[Wikipedia:Austrofaschismus|Austrofaschismus]] und der späteren Machtergreifung der [[Wikipedia:Nationalsozialisten|Nationalsozialisten]] waren viele Mitglieder des Wiener Kreises zur [[Wikipedia:Emigration|Emigration]] gezwungen. Die Ermordung Schlicks 1936 durch einen ehemaligen [[Wikipedia:dissertation#doktorant|Dissertanten]] markiert das faktische Ende des Wiener Kreises.<ref>Stöltzner/Uebel 2006, LXXXIX</ref>
[[Datei:Albertina.jpg|mini|Die Albertus-Universität um 1900 (colorierte Postkarte)]]


Mit dem Sommersemester 1880 begann der 18-jährige Hilbert das Studium der Mathematik an der [[Albertus-Universität Königsberg|Albertus-Universität]] in Königsberg. Die Königsberger Universität konnte damals auf eine glänzende Tradition in der Mathematik zurückblicken und galt in diesem Fach als eine Ausbildungsstätte ersten Ranges.<ref>Felix Klein: ''Vorlesungen über die Entwicklung der Mathematik im 19. Jahrhundert. S. 112 ff: Die Königsberger Schule.'' In: Grundlehren der mathematischen Wissenschaften. 24/25. Berlin [u. a.], Springer-Verlag (Reprint 1979) [http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN375425993 digitalisierter Volltext]</ref> Hier hatten unter vielen anderen [[Carl Gustav Jacob Jacobi]], [[Friedrich Wilhelm Bessel]], [[Friedrich Julius Richelot]] und der Physiker [[Franz Ernst Neumann]] gelehrt und gearbeitet. Zu Hilberts Lehrern gehörte der aus [[Heidelberg]] kommende [[Heinrich Weber (Mathematiker)|Heinrich Weber]]. Wohl durch Vermittlung Webers verbrachte Hilbert sein zweites Semester in [[Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg|Heidelberg]], kehrte danach jedoch nach Königsberg zurück. Weber erkannte und förderte frühzeitig Hilberts mathematische Begabung.
Die Arbeiten, die im Umfeld des Wiener Kreises entstanden, hatten einen großen Einfluss auf die Entwicklung der [[Wissenschaftsphilosophie]] und der [[Analytische Philosophie|Analytischen Philosophie]] bis zur Gegenwart.


Während des Studiums lernte Hilbert seinen zwei Jahre jüngeren Kommilitonen [[Hermann Minkowski]] kennen, der aus einer jüdischen Familie aus [[Litauen]] stammte, die nach Ostpreußen eingewandert war. Mit Minkowski verband ihn eine lebenslange enge Freundschaft. 1883 wurde [[Ferdinand von Lindemann|Ferdinand Lindemann]] der Nachfolger auf dem [[Lehrstuhl]] (Ordinariat) von Weber und 1884 wurde [[Adolf Hurwitz]] auf den zweiten Mathematik-Lehrstuhl (das Extraordinariat) berufen. Hurwitz war nur 3 Jahre älter als Hilbert und Hilbert sagte später über ihn: „Wir, Minkowski und ich, waren ganz erschlagen von seinem Wissen und glaubten nicht, daß wir es jemals so weit bringen würden.“.<ref name="Blumenthal" /> Der regelmäßige wissenschaftliche Austausch mit Hurwitz und Minkowski wurde für Hilbert prägend. Im Nachruf auf Hurwitz schrieb Hilbert: „Auf zahlreichen, zeitenweise Tag für Tag unternommenen Spaziergängen haben wir damals während acht Jahren wohl alle Winkel mathematischen Wissens durchstöbert, und Hurwitz mit seinen ebenso ausgedehnten und vielseitigen wie festbegründeten und wohlgeordneten Kenntnissen war uns dabei immer der Führer“.<ref>David Hilbert: ''Adolf Hurwitz.'' In: Mathem. Annalen Bd. 83, S. 161–168 (1921) [http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN237834022 digitalisierter Volltext]</ref> Lindemann hatte dagegen nur wenig Einfluss auf Hilbert, er schlug ihm jedoch das Thema seiner Doktorarbeit vor. 1885 wurde Hilbert mit der Arbeit ''Über invariante Eigenschaften spezieller binärer Formen, insbesondere der Kugelfunctionen'' in der Philosophischen Fakultät promoviert.
== Geschichte ==
Die Geschichte und Entwicklung des Wiener Kreises kann in mehrere Phasen eingeteilt werden:<ref>Diese Darstellung folgt vor allem Stadler 1997. Bes. 629-630 für einen Überblick über die Phasen der Entwicklung.</ref>


==== Begegnung mit Felix Klein, Habilitation und Professur ====
=== Der „erste Wiener Kreis“ (1907–1912)<ref>Frank 1949, Stadler 1997, Uebel 2000, Stöltzner/Uebel 2006. Die Bezeichnung geht zurück auf Rudolf Haller, „Der erste Wiener Kreis“, in: Fragen zu Wittgenstein und Aufsätze zur Österreichischen Philosophie, Amsterdam 1986.</ref> ===
[[Datei:David Hilbert 1886.jpg|mini|hochkant|David Hilbert (1886) als Privatdozent in Königsberg]]
Bereits vor dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] gab es eine informelle Diskussionsrunde, zu der sich die späteren Wiener-Kreis-Mitglieder [[Wikipedia:Hans Hahn|Hans Hahn]], [[Wikipedia:Philipp Frank|Philipp Frank]], [[Wikipedia:Otto Neurath|Otto Neurath]] trafen. Diskutiert wurden unter anderem Grundlagenprobleme der modernen Mathematik und Naturwissenschaften, die (Un-)Wissenschaftlichkeit der Philosophie und die Erneuerung des Empirismus in Verbindung mit dem französischen [[Wikipedia:Konventionalismus|Konventionalismus]] und den Mitteln der modernen [[Logik]]. Behandelt wurden dabei Autoren wie [[Wikipedia:Ernst Mach|Mach]], [[Wikipedia:Pierre Duhem|Duhem]], [[Wikipedia:Henri Poincaré|Poincaré]], [[Franz Brentano|Brentano]], [[Wikipedia:Alexius Meinong|Meinong]], [[Edmund Husserl|Husserl]], [[Sigmund Freud|Freud]], [[Bertrand Russell|Russell]], [[Alfred North Whitehead|Whitehead]], [[Wikipedia:Wladimir Iljitsch Lenin|Lenin]] und [[Gottlob Frege|Frege]]. Spätestens der Erste Weltkrieg setzte dieser ersten Phase ein Ende.


Nach der Promotion begab sich Hilbert im Winter 1885/86 auf eine Studienreise, die ihn zunächst an die [[Universität Leipzig]] zu [[Felix Klein]] führte. Klein erkannte ebenfalls die hohe Begabung Hilberts und zwischen den beiden entwickelte sich eine intensive wissenschaftliche Korrespondenz. Auf Anraten Kleins hielt sich Hilbert noch für einige Monate in [[Sorbonne|Paris]] auf. Einen solchen Aufenthalt empfahl Klein allen talentierten Schülern, da er selbst zusammen mit [[Sophus Lie]] 1870 in Paris gewesen war, wo er wichtige Anregungen erhalten hatte. Hilbert kam in Kontakt mit vielen bekannten französischen Mathematikern ([[Charles Hermite]], [[Henri Poincaré]], [[Camille Jordan]], [[Pierre Ossian Bonnet]]). Den besten Eindruck nahm er von Poincaré und Hermite mit, er zeigte sich aber insgesamt nicht sehr beeindruckt von der französischen Mathematik.<ref>Briefe vom 2. April und 21. April 1886 an Felix Klein. In: ''Der Briefwechsel David Hilbert – Felix Klein (1886–1918)''. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1985, ISBN 3-525-85457-9</ref>
=== Die Konstituierungsphase (1918–1924)<ref>Stadler 1997, 225-251.</ref> ===
Die Konstituierung des Wiener Kreises begann 1921 mit der Rückkehr Hans Hahns nach Wien. Hahn veranstaltete gemeinsam mit dem Mathematiker [[Wikipedia:Kurt Reidemeister|Kurt Reidemeister]] Seminare zu [[Ludwig Wittgenstein]]s ''[[Wikipedia:Tractatus logico-philosophicus|Tractatus logico-philosophicus]]'' und zur ''[[Wikipedia:Principia Mathematica|Principia Mathematica]]'' von Whitehead und Russell. 1922 gelang mit Unterstützung Hahns die Berufung von [[Wikipedia:Moritz Schlick|Moritz Schlick]] nach Wien auf den Lehrstuhl für Naturphilosophie, den vor ihm Ernst Mach innegehabt hatte und an dem auch teilweise [[Wikipedia:Ludwig Boltzmann|Ludwig Boltzmann]] unterrichtet hatte.


1886 [[Habilitation|habilitierte]] sich Hilbert in Königsberg mit einer Arbeit über [[Invariante (Mathematik)|invariantentheoretische]] Untersuchungen im binären Formengebiet und wurde [[Privatdozent]]. Nachdem Hurwitz 1892 einen [[Berufung (Amt)|Ruf]] nach [[ETH Zürich|Zürich]] angenommen hatte, wurde Hilbert dessen Nachfolger im Extraordinariat. 1893 folgte Lindemann einem Ruf nach [[Ludwig-Maximilians-Universität München|München]] und Hilbert wurde nun Ordinarius. Hilbert konnte durchsetzen, dass sein Freund Minkowski auf das vakant gewordene Extraordinariat nach Königsberg berufen wurde.
Unmittelbar nach seiner Ankunft organisierte Schlick gemeinsame Diskussionskreise mit den Mathematikern um Hahn. Ab dem Wintersemester 1924/1925 wurde schließlich auf Vorschlag von Schlicks Studenten [[Wikipedia:Friedrich Waismann|Friedrich Waismann]] und [[Wikipedia:Herbert Feigl|Herbert Feigl]] ein donnerstäglicher „Abendkreis“ eingerichtet, zu dem Schlick persönlich in das Mathematische Institut in der Wiener [[Wikipedia:Boltzmanngasse|Boltzmanngasse]] 5 einlud. Diese Treffen können als „Geburtsstunde“ des späteren „Wiener Kreises“ betrachtet werden.<ref>Stadler 1997, 230.</ref>


=== Familie ===
=== Die nichtöffentliche Phase des Wiener Kreises – Der Schlick-Kreis (1924–1928)<ref>Stadler 1997, 229-251.</ref> ===
Am 12. Oktober 1892 heiratete David Hilbert die mit ihm seit längerer Zeit befreundete Käthe Jerosch (*&nbsp;31. März 1864 in [[Braniewo|Braunsberg]] im [[Ermland]], †&nbsp;17. Januar 1945 in [[Göttingen]]).<ref>Reid, Constance 1972: a.&nbsp;a.&nbsp;O. S. 40</ref><ref>Grabstein, http://www.w-volk.de/museum/grave34.htm</ref> Käthe war zeit ihres Lebens eine wesentliche Stütze der wissenschaftlichen Arbeit Hilberts. Mit ihrer besten Handschrift schrieb sie seit Beginn der Ehe Reinschriften von Korrespondenz und Buchmanuskripten zur Vorlage bei der Druckerei.<ref>Reid, Constance 1972: a.&nbsp;a.&nbsp;O. S. 46</ref><ref>Reid, Constance 1972: a.&nbsp;a.&nbsp;O. S. 52</ref> Diese Verpflichtung behielt sie auch nach den anstrengenden Vorkommnissen um den gemeinsamen Sohn Franz bei.<ref>Reid, Constance 1972: a.&nbsp;a.&nbsp;O. S. 139/140</ref> Käthe starb nahezu erblindet und vereinsamt.<ref>Reid, Constance 1972: a.&nbsp;a.&nbsp;O. S. 215</ref>
Die seit 1924 bestehenden wöchentlichen interdisziplinären Diskussionsrunden setzten sich aus unterschiedlichen Teilnehmern zusammen: Es nahmen daran sowohl arrivierte Forscher, jüngere Dozenten als auch Studierende und Doktoranden teil. Hinzu kamen geladene Gäste aus dem Ausland.
Das einzige Kind [[Franz Hilbert]] wurde am 11. August 1893 geboren.<ref>in Cranz, Reid, Constance 1972: a.&nbsp;a.&nbsp;O. S. 43</ref> Sein ganzes Leben litt er unter einer nicht genau diagnostizierten psychischen Störung. Seine geringen geistigen Fähigkeiten belasteten seinen Vater. [[Richard Courant]], ab 1909 Privatlehrer an einer Mädchenschule in Göttingen und Assistent von David Hilbert, wurde damit beauftragt, Franz Nachhilfe zu geben, um dessen schulische Leistungen zu verbessern. Versuche, in einem Beruf Fuß zu fassen, schlugen fehl. Eines Tages kam Franz mit den Symptomen einer [[wahn]]haften Störung nach Hause und wurde daraufhin in eine Klinik für Geisteskranke nahe der Universität Göttingen gebracht. Dies war der Auslöser für die in der Göttinger Gesellschaft aufkommenden, falschen Mutmaßungen, David und Käthe Hilbert seien Cousins 1. Grades.<ref>Reid, Constance 1972: a.&nbsp;a.&nbsp;O. S. 139</ref> Hilbert brach in der Folge den Kontakt zu seinem Sohn weitgehend ab und soll ihn während des Klinikaufenthaltes auch nie besucht haben.<ref>Doxiadis et al.: a.&nbsp;a.&nbsp;O. S. 282 und 330</ref>
Als seine Mutter ihn einige Zeit später nach Hause zurückbrachte, war der Frieden im Hause Hilbert gestört. Der Vater konnte die Krankheit seines Sohnes nicht ertragen, die Mutter wollte ihren Sohn nicht hergeben. Es kam zu Spannungen zwischen den Eheleuten.<ref>Reid, Constance 1972: a.&nbsp;a.&nbsp;O. S. 151/152</ref> Beim 60. (1922)<ref>Bild 60. Geburtstag, Reid, Constance 1972: a.&nbsp;a.&nbsp;O. S. 238</ref> und 75. (1937)<ref>Reid, Constance 1972: a.&nbsp;a.&nbsp;O. S. 210</ref> Geburtstag von Hilbert war Franz zu Hause.


