Sorat und Neurowissenschaften: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Sorat''', das ist okkult der Sonnendämon.
[[Datei:Gehirn Johannes Sobotta Atlas der descriptiven Anatomie des Menschen III.jpg|mini|400px|Sagittalschnitt durch das menschliche [[Gehirn]]<br /> (Johannes Sobotta: ''Atlas der descriptiven Anatomie des Menschen'', Band III, J.F. Lehmanns, München 1919, S. 606 [https://archive.org/stream/b29821666_0003#page/606/mode/2up])]]


==Das Tier der Apokalypse und das mystische Lamm ==
Als '''Neurowissenschaften''' (seltener auch im Singular: '''Neurowissenschaft''') werden die [[naturwissenschaft]]lichen Forschungsbereiche bezeichnet, in denen Aufbau und Funktionsweise von [[Nervensystem]]en untersucht werden. Aufgrund der vielfältigen verwendeten Methoden wird neurowissenschaftliche Forschung von Wissenschaftlern aus vielen verschiedenen Disziplinen wie etwa [[Physiologie]], [[Psychologie]], [[Medizin]], [[Informatik]], [[Robotik]] oder [[Mathematik]] betrieben.<ref name="Trappenberg">{{Literatur |Autor=Trappenberg, Thomas P. |Titel=Fundamentals of Computational Neuroscience | Auflage=2|Verlag=Oxford University Press |Ort=Oxford |Datum=2010|ISBN=978-0-19-956841-3}}</ref>
[[Datei:Rosenkreuzoval.gif|thumb|Ein Symbol Christi]]
[[Bild:sorat1_small.gif|thumb|25px|Das Symbol Sorats]]
:"Sie wissen, daß sich die Sonne einmal von der Erde abgetrennt hat, daß sie sich aber in ferner Zukunft mit der Erde wieder vereinigen wird. Das Wesen, das die Menschen dazu befähigt, sich so zu vergeistigen, daß sie sich mit der Sonne wieder vereinigen können, bezeichnet man im Okkultismus als die Intelligenz der Sonne ([[Mystisches Lamm]]). Diesem guten [[Sonnengeist]] wirkt ein böser, das Dämonium der Sonne, entgegen. Beide Kräfte wirken nicht nur in der Sonne, sondern sie senden ihre Wirkungen auf die Erde herab. Die Kräfte des guten Sonnengeistes ziehen in Pflanze, Tier und Mensch ein, sie rufen das Leben auf der Erde hervor. Das gegnerische Prinzip des Sonnendämons, diejenige Gewalt, welche der Vereinigung der Erde mit der Sonne entgegensteht, wirkt in den bösen Kräften des Menschen...


:Nur wer diese kennt, kann erahnen, ein wie tiefes Buch die Apokalypse ist und was es zu bedeuten hat, wenn der Widersacher des Lammes als das Tier mit den zwei Hörnern geschildert wird. Das Symbol des Sonnendämons wird so gezeichnet: (siehe weiter unten rechts, wer es angucken mag.)
Forschungsrichtungen, die hauptsächlich den Aufbau und die Leistungen des [[Gehirn]]s von [[Mensch]]en und [[Affen|Menschenaffen]] ([[Primaten]]) untersuchen, werden umgangssprachlich oftmals unter der Bezeichnung '''Hirn-''' oder '''Gehirnforschung''' zusammengefasst.  


:Die [[Apokalypse]] ist ganz in okkulter Schrift geschrieben, die durch Worte ausgedrückt ist.
== Geschichte der Hirnforschung ==
[[Datei:Crane-trepanation-img 0507.jpg|mini|Schädel einer etwa 50-jährigen Frau mit Trepanationsöffnung (ca. 3500 v.&nbsp;Chr).]]
[[Datei:EdSmPaPlateVIandVIIPrintsx.jpg|mini|Auszug aus dem [[Wikipedia:Papyrus Edwin Smith|Papyrus Edwin Smith]] (ca. 1500 v.&nbsp;Chr.]]
[[Datei:Vesalius 606c.png|mini|Anatomischen Zeichnung des Gehirns aus [[Vesalius]]’ Anatomiebuch; die Hirnhäute sind abpräpariert, sodass man die gefurchte Hirnoberfläche sieht.]]
[[Datei:1543, Andreas Vesalius' Fabrica, Base Of The Brain.jpg|mini|Die an der Hirnbasis verlaufenden [[Hirnnerven]] nach einer Zeichnung von [[Vesalius]] (1543)]]
[[Datei:Luigi Galvani Experiment.jpeg|mini|Die Versuchsanordnung von [[Wikipedia:Luigi Galvani|Luigi Galvani]], mit der er an Froschschenkeln die elektrische Erregbarkeit von Muskeln zeigte.]]
[[Datei:Gray754.png|mini|Histologische Darstellung der Großhirnrinde mit ihren Schichten (links Zellfärbung, rechts Darstellung der Fasern).<br />Anhand der Unterschiede in der Dicke und Dichte der Schichten konnte [[Korbinian Brodmann]] den Cortex in 52 verschiedene [[Brodmann-Areale|Areale]] einteilen.]]
[[Datei:Brodmann-Areale Mensch 1909.jpg|mini|Brodmann-Areale, nach der Zeichnung von K. Brodmann (1907)]]
[[Datei:Cajal actx inter.jpg|mini|Zeichnung der neuronalen Vernetzung im [[Wikipedia:Auditiver Cortex|auditiven Cortex]] ([[Wikipedia:Santiago Ramón y Cajal|Santiago Ramón y Cajal]], 1898)]]


:Ein Geheimnis verbirgt sich auch in der Zahl des Tieres [[666]], von der es zugleich heißt: Es ist eines Menschen Zahl. - Nach der aramäischen Geheimlehre ist diese Zahl so zu lesen: 400, 200, 6, 60. Diesen vier Zahlen entsprechen die hebräischen Buchstaben '''Taw''', '''Resch''', '''Waw''' und '''Samech'''. Im Hebräischen liest man von rechts nach links:
=== Urgeschichte ===