=== Göttingen ===
1926 wurde [[Wikipedia:Rudolf Carnap|Rudolf Carnap]] auf Betreiben Schlicks als Privatdozent nach Wien geholt. Carnaps ''Logischer Aufbau der Welt'' wurde im Kreis intensiv diskutiert.
==== Die Glanzzeit der Göttinger Mathematik ====
[[Datei:Mathematik Göttingen.jpg|mini|Das Mathematische Institut in Göttingen. Der Neubau wurde 1926–29 aus Mitteln der [[Rockefeller-Stiftung]] erbaut und am 2. Dezember 1929 von Hilbert und Courant eröffnet.]]
[[Datei:David Hilbert.tif|mini|links|Porträt von David Hilbert in den 1900er Jahren, Künstler Anna Gorban, das Titelbild der thematische Ausgabe [http://rsta.royalsocietypublishing.org/content/376/2118 "Hilbert's sixth problem"], Phil. Trans. R. Soc. A 376 (2118), 2018 [[doi:10.1098/rsta/376/2118]].]]
1895 erfolgte auf Betreiben von Felix Klein die Berufung an die [[Georg-August-Universität Göttingen|Universität Göttingen]]. Das preußische Kultusministerium hatte es sich zum Ziel gesetzt, in Göttingen, gewissermaßen in der Tradition von [[Carl Friedrich Gauß]] und [[Bernhard Riemann]], einen Schwerpunkt der mathematischen Forschung aufzubauen. Treibende Kraft war dabei der Staatssekretär [[Friedrich Althoff]], der in diesem Bestreben tatkräftig von Klein unterstützt wurde. Hilbert war damals 33 Jahre alt und Klein wurde vorgeworfen, es sich mit der Berufung eines so jungen Mannes leicht zu machen. Daraufhin entgegnete dieser: „Sie irren, ich berufe mir den Allerunbequemsten.“<ref name="Blumenthal" /> Das persönliche Verhältnis von Klein zu Hilbert blieb jedoch auch nach der Berufung freundschaftlich ungetrübt. 1902 konnte Hilbert mittels eines Rufes nach Berlin durchsetzen, dass Minkowski auf das Extraordinariat in Göttingen berufen wurde, womit die beiden befreundeten Mathematiker wieder an einem Ort vereint waren. Der frühe Tod seines Freundes und Arbeitskollegen 1909, im Alter von 44 Jahren, war ein schwerer persönlicher Schlag für Hilbert.<ref>siehe hierzu Hilberts Gedächtnisrede, gehalten in der öffentlichen Sitzung der Kgl. Gesellschaft zu Göttingen am 1. Mai 1909 (veröffentlicht: D. Hilbert: ''Hermann Minkowski''. Göttinger Nachrichten, Geschäftliche Mitteilungen 1909, S. 72–101, und Math. Ann. Bd. 68, S. 445–471 (1910), auch enthalten in den ''Gesammelten Abhandlungen'', Bd. 3. [http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN237834022 digitalisierter Volltext])</ref> Nach dessen Tode fungierte Hilbert als Herausgeber seiner Arbeiten unter dem Titel ''Gesammelte Abhandlungen von Hermann Minkowski''.<ref>David Hilbert (Hrsg.) unter Mitwirkung von Andreas Speiser und Hermann Weyl: ''Gesammelte Abhandlungen von Hermann Minkowski'', Leipzig und Berlin, Teubner, 1911</ref>


Die frühen Jahre in Göttingen waren für Hilbert nicht immer einfach, da in der Kleinstadt [[Göttingen]] kein so weltoffener, liberaler Geist wie in Königsberg herrschte. Der Standesdünkel der dortigen Universitätskreise war sehr ausgeprägt. So wurde es zum Beispiel als Skandal empfunden, als Hilbert, der Ordinarius, mit Assistenten in einem Lokal Billard spielte. [[Albert Einstein]] gab Jahre später seinem Freund [[Max Born]], der sich zwischen einem Ruf nach [[Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main|Frankfurt]] oder Göttingen entscheiden musste, den Rat: „Wenn ich mich in die Lage denke, so kommt es mir vor, ich bliebe lieber in Frankfurt. Denn mir wäre es unerträglich, auf einem kleinen Kreis aufgeblasener und meist engherziger (und -denkender) Gelehrter so ganz angewiesen zu sein (kein anderer Verkehr). Denkt daran, was Hilbert ausgestanden hat von dieser Gesellschaft.“<ref>Brief vom 3. März 1920 In: ''Albert Einstein – Max Born Briefwechsel 1916–1955''. Verlag Langen/Müller; März 2005; ISBN 3-7844-2997-1</ref> Born entschied sich aber dann doch für Göttingen und gehörte bald zum Freundeskreis von Hilbert, dessen Assistent er bereits gewesen war.
Daneben wurde Wittgensteins ''[[Wikipedia:Tractatus logico-philosophicus|Tractatus logico-philosophicus]]'' laut vorgelesen und debattiert. Seit 1927 bestanden zudem persönliche Kontakte zu Wittgenstein und es kam zu Treffen mit Schlick, Waismann, Carnap und Feigl.<ref>Die Aufzeichnung dieser Treffen durch Waismann findet sich im Band Ludwig Wittgenstein und der Wiener Kreis, Gespräche aufgezeichnet von Friedrich Waismann, Frankfurt a. M. 1984.</ref>
Nach den Anfangsschwierigkeiten lebte sich Hilbert jedoch in Göttingen gut ein und genoss große Verehrung von Seiten seiner Studenten. Über den Eindruck, den er bei den Studenten hinterließ, berichtete sein späterer Doktorand Otto Blumenthal:


{{Zitat|Ich erinnere mich noch genau des ungewohnten Eindrucks, den mir zweitem Semester – dieser mittelgroße, bewegliche, ganz unprofessoral aussehende, unscheinbar gekleidete Mann mit dem breiten rötlichen Bart machte, der so seltsam abstach gegen Heinrich Webers ehrwürdige, gebeugte Gestalt und Kleins gebietende Erscheinung mit dem strahlenden Blick. […] Hilberts Vorlesungen waren schmucklos. Streng sachlich, mit einer Neigung zur Wiederholung wichtiger Sätze, auch wohl stockend trug er vor, aber der reiche Inhalt und die einfache Klarheit der Darstellung ließen die Form vergessen. Er brachte viel Neues und Eigenes, ohne es hervorzuheben. Er bemühte sich sichtlich, allen verständlich zu sein, er las für die Studenten, nicht für sich. […] Um mit seinen Seminarleuten genau bekannt zu werden führte er sie eine Zeitlang nach jedem Seminar in eine Waldwirtschaft, wo Mathematik gesprochen wurde. […] Ein ausdauernder Fußgänger, machte er mit ihnen allwöchentlich weite Spaziergänge in die Berge Göttingens, da konnte jeder seine Fragen stellen, meist aber sprach Hilbert selbst über seine Arbeiten, die ihn gerade beschäftigten.|ref=<ref name="Blumenthal" />}}
=== Öffentliche Phase Schlick-Kreis und ''Verein Ernst Mach'' (1928–1934)<ref>Stadler 1997, 364-388.</ref> ===
[[Datei:David Hilbert Vorlesung 1932.jpg|mini|Der 70-jährige Hilbert bei einem Vortrag im Jahr 1932]]
Mit der Gründung des ''Vereins Ernst Mach'' 1928 und der Publikation der Programmschrift „''Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis''“ 1929 trat der Wiener Kreis erstmals unter diesem Namen an die Öffentlichkeit – die Bezeichnung stammt von Otto Neurath<ref>Frank 1949, 38.</ref>. Ziel des ''Vereins Ernst Mach'', zu dessen Vorsitzenden Schlick gewählt wurde, war die Popularisierung der „''wissenschaftlichen Weltauffassung''“ durch Vortragstätigkeit, an der sich Mitglieder des Wiener Kreises aktiv beteiligten.<ref>Für einen Überblick über die Vortragstätigkeit 1929-1932: Stadler 1997, 379-381.</ref> In dem genannten Manifest heißt es u.a.:
In seiner Göttinger Zeit hat Hilbert insgesamt 69 Doktoranden betreut, u.&nbsp;a. (mit Jahr der Promotion): [[Otto Blumenthal (Mathematiker)|Otto Blumenthal]] (1898), [[Felix Bernstein]] (1901), [[Hermann Weyl]] (1908), [[Richard Courant]] (1910), [[Erich Hecke]] (1910), [[Hugo Steinhaus]] (1911), [[Wilhelm Ackermann (Mathematiker)|Wilhelm Ackermann]] (1925). Viele seiner ehemaligen Schüler wurden später Lehrstuhlinhaber.


Unter den 69 Doktoranden waren auch sechs Frauen, was in der damaligen Zeit alles andere als selbstverständlich war. Frauen wurden in Preußen erst im Jahr 1908 allgemein zum [[Wikipedia:Frauenstudium im deutschen Sprachraum|Hochschulstudium]] zugelassen. Bekannt ist der Einsatz Hilberts und Kleins für die Mathematikerin Emmy Noether, die – obwohl unzweifelhaft hochqualifiziert – als Frau nur unter großen Schwierigkeiten einen Lehrauftrag in Göttingen erlangen konnte. Sie konnte jahrelang ihre Vorlesungen nur unter Hilberts Namen ankündigen. Im Zusammenhang mit den Diskussionen um Noethers Habilitationsgesuch fiel Hilberts vielzitierter Ausspruch „eine Fakultät ist doch keine Badeanstalt!“.
{{Zitat|Die wissenschaftliche Weltauffassung ist nicht so sehr durch
eigene Thesen charakterisiert als vielmehr durch die grundsätzliche
Einstellung, die Gesichtspunkte, die Forschungsrichtung.
Als Ziel schwebt die ''Einheitswissenschaft'' vor. Das Bestreben
geht dahin, die Leistungen der einzelnen Forscher auf den verschiedenen
Wissenschaftsgebieten in Verbindung und Einklang
miteinander zu bringen. Aus dieser Zielsetzung ergibt sich die
Betonung der ''[[Kollektiv]]arbeit''; hieraus auch die Hervorhebung
des intersubjektiv Erfaßbaren; hieraus entspringt das Suchen
nach einem neutralen Formelsystem, einer von den Schlacken
der historischen Sprachen befreiten Symbolik; hieraus auch das
Suchen nach einem Gesamtsystem der Begriffe. Sauberkeit und
Klarheit werden angestrebt, dunkle Fernen und unergründliche
Tiefen abgelehnt. In der Wissenschaft gibt es keine »Tiefen«;
überall ist Oberfläche: alles Erlebte bildet ein kompliziertes, nicht
immer überschaubares, oft nur im einzelnen faßbares Netz. Alles
ist dem Menschen zugänglich; und der Mensch ist das Maß
aller Dinge. Hier zeigt sich Verwandtschaft mit den Sophisten,
nicht mit den Platonikern; mit den Epikureern, nicht mit den
Pythagoreern; mit allen, die irdisches Wesen und Diesseitigkeit
vertreten. Die wissenschaftliche Weltauffassung kennt keine unlösbaren
Rätsel. Die Klärung der traditionellen philosophischen
Probleme führt dazu, daß sie teils als Scheinprobleme entlarvt,
teils in empirische Probleme umgewandelt und damit dem Urteil
der Erfahrungswissenschaft unterstellt werden. In dieser
Klärung von Problemen und Aussagen besteht die Aufgabe der
philosophischen Arbeit, nicht aber in der Aufstellung eigener
»philosophischer« Aussagen. Die Methode dieser Klärung ist die
der logischen Analyse; [...]


Arnold Sommerfeld sandte zur Unterstützung von Hilberts Arbeit zu Grundlagenproblemen der Physik immer wieder seine Mitarbeiter als Assistenten nach Göttingen. Z. B. waren dies 1912 Paul Peter Ewald, 1913 Alfred Landé und 1920/21 Adolf Kratzer.
Diese ''Methode der logischen Analyse'' ist es, die den neuen
[[Empirismus]] und [[Positivismus]] wesentlich von dem früheren unterscheidet,
der mehr biologisch-psychologisch orientiert war.
Wenn jemand behauptet: »es gibt einen Gott«, »der Urgrund der
Welt ist das Unbewußte«, »es gibt eine Entelechie als leitendes
Prinzip im Lebewesen«, so sagen wir ihm nicht: »was du sagst,
ist falsch«; sondern wir fragen ihn: »was meinst du mit deinen
Aussagen?« Und dann zeigt es sich, daß es eine scharfe Grenze
gibt zwischen zwei Arten von Aussagen. Zu der einen gehören
die Aussagen, wie sie in der empirischen Wissenschaft gemacht
werden; ihr Sinn läßt sich feststellen durch logische Analyse, genauer:
durch Rückführung auf einfachste Aussagen über empirisch
Gegebenes. Die anderen Aussagen, zu denen die vorhin genannten
gehören, erweisen sich als völlig bedeutungsleer, wenn
man sie so nimmt, wie der Metaphysiker sie meint. Man kann sie
freilich häufig in empirische Aussagen umdeuten; dann verlieren
sie aber den Gefühlsgehalt, der dem Metaphysiker meist gerade
wesentlich ist. Der Metaphysiker und der Theologe glauben, sich
selbst mißverstehend, mit ihren Sätzen etwas auszusagen, einen
Sachverhalt darzustellen. Die Analyse zeigt jedoch, daß diese
Sätze nichts besagen, sondern nur Ausdruck etwa eines Lebensgefühls
sind. Ein solches zum Ausdruck zu bringen, kann sicherlich
eine bedeutsame Aufgabe im Leben sein. Aber das adäquate
Ausdrucksmittel hierfür ist die Kunst, zum Beispiel Lyrik oder
Musik. Wird statt dessen das sprachliche Gewand einer Theorie
gewählt, so liegt darin eine Gefahr: es wird ein theoretischer Gehalt
vorgetäuscht, wo keiner besteht. Will ein Metaphysiker oder
Theologe die übliche Einkleidung in Sprache beibehalten, so muß
er sich selbst darüber klar sein und deutlich erkennen lassen, daß
er nicht Darstellung, sondern Ausdruck gibt, nicht Theorie, Mitteilung
einer Erkenntnis, sondern Dichtung oder Mythus. Wenn
ein Mystiker behauptet, Erlebnisse zu haben, die über oder jenseits
aller Begriffe liegen, so kann man ihm das nicht bestreiten.
Aber er kann darüber nicht sprechen; denn sprechen bedeutet
einfangen in Begriffe, zurückführen auf wissenschaftlich eingliederbare
Tatbestände.


Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts hat Hilbert wesentlichen Anteil an der Entwicklung der Universität Göttingen zu einem führenden mathematisch-naturwissenschaftlichen Lehr- und Forschungszentrum gehabt<ref>Günter M. Ziegler und Andreas Loos: ''Der Einstein der Mathematik''. Zum 150. Geburtstag von David Hilbert. In: Die Zeit, 12. Januar 2012, Seite 32.</ref>; er blieb ihr, trotz zahlreicher Angebote anderer Universitäten und Akademien (1898 Leipzig: Nachfolge Sophus Lie, 1902 Berlin: Nachfolge Lazarus Immanuel Fuchs, 1912 Heidelberg: Nachfolge Leo Koenigsberger, 1919: Bern und 1917: nochmals Berlin) bis zu seiner Emeritierung 1930 treu. Bis in das Jahr 1934 hielt er noch Vorlesungen an der Göttinger Universität. Auch in seinen Göttinger Jahren blieb Hilbert seiner ostpreußischen Heimat eng verbunden und verbrachte regelmäßig seine Ferien im Seebad Rauschen, „dem Paradies unserer Kindheit“.
Von der wissenschaftlichen Weltauffassung wird die [[Metaphysik|metaphysische Philosophie]] abgelehnt [...]


1900 war er Präsident der [[Deutsche Mathematiker-Vereinigung|Deutschen Mathematiker-Vereinigung]]. 1903 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der [[Bayerische Akademie der Wissenschaften|Bayerischen Akademie der Wissenschaften]] gewählt.
In den metaphysischen Theorien und
schon in den Fragestellungen stecken zwei logische Grundfehler:
eine zu enge Bindung an die Form der ''traditionellen Sprachen''
und eine Unklarheit über die logische Leistung des Denkens. Die
gewöhnliche Sprache verwendet zum Beispiel dieselbe Wortform,
das Substantiv, sowohl für Dinge (»Apfel«) wie für Eigenschaften
(»Härte«), Beziehungen (»Freundschaft«), Vorgänge (»Schlaf«);
dadurch verleitet sie zu einer dinghaften Auffassung funktionaler
Begriffe (Hypostasierung, Substanzialisierung). Es lassen
sich zahlreiche ähnliche Beispiele von Irreführungen durch die
Sprache angeben, die für die Philosophie ebenso verhängnisvoll
geworden sind.


1902–1939 war Hilbert Mitherausgeber der ''[[Mathematische Annalen|Mathematischen Annalen]]'', der zu dieser Zeit bedeutendsten mathematischen Fachzeitschrift der Welt. In dieser Tätigkeit wurde er wesentlich durch seinen langjährigen Assistenten Otto Blumenthal unterstützt.
Der zweite Grundfehler der Metaphysik besteht in der Auffassung,
das ''[[Denken]]'' könne entweder aus sich heraus, ohne Benutzung
irgendwelchen Erfahrungsmaterials zu Erkenntnissen
führen, oder es könne wenigstens von gegebenen Sachverhalten
aus durch Schließen zu neuen Inhalten gelangen. Die logische
Untersuchung führt aber zu dem Ergebnis, daß alles Denken,
alles Schließen in nichts anderem besteht als in einem Übergang
von Sätzen zu anderen Sätzen, die nichts enthalten, was
nicht schon in jenen steckte (tautologische Umformung). Es ist
daher nicht möglich, eine Metaphysik aus »[[Reines Denken|reinem Denken]]« zu
entwickeln.


Obwohl grundsätzlich politisch liberal gesinnt konnte sich Hilbert der [[Augusterlebnis|Kriegsbegeisterung des August 1914]] nicht entziehen. So gehörte er zwar nicht zu den Unterzeichnern des [[Manifest der 93|Manifests der 93]], aber etwa zwei Wochen darauf stimmte er wie etwa sein Freund [[Max von Laue]] der nicht weniger nationalistischen [[Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches]] zu.<ref>Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches vom 23. Oktober 1914 [[s:Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches|Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches]]</ref>
In solcher Weise wird durch die logische Analyse nicht nur die
Metaphysik im eigentlichen, klassischen Sinne des Wortes überwunden,
insbesondere die [[Scholastik|scholastische Metaphysik]] und die der
Systeme des [[Deutscher Idealismus|deutschen Idealismus]], sondern auch die versteckte
Metaphysik des [[Kant]]ischen und des modernen ''[[Apriorismus]]''. Die
wissenschaftliche Weltauffassung kennt keine unbedingt gültige
Erkenntnis aus reiner Vernunft, keine »[[Synthetisches Urteil a priori|synthetischen Urteile a priori]]«, wie sie der Kantischen Erkenntnistheorie und erst
recht aller vor- und nachkantischen Ontologie und Metaphysik
zugrunde liegen... Die wissenschaftliche Weltauffassung kennt
nur Erfahrungssätze über Gegenstände aller Art und die analytischen
Sätze der Logik und Mathematik.


1928 hielt er einen Plenarvortrag auf dem [[Internationaler Mathematikerkongress|Internationalen Mathematikerkongress]] in [[Bologna]] (Probleme der Grundlegung der Mathematik). Anlässlich des Kongresses der [[Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte]] in Königsberg gab er am 8. September 1930 seine berühmte Ansprache mit dem Titel ''Naturerkennen und Logik''. Damals wurde ein vierminütiger Auszug über Radio ausgestrahlt und ist bis heute auf einer [[Schallplatte]] erhalten geblieben.<ref>Eine Original-Schallplatte wird im Mathematischen Institut Göttingen aufbewahrt und eine Kopie der Schallplatte ist in dem Buch von Kurt Reidemeister (1971) enthalten. Das Tondokument im [[MP3]]-Format findet sich unter: http://math.sfsu.edu/smith/Documents/HilbertRadio/HilbertRadio.mp3 (1,7 MB)</ref>
In der Ablehnung der offenen Metaphysik und der versteckten
des Apriorismus sind alle Anhänger wissenschaftlicher Weltauffassung einig. Der Wiener Kreis aber vertritt darüber hinaus die
Auffassung, daß auch die Aussagen des (kritischen) [[Realismus]]
und [[Idealismus]] über Realität oder Nichtrealität der Außenwelt
und des Fremdpsychischen metaphysischen Charakters sind, da
sie denselben Einwänden unterliegen wie die Aussagen der alten
Metaphysik: sie sind sinnlos, weil nicht verifizierbar, nicht sachhaltig.
Etwas ist »wirklich« dadurch, daß es eingeordnet wird
dem Gesamtgebäude der Erfahrung.


==== Nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ 1933 ====
Die von den Metaphysikern als Erkenntnisquelle besonders
[[Datei:Göttingen Stadtfriedhof Grab David Hilbert.jpg|mini|hochkant|Grabstelle auf dem [[Stadtfriedhof (Göttingen)|Göttinger Stadtfriedhof]]]]
betonte [[Intuition]] wird von der wissenschaftlichen Weltauffassung
Hilbert musste mitansehen, wie 1933 das berühmte und weltweit führende mathematische Zentrum und in gleicher Weise auch die ebenfalls hochangesehene physikalische Fakultät der Göttinger Universität durch die [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] vollständig zerstört wurde. Alle „nicht-arischen“ Mathematiker wie [[Edmund Landau]], [[Richard Courant]], [[Max Born]], [[Felix Bernstein]], [[Emmy Noether]], [[Otto Blumenthal (Mathematiker)|Otto Blumenthal]] und auch politisch Andersdenkende wie [[Hermann Weyl]] wurden zur Aufgabe ihrer Tätigkeit gezwungen, etliche emigrierten.<ref>Norbert Schappacher: ''Das Mathematische Institut der Universität Göttingen 1929–1950''; in: Becker, Dahms, Wegeler (Hrsg.), Die Universität Göttingen unter dem Nationalsozialismus, München (K.G. Saur) 1987, 345–373 – zweite erweiterte Ausgabe: München (K.G. Saur) 1998, 523–551. [http://www-irma.u-strasbg.fr/~schappa/ Volltext]</ref> Als Hilbert bei einem Bankett 1934 von dem neuen preußischen Unterrichtsminister [[Bernhard Rust]] gefragt wurde, ob es denn stimme, dass sein Institut „unter dem Weggang der Juden und Judenfreunde“ gelitten habe, erwiderte er: „Das Institut – das gibt es doch gar nicht mehr.“<ref>D. Nachmansohn, R. Schmidt: ''Die große Ära der Wissenschaft in Deutschland 1900–1933'', 1988, S. 55.</ref>
nicht etwa überhaupt abgelehnt. Wohl aber wird eine nachträgliche
rationale Rechtfertigung jeder intuitiven Erkenntnis
Schritt für Schritt angestrebt und gefordert. Dem Suchenden
sind alle Mittel erlaubt; das Gefundene aber muß der Nachprüfung
standhalten. Abgelehnt wird die Auffassung, die in der
Intuition eine höherwertige, tieferdringende Erkenntnisart sieht,
die über die sinnlichen Erfahrungsinhalte hinausführen könne
und nicht durch die engen Fesseln begrifflichen Denkens gebunden
werden dürfe.|H. Hahn, O. Neurath, R. Carnap|''Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis'' [http://neurath.umcs.lublin.pl/manifest.pdf pdf]}}


1942 wurde er Ehrenmitglied der [[Deutsche Mathematiker-Vereinigung|DMV]].
Das Manifest des Wiener Kreises wurde anlässlich der im Herbst 1929 in Prag stattfindenden „Tagung für Erkenntnislehre der exakten Wissenschaften“ vorgestellt. Diese Tagung, die gemeinsam vom ''Verein Ernst Mach'' und der ''Berliner Gesellschaft für Empirische Philosophie'' veranstaltet wurde, war der erste internationale Auftritt der Logischen Empiristen und die erste einer Reihe internationaler Konferenzen, an deren Organisation Mitglieder des Wiener Kreises beteiligt waren. Es folgten weitere Tagungen, die sich bis in die Jahre der Emigration fortsetzten: 1930 in Königsberg, 1934 in Prag, 1935 in Paris, 1936 in Kopenhagen, 1938 in Cambridge (England), 1939 in Cambridge (USA) und 1941 in Chicago.


Hilberts Tod im Jahr 1943 wurde von der deutschen wissenschaftlichen Öffentlichkeit auf dem Höhepunkt des [[Zweiter Weltkrieg|Weltkrieges]] nur beiläufig registriert. An seinem Begräbnis nahm kaum ein Dutzend Menschen teil. Der anwesende, ebenfalls aus Königsberg stammende [[Arnold Sommerfeld]] verfasste in ''Die Naturwissenschaften'' einen Nachruf.<ref>Sommerfeld, A. / Carathéodory C.: ''Zum Andenken an David Hilbert: gestorben 14. Februar 1943. Ansprachen im Trauerhause am Morgen des Begräbnistages vor dem Sarge. Berlin 1943.'' In: Die Naturwissenschaften. 31. S. 213–214.</ref> Ganz anders in Amerika: Dort kam es an vielen Universitäten, wo ehemalige Absolventen und Emigranten des Göttinger Mathematischen Seminars wirkten, zu zahlreichen Gedenkveranstaltungen. Unter anderen verfasste auch Hermann Weyl in [[Institute for Advanced Study|Princeton]] einen Nachruf.<ref>Hermann Weyl: ''David Hilbert and his mathematical work.'' Bulletin of the American Mathematical Society 50,612–654 (1944) [http://projecteuclid.org/DPubS/Repository/1.0/Disseminate?view=body&id=pdf_1&handle=euclid.bams/1183506085 pdf]</ref>
1930 übernahmen der Wiener Kreis und die Berliner Gruppe zudem die Zeitschrift ''Annalen der Philosophie'' und führten sie unter dem Titel ''Erkenntnis'', herausgegeben von Carnap und Reichenbach, als zentrale Publikationsplattform des Logischen Empirismus weiter. Die Publikationstätigkeit des Wiener Kreises wurde ergänzt durch die Buchreihen ''Schriften zur wissenschaftlichen Weltauffassung'' (herausgegeben von Schlick und Frank, 1928–1937)<ref>In dieser Reihe erschien 1934 auch Karl Poppers Logik der Forschung.</ref>, ''Einheitswissenschaft'' (herausgegeben von Neurath, 1933–1939), und später –&nbsp;bereits in der Emigration – die ''International Encyclopedia of Unified Science'' (mit Neurath als Hauptherausgeber, Carnap und [[Wikipedia:Charles W. Morris|Charles W. Morris]] als Nebenherausgeber, insgesamt von 1938 bis 1970).