[[Bild:sorat2_small.gif|666 - Sorat, der Sonnendämon]]
Die '''Schädelöffnung''' ('''Kraniotomie'''; auch '''Schädeltrepanation''', von [[lat.]] ''trepanatio'', aus {{ELSalt|τρύπανον}} ''trypanon'' „Bohrer“) ist schon durch Funde in [[Wikipedia:Marokko|Marokko]] belegt, die auf etwa 12.000 bis 11.000 v.&nbsp;Chr. datiert werden<ref>Pierpaolo Petrone, Massimo Niola, Pierpaolo Di Lorenzo, Mariano Paternoster, Vincenzo Graziano, Giuseppe Quaremba, Claudio Buccelli: ''Early Medical Skull Surgery for Treatment of Post-Traumatic Osteomyelitis 5,000 Years Ago'', in: PLoS ONE 10,5 (2015) 1-22, hier: S. 1.</ref> Ab etwa 10.000 v.&nbsp;Chr. ist sie auch im europäischen [[Wikipedia:Mesolithikum|Mesolithikum]] nachgewiesen<ref name="Rutkow">Ira M. Rutkow: ''Trephination.'' In: ''Archives of Surgery.'' Band 135, Nr. 9, 2000, S. 1119, {{doi|10.1001/archsurg.135.9.1119}}</ref>. Ähnliche Schädelöffnungen gab es in [[Lateinamerika]]. 1867 konnte [[Wikipedia:Paul Broca|Paul Broca]] (1824–1880) an einem peruanischen Schädel erstmals zeigen, dass der Patient die Operation längere Zeit überlebt haben musste<ref>Frank P. Saul, Julie Mather Saul: ''Trepanation: Old World and New World'', in: Samuel H. Greenblatt, T. Forcht Dagi, Mel H. Epstein (Hrsg.): ''A History of Neurosurgery. In Its Scientific and Professional Contexts'', Park Ridge 1997, S. 29–36, hier S. 29. Er bezieht sich in Anm. 22 auf Thomas Dale Stewart: ''Stone age skull surgery. A general review, with emphasis on the New World'', Annual Report of the Smithsonian Institution, Washington 1958, S. 469–491.</ref>.
:Diese Buchstaben symbolisieren die vier Prinzipien, die den Menschen zur völligen Verhärtung führen, wenn es ihm nicht gelingt, sie umzuwandeln. Durch Samech wird das Prinzip des physischen Leibes ausgedrückt, durch Waw das des Ätherleibes, durch Resch das des Astralleibes, durch Taw das niedere Ich, das sich nicht zum höheren Ich erhoben hat. Das Ganze zusammengelesen, heißt Sorat. Dies ist der okkulte Name des Sonnendämons, des Widersachers des Lammes. Das ist das Geheimnis, aus dem die neuere Theologie gemacht hat: Es heißt Nero. Man kann wirklich keine größere Fabelei finden. Der, welcher die Sache von Nero erfunden hat, wird als einer der größten Geister der Theologie geschätzt. Dicke Werke sind darüber geschrieben worden. So wird mißverstanden, was in den symbolischen Zeichen liegt. Bücher wie die Apokalypse kann nur der verstehen, der die okkulte Schrift zu lesen vermag." ''(Rudolf Steiner, Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft, GA 96 (1989), S 313 ff., Berlin, 27. April 1907)''


==Wie wirkt Sorat?==
=== Altertum ===
"Sorat als Sonnendämon, als Antichrist, verfolgt zunächst das Ziel das Werk Christi zu zerstören, dessen Taten für die Menschheit auszulöschen. Dies bezieht sich vor allem auf die Kerntatsache des Christentums, die Auferstehung als Wiederherstellung des geistig-physischen Phantoms, des Auferstehungsleibes, der zum adäquaten Träger des Ich werden soll. (...) Auf die menschliche Wesenheit bezogen kommt es ihm ... als seine Absicht darauf an, das Ich zu exstirpieren, zumindest aber dahin zu arbeiten, daß das Ich den Christus-Impuls nicht aufnimmt, um dadurch in der Persönlichkeitsentwicklung stehenzubleiben.
Im Denken, Fühlen und Wollen des Menschen will Sorat einen Zustand herstellen, der seinen Intentionen entgegenkommt."<ref>Peter Tradowky: ''Christ und Antichrist'', Vlg. am Goetheanum, Dornach 1996, S. 76 - 77</ref> Lähmung des Denkens, Verleiblichung des Fühlens und Einschläfern des Willens, sind die Stichworte dafür.<ref>Vgl. Peter Tradowky: ''Christ und Antichrist'', Vlg. am Goetheanum, Dornach 1996, S. 77 - 81</ref>
''Sorat'' will das ICH des Menschen unbrauchbar machen zu seiner Höherentwicklung, was durch allerlei wüste ''Leidenschaften'' und ''Süchte'' ([[Asuras]]), durch ''Rassismus'' und [[Juden]]ausrottung (Sorat) und durch Mißbrauch der modernen Wissenschaft in ihren negativen Auswüchsen (wie etwa [[Wikipedia:Genmanipulation|Genmanipulation]], [[Wikipedia:Rassenhygiene|Rassenhygiene]], [[Genselektion]] und [[Atomkraft]]gefahren) erreicht werden soll. Letztlich soll der Mensch in seiner Fortentwicklung einer Art ''Ver-[[Tier]]ung'' anheim gegeben werden, so dass ein gesundes ICH-Leben im normalen physischen Leib unmöglich wird.
Sorat will das [[Christus]]-Wirken innerhalb der Menschheit ausrotten. Seine Anhänger bedienen sich hierzu auch der [[Schwarze Magie|Schwarzen Magie]].<ref>Vgl. Bernard Lievegoed: ''Das Gute tun'', S. 46, S. 67 ff u. S. 91 ff, Erhard Fucke: ''Im Spannungsfeld des Bösen'', S. 210 ff sowie Michael Kalisch: ''Das Böse. Polarität und Steigerung'', S. 215 ff</ref>


==Wie bannt man Sorat?==
Auch Funde aus dem [[Ägyptisch-Chaldäische Kultur|frühen Ägypten]] belegen, dass schon vor 5000 Jahren operative Eingriffe in das [[Zentralnervensystem]] gemacht wurden. Etwa 70 Prozent der Schädel, bei denen Hinweise auf derartige Eingriffe vorhanden sind, lassen durch [[Gewebe|Gewebsneubildungen]] vermuten, dass die Patienten den Eingriff um Monate oder Jahre überlebt haben. Das etwa 1500 v.&nbsp;Chr. verfasste [[Wikipedia:Papyrus Edwin Smith|Papyrus Edwin Smith]], das vermutlich auf älteren Quellen beruht, die bis 3000 v.&nbsp;Chr. zurückreichen, belegt das auffallend systematische [[Wissen]] der alten Ägypter über die [[Anatomie]] des [[Gehirn]]s.
[[Datei:Ghent_Altarpiece_Mystic_Lamb_Detail_Altar.jpg|thumb|left|Das mystische Lamm. (Jan van Eyck, 1432)]]
Nur [[Jesus Christus]] ist den dunklen Mächten überlegen.


[[Hermann Keimeyer]] gab hierzu einen Ratschlag (bezogen auf alle [[Widersachermächte]]):
=== Antike ===
Die Widersacher können bekämpft werden, nämlich "[[Luzifer]] (läßt sich) bannen durch Moralität,
[[Ahriman]] (läßt sich) bannen durch ausgewogene Urteilskraft, [[Asuras]]-'''Sorat''' (läßt sich) bannen durch das [[Michaelsschwert]] im eigenen ätherischen Rückgrat" ([[Hermann Keimeyer]])<ref>Vgl. Weblink: Hermann Keimeyer "Dreifaltigkeiten..."</ref>. Das [[Michaelsschwert]] im eigenen ätherischen Rückgrat läßt sich erzeugen durch eine Visualisierung einer entsprechenden [[Meditation]] ([[Imagination]]). Auch der moderne [[Manichäismus]], wie er etwa durch [[Bernard Lievegoed]] dargestellt wurde, bietet Möglichkeiten dem Bösen (also den [[Widersachermächte]]n) insgesamt adäquat zu begegnen.<ref>Siehe Literaturangaben zu Bernard Lievegoed sowie Flensburger Hefte Nr. 26, S. 76</ref>


==Einzelnachweise==
Um 500 v. Chr. soll [[Wikipedia:Alkmaion (Philosoph)|Alkmaion von Kroton]] als Erster die Sehnerven und andere sensorische Nerven entdeckt haben. Alkmaion entwickelte die Vorstellung, dass Nerven hohl seien und ein Medium (''kenon'') umhüllten, das den Sinneseindruck zum Gehirn leitet<ref name="Lloyd1952">Lloyd, 1975.: ''Alcmeon and the early history of dissection'', Sudhoffs Archiv, 59: 113–47</ref>.  [[Hippokrates von Kos]] (ca. 460–370 v. Chr.) erkannte, dass das Gehirn als Sitz der Empfindung und Intelligenz fungiert. [[Aristoteles]] (384–322 v. Chr.) ging im Gegensatz dazu davon aus, dass die [[Empfindung]]en und der [[Verstand]] ihren Sitz im [[Herz]]en haben; das Gehirn sei nur ein Kühlorgan für das [[Blut]]. Die [[Seele]] ({{ELSalt|ψυχή}}, ''[[Psyche|psychḗ]]'') sei eine eigenständige [[Substanz]], die dem [[leben]]digen [[Körper]] ihre [[Form]] gebe<ref>Aristoteles, Klaus Corcilius (Übers.): ''Über die Seele. De Anima.'' Griechisch-Deutsch, Felix Meiner Verlag, Hamburg 2017, ISBN 978-3-7873-2789-8, Buch II, Kapitel 1, 412<sup>a</sup>20.</ref>. Diese Lehre wurde später von [[Thomas von Aquin]] (um 1225-1274) im [[Christentum|christlichen]] Sinn weiter ausgeführt (''anima unica forma corporis''<ref>Richard Heinzmann: ''Anima unica forma corporis. Thomas von Aquin als Überwinder des platonisch-neuplatonischen Dualismus.'' in: ''Philosophisches Jahrbuch'', 93. Jahrgang 1986, Verlag Karl Alber, Freiburg/München 1986, S. 236ff. [https://epub.ub.uni-muenchen.de/10042/1/10042.pdf]</ref><ref>Tobias Kläden: ''Anima forma corporis. Zur Aktualität der nichtdualistischen Sicht des Menschen bei Thomas von Aquin.'' in: ''Natur und Geist: von der Einheit der Wissenschaften im Mittelalter'', Ostfildern 2008, S. 11-30 [http://www.kamp-erfurt.de/level9_cms/download_user/Gesellschaft/Anima%20forma%20corporis.pdf]</ref>).