Hilberts Grab befindet sich auf dem [[Stadtfriedhof (Göttingen)|Göttinger Stadtfriedhof]] an der Groner Landstraße.
=== Desintegration, Emigration, Internationalisierung (1934–1938) ===
Seit Anfang der Dreißigerjahre zeigten sich aus politischen, weltanschaulichen und [[Rassistisch|rassistischen]] Gründen erste Anzeichen einer Desintegration: Herbert Feigl verließ Österreich 1930, Carnap wurde 1931 nach Prag berufen und ging 1935 nach Chicago.


Seine Büste befindet sich unter den Büsten der bedeutenden Professoren der Georgia-Augusta in der [[Aula der Georg-August-Universität|Aula]] am Wilhelmsplatz.<ref>[http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Goettingen/Uebersicht/10000-Euro-Schaden-in-der-Uni-Aula Göttinger Tageblatt online vom 18. Juni 2009 zur Beschädigung am 18. Juni 2009]</ref>
Eine Zäsur markiert das Jahr 1934: Hahn starb an den Folgen einer Operation, Neurath musste im Zusammenhang mit dem [[Wikipedia:Austrofaschismus|Austrofaschismus]] nach [[Wikipedia:Holland|Holland]] emigrieren und in Wien wurde der ''Verein Ernst Mach'' vom [[Wikipedia:Schuschnigg|Schuschnigg]]-Regime aufgelöst.


Sein Nachlass wird vom [[Zentralarchiv deutscher Mathematiker-Nachlässe]] an der [[Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen|Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen]] aufbewahrt.
Das faktische Ende des Wiener Kreises kam durch die Ermordung Schlicks durch seinen ehemaligen Dissertanten [[Wikipedia:Hans Nelböck|Hans Nelböck]] aus persönlicher und weltanschaulicher Gegnerschaft.<ref>Zur Dokumentation des Mordes an Schlick und des Strafprozesses gegen Nelböck: Stadler 1997, 920-961.</ref>


== Werk ==
Danach wurden noch sporadisch weitere Treffen mit Kraft, Waismann, Zilsel, Menger und [[Wikipedia:Heinrich Gomperz|Gomperz]] veranstaltet. Der [[Wikipedia:Anschluss Österreichs|„Anschluss“ Österreichs]] an Nazi-Deutschland bedeutete das endgültige Verschwinden des Wiener Kreises aus Österreich.
Im Folgenden werden Hilberts wichtigste Beiträge zu einzelnen Bereichen der Mathematik genauer beschrieben.


=== Algebraische Geometrie ===
Mit der Emigration ging eine Internationalisierung des [[Logischer Empirismus|Logischen Empirismus]] einher. Viele ehemalige Mitglieder emigrierten in den angloamerikanischen Raum und nahmen dort Einfluss auf die weitere Entwicklung der [[Wissenschaftsphilosophie]]. Bezeichnend für die Internationalisierung ist auch die vor allem von Neurath, Carnap und Morris getragene Unity-of-Science-Bewegung zum Aufbau einer ''[[Wikipedia:International Encyclopedia of Unified Science|International Encyclopedia of Unified Science]]'', die maßgeblich an der Organisation der angeführten Kongresse beteiligt war und die ''International Encyclopedia of Unified Science'' publizierte.<ref>Für eine Chronologie der Emigration: Hans-Joachim Dahms, „The Emigration of the Vienna Circle“, in: Friedrich Stadler, Peter Weibel (Hrsg.), ''The Cultural Exodus from Austria'', Wien 1995.</ref>
Bis etwa 1893 leistete Hilbert Beiträge zur [[Invariante (Mathematik)|Invariantentheorie]]. Unter anderem bewies er den [[Hilbertscher Basissatz|Hilbertschen Basissatz]], der besagt, dass jedes [[Ideal (Ringtheorie)|Ideal]] in einem [[Polynomring]] über einem [[Körper (Algebra)|Körper]] endlich erzeugt ist. In seinem [[Hilbertscher Nullstellensatz|Nullstellensatz]] zeigte er den eindeutigen Zusammenhang von Nullstellen von [[Polynom|polynomialen Gleichungen]] und Polynomidealen. Damit verband er Geometrie und Algebra, was zur Entwicklung der [[Algebraische Geometrie|algebraischen Geometrie]] führte.
 
=== Zahlentheorie ===
In seinem bedeutenden Werk ''[[Zahlbericht]]'' von 1897 ([[algebraische Zahlentheorie]]) fasste er Arbeiten von [[Ernst Eduard Kummer]], [[Leopold Kronecker]] und [[Richard Dedekind]] mit eigenen Ideen zusammen. Ein wichtiger Satz aus dieser Arbeit wird immer noch unter der dort verwendeten Nummerierung zitiert: [[Hilberts Satz 90]] über die Struktur bestimmter [[Körpererweiterung]]en.
 
=== Geometrie ===
{{Hauptartikel|Hilberts Axiomensystem der euklidischen Geometrie}}
 
Hilberts Bestreben war es, die bislang sehr der Anschaulichkeit verhaftete, noch im Wesentlichen auf [[Euklid]] zurückgehende [[Geometrie]] möglichst vollständig von Begriffen aus der Anschauungswelt abzulösen und rein [[Axiom|axiomatisch]] zu begründen. Eine solche axiomatische Begründung erschien Hilbert und vielen mathematischen Zeitgenossen unbedingt notwendig, da die zuvor verwendeten Begriffe aus der Anschauungswelt nicht die notwendige mathematische Exaktheit hatten und das darauf erbaute mathematische Gebäude der Geometrie somit auf „wackeligen Füßen“ zu stehen schien.
 
In seinem fundamentalen, 1899 zur Feier der Enthüllung des Gauß-Weber-Denkmals in Göttingen veröffentlichten Werk ''[[Hilberts Axiomensystem der euklidischen Geometrie|Grundlagen der Geometrie]]'' entwarf er für die [[euklidische Geometrie]] ein [[Hilberts Axiomensystem der euklidischen Geometrie|vollständiges Axiomensystem]] und entwickelte darauf aufbauend eine streng axiomatisch begründete Geometrie. Die von Hilbert verwendeten Begriffe „Punkt“, „Gerade“, „Ebene“ etc. haben keinen Bezug zur Anschauung mehr, wie es noch Euklid versucht hatte (z.&nbsp;B. „Ein Punkt ist, was keine Teile hat.“), sondern sind rein axiomatisch definiert. Hilbert wird der Ausspruch zugeschrieben, man könne statt „Punkte, Geraden und Ebenen“ jederzeit auch „Tische, Stühle und Bierseidel“ sagen; es komme nur darauf an, dass die Axiome erfüllt sind.
 
Aus dem Hilbertschen Buch folgt insbesondere, dass jede Geometrie, die dem Hilbertschen Axiomensystem genügt, bis auf [[Isomorphie von Graphen|Isomorphie]] eindeutig bestimmt ist, nämlich isomorph zum dreidimensionalen reellen Vektorraum, in dem die Vektoren die Punkte und die Nebenklassen eindimensionaler Unterräume die Geraden sind, und in dem der Abstand zweier Punkte wie in der klassischen analytischen Geometrie gemessen wird, nämlich mit Hilfe des Satzes von Pythagoras.
 
=== Hilberts 23 Probleme ===
{{Hauptartikel|Hilbertsche Probleme}}
 
Im Jahr 1900 fand vom 6. bis 12. August der zweite [[Internationaler Mathematikerkongress|internationale Mathematikerkongress]] parallel zur [[Weltausstellung Paris 1900|Weltausstellung in Paris]] statt.<ref>Ein kurzer Überblick im Vorwort zu: D. Hilbert: ''Die Hilbertschen Probleme.'' Verlag Harri Deutsch, Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften, Band 252. ISBN 978-3-8171-3401-4</ref> Der Kongress tagte in 6 Sektionen: Arithmetik und Algebra, Analysis, Geometrie, Mechanik und Mathematische Physik, Geschichte und Bibliografie der Mathematik sowie Unterricht und Methodologie der Mathematik. An dem Kongress nahmen 226 Gelehrte aus aller Welt teil. Der damals 39-jährige Hilbert galt als einer der führenden deutschen Mathematiker und wurde gebeten, ein Grundsatzreferat in einer gemeinsamen Sitzung der 5. und 6. Sektion zu halten. Viele erwarteten von ihm, dass er in einer Art „Festrede“ zur Jahrhundertwende die großen Erfolge in der Entwicklung der Mathematik im vergangenen Jahrhundert Revue passieren lassen würde. Hilbert entschied sich jedoch ganz anders. Statt eines Rückblicks auf das vergangene Jahrhundert wagte er den kühnen Blick in die Zukunft. Die einleitenden Worte in seinem Vortrag am 8. August 1900 bringen das zum Ausdruck:
 
{{Zitat|Wer von uns würde nicht gerne den Schleier lüften, unter dem die Zukunft verborgen liegt, um einen Blick zu werfen auf die bevorstehenden Fortschritte unserer Wissenschaft und in die Geheimnisse ihrer Entwicklung während der künftigen Jahrhunderte! Welche besonderen Ziele werden es sein, denen die führenden mathematischen Geister der kommenden Geschlechter nachstreben? Welche neuen Methoden und neuen Tatsachen werden die neuen Jahrhunderte entdecken – auf dem weiten und reichen Felde mathematischen Denkens?|ref=<ref name="Probleme">D. Hilbert: ''Mathematische Probleme – Vortrag, gehalten auf dem internationalen Mathematiker-Kongreß zu Paris 1900.'' In: Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Mathematisch-Physikalische Klasse. S. 253–297 (1900) [http://www.digizeitschriften.de/dms/resolveppn/?PPN=GDZPPN002498863 digitalisierter Volltext]</ref>}}
 
Für seinen Vortrag hatte er eine Liste von 23 ungelösten mathematischen Problemen aus ganz verschiedenen Teilgebieten der Mathematik (Geometrie, Zahlentheorie, Logik, Topologie, Arithmetik, Algebra usw.) erstellt, von denen er 10 vortrug. In dieser Auswahl der Probleme ließ Hilbert seinen beeindruckenden umfassenden Überblick über die gesamte Mathematik erkennen. Er hatte diese Probleme ausgewählt, weil sie ihm von zentraler Bedeutung zu sein schienen und weil er sich von der Lösung dieser Probleme einen wesentlichen Fortschritt auf den entsprechenden Gebieten versprach. Diese später so genannten ''Hilbertschen Probleme'' wurden zur Leitschnur ganzer Generationen von Mathematikern, und die Lösung eines jeden Problems wurde als große Leistung angesehen. Von den Problemen gelten gegenwärtig (2012) 15 als gelöst, 3 als ungelöst und 5 als prinzipiell unlösbar, letzteres zum Teil auch wegen zu unpräziser Formulierung. Der berühmteste Fall eines solchen unlösbaren (aber präzise formulierten) Problems ist die Forderung nach einem Beweis für die Widerspruchsfreiheit der Axiome der Arithmetik (Hilberts 2. Problem), eine Forderung, deren Unerfüllbarkeit durch [[Kurt Gödel]] 1930 bewiesen wurde. Das berühmteste ungelöste Problem ist die Frage nach den [[Riemannsche Vermutung|Nullstellen der Riemannschen Zeta-Funktion]], Hilberts 8. Problem.
 