[[Wikipedia:Herophilos von Chalkedon|Herophilos von Chalkedon]] (um 325–255 v. Chr.) führte erste Autopsien durch und beschrieb korrekt die grobe Anatomie des Gehirns. Den Sitz der [[Seelenkräfte]] und der menschlichen [[Intelligenz]] sah er aber nicht im Hirngewebe, sondern in den von ihm erstmals entdeckten drei flüssigkeitsgefüllten  [[Hirnventrikel]]n<ref name="Diels1952">H. Diels, W. Kranz: ''Die Fragmente der Vorsokratiker.'' 6th ed., Band 1, S. 210–216. Weidmann, Dublin, Ireland 1952.</ref>. [[Wikipedia:Erasistratos|Erasistratos]] (um 305–250 v. Chr.) unterschied bereits [[Motorische Nerven|motorische]] und [[sensorische Nerven]] und zählte wegen der Aufteilung des ersten Ventrikels in einen rechten und linken Ventrikel vier Hirnventrikel. Die Seele lokalisierte er in den Hirnwindungen bzw. Hirnhäuten<ref>Bernhard D. Haage: ''Ventrikellehre.'' In: [[Wikipedia:Werner E. Gerabek|Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Wikipedia:Gundolf Keil|Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/ New York 2007, ISBN 978-3-11-019703-7, eBook ISBN 978-3-11-097694-6, S. 1439.</ref>
Um 129–216 n. Chr. wurden die Funktionen einzelner Nervenbahnen durch [[Galenos|Galen]] und erstmals auch das [[Sympathisches Nervensystem|sympathische Nervensystem]] beschrieben, dessen eigentliche Funktion er aber nicht erfasste. Herophilus folgend nahm er an, dass sich in den Hirnventrikeln eine Substanz befinde, das ''[[pneuma]] psychikon'' (lat. ''spiritus animalis''), welche durch die als hohl angenommenen Nerven einerseits [[Sinneswahrnehmung]]en zum Gehirn transportiere, andererseits aber auch die [[Muskel]]n in [[Tätigkeit]] setze.
=== Mittelalter ===
Die Kenntnisse der westeuropäischen [[Hirnforschung]] fielen im Mittelalter hinter das Niveau der Antike zurück. Die Forschung im europäischen Raum beschäftigte sich primär mit der klösterlichen [[Heilkräuter]]kunde. Einzig [[Albertus Magnus]] (um 1200-1280) baute um 1250 die Ventrikellehre weiter aus und stellte sich vor, dass der ''spiritus animalis'' ähnlich einem römischen Brunnen von einem Ventrikel in den nächsten fließe und so den Prozess von der [[Wahrnehmung]] über das [[Denken]] zur [[Erinnerung]] führe.
Im byzantinischen und arabischen Kulturraum wurde die medizinische Forschung währenddessen fortgesetzt, weshalb namentlich die arabische Medizin bis in die Renaissance hinein die Erkenntnisse der Hirnforschung dominierte. So untersuchte um 900 [[Wikipedia:Rhazes|Rhazes]] (Abu Bakr Mohammad Ibn Zakariya al-Razi; um 865-925) das Gehirn anatomisch genauer und beschrieb sieben der zwölf [[Hirnnerven]] und 31 der aus dem Rückenmark entspringenden [[Spinalnerv]]en in seinem Werk ''Kitab al-Hawi Fi Al Tibb'' ([[Arabisch|arab.]] ''Geheimnis der Geheimnisse'').<ref name="ruska">http://juliusruska.digilibrary.de/q231/q231.html</ref><ref name="Richter1994">L. Richter-Bernburg: ''Abu Bakr Muhammad al-Razi’s (Rhazes) medical works.'' Med Secoli. 6 (2): S. 377–392, 1994</ref>
=== Neuzeit ===
Erst in der [[Renaissance]] wurden im europäischen Raum wieder [[Obduktion]]en durchgeführt. [[Leonardo da Vinci]] (1452–1519) leistete dabei bedeutende Beiträge zu einer realistischeren zeichnerischen Darstellung anatomischer Strukturen. [[Andreas Vesalius]] (1514-1564) gilt mit seinem umfassenden Werk „''Sieben Bücher über den Aufbau des menschlichen Körpers''“<ref>Andreas Vesalius: ''De humani corporis fabrica libri septem.'' Basel (Johannes Oporinus) 1543; Neudruck Brüssel 1970.</ref> als der eigentliche Begründer der neuzeitlichen [[Anatomie]] und führte auch öffentliche [[Obduktion|Leichensektionen]] durch.
Der Italiener [[Wikipedia:Giovanni Alfonso Borelli|Giovanni Alfonso Borelli]] (1608–1679) stellte erstmals die Existenz eines gasförmigen ''spiritus animalis'' in Frage. Er vermutete stattdessen die Existenz einer Flüssigkeit, des ''succus nerveus'', die durch die hohlen Nerven in die Extremitäten gepresst werden und so nach pneumatischen Prinzipien die Handlungen hervorrufen solle.
Dass elektrische Impulse über Nerven strömen, wurde im 18. Jahrhundert erstmals beschrieben. Eine zweite wichtige Erkenntnis des 18. Jahrhunderts war, dass die [[Großhirnrinde]] funktionell gegliedert ist.
==== 19. Jahrhundert ====
Ab dem 19. Jahrhundert schritt die Erforschung der Hirnanatomie schnell voran. Mit der von [[Wikipedia:Camillo Golgi|Camillo Golgi]] (1843-1926) entwickelten [[Histologie|histologischen]] Färbetechnik mittels [[Wikipedia:Silbernitrat|Silbernitrat]] erzielte der spanische [[Histologe]]n [[Wikipedia:Santiago Ramón y Cajal|Santiago Ramón y Cajal]] (1852-1934) große Fortschritte in der Aufklärung der Feinstruktur des [[Zentralnervensystem]]s und postulierte 1887, dass das [[Nervensystem]] aus Milliarden von [[Neuron]]en bestehe, die über spezielle Verbindungen miteinander kommunizieren, für die 1897 [[Wikipedia:Charles Scott Sherrington|Charles Scott Sherrington]] (1857-1952) den Begriff „[[Synapse]]“ prägte. Golgi war hingegen davon überzeugt, dass die [[Nervenzelle]]n durchgängig miteinander verbunden seien, wodurch es zu einem heftigen Gelehrtenstreit zwischen Golgi und Cajal kam. Dennoch wurde 1906 beiden gemeinsam der [[Wikipedia:Nobelpreis für Physiologie oder Medizin|Nobelpreis für Physiologie oder Medizin]] verliehen.
==== 20. Jahrhundert ====
An der Anfang des 20. Jahrhunderts von [[Wikipedia:Oskar Vogt|Oskar Vogt]] (1870-1959) in Berlin begründeten „Neurologischen Zentralstation“, aus der 1914 das [[Wikipedia:Kaiser-Wilhelm-Institut|Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung]] hervorging<ref>[[Wikipedia:Wolf Singer|Wolf Singer]]: ''Auf dem Weg nach innen. 50 Jahre Hirnforschung in der Max-Planck-Gesellschaft.'' In: ''Der Beobachter im Gehirn. Essays zur Hirnforschung''. Suhrkamp, 2002, S. 12, ISBN 3-518-29171-8</ref>, gelang es 1907 dem deutschen [[Anatom]]en [[Korbinian Brodmann]] (1868–1918) die [[Großhirnrinde]] nach histologisch-topographischen Kriterien in zunächst 52 Felder einzuteilen, denen später großteils auch konkrete [[Funktion]]en zugeordnet werden konnten. Diese sog. [[Brodmann-Areale]] werden heute noch verwendet, doch erwies sich eine allzu starre Funktionszuteilung als problematisch.
==== 21. Jahrhundert ====
Im noch jungen 21. Jahrhundert entwickelt sich die Neurowissenschaft primär methodologisch weiter.
== Neurowissenschaften und Materialismus ==
In den Neurowissenschaften ist ein starker Hang zum [[Naturalismus]], [[Materialismus]], [[Determinismus]], [[Reduktionismus]] und [[Physikalismus]] zu bemerken. So meint etwa [[Wikipedia:Gerhard Roth|Gerhard Roth]]: „''Wir müssen also davon ausgehen, dass Geist ein physikalischer Zustand eigener Art mit vielen speziellen Gesetzen ist.''“<ref>„Wir müssen also davon ausgehen, dass Geist ein physikalischer Zustand eigener Art mit vielen speziellen Gesetzen ist. Dies ist insofern kein Problem, als der Bereich der Physik stets offen war und ist für Erweiterungen: Was zur Physik gehört und was nicht, hat sich über die Jahrhunderte stark geändert und wird sich weiter ändern. Warum aber sehen wir Geist überhaupt als physikalischen Zustand an und sind nicht einfach Dualisten, für die sich Geist grundlegend vom Materiell-Physikalischen unterscheidet?<br>
Der Grund hierfür ist, dass Geist – welcher physikalischen Natur er auch immer ist - eindeutig im Rahmen der Naturgesetze auftritt und unabdingbar an physikalische und im engeren Sinne an chemische und physiologische Gesetzmäßigkeiten gebunden ist. Dies ist mit einem Dualismus unvereinbar. Wie oben bereits beschrieben, geht geistige Aktivität im Gehirn mit einem hohen Sauerstoff- und Glukoseverbrauch und vielen anderen neuroelektrischen und neurochemischen Prozessen einher, und nach bisheriger Kenntnis sind die Beziehungen mehr oder weniger linear; d.h. je intensiver die geistigen Aktivitäten, desto höher der Hirnstoffwechsel, der Transmitterausstoß, die Entladungsraten der Neurone usw. Hinzu kommt, dass es keine geistigen Zustände gibt, die physikalischen Gesetzen eklatant widersprechen. Dies wäre vor allem dann der Fall, wenn geistige Zustände überhaupt nicht an neuronale Prozesse gebunden wäre. Das Gegenteil ist aber der Fall: Geistige Zustände hängen aufs Engste mit neuronalen Zuständen zusammen, die wiederum klar physikalisch-chemisch-physiologischen Gesetzen gehorchen.<br>