=== Logik und Grundlagen der Mathematik ===
{{Hauptartikel|Hilbertprogramm}}
 
Hilbert gilt als Begründer und exponiertester Vertreter der Richtung des [[Formalismus (Mathematik)|Formalismus]] in der Mathematik. Bereits in der Liste der ungelösten Probleme wies Hilbert darauf hin, dass die Widerspruchsfreiheit der Arithmetik nicht geklärt sei. Anfang der 20er Jahre stellte er als Reaktion auf die [[Grundlagenkrise der Mathematik]] die Forderung auf, die [[Mathematik]] vollständig auf einem [[Axiomensystem]] aufzubauen, das nachweislich widerspruchsfrei sein sollte. In Hilberts Worten:<ref name="Grundlagen">D. Hilbert: ''Neubegründung der Mathematik. Erste Abhandlung.'' In: Abhandl. aus dem Math. Seminar d. Hamb. Univ., Bd. 1, S. 157–177 (1922), veröffentlicht in ''Gesammelte Werke'', Bd. 3, Kapitel 10 [http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN237834022 pdf]</ref>
 
{{Zitat|Das ist es aber, was ich verlange: es soll in mathematischen Angelegenheiten prinzipiell keine Zweifel, es soll keine Halbwahrheiten und auch nicht Wahrheiten von prinzipiell verschiedener Art geben können […].}}
 
und weiter:
 
{{Zitat|Das Ziel, die Mathematik sicher zu begründen, ist auch das meinige; ich möchte der Mathematik den alten Ruf der unanfechtbaren Wahrheit, der ihr durch die Paradoxien der Mengenlehre verlorenzugehen scheint, wiederherstellen; aber ich glaube, dass dies bei voller Erhaltung ihres Besitzstandes möglich ist.}}
 
Den [[Intuitionismus (Logik und Mathematik)|intuitionistischen]] Ansatz von [[Luitzen Egbertus Jan Brouwer|Brouwer]], den Hilberts Schüler Weyl als „revolutionär“ bezeichnet hatte, lehnte Hilbert scharf ab, vor allem auch deswegen, weil er die Mathematik eines großen Teils ihres bisherigen „Besitzstandes“ beraubt hätte:
 
{{Zitat|Was Weyl und Brouwer tun, kommt im Grunde darauf hinaus, daß sie die einstigen Pfade von [[Leopold Kronecker|Kronecker]] wandeln: sie suchen die Mathematik dadurch zu begründen, daß sie alles ihnen unbequem erscheinende über Bord werfen und eine Verbotsdiktatur à la Kronecker errichten. Dies heißt aber unsere Wissenschaft zerstückeln und verstümmeln, und wir laufen Gefahr einen großen Teil unserer wertvollsten Schätze zu verlieren, wenn wir solchen Reformatoren folgen. […] nein, Brouwer ist nicht, wie Weyl meint die Revolution, sondern die Wiederholung eines Putschversuches mit alten Mitteln, der […] von vorneherein zur Erfolglosigkeit verurteilt ist.|ref=<ref name="Grundlagen" />}}
 
Hilberts erklärte Zielsetzung war es, die Arithmetik und letztlich die ganze darauf aufbauende Mathematik auf ein System von widerspruchsfreien Axiomen zu gründen. Dieses Bestreben wurde als „[[Hilbertprogramm]]“ bekannt. Im Rahmen dieses Programms formulierte Hilbert den später nach ihm benannten [[Hilbert-Kalkül]]. Das Hilbertprogramm erwies sich in der von Hilbert intendierten Form letztlich als nicht durchführbar, wie [[Kurt Gödel]] mit seinem 1930 veröffentlichten [[Gödelscher Unvollständigkeitssatz|Unvollständigkeitssatz]] zeigen konnte. Trotzdem war das Hilbertprogramm für die Mathematik sehr fruchtbar, da es in weiten Bereichen von Mathematik und Logik zu einem vertieften Verständnis der Struktur formaler Systeme mit deren Grenzen und zur Begriffsklärung beitrug.
 
=== Analysis ===
In der [[Variationsrechnung]] stellte Hilbert das von [[Bernhard Riemann|Riemann]] in dessen Abbildungssatz verwendete [[Peter Gustav Lejeune Dirichlet|Dirichlet]]-Prinzip auf feste Grundlagen. In den [[Integralgleichung]]en schloss er einige Lücken von [[Erik Ivar Fredholm|Fredholm]] im Beweis der [[Fredholmsche Alternative|fredholmschen Alternative]]. Diese Themen flossen wesentlich in die Entwicklung der [[Funktionalanalysis]] ein. Insbesondere der wichtige [[Hilbertraum|Hilbert-Raum]] ist untrennbar mit seinem Namen verbunden.
 
=== Mathematische Physik ===
Hilberts Arbeiten zu [[Funktionenraum|Funktionenräumen]] ([[Hilbertraum|Hilbert-Raum]]) und [[Partielle Differentialgleichung|partiellen Differentialgleichungen]] gehören heute zu den Grundlagen der mathematischen Physik. Hilbert begann sich ab 1912 intensiv der Physik zuzuwenden (zunächst in Anwendungen von Integralgleichungen auf die kinetische Gastheorie), mit deren mathematischer Behandlung er unzufrieden war. Ein bekanntes Zitat von Hilbert lautet: ''Die Physik ist für die Physiker eigentlich viel zu schwer''.<ref>Reid ''Hilbert'', Springer Verlag 1996, S. 127</ref> Sein Schüler und Assistent [[Richard Courant]] schlug ihm 1918 vor, ein Buchprojekt zu diesem Thema zu beginnen, das weitgehend von Courant selbst realisiert wurde, aber – wie dieser im Vorwort schrieb – auf Abhandlungen und Vorlesungen Hilberts beruhte und vom Geist der Hilbert-Schule durchdrungen sei, weshalb er (Courant) darauf bestanden habe, Hilbert als Ko-Autor aufzuführen. Nach Hilberts Biographin [[Constance Reid]] zeigte Hilbert ''ein Interesse an dem Buch seines ehemaligen Studenten, beteiligte sich aber ansonsten in keiner Weise''.<ref>''He showed an interest in the book his former student was writing bud did not participate in any other way'', Constance Reid ''Courant'', Springer/Copernicus 1996, S. 97</ref> Der erste Band erschien 1924, der zweite 1937. Das Buch wurde ein Grundlagenwerk der mathematischen Physik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (und erfuhr nochmals in den 1950er und 1960er Jahren eine völlige Neubearbeitung durch Courant), als Nachfolger der ''Theory of Sound'' von [[John William Strutt, 3. Baron Rayleigh|Lord Rayleigh]]. Es war und ist allgemein als der ''Courant/Hilbert'' bekannt und erwies sich in der bald darauf einsetzenden stürmischen Entwicklung der Quantenmechanik als wichtige Quelle, aus der theoretische Physiker die dazu notwendige neue Mathematik erlernten.
 
Hilbert verfolgte auch ein Programm zu den axiomatischen Grundlagen der Physik, einem der Hilbertschen Probleme. Eine Frucht daraus waren seine Arbeiten zur Allgemeinen Relativitätstheorie. Mit der Entwicklung der Quantenmechanik in Göttingen um 1925 begann er sich auch dafür zu interessieren, teilweise in Zusammenarbeit mit [[John von Neumann]] und seinem physikalischen Assistenten (die [[Arnold Sommerfeld]] regelmäßig für Hilbert auswählte) [[Lothar Nordheim]]. 1928 entstand daraus der Aufsatz ''Die Grundlagen der Quantenmechanik'' von Nordheim, Hilbert und von Neumann.
 
=== Allgemeine Relativitätstheorie ===
{{Hauptartikel|Allgemeine Relativitätstheorie}}
 
Am 20. November 1915, fünf Tage vor [[Albert Einstein|Einstein]], reichte Hilbert eine Arbeit zur [[Allgemeine Relativitätstheorie|allgemeinen Relativitätstheorie]] ein, die zur einsteinschen Theorie äquivalent war, allerdings ohne die [[Einsteinsche Feldgleichungen|einsteinschen Feldgleichungen]], die aber in Hilberts ''Variationsprinzip'' enthalten sind. Seine Arbeit erschien jedoch erst nach der einsteinschen Arbeit. Hilbert hat niemals die Urheberschaft für die Allgemeine Relativitätstheorie beansprucht und einen öffentlichen „Prioritätenstreit“ zwischen Einstein und Hilbert gab es nicht. Es gab aber kurzzeitig eine Verstimmung von Seiten Einsteins<ref>Fölsing, Albert Einstein, 1993, S. 422</ref>, die aber bald durch Hilbert ausgeräumt wurde, der Einstein vollständige Priorität auf physikalischem Gebiet zuerkannte. Verschiedene Wissenschaftshistoriker haben jedoch sehr wohl über die Priorität spekuliert. Albrecht Fölsing hält einen wesentlichen Einfluss von Hilbert auf Einstein bei der Aufstellung der Feldgleichungen für unwahrscheinlich<ref>Albrecht Fölsing: Albert Einstein, Suhrkamp 1993, S. 421f.</ref>. Umgekehrt haben Leo Corry/Jürgen Renn/John Stachel die eigenständige Vervollkommnung der Gleichungen durch Hilbert aufgrund einer Entdeckung von Druckfahnen im Jahre 1997 angezweifelt,<ref>Leo Corry, Jürgen Renn, John Stachel: ''[http://www.tau.ac.il/~corry/publications/articles/science.html Belated Decision in the Hilbert-Einstein Priority Dispute]'', SCIENCE, Vol. 278, 14. November 1997.</ref> was jedoch wiederum von anderen bestritten wird.<ref>Daniela Wuensch, ''Zwei wirkliche Kerle, Neues zur Entdeckung der Gravitationsgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie durch Einstein und Hilbert''. Termessos, 2005, ISBN 3-938016-04-3</ref><ref>Klaus P. Sommer: Wer entdeckte die Allgemeine Relativitätstheorie? Prioritätsstreit zwischen Hilbert und Einstein. In: Physik in unserer Zeit. 36, Nr. 5, 2005, S. 230–235, {{ISSN|0031-9252}}</ref>
 
=== Gegen das ''Ignorabimus'' ===
Hilbert wehrte sich immer gegen eine Sicht der Grenzen der Wissenschaft im Sinne eines ''[[ignoramus et ignorabimus]]''. Sein Glaube, dass der Mensch die Welt verstehen kann, zeigt sich in seinem Ausspruch: ''Wir müssen wissen, und wir werden wissen.'' Was Hilbert damit sagen wollte, wird aus dem folgenden Zitat deutlich:
 
{{Zitat|Einst sagte der Philosoph [[Auguste Comte|Comte]] – in der Absicht ein gewiss unlösbares Problem zu nennen –, daß es der Wissenschaft nie gelingen würde, das Geheimnis der chemischen Zusammensetzung der Himmelskörper zu ergründen. Wenige Jahre später wurde durch die [[Spektroskopie|Spektralanalyse]] durch Kirchhoff und Bunsen dieses Problem gelöst, und heute können wir sagen, daß wir die entferntesten [[Stern]]e als wichtigste physikalische und chemische Laboratorien in Anspruch nehmen, wie wir solche auf der Erde gar nicht finden. Der wahre Grund, warum es Comte nicht gelang, ein unlösbares Problem zu finden, besteht meiner Meinung nach darin, daß es ein solches gar nicht gibt.|ref=<ref>David Hilbert: ''Naturerkennen und Logik.'' Naturwissenschaften 1930, S. 959–963 (auch veröffentlicht in: ''Gesammelte Abhandlungen'' Bd. 3, S. 378) [http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN237834022 digitalisierter Volltext]</ref>}}
 
Oder in anderen Worten:
 
{{Zitat|Diese Überzeugung von der Lösbarkeit eines jeden mathematischen Problems ist uns ein kräftiger Ansporn während der Arbeit; wir haben in uns den steten Zuruf: Da ist das Problem, suche die Lösung. Du kannst sie durch reines Denken finden; denn in der Mathematik gibt es kein Ignorabimus.|ref=<ref name="Probleme" />}}
 
Hilbert plädiert damit für einen Optimismus in der Forschung, der selbstgesetzte Beschränkungen des Denkens ablehnt. Das Motto findet sich auch als [[Wikipedia:Epitaph|Epitaph]] auf seinem Grabstein:
 
{{Zitat|Wir müssen wissen.<br />Wir werden wissen.}}
 
== Schriften ==
* ''[http://www.archive.org/details/grunddergeovon00hilbrich Grundlagen der Geometrie]''. Teubner, Leipzig 1903
* ''[http://echo.mpiwg-berlin.mpg.de/content/modernphysics/hilbert Die Grundlagen der Physik]''. Erste Mitteilung, vorgelegt in der Sitzung vom 20. November 1915. Nachrichten von der Koeniglichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Goettingen, Math-physik. Klasse, 1915
* ''[http://name.umdl.umich.edu/ACU8916.0003.001 Grundzüge einer allgemeinen Theorie der linearen Integralgleichungen]''. Teubner, Berlin 1912.
* ''[http://www-gdz.sub.uni-goettingen.de/cgi-bin/digbib.cgi?PPN237820250 Gesammelte Abhandlungen]''. Julius Springer, Berlin.
** Erster Band: ''[http://www-gdz.sub.uni-goettingen.de/cgi-bin/digbib.cgi?PPN237821559 Zahlentheorie]''. 1932
** Zweiter Band: ''[http://www-gdz.sub.uni-goettingen.de/cgi-bin/digbib.cgi?PPN237833719 Algebra, Invariantentheorie, Geometrie]''. 1933
** Dritter Band: ''[http://www-gdz.sub.uni-goettingen.de/cgi-bin/digbib.cgi?PPN237834022 Analysis, Grundlagen der Mathematik, Physik, Verschiedenes, Lebensgeschichte]''. 1935
* Übersetzung: ''Foundations of Geometry''. 1902 [http://www.gutenberg.org/etext/17384 Gutenberg eText]
* ''Grundzüge der theoretischen Logik''. 1928 mit Wilhelm Ackermann


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:David Hilbert}}
* {{WikipediaDE|Kategorie:Wiener Kreis}}
* {{WikipediaDE|David Hilbert}}
* {{WikipediaDE|Wiener Kreis}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* Georg von Wallwitz: ''Meine Herren, dies ist keine Badeanstalt. Wie ein Mathematiker das 20. Jahrhundert veränderte.'' Berenberg Verlag, Berlin, 2017, ISBN 978-3-946334-24-8.
=== Primärliteratur (Auswahl) ===
* {{Literatur |Autor=Dietmar Dath |Titel=Höhenrausch. Die Mathematik des 20. Jahrhunderts in zwanzig Gehirnen |Verlag=Eichborn |Ort=Frankfurt a. M. |Datum=2003 |ISBN=3-8218-4535-X |Seiten=29–48 |Kommentar=biographischer Essay}}
* [[Wikipedia:Rudolf Carnap|Rudolf Carnap]]: ''Logische Syntax der Sprache''. Wien: Springer Verlag, 1968 [1934].
* Apostolos Doxiadis, Christos H. Papadimitriou: ''Logicomix – Eine epische Suche nach der Wahrheit'', Süddeutsche Zeitung Bibliothek, 2012, ISBN 978-3-86497-004-7
* Rudolf Carnap: ''Mein Weg in die Philosophie''. Stuttgart: Reclam, 1993 [1963].
* {{NDB|9|115|117|Hilbert, David|Hans Freudenthal|11855090X}}
* Rudolf Carnap: ''Der logische Aufbau der Welt''. Hamburg: Felix Meiner Verlag, 1998 [1928].
* Rudolf Larenz: ''Der Wille zum widerspruchsfreien Wissen''. Zum 150. Geburtstag von David Hilbert In: Die Tagespost, Würzburg, 21. Januar 2012, Seite 10.
* Rudolf Carnap: ''Scheinprobleme in der Philosophie und andere metaphysikkritische Schriften''. Hamburg: Felix Meiner Verlag, 2004.
* Jules Leveugle: ''La Relativité, Poincaré et Einstein, Planck, Hilbert.'' Paris 2004
* [[Wikipedia:Otto Neurath|Otto Neurath]]: ''Gesammelte philosophische und methodologische Schriften''. (2 Bände) Wien: Verlag Hölder-Pichler-Tempsky, 1981.
* Hermann Minkowski: ''Briefe an David Hilbert.'' Herausgegeben von L. Rüdenberg und H. Zassenhaus. Springer-Verlag, Berlin & Heidelberg 1973, ISBN 3-540-06121-5
* Otto Neurath, Rudolf Carnap, Hans Hahn: ''Wissenschaftliche Weltauffassung - der Wiener Kreis''. Veröffentlichungen des Vereins Ernst Mach, Wien 1929 [http://neurath.umcs.lublin.pl/manifest.pdf] [https://meiner.de/media/upload/leseprobe/9783787319336.pdf]
* Constance Reid: ''Hilbert''. Springer Verlag, Berlin 1970; 2. Aufl. 1972, ISBN 0-387-04999-1, ISBN 3-540-04999-1
* Otto Neurath, Rudolf Carnap und Charles Morris (Hrsg.): ''Foundations of the Unity of Science. Toward an International Encyclopedia of Unified Science.'' (2 Bände) Chicago: Chicago University Press, 1971.
* Constance Reid: ''Hilbert.'' Copernicus Books, New York 1996, ISBN 0-387-94674-8 (maßgebliche Hilbert-Biographie).
* [[Karl Popper]]: ''Logik der Forschung''. Tübingen: Mohr Siebeck, 2005 [1935].
* Kurt Reidemeister (Hrsg.): ''Hilbert – Gedenkband.'' Springer, Berlin, Heidelberg & New York 1971, ISBN 3-540-05292-5
* [[Wikipedia:Moritz Schlick|Moritz Schlick]]: ''Lebensweisheit. Versuch einer Glückseligkeitslehre. Fragen der Ethik.'' (Moritz Schlick Gesamtausgabe, Abteilung I, Band 3) Wien: Springer Verlag, 2006 [1908, 1930].
* Klaus P. Sommer: ''Wer entdeckte die Allgemeine Relativitätstheorie? Prioritätsstreit zwischen Hilbert und Einstein.'' In: ''Physik in unserer Zeit''. Band 36(5), S. 230–235, 2005.
* Moritz Schlick: ''Die Wiener Zeit. Aufsätze, Beiträge, Rezensionen 1926-1936.'' (Moritz Schlick Gesamtausgabe, Abteilung I, Band 6) Wien: Springer Verlag, 2008.
* Pawel Sergejewitsch Alexandrow (Hrsg.), Hannelore Bernhardt, Walter Purkert (Red. der deutschen Ausgabe): ''Die Hilbertschen Probleme.'' (Übersetzung aus dem Russischen). Akademische Verlagsgesellschaft Geest und Portig, Leipzig 1971, 2. Auflage 1979, 3. Auflage 1983. Harri Deutsch 1989
* Moritz Schlick: ''Allgemeine Erkenntnislehre.'' (Moritz Schlick Gesamtausgabe, Abteilung I, Band 1) Wien: Springer Verlag, 2009 [1918/1925].
* Michael Stöltzner und Thomas Uebel (Hrsg.): ''Wiener Kreis. Texte zur wissenschaftlichen Weltauffassung von Rudolf Carnap, Otto Neurath, Moritz Schlick, Philipp Frank, Hans Hahn, Karl Menger, Edgar Zilsel und Gustav Bergmann.'' Hamburg: Meiner Verlag, 2006. ISBN 3-7873-1811-9
* Friedrich Stadler und Thomas Uebel (Hrsg.): ''Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis. Hrsg. vom Verein Ernst Mach (1929).'' Reprint der Erstausgabe. Mit Übersetzungen ins Englische, Französische, Spanische und Italienische. Wien: Springer Verlag, 2012.
* [[Ludwig Wittgenstein]]: ''[[Wikipedia:Tractatus logico-philosophicus|Tractatus logico-philosophicus]]. Logisch-philosophische Abhandlung.'' Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag, 1963 [1921].
 
=== Sekundärliteratur ===
* A. J. Ayer: ''Language, Truth and Logic.'' London: Victor Gollancz 1936.
* Gustav Bergmann: „Erinnerungen an den Wiener Kreis. Brief an Otto Neurath (1936)“, in: Michael Stöltzner, Thomas Uebel (Hrsg.), ''Wiener Kreis. Texte zur wissenschaftlichen Weltauffassung.'' Hamburg: Meiner 2006, 633-654.
* Nancy Cartwright, Jordi Cat, Lola Fleck, Thomas E. Uebel: ''Otto Neurath. Philosophy between Science and Politics''. Cambridge: Cambridge University Press, 1996.
* Philipp Frank: ''Modern Science and its Philosophy''. Cambridge 1949.
* Michael Friedman: ''Reconsidering Logical Positivism''. Cambridge 1999.
* Peter Galison: “Aufbau/Bauhaus: Logical Positivism and Architectural Modernism”. ''Critical Inquiry'' 16, 709-752, 1990.
* Manfred Geier: ''Der Wiener Kreis''. Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3-499-50508-8.
* Ronald Giere, Alan Richardson (Hrsg.): ''Origins of Logical Empiricism''. Minneapolis 1996.
* Rudolf Haller: ''Neopositivismus. Eine historische Einführung in die Philosophie des Wiener Kreises''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993, ISBN 3-534-06677-4.
* Rudolf Haller, Friedrich Stadler (Hrsg.): ''Wien – Berlin – Prag. Der Aufstieg der wissenschaftlichen Philosophie.'' Wien 1993.
* Victor Kraft: ''Der Wiener Kreis. Der Ursprung des Neopositivismus''. 3. Auflage. Springer, Wien u.&nbsp;a. 1997 [1950], ISBN 3-211-82956-3 (''Texte zur wissenschaftlichen Weltauffassung'' 1).
* Paul Kruntorad (Hrsg.): ''Jour fixe der Vernunft. Der Wiener Kreis und die Folgen''. Hölder-Pichler-Tempsky, Wien 1991, ISBN 3-209-01221-0 (''Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis'' 1).
* Richard von Mises: ''Kleines Lehrbuch des Positivismus. Einführung in die empiristische Wissenschaftsauffassung''. Mit einer Einleitung neu hrsg. von Friedrich Stadler. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-518-28471-1 (''Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft'' 871 ''Wiener Kreis-Schriften zum logischen Empirismus'').
* Christoph Limbeck / Friedrich Stadler (Hrsg.): ''Der Wiener Kreis. Texte und Bilder einer Ausstellung.'' Münster-Berlin-London: LIT Verlag 2015. ISBN 978-3-643-50672-6
* Thomas Mormann: ''Rudolf Carnap''. München: Verlag C.H. Beck, 2000.
* Nicholas Rescher (Hrsg.): ''The Heritage of Logical Positivism''. University Press of America 1985.
* Alan Richardson: “The Scientific World Conception. Logical Positivism”, in: T. Baldwin (Hrsg.), ''The Cambridge History of Philosophy'', 1870–1945, 2003, 391-400.
* Alan Richardson, Thomas Uebel (Hrsg.): ''The Cambridge Companion to Logical Empiricism'', Cambridge 2007.
* Annemarie Siegetsleitner: ''[http://www.oapen.org/search?identifier=480332 Ethik und Moral im Wiener Kreis]''. Böhlau, Wien 2014, ISBN 978-3-205-79533-9.
* Karl Sigmund: ''Sie nannten sich Der Wiener Kreis: Exaktes Denken am Rand des Untergangs.'' Springer Spektrum, 2015. ISBN 978-3-658-08534-6 (Print); ISBN 978-3-658-08535-3 (eBook)
* Friedrich Stadler: ''Vom Positivismus zur „Wissenschaftlichen Weltauffassung“. Am Beispiel der Wirkungsgeschichte von Ernst Mach in Österreich von 1895-1934.'' Wien-München 1982.
* Friedrich Stadler: ''Studien zum Wiener Kreis. Ursprung, Entwicklung und Wirkung des Logischen Empirismus im Kontext''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-518-58207-0. 2. Auflage bei Springer, Dordrecht 2015.
* Friedrich Stadler (Hrsg.): ''The Vienna Circle and Logical Empiricism. Re-evaluation and Future Perspectives.'' Dordrecht – Boston – London, Kluwer 2003.
* Volker Thurm (Hrsg.): ''Wien und der Wiener Kreis. Orte einer unvollendeten Moderne.'' Wien 2003.
* Thomas Uebel: ''Vernunftkritik und Wissenschaft: Otto Neurath und der erste Wiener Kreis.'' Wien-New York 2000.
* Thomas Uebel: ''Empiricism at the Crossroads. The Vienna Circle’s Protocol-Sentence Debate''. Chicago: Open Court, 2007.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
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* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/vienna-circle/||Thomas Uebel}}
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* {{IEP|http://www.iep.utm.edu/v/viennaci.htm||Mauro Murzi}}
* [http://www.math.uni-goettingen.de/historisches/hilbert.html Biographie an der Universität Göttingen]
* [http://www.univie.ac.at/ivc/ Institut Wiener Kreis an der Universität Wien]
* {{DNB-Portal|11855090X}}
* [http://viennacirclefoundation.nl/ Vienna Circle Foundation, Amsterdam] [http://viennacirclefoundation.nl/VCArchive.pdf Inventarverzeichnis (PDF)]
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/frege-hilbert/|The Frege-Hilbert Controversy|Patricia Blanchette}}
* [http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~ci3/manu.html#HIK David Hilbert in Königsberg] – Vortrag von Peter Roquette, gehalten am 30. September 2002 an der Mathematischen Fakultät Kaliningrad
* [http://math.sfsu.edu/smith/Documents/HilbertRadio/HilbertRadio.mp3 Radioansprache 1930 als Tondokument] (MP3; 1,7&nbsp;MB) und als [http://math.sfsu.edu/smith/Documents/HilbertRadio/HilbertRadio.pdf Textdokument] (Zitat „Wir müssen wissen, wir werden wissen.“; PDF; 52&nbsp;kB)
* {{MacTutor Biography|id=Hilbert}}
* Gabriele Dörflinger: [http://histmath-heidelberg.de/homo-heid/hilbert.htm David Hilbert]. Eine Materialsammlung aus [http://histmath-heidelberg.de/ Historia Mathematica Heidelbergensis].
* [http://hans.sub.uni-goettingen.de/nachlaesse/Hilbert.pdf Zentralarchiv Mathematiker-Nachlässe: Findbuch] (PDF)


== Einzelnachweise ==
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<references />
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Version vom 12. Juli 2018, 14:22 Uhr

Der Wiener Kreis des Logischen Empirismus war eine Gruppe Intellektueller aus den Bereichen der Philosophie, der Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften, der Mathematik und Logik, die sich von 1924 bis 1936 unter der Leitung von Moritz Schlick regelmäßig in Wien trafen.

Eingangstür des Mathematischen Seminars der Universität Wien, Boltzmanngasse. Treffpunkt des Wiener Kreises.