Wir müssen also auf der einen Seite zugeben, dass Geist ein physikalischer Zustand eigener Art ist, der sich aber in das Gesamtgefüge physikalischer Zustände einfügt und dieses nicht im dualistischen Sinne „transzendiert". Zugleich gibt es ganz offensichtlich zahlreiche Eigengesetzlichkeiten des Geistigen, die durch die bisherige Physik nicht erklärt werden können - aber das ist bei vielen Eigenschaften biologischer Systeme der Fall. So findet die biologische Evolution zweifellos im Rahmen der Physik statt, aber es gibt keine physikalische, sondern nur eine spezielle biologische Theorie der Evolution. Wie die „Physik des Geistes" einmal aussehen wird, ist unklar. Die Tatsache, dass Geist im Gehirn nur bei hohem Energie- und Materiedurchsatz auftritt, stellt ihn in die Nähe komplexer physikalischer und chemischer Systeme, die man „selbstorganisierend" nennt und die sich durch „spontane" Muster- und Ordnungsbildung raumzeitlicher Art auszeichnen. Die Gestaltpsychologie hat viele Merkmale von Wahrnehmungs- und Denkvorgängen beschrieben, die ebenfalls eine große Nähe zu Merkmalen
selbstorganisierender physiko-chemischer Systeme haben.“<br>Gerhard Roth: ''Die Physik des Geistes'' in: Konrad Sandhoff, Wolfgang Donner (Hrsg.): ''Vom Urknall zum Bewusstsein - Selbstorganisation der Materie'', 2007, S. 309</ref> Diese Haltung ist auch nicht weiter verwunderlich, denn in der [[Nerven]]tätigkeit und insbesondere im physischen Bau des [[Gehirn]]s spiegelt sich die [[geist]]ige Tätigkeit des [[Mensch]]en als ein sogar in gewissem Sinn selbsttätiges [[Abbild]] wider, denn „''alles das, was das übersinnliche Seelenorgan vorstellungsgemäß kann, kann das Gehirn auch.''“ {{GZ||314|90}}
{{Zitat|Wir haben herausgefunden, dass im
menschlichen Gehirn neuronale Prozesse
und bewusst erlebte geistig-psychische
Zustände aufs Engste miteinander
zusammenhängen und unbewusste Prozesse
bewussten in bestimmter Weise vorausgehen.
Die Daten, die mit modernen
bildgebenden Verfahren gewonnen
wurden, weisen darauf hin, dass sämtliche
innerpsychischen Prozesse mit neuronalen
Vorgängen in bestimmten Hirnarealen
einhergehen – zum Beispiel Imagination,
Empathie, das Erleben von
Empfindungen und das Treffen von Entscheidungen
beziehungsweise die absichtsvolle
Planung von Handlungen.
Auch wenn wir die genauen Details
noch nicht kennen, können wir davon
ausgehen, dass all diese Prozesse grundsätzlich
durch physikochemische Vorgänge
beschreibbar sind. Diese näher zu
erforschen ist die Aufgabe der Hirnforschung
in den kommenden Jahren und
Jahrzehnten.
Geist und Bewusstsein – wie einzigartig
sie von uns auch empfunden werden
– fügen sich also in das Naturgeschehen
ein und übersteigen es nicht. Und:
Geist und Bewusstsein sind nicht vom
Himmel gefallen, sondern haben sich in
der Evolution der Nervensysteme allmählich
herausgebildet. Das ist vielleicht
die wichtigste Erkenntnis der modernen
Neurowissenschaften.|Das Manifest|''Elf führende Neurowissenschaftler über Gegenwart und Zukunft der Hirnforschung'', in: GEHIRN & GEIST 6/2004, S. 33 [https://www.spektrum.de/pdf/gug-04-06-s030-pdf/834924]}}
Viele Neuro- und [[Kognitionswissenschaftler]] gehen auch grundsätzlich davon aus, dass das [[mensch]]liche [[Gehirn]] im Prinzip wie ein [[Computer]] funktioniert und alle geistige und seelische Tätigkeit letztlich auf Verrechnungsprozessen beruht - eine These, die allerdings von Wissenschaftlern wie [[Wikipedia:John Searle|John Searle]] (* 1932) oder [[Wikipedia:Roger Penrose|Roger Penrose]] (* 1931) energisch bestritten wird.
Der Mensch wird vielfach geradezu als gehirngesteuerter [[Automat]] angesehen, dem der [[Freier Wille|freie Wille]] abgesprochen und das [[Ich]] und die [[Seele]] zu wesenlosen [[Illusionen]] erklärt werden. So behauptet etwa der [[Neurophysiologe]] [[Wikipedia:Wolf Singer|Wolf Singer]] ganz dezidiert: „''Verschaltungen legen uns fest: Wir sollten aufhören, von Freiheit zu sprechen''“<ref>Wolf Singer in:  Christian Geyer (Hrsg.): ''Hirnforschung und Willensfreiheit'', 2004, S. 30ff.</ref> und fordert entsprechende [[Ethik|ethische]] und [[Rechtsleben|juristische]] Konsequenzen bezüglich der [[Schuld]]fähigkeit des Menschen. [[Thomas Metzinger]], der in die gleiche Richtung denkt, warnt zugleich aber auch vor den nachweislichen Folgen einer solchen Anschauung:
{{LZ|Was viele
Geisteswissenschaftler häufig noch nicht wissen, ist, dass es mittlerweile erste
empirische Studien gibt, die tatsächlich zeigen wie ein verringerter Glaube an
die eigene Willensfreiheit bei Versuchspersonen nachweislich zu einer
Abschwächung von Hilfsbereitschaft, zu einer Erhöhung der Bereitschaft zum
Betrügen, zu geringerer Selbstkontrolle, einer schwächeren Reaktion auf
eigene Fehler und zu einer Verstärkung von Aggressivität führt. Objektive
Veränderungen können experimentell sogar bis in die neuronalen Korrelate
der unbewussten Vorstufen von Willkürhandlungen nachgewiesen werden.|Metzinger, S. 186}}
Gemeinsam mit dem [[England|englischen]] [[Philosoph]]en [[Peter Hacker]] hat der [[Australien|australische]] Neurowissenschaftler und [[Physiologe]] [[Maxwell Bennett]] wesentlich zur begrifflichen Klärung der Grundlagen der Neurowissenschaften beigetragen. Beide Forscher wenden sich entschieden gegen die eben genannte Missdeutung, dass der [[Geist]] des [[Mensch]]en bzw. seine [[Individualität]] ''identisch'' mit seinem [[Gehirn]] sei. Dies sei ein „[[mereologischer Fehlschluss]]“, d.h. ein falscher [[Schluss]] von den [[Teil]]en auf das [[Ganzheit|Ganze]]. Hacker schließt unmittelbar an Wittgenstein an, der gemeint hatte „''man könne nur vom lebenden Menschen, und was ihm ähnlich ist, (sich ähnlich benimmt) sagen, es habe Empfindungen; es sähe; sei blind; höre; sei taub; sei bei Bewußtsein, oder bewußtlos.''“<ref>Ludwig Wittgenstein: ''Philosophische Untersuchungen'' (1953), § 281, in: Ludwig Wittgenstein: ''Werkausgabe'', Band 1, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1999, ISBN 978-3-518-28101-7, S.231-485</ref> Es ist der Mensch als Ganzes, als [[psychophysisch]]e Einheit (aus [[Anthroposophie|anthroposophischer]] Sicht die Einheit von [[Leib]], [[Seele]] und [[Geist]]), der wahrnimmt, denkt, fühlt, will usw.
{{Zitat|Der Geist ist jedoch, wie wir geltend machen, weder
eine vom Gehirn verschiedene noch eine mit dem Gehirn
identische Substanz. Außerdem zeigen wir, daß es ungereimt
ist, dem Gehirn psychologische Eigenschaften zuzuschreiben.
Wir Menschen verfügen über eine Vielzahl psychischer Fähigkeiten,
die im Leben zum Einsatz gebracht werden, wenn wir
wahrnehmen, denken und Überlegungen anstellen, Emotionen
empfinden, Dinge haben wollen, Pläne schmieden und Entscheidungen
treffen. Daß wir diese Fähigkeiten haben, definiert
uns als die Lebewesen, die wir tatsächlich sind. Die Bedingungen
und Begleitumstände des Vorhandenseins und der
Ausübung dieser Vermögen kann man erforschen. Das ist die
Aufgabe der Neurowissenschaft, die immer mehr darüber herausfindet.
Doch ihre Entdeckungen ändern gar nichts an der begrifflichen Wahrheit, daß diese Fähigkeiten und deren Ausübung
in der Wahrnehmung wie im Denken und Fühlen ''Eigenschaften von Menschen sind'', nicht Eigenschaften ihrer Teile,
insbesondere ''nicht des Gehirns''. Der Mensch ist nicht ein in
den Schädel eines Körpers eingebettetes Gehirn, sondern eine
psychophysische Einheit, ein Lebewesen, das wahrnehmen,
absichtlich handeln, Überlegungen anstellen und Emotionen
empfinden kann, ein die Sprache gebrauchendes Lebewesen,
das nicht nur Bewußtsein, sondern auch Selbstbewußtsein hat...
Es hat nämlich keinen Sinn, solche psychologischen
Attribute irgendeiner kleineren Einheit zuzuschreiben als dem
Lebewesen als Ganzem. Es sind nicht Teile des Gehirns, die
wahrnehmen, sondern das Lebewesen nimmt wahr; es ist nicht
das Gehirn, das denkt und Überlegungen anstelle, sondern der
Mensch. Das Gehirn und seine Tätigkeiten ''ermöglichen es uns'' -
nicht ''ihm'' -, wahrzunehmen und zu denken, Emotionen zu
empfinden sowie Projekte zu ersinnen und in die Tat umzusetzen.|M. Bennett, P. Hacker|''Neurowissenschaft und Philosophie'', S. 19ff.}}
Warum die Missdeutung, den Geist mit dem Gehirn und dessen Funktionen gleichzusetzen, sehr naheliegend ist, hat [[Rudolf Steiner]] wie folgt begründet:
{{GZ|Ich war einmal in einer
Versammlung — es ist schon viele Jahre her —, da sprach zuerst
ein Arzt über den Gehirnbau, setzte den Gehirnbau auseinander im
Zusammenhang mit dem Seelenleben des Menschen, nach einer Anschauung,
die man ganz mit Recht materialistisch nennen kann. Es
war ein ganz waschechter Materialist, der da den Gehirnbau ganz gut
auseinandersetzte, soweit er heute durchforscht ist, und der also das
Seelenleben im Zusammenhang mit diesem Gehirnbau erklärte. Der
Vorsitzende dieser Versammlung war ein Herbartianer, und der konstruierte
sich nun nicht den Gehirnbau, aber dasjenige, was das Vorstellungsleben
ist, so wie es der Philosoph Herhart einmal gemacht
hat. Der sagte dann: Ja, es ist doch merkwürdig, der Physiologe, der