Überblick

Zum Kern der Gruppe zählten neben Schlick Hans Hahn, Philipp Frank, Otto Neurath, Rudolf Carnap, Herbert Feigl, Richard von Mises, Karl Menger, Kurt Gödel, Friedrich Waismann, Felix Kaufmann, Victor Kraft und l. Zu den gelegentlichen Besuchern des Wiener Kreises gehörten Alfred Tarski, Hans Reichenbach, Carl Gustav Hempel, Willard Van Orman Quine, Ernest Nagel, Alfred Jules Ayer, Frank P. Ramsey.[1] Auch Ludwig Wittgenstein und Karl Popper standen in engem Kontakt zum Wiener Kreis, nahmen selbst aber nie an den Treffen des Schlick-Zirkels teil.[2][3]

Die philosophische Position des Wiener Kreises wurde als Logischer Empirismus, Logischer Positivismus oder Neopositivismus bezeichnet. Beeinflusst wurde sie durch Ernst Mach, David Hilbert, den französischen Konventionalismus (Henri Poincaré und Pierre Duhem), Gottlob Frege, Bertrand Russell und Ludwig Wittgenstein. Innerhalb des Wiener Kreises herrschte ein Pluralismus philosophischer Positionen. Die Teilnehmer verband aber der Versuch einer Verwissenschaftlichung der Philosophie mit den Mitteln der modernen Logik und das Bekenntnis zu den Werten der Aufklärung. Vorherrschende Themen waren die Grundlagendebatten in den Natur- und Sozialwissenschaften, der Mathematik und Logik, die Aktualisierung des Empirismus durch die moderne Logik, die Suche nach einem „empiristischen Sinnkriterium“, die Kritik der Metaphysik und die Verbindung der Wissenschaften im Rahmen einer Enzyklopädie der „Einheitswissenschaft“.[4]

Der Wiener Kreis trat öffentlich in Erscheinung durch die Publikation mehrerer Schriftenreihen (die Buchreichen Schriften zur wissenschaftlichen Weltauffassung, Einheitswissenschaft, die Zeitschrift Erkenntnis) und die Organisation internationaler Konferenzen (u. a. in Prag, Königsberg, Paris, Kopenhagen, Cambridge, UK und Cambridge, Mass.). Im Rahmen des Vereins Ernst Mach waren Mitglieder des Wiener Kreises auch in der Volksbildung aktiv.

Im Zuge des Austrofaschismus und der späteren Machtergreifung der Nationalsozialisten waren viele Mitglieder des Wiener Kreises zur Emigration gezwungen. Die Ermordung Schlicks 1936 durch einen ehemaligen Dissertanten markiert das faktische Ende des Wiener Kreises.[5]

Die Arbeiten, die im Umfeld des Wiener Kreises entstanden, hatten einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Wissenschaftsphilosophie und der Analytischen Philosophie bis zur Gegenwart.

Geschichte

Die Geschichte und Entwicklung des Wiener Kreises kann in mehrere Phasen eingeteilt werden:[6]

Der „erste Wiener Kreis“ (1907–1912)[7]

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg gab es eine informelle Diskussionsrunde, zu der sich die späteren Wiener-Kreis-Mitglieder Hans Hahn, Philipp Frank, Otto Neurath trafen. Diskutiert wurden unter anderem Grundlagenprobleme der modernen Mathematik und Naturwissenschaften, die (Un-)Wissenschaftlichkeit der Philosophie und die Erneuerung des Empirismus in Verbindung mit dem französischen Konventionalismus und den Mitteln der modernen Logik. Behandelt wurden dabei Autoren wie Mach, Duhem, Poincaré, Brentano, Meinong, Husserl, Freud, Russell, Whitehead, Lenin und Frege. Spätestens der Erste Weltkrieg setzte dieser ersten Phase ein Ende.

Die Konstituierungsphase (1918–1924)[8]

Die Konstituierung des Wiener Kreises begann 1921 mit der Rückkehr Hans Hahns nach Wien. Hahn veranstaltete gemeinsam mit dem Mathematiker Kurt Reidemeister Seminare zu Ludwig Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus und zur Principia Mathematica von Whitehead und Russell. 1922 gelang mit Unterstützung Hahns die Berufung von Moritz Schlick nach Wien auf den Lehrstuhl für Naturphilosophie, den vor ihm Ernst Mach innegehabt hatte und an dem auch teilweise Ludwig Boltzmann unterrichtet hatte.

Unmittelbar nach seiner Ankunft organisierte Schlick gemeinsame Diskussionskreise mit den Mathematikern um Hahn. Ab dem Wintersemester 1924/1925 wurde schließlich auf Vorschlag von Schlicks Studenten Friedrich Waismann und Herbert Feigl ein donnerstäglicher „Abendkreis“ eingerichtet, zu dem Schlick persönlich in das Mathematische Institut in der Wiener Boltzmanngasse 5 einlud. Diese Treffen können als „Geburtsstunde“ des späteren „Wiener Kreises“ betrachtet werden.[9]

Die nichtöffentliche Phase des Wiener Kreises – Der Schlick-Kreis (1924–1928)[10]

Die seit 1924 bestehenden wöchentlichen interdisziplinären Diskussionsrunden setzten sich aus unterschiedlichen Teilnehmern zusammen: Es nahmen daran sowohl arrivierte Forscher, jüngere Dozenten als auch Studierende und Doktoranden teil. Hinzu kamen geladene Gäste aus dem Ausland.

1926 wurde Rudolf Carnap auf Betreiben Schlicks als Privatdozent nach Wien geholt. Carnaps Logischer Aufbau der Welt wurde im Kreis intensiv diskutiert.

Daneben wurde Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus laut vorgelesen und debattiert. Seit 1927 bestanden zudem persönliche Kontakte zu Wittgenstein und es kam zu Treffen mit Schlick, Waismann, Carnap und Feigl.[11]

Öffentliche Phase – Schlick-Kreis und Verein Ernst Mach (1928–1934)[12]

Mit der Gründung des Vereins Ernst Mach 1928 und der Publikation der Programmschrift „Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis“ 1929 trat der Wiener Kreis erstmals unter diesem Namen an die Öffentlichkeit – die Bezeichnung stammt von Otto Neurath[13]. Ziel des Vereins Ernst Mach, zu dessen Vorsitzenden Schlick gewählt wurde, war die Popularisierung der „wissenschaftlichen Weltauffassung“ durch Vortragstätigkeit, an der sich Mitglieder des Wiener Kreises aktiv beteiligten.[14] In dem genannten Manifest heißt es u.a.:

„Die wissenschaftliche Weltauffassung ist nicht so sehr durch eigene Thesen charakterisiert als vielmehr durch die grundsätzliche Einstellung, die Gesichtspunkte, die Forschungsrichtung. Als Ziel schwebt die Einheitswissenschaft vor. Das Bestreben geht dahin, die Leistungen der einzelnen Forscher auf den verschiedenen Wissenschaftsgebieten in Verbindung und Einklang miteinander zu bringen. Aus dieser Zielsetzung ergibt sich die Betonung der Kollektivarbeit; hieraus auch die Hervorhebung des intersubjektiv Erfaßbaren; hieraus entspringt das Suchen nach einem neutralen Formelsystem, einer von den Schlacken der historischen Sprachen befreiten Symbolik; hieraus auch das Suchen nach einem Gesamtsystem der Begriffe. Sauberkeit und Klarheit werden angestrebt, dunkle Fernen und unergründliche Tiefen abgelehnt. In der Wissenschaft gibt es keine »Tiefen«; überall ist Oberfläche: alles Erlebte bildet ein kompliziertes, nicht immer überschaubares, oft nur im einzelnen faßbares Netz. Alles ist dem Menschen zugänglich; und der Mensch ist das Maß aller Dinge. Hier zeigt sich Verwandtschaft mit den Sophisten, nicht mit den Platonikern; mit den Epikureern, nicht mit den Pythagoreern; mit allen, die irdisches Wesen und Diesseitigkeit vertreten. Die wissenschaftliche Weltauffassung kennt keine unlösbaren Rätsel. Die Klärung der traditionellen philosophischen Probleme führt dazu, daß sie teils als Scheinprobleme entlarvt, teils in empirische Probleme umgewandelt und damit dem Urteil der Erfahrungswissenschaft unterstellt werden. In dieser Klärung von Problemen und Aussagen besteht die Aufgabe der philosophischen Arbeit, nicht aber in der Aufstellung eigener »philosophischer« Aussagen. Die Methode dieser Klärung ist die der logischen Analyse; [...]

Diese Methode der logischen Analyse ist es, die den neuen Empirismus und Positivismus wesentlich von dem früheren unterscheidet, der mehr biologisch-psychologisch orientiert war. Wenn jemand behauptet: »es gibt einen Gott«, »der Urgrund der Welt ist das Unbewußte«, »es gibt eine Entelechie als leitendes Prinzip im Lebewesen«, so sagen wir ihm nicht: »was du sagst, ist falsch«; sondern wir fragen ihn: »was meinst du mit deinen Aussagen?« Und dann zeigt es sich, daß es eine scharfe Grenze gibt zwischen zwei Arten von Aussagen. Zu der einen gehören die Aussagen, wie sie in der empirischen Wissenschaft gemacht werden; ihr Sinn läßt sich feststellen durch logische Analyse, genauer: durch Rückführung auf einfachste Aussagen über empirisch Gegebenes. Die anderen Aussagen, zu denen die vorhin genannten gehören, erweisen sich als völlig bedeutungsleer, wenn man sie so nimmt, wie der Metaphysiker sie meint. Man kann sie freilich häufig in empirische Aussagen umdeuten; dann verlieren sie aber den Gefühlsgehalt, der dem Metaphysiker meist gerade wesentlich ist. Der Metaphysiker und der Theologe glauben, sich selbst mißverstehend, mit ihren Sätzen etwas auszusagen, einen Sachverhalt darzustellen. Die Analyse zeigt jedoch, daß diese Sätze nichts besagen, sondern nur Ausdruck etwa eines Lebensgefühls sind. Ein solches zum Ausdruck zu bringen, kann sicherlich eine bedeutsame Aufgabe im Leben sein. Aber das adäquate Ausdrucksmittel hierfür ist die Kunst, zum Beispiel Lyrik oder Musik. Wird statt dessen das sprachliche Gewand einer Theorie gewählt, so liegt darin eine Gefahr: es wird ein theoretischer Gehalt vorgetäuscht, wo keiner besteht. Will ein Metaphysiker oder Theologe die übliche Einkleidung in Sprache beibehalten, so muß er sich selbst darüber klar sein und deutlich erkennen lassen, daß er nicht Darstellung, sondern Ausdruck gibt, nicht Theorie, Mitteilung einer Erkenntnis, sondern Dichtung oder Mythus. Wenn ein Mystiker behauptet, Erlebnisse zu haben, die über oder jenseits aller Begriffe liegen, so kann man ihm das nicht bestreiten. Aber er kann darüber nicht sprechen; denn sprechen bedeutet einfangen in Begriffe, zurückführen auf wissenschaftlich eingliederbare Tatbestände.

Von der wissenschaftlichen Weltauffassung wird die metaphysische Philosophie abgelehnt [...]

In den metaphysischen Theorien und schon in den Fragestellungen stecken zwei logische Grundfehler: eine zu enge Bindung an die Form der traditionellen Sprachen und eine Unklarheit über die logische Leistung des Denkens. Die gewöhnliche Sprache verwendet zum Beispiel dieselbe Wortform, das Substantiv, sowohl für Dinge (»Apfel«) wie für Eigenschaften (»Härte«), Beziehungen (»Freundschaft«), Vorgänge (»Schlaf«); dadurch verleitet sie zu einer dinghaften Auffassung funktionaler Begriffe (Hypostasierung, Substanzialisierung). Es lassen sich zahlreiche ähnliche Beispiele von Irreführungen durch die Sprache angeben, die für die Philosophie ebenso verhängnisvoll geworden sind.

Der zweite Grundfehler der Metaphysik besteht in der Auffassung, das Denken könne entweder aus sich heraus, ohne Benutzung irgendwelchen Erfahrungsmaterials zu Erkenntnissen führen, oder es könne wenigstens von gegebenen Sachverhalten aus durch Schließen zu neuen Inhalten gelangen. Die logische Untersuchung führt aber zu dem Ergebnis, daß alles Denken, alles Schließen in nichts anderem besteht als in einem Übergang von Sätzen zu anderen Sätzen, die nichts enthalten, was nicht schon in jenen steckte (tautologische Umformung). Es ist daher nicht möglich, eine Metaphysik aus »reinem Denken« zu entwickeln.

In solcher Weise wird durch die logische Analyse nicht nur die Metaphysik im eigentlichen, klassischen Sinne des Wortes überwunden, insbesondere die scholastische Metaphysik und die der Systeme des deutschen Idealismus, sondern auch die versteckte Metaphysik des Kantischen und des modernen Apriorismus. Die wissenschaftliche Weltauffassung kennt keine unbedingt gültige Erkenntnis aus reiner Vernunft, keine »synthetischen Urteile a priori«, wie sie der Kantischen Erkenntnistheorie und erst recht aller vor- und nachkantischen Ontologie und Metaphysik zugrunde liegen... Die wissenschaftliche Weltauffassung kennt nur Erfahrungssätze über Gegenstände aller Art und die analytischen Sätze der Logik und Mathematik.

In der Ablehnung der offenen Metaphysik und der versteckten des Apriorismus sind alle Anhänger wissenschaftlicher Weltauffassung einig. Der Wiener Kreis aber vertritt darüber hinaus die Auffassung, daß auch die Aussagen des (kritischen) Realismus und Idealismus über Realität oder Nichtrealität der Außenwelt und des Fremdpsychischen metaphysischen Charakters sind, da sie denselben Einwänden unterliegen wie die Aussagen der alten Metaphysik: sie sind sinnlos, weil nicht verifizierbar, nicht sachhaltig. Etwas ist »wirklich« dadurch, daß es eingeordnet wird dem Gesamtgebäude der Erfahrung.