Arzt, der zeichnet das Gehirn auf und macht da Figuren; wenn ich
als Herbartianer, sagte er, die komplizierten Vorstellungsassoziationen
aufzeichne, wobei ich bloß ein Bild meine von dem, was sich als
Vorstellungen vergesellschaftet, nicht etwa Nervenfäden, die eine
Nervenzelle mit der anderen verbinden, wenn ich als richtiger
Herbartianer, der sich nicht um das Gehirn kümmert, dasjenige, was
ich mir vorstelle über die Art, wie sich Vorstellungen verketten und
so weiter, nur ganz symbolisch zeichne, so sieht das ganz ähnlich aus
wie die Zeichnungen des Physiologen über den physischen Gehirnbau.
Das ist nicht ohne Grund, daß das ähnlich ausschaut. Indem wir
immer mehr und mehr auf den Bau des Gehirnes naturwissenschaftlich
gekommen sind, hat sich nämlich immer mehr und mehr gezeigt,
daß eigentlich der äußere Bau des Gehirnes in einer ganz wunderbaren
Weise dem Bau unseres Vorstellungslebens entspricht. Man
kann alles, was man im Vorstellungsleben findet, im Gehirnbau
wiederfinden. Es ist einfach — bitte nehmen Sie das cum grano
salis —, wie wenn die Natur selber im Gehirn ein plastisches Abbild
unseres Vorstellungslebens hätte schaffen wollen. So etwas fällt
einem ganz besonders auf, wenn man, sagen wir, solche Darstellungen
wie die von Meynert liest. Jetzt sind sie schon etwas veraltet.
Meynert ist Materialist gewesen, aber ausgezeichneter Gehirnphysiologe,
Psychiater, und man möchte sagen: Ja, der ist Materialist,
aber dasjenige, was er einem als Materialist gibt, das ist eine
wunderbare Abschlagszahlung für dasjenige, was man auch herauskriegt,
auch wenn man sich gar nicht kümmert um das menschliche
Gehirn, sondern bloß darum, wie sich Vorstellungen verknüpfen und
trennen und so weiter und bloß diese Symbole hinzeichnen will. —
Kurz, es ist so, daß man, wenn man durch irgend etwas Materialist
werden könnte, man es durch den Bau des menschlichen Gehirnes
ganz besonders werden könnte. Jedenfalls muß man sagen, wenn es
ein Geistig-Seelisches gibt, so hat dieses Geistig-Seelische im menschlichen
Gehirn einen so adäquaten Ausdruck gefunden, daß man nun
gar nicht weit von der Behauptung ist: Ja, was braucht man noch
ein Geistig-Seelisches für das Vorstellungsleben? Wenn man noch eine
Seele verlangen würde, die noch denken kann! Da das Gehirn eine so
genaue Abbildung ist des Geistig-Seelischen, warum soll das Gehirn
nicht denken können? -
Alle diese Dinge müssen Sie natürlich mit dem bekannten Gran
Salz verstehen. Ich will nur auf den Sinn der ganzen Auseinandersetzung
heute hinweisen. Das menschliche Gehirn kann einen schon,
besonders wenn man in die Detailforschung eingeht, zum Materialisten
machen. Und was da so eigentlich für ein Geheimnis obwaltet,
was da eigentlich zugrunde liegt, das wird einem doch erst klar,
wenn man zur imaginativen Erkenntnis kommt. In der imaginativen
Erkenntnis nämlich zeigen sich einem Bilder, Bilder für nur wirklich
Geistiges, Bilder, die man früher nicht gesehen hat. Aber man möchte
sagen, diese Bilder erinnern einen an die durch die Nervenzellen
und Nervenfäden geformten Bilder im menschlichen Gehirn. Und ich
möchte sagen, wenn ich Ihnen eine Erklärung geben sollte für die
Frage: Was ist eigentlich dieses imaginative Erkennen, das natürlich
ganz im Übersinnlichen verläuft, was ist es? Wenn ich Ihnen gleichsam
versinnbildlichen sollte die imaginative Erkenntnis, wie der
Mathematiker es mit seinen Figuren macht, indem er mathematische
Probleme aufzeichnet, dann könnte ich auch sagen: Man stelle sich
vor, daß man in der Welt mehr erkennt, als was die Sinneserkenntnis
gibt, dadurch, daß man aufsteigen kann zu Bildern, die eine Realität
so geben, wie das menschliche Gehirn die menschliche Seelenrealität
gibt. Die Natur selber stellt das hin als eine reale, als eine sinnlichreale
Imagination im Gehirn, was man eigentlich in der imaginativen
Erkenntnis auf einem höheren Gebiete erlangt.
Aber dadurch kommt man tiefer jetzt hinein in die menschliche
Konstitution. Wir werden das in den nächsten Tagen sehen: Man
kommt immer zu einer Möglichkeit, diesen Wunderbau des menschlichen
Gehirns nicht isoliert für sich zu sehen, sondern ich möchte
sagen: Während man eine Welt, eine übersinnliche Welt oben durch
Imagination sieht, ist es so, wie wenn ein Teil dieser Welt sich
herunterrealisiert hätte und im menschlichen Gehirn eine realisierte
imaginative Welt vor uns dastehen würde. Und in der Tat, ich glaube
nicht, daß irgend jemand adäquat über das menschliche Gehirn
sprechen kann, der nicht in dem menschlichen Gehirnbau eine imaginative
Darstellung des Seelenlebens sieht. Das ist auch dasjenige, was
uns immer wiederum in eine Zwickmühle führt, wenn wir von der
bloßen Gehirnphysiologie ausgehen und zum Seelenleben hinüberkommen
wollen. Nämlich, wenn man beim Gehirn stehenbleiben
will, braucht man gar nicht das Seelenleben. Nur derjenige hat ein
Recht, gegenüber dem Bau des menschlichen Gehirnes noch von einem
Seelenleben zu sprechen, der dieses Seelenleben außerdem noch anders
kennt, als man es kennt auf dem gewöhnlichen Wege dieser Welt.
Denn wenn man in der geistigen Welt dieses Seelenleben kennenlernt:
im Bau des menschlichen Gehirnes hat es sein adäquates Abbild, und
alles das, was das übersinnliche Seelenorgan vorstellungsgemäß kann,
kann das Gehirn auch. Denn bis in die Funktionen hinein ist das
Gehirn ein Abbild; so daß niemand Materialismus belegen oder
widerlegen kann von der Gehirnphysiologie aus. Das gibt es einfach
nicht. Wenn der Mensch bloß Gehirnwesen wäre, so würde man gar
nicht daraufzukommen brauchen, daß er noch eine Seele hat.|314|88ff}}
== Siehe auch ==
* [[Gehirn]]
* {{WikipediaDE|Neurowissenschaften}}
* {{WikipediaDE|Geschichte der Hirnforschung}}
* {{WikipediaDE|Kraniotomie}}
* {{WikipediaDE|Trepanation}}
== Literatur ==
* ''Das Manifest - Elf führende Neurowissenschaftler über Gegenwart und Zukunft der Hirnforschung'' in: ''[[Wikipedia:Gehirn&Geist|Gehirn & Geist]]'' 2004/6, S. 30ff. [https://www.spektrum.de/pdf/gug-04-06-s030-pdf/834924 spektrum.de (pdf)]
* Jean Pierre Changeux: ''Der neuronale Mensch. Wie die Seele funktioniert - die Entdeckungen der neuen Gehirnforschung'', Rowohlt-Verlag 1984, ISBN 978-3498008659
* [[Wikipedia:Francis Crick|Francis Crick]]: ''Was die Seele wirklich ist. Die naturwissenschaftliche Erforschung des Bewußtseins'', Rowohlt Taschenbuch Verlag 1997, ISBN 978-3499602573
* [[Patricia Churchland]]: ''Neurophilosophy: Toward a Unified Science of the Mind-Brain (Computational Models of Cognition and Perception)'', Neurophilosophy 1989, ISBN 978-0262530859
* [[Paul Churchland]]: ''Die Seelenmaschine: Eine philosophische Reise ins Gehirn'', Spektrum Verlag 2001, ISBN 978-3827410207
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*  [[Maxwell Bennett]], [[Daniel C. Dennett]], [[Peter Hacker]], John R. Searle: ''Neurowissenschaft und Philosophie: Gehirn, Geist und Sprache'', Suhrkamp Verlag 2010, ISBN 978-3518585429
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*[[Thomas Metzinger]]: ''Der Ego-Tunnel: Eine neue Philosophie des Selbst: Von der Hirnforschung zur Bewusstseinsethik'', Piper Taschenbuch 2014, ISBN 978-3492305334, eBook ASIN B00GZL6ZT8
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* Frank Rösler: ''Psychophysiologie der Kognition: Eine Einführung in die Kognitive Neurowissenschaft'', Springer-Verlag 2012, ISBN 978-3827425997
* Markus F. Peschl (Hrsg.), Alexander Batthyany (Hrsg.): ''Geist als Ursache?: Mentale Verursachung im interdisziplinären Diskurs (Geist & Seele, Band 2)'', Verlag Königshausen u. Neumann 2008, ISBN 978-3826038068
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* Alexander Batthyány: ''Gehirn und Handlung: Anmerkungen zum Bereitschaftspotential (Beiträge zur Philosophie. Neue Folge)'', Universitätsverlag Winter GmbH, Heidelberg 2016, ISBN 978-3825366179
*[[Peter Heusser]]: ''Anthroposophie und Wissenschaft: Eine Einführung. Erkenntniswissenschaft, Physik, Chemie, Genetik, Biologie, Neurobiologie, Psychologie, Philosophie des Geistes, Anthropologie, Anthroposophie, Medizin'', Verlag am Goetheanum, Dornach 2016, ISBN 978-3723515686
*Rudolf Steiner: ''Physiologisch-Therapeutisches auf Grundlage der Geisteswissenschaft. Zur Therapie und Hygiene'', [[GA 314]] (1989), ISBN 3-7274-3141-5 {{Vorträge|314}}
{{GA}}
== Weblinks ==
* [http://www.kamp-erfurt.de/level9_cms/download_user/Gesellschaft/Anima%20forma%20corporis.pdf Tobias Kläden: ''ANIMA FORMA CORPORIS. ZUR AKTUALITÄT DER NICHTDUALISTISCHEN SICHT DES MENSCHEN BEI THOMAS VON AQUIN''], siehe auch [https://de.scribd.com/document/297325037/Anima-Forma-Corporis]
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


==Siehe auch==
{{Normdaten|TYP=s|GND=7555119-6}}
[[Apokalypse]]


==Literatur==
[[Kategorie:Wissenschaft]]
*Rudolf Steiner, ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', [[GA 96]] (1989), S 313 ff.
[[Kategorie:Realwissenschaft nach Fachgebiet]]
*Michael Kalisch: ''Das Böse. Polarität und Steigerung'', Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 1998, S. 175ff und S. 215ff
[[Kategorie:Realwissenschaftliches Fachgebiet]]
*''Chiffren des 20. Jahrhunderts. Im Angesicht des Bösen'', herausgegeben von Thomas Göbel und Heinz Zimmermann, Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 2000
[[Kategorie:Naturwissenschaft nach Fachgebiet]]
*Bernard Lievegoed: ''Über die Rettung der Seele'', Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 1994
[[Kategorie:Naturwissenschaftliches Fachgebiet]]
*Bernard Lievegoed: ''Das Gute tun. Ankommen im 21. Jahrhundert'', Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 2012
[[Kategorie:Biowissenschaft nach Fachgebiet]]
* Erhard Fucke: ''Im Spannungsfeld des Bösen'', Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 2002, S. 210ff
[[Kategorie:Biowissenschaftliches Fachgebiet]]
* Jelle van der Meulen: ''Der Aufruf Bernard Lievegoeds''. Auf der Suche nach den Wurzeln der Anthroposophie und ihrer Zukunft. [[Jelle van der Meulen]] über [[Bernard Lievegoed]], aus dem Niederländischen von [[Wolfgang Garvelmann]], Santorini Mai 1994 (Manuskriptdruck)
[[Kategorie:Interdisziplinäre Wissenschaft]]
* Flensburger Hefte Nr. 26: ''Michael - Januskopf Bundesrepublik'', Flensburger Hefte Vlg., Flensburg 1989, S. 76
[[Kategorie:Neurowissenschaften|!]]
* Peter Tradowky: ''Christ und Antichrist'', Vlg. am Goetheanum, Dornach 1996, S. 76 ff.


==Weblinks==
{{Wikipedia}}
* [http://www.hermannkeimeyer.de/index.php?option=com_content&task=view&id=716&Itemid=44 Hermann Keimeyer: Dreifaltigkeiten in unserem Universum...]

Version vom 15. Juni 2018, 13:48 Uhr

Sagittalschnitt durch das menschliche Gehirn
(Johannes Sobotta: Atlas der descriptiven Anatomie des Menschen, Band III, J.F. Lehmanns, München 1919, S. 606 [3])

Als Neurowissenschaften (seltener auch im Singular: Neurowissenschaft) werden die naturwissenschaftlichen Forschungsbereiche bezeichnet, in denen Aufbau und Funktionsweise von Nervensystemen untersucht werden. Aufgrund der vielfältigen verwendeten Methoden wird neurowissenschaftliche Forschung von Wissenschaftlern aus vielen verschiedenen Disziplinen wie etwa Physiologie, Psychologie, Medizin, Informatik, Robotik oder Mathematik betrieben.[1]

Forschungsrichtungen, die hauptsächlich den Aufbau und die Leistungen des Gehirns von Menschen und Menschenaffen (Primaten) untersuchen, werden umgangssprachlich oftmals unter der Bezeichnung Hirn- oder Gehirnforschung zusammengefasst.

Geschichte der Hirnforschung

Schädel einer etwa 50-jährigen Frau mit Trepanationsöffnung (ca. 3500 v. Chr).
Auszug aus dem Papyrus Edwin Smith (ca. 1500 v. Chr.
Anatomischen Zeichnung des Gehirns aus Vesalius’ Anatomiebuch; die Hirnhäute sind abpräpariert, sodass man die gefurchte Hirnoberfläche sieht.
Die an der Hirnbasis verlaufenden Hirnnerven nach einer Zeichnung von Vesalius (1543)
Die Versuchsanordnung von Luigi Galvani, mit der er an Froschschenkeln die elektrische Erregbarkeit von Muskeln zeigte.
Histologische Darstellung der Großhirnrinde mit ihren Schichten (links Zellfärbung, rechts Darstellung der Fasern).
Anhand der Unterschiede in der Dicke und Dichte der Schichten konnte Korbinian Brodmann den Cortex in 52 verschiedene Areale einteilen.
Brodmann-Areale, nach der Zeichnung von K. Brodmann (1907)
Zeichnung der neuronalen Vernetzung im auditiven Cortex (Santiago Ramón y Cajal, 1898)

Urgeschichte

Die Schädelöffnung (Kraniotomie; auch Schädeltrepanation, von lat. trepanatio, aus griech. τρύπανον trypanon „Bohrer“) ist schon durch Funde in Marokko belegt, die auf etwa 12.000 bis 11.000 v. Chr. datiert werden[2] Ab etwa 10.000 v. Chr. ist sie auch im europäischen Mesolithikum nachgewiesen[3]. Ähnliche Schädelöffnungen gab es in Lateinamerika. 1867 konnte Paul Broca (1824–1880) an einem peruanischen Schädel erstmals zeigen, dass der Patient die Operation längere Zeit überlebt haben musste[4].

Altertum

Auch Funde aus dem frühen Ägypten belegen, dass schon vor 5000 Jahren operative Eingriffe in das Zentralnervensystem gemacht wurden. Etwa 70 Prozent der Schädel, bei denen Hinweise auf derartige Eingriffe vorhanden sind, lassen durch Gewebsneubildungen vermuten, dass die Patienten den Eingriff um Monate oder Jahre überlebt haben. Das etwa 1500 v. Chr. verfasste Papyrus Edwin Smith, das vermutlich auf älteren Quellen beruht, die