Die von den Metaphysikern als Erkenntnisquelle besonders betonte Intuition wird von der wissenschaftlichen Weltauffassung nicht etwa überhaupt abgelehnt. Wohl aber wird eine nachträgliche rationale Rechtfertigung jeder intuitiven Erkenntnis Schritt für Schritt angestrebt und gefordert. Dem Suchenden sind alle Mittel erlaubt; das Gefundene aber muß der Nachprüfung standhalten. Abgelehnt wird die Auffassung, die in der Intuition eine höherwertige, tieferdringende Erkenntnisart sieht, die über die sinnlichen Erfahrungsinhalte hinausführen könne und nicht durch die engen Fesseln begrifflichen Denkens gebunden werden dürfe.“

H. Hahn, O. Neurath, R. Carnap: Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis pdf

Das Manifest des Wiener Kreises wurde anlässlich der im Herbst 1929 in Prag stattfindenden „Tagung für Erkenntnislehre der exakten Wissenschaften“ vorgestellt. Diese Tagung, die gemeinsam vom Verein Ernst Mach und der Berliner Gesellschaft für Empirische Philosophie veranstaltet wurde, war der erste internationale Auftritt der Logischen Empiristen und die erste einer Reihe internationaler Konferenzen, an deren Organisation Mitglieder des Wiener Kreises beteiligt waren. Es folgten weitere Tagungen, die sich bis in die Jahre der Emigration fortsetzten: 1930 in Königsberg, 1934 in Prag, 1935 in Paris, 1936 in Kopenhagen, 1938 in Cambridge (England), 1939 in Cambridge (USA) und 1941 in Chicago.

1930 übernahmen der Wiener Kreis und die Berliner Gruppe zudem die Zeitschrift Annalen der Philosophie und führten sie unter dem Titel Erkenntnis, herausgegeben von Carnap und Reichenbach, als zentrale Publikationsplattform des Logischen Empirismus weiter. Die Publikationstätigkeit des Wiener Kreises wurde ergänzt durch die Buchreihen Schriften zur wissenschaftlichen Weltauffassung (herausgegeben von Schlick und Frank, 1928–1937)[15], Einheitswissenschaft (herausgegeben von Neurath, 1933–1939), und später – bereits in der Emigration – die International Encyclopedia of Unified Science (mit Neurath als Hauptherausgeber, Carnap und Charles W. Morris als Nebenherausgeber, insgesamt von 1938 bis 1970).

Desintegration, Emigration, Internationalisierung (1934–1938)

Seit Anfang der Dreißigerjahre zeigten sich aus politischen, weltanschaulichen und rassistischen Gründen erste Anzeichen einer Desintegration: Herbert Feigl verließ Österreich 1930, Carnap wurde 1931 nach Prag berufen und ging 1935 nach Chicago.

Eine Zäsur markiert das Jahr 1934: Hahn starb an den Folgen einer Operation, Neurath musste im Zusammenhang mit dem Austrofaschismus nach Holland emigrieren und in Wien wurde der Verein Ernst Mach vom Schuschnigg-Regime aufgelöst.

Das faktische Ende des Wiener Kreises kam durch die Ermordung Schlicks durch seinen ehemaligen Dissertanten Hans Nelböck aus persönlicher und weltanschaulicher Gegnerschaft.[16]

Danach wurden noch sporadisch weitere Treffen mit Kraft, Waismann, Zilsel, Menger und Gomperz veranstaltet. Der „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland bedeutete das endgültige Verschwinden des Wiener Kreises aus Österreich.

Mit der Emigration ging eine Internationalisierung des Logischen Empirismus einher. Viele ehemalige Mitglieder emigrierten in den angloamerikanischen Raum und nahmen dort Einfluss auf die weitere Entwicklung der Wissenschaftsphilosophie. Bezeichnend für die Internationalisierung ist auch die vor allem von Neurath, Carnap und Morris getragene Unity-of-Science-Bewegung zum Aufbau einer International Encyclopedia of Unified Science, die maßgeblich an der Organisation der angeführten Kongresse beteiligt war und die International Encyclopedia of Unified Science publizierte.[17]

Siehe auch

Literatur

Primärliteratur (Auswahl)

  • Rudolf Carnap: Logische Syntax der Sprache. Wien: Springer Verlag, 1968 [1934].
  • Rudolf Carnap: Mein Weg in die Philosophie. Stuttgart: Reclam, 1993 [1963].
  • Rudolf Carnap: Der logische Aufbau der Welt. Hamburg: Felix Meiner Verlag, 1998 [1928].
  • Rudolf Carnap: Scheinprobleme in der Philosophie und andere metaphysikkritische Schriften. Hamburg: Felix Meiner Verlag, 2004.
  • Otto Neurath: Gesammelte philosophische und methodologische Schriften. (2 Bände) Wien: Verlag Hölder-Pichler-Tempsky, 1981.
  • Otto Neurath, Rudolf Carnap, Hans Hahn: Wissenschaftliche Weltauffassung - der Wiener Kreis. Veröffentlichungen des Vereins Ernst Mach, Wien 1929 [1] [2]
  • Otto Neurath, Rudolf Carnap und Charles Morris (Hrsg.): Foundations of the Unity of Science. Toward an International Encyclopedia of Unified Science. (2 Bände) Chicago: Chicago University Press, 1971.
  • Karl Popper: Logik der Forschung. Tübingen: Mohr Siebeck, 2005 [1935].
  • Moritz Schlick: Lebensweisheit. Versuch einer Glückseligkeitslehre. Fragen der Ethik. (Moritz Schlick Gesamtausgabe, Abteilung I, Band 3) Wien: Springer Verlag, 2006 [1908, 1930].
  • Moritz Schlick: Die Wiener Zeit. Aufsätze, Beiträge, Rezensionen 1926-1936. (Moritz Schlick Gesamtausgabe, Abteilung I, Band 6) Wien: Springer Verlag, 2008.
  • Moritz Schlick: Allgemeine Erkenntnislehre. (Moritz Schlick Gesamtausgabe, Abteilung I, Band 1) Wien: Springer Verlag, 2009 [1918/1925].
  • Michael Stöltzner und Thomas Uebel (Hrsg.): Wiener Kreis. Texte zur wissenschaftlichen Weltauffassung von Rudolf Carnap, Otto Neurath, Moritz Schlick, Philipp Frank, Hans Hahn, Karl Menger, Edgar Zilsel und Gustav Bergmann. Hamburg: Meiner Verlag, 2006. ISBN 3-7873-1811-9
  • Friedrich Stadler und Thomas Uebel (Hrsg.): Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis. Hrsg. vom Verein Ernst Mach (1929). Reprint der Erstausgabe. Mit Übersetzungen ins Englische, Französische, Spanische und Italienische. Wien: Springer Verlag, 2012.
  • Ludwig Wittgenstein: Tractatus logico-philosophicus. Logisch-philosophische Abhandlung. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag, 1963 [1921].

Sekundärliteratur

  • A. J. Ayer: Language, Truth and Logic. London: Victor Gollancz 1936.
  • Gustav Bergmann: „Erinnerungen an den Wiener Kreis. Brief an Otto Neurath (1936)“, in: Michael Stöltzner, Thomas Uebel (Hrsg.), Wiener Kreis. Texte zur wissenschaftlichen Weltauffassung. Hamburg: Meiner 2006, 633-654.
  • Nancy Cartwright, Jordi Cat, Lola Fleck, Thomas E. Uebel: Otto Neurath. Philosophy between Science and Politics. Cambridge: Cambridge University Press, 1996.
  • Philipp Frank: Modern Science and its Philosophy. Cambridge 1949.
  • Michael Friedman: Reconsidering Logical Positivism. Cambridge 1999.
  • Peter Galison: “Aufbau/Bauhaus: Logical Positivism and Architectural Modernism”. Critical Inquiry 16, 709-752, 1990.
  • Manfred Geier: Der Wiener Kreis. Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3-499-50508-8.
  • Ronald Giere, Alan Richardson (Hrsg.): Origins of Logical Empiricism. Minneapolis 1996.
  • Rudolf Haller: Neopositivismus. Eine historische Einführung in die Philosophie des Wiener Kreises. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993, ISBN 3-534-06677-4.
  • Rudolf Haller, Friedrich Stadler (Hrsg.): Wien – Berlin – Prag. Der Aufstieg der wissenschaftlichen Philosophie. Wien 1993.
  • Victor Kraft: Der Wiener Kreis. Der Ursprung des Neopositivismus. 3. Auflage. Springer, Wien u. a. 1997 [1950], ISBN 3-211-82956-3 (Texte zur wissenschaftlichen Weltauffassung 1).
  • Paul Kruntorad (Hrsg.): Jour fixe der Vernunft. Der Wiener Kreis und die Folgen. Hölder-Pichler-Tempsky, Wien 1991, ISBN 3-209-01221-0 (Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis 1).
  • Richard von Mises: Kleines Lehrbuch des Positivismus. Einführung in die empiristische Wissenschaftsauffassung. Mit einer Einleitung neu hrsg. von Friedrich Stadler. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-518-28471-1 (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 871 Wiener Kreis-Schriften zum logischen Empirismus).
  • Christoph Limbeck / Friedrich Stadler (Hrsg.): Der Wiener Kreis. Texte und Bilder einer Ausstellung. Münster-Berlin-London: LIT Verlag 2015. ISBN 978-3-643-50672-6
  • Thomas Mormann: Rudolf Carnap. München: Verlag C.H. Beck, 2000.
  • Nicholas Rescher (Hrsg.): The Heritage of Logical Positivism. University Press of America 1985.
  • Alan Richardson: “The Scientific World Conception. Logical Positivism”, in: T. Baldwin (Hrsg.), The Cambridge History of Philosophy, 1870–1945, 2003, 391-400.
  • Alan Richardson, Thomas Uebel (Hrsg.): The Cambridge Companion to Logical Empiricism, Cambridge 2007.
  • Annemarie Siegetsleitner: Ethik und Moral im Wiener Kreis. Böhlau, Wien 2014, ISBN 978-3-205-79533-9.
  • Karl Sigmund: Sie nannten sich Der Wiener Kreis: Exaktes Denken am Rand des Untergangs. Springer Spektrum, 2015. ISBN 978-3-658-08534-6 (Print); ISBN 978-3-658-08535-3 (eBook)
  • Friedrich Stadler: Vom Positivismus zur „Wissenschaftlichen Weltauffassung“. Am Beispiel der Wirkungsgeschichte von Ernst Mach in Österreich von 1895-1934. Wien-München 1982.
  • Friedrich Stadler: Studien zum Wiener Kreis. Ursprung, Entwicklung und Wirkung des Logischen Empirismus im Kontext. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-518-58207-0. 2. Auflage bei Springer, Dordrecht 2015.
  • Friedrich Stadler (Hrsg.): The Vienna Circle and Logical Empiricism. Re-evaluation and Future Perspectives. Dordrecht – Boston – London, Kluwer 2003.
  • Volker Thurm (Hrsg.): Wien und der Wiener Kreis. Orte einer unvollendeten Moderne. Wien 2003.
  • Thomas Uebel: Vernunftkritik und Wissenschaft: Otto Neurath und der erste Wiener Kreis. Wien-New York 2000.
  • Thomas Uebel: Empiricism at the Crossroads. The Vienna Circle’s Protocol-Sentence Debate. Chicago: Open Court, 2007.

Weblinks

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Einzelnachweise

  1. Vgl. die Zurechnung zu „Kern“ und „Peripherie“ des Wiener Kreises in Stadler 1997.
  2. Von 1926 bis 1933 fanden gelegentliche Treffen Wittgensteins mit Schlick, Waismann, Carnap und Feigl statt. Vgl. Stadler 1997, Kapitel zu "Wittgenstein und der Wiener Kreis", 467-488.
  3. Zu Popper und dem Wiener Kreis, vgl. Stadler 1997, 502-545.
  4. Vgl. Stöltzner/Uebel 2006, LII-LXXIX
  5. Stöltzner/Uebel 2006, LXXXIX
  6. Diese Darstellung folgt vor allem Stadler 1997. Bes. 629-630 für einen Überblick über die Phasen der Entwicklung.
  7. Frank 1949, Stadler 1997, Uebel 2000, Stöltzner/Uebel 2006. Die Bezeichnung geht zurück auf Rudolf Haller, „Der erste Wiener Kreis“, in: Fragen zu Wittgenstein und Aufsätze zur Österreichischen Philosophie, Amsterdam 1986.
  8. Stadler 1997, 225-251.
  9. Stadler 1997, 230.
  10. Stadler 1997, 229-251.
  11. Die Aufzeichnung dieser Treffen durch Waismann findet sich im Band Ludwig Wittgenstein und der Wiener Kreis, Gespräche aufgezeichnet von Friedrich Waismann, Frankfurt a. M. 1984.
  12. Stadler 1997, 364-388.
  13. Frank 1949, 38.
  14. Für einen Überblick über die Vortragstätigkeit 1929-1932: Stadler 1997, 379-381.
  15. In dieser Reihe erschien 1934 auch Karl Poppers Logik der Forschung.
  16. Zur Dokumentation des Mordes an Schlick und des Strafprozesses gegen Nelböck: Stadler 1997, 920-961.
  17. Für eine Chronologie der Emigration: Hans-Joachim Dahms, „The Emigration of the Vienna Circle“, in: Friedrich Stadler, Peter Weibel (Hrsg.), The Cultural Exodus from Austria, Wien 1995.


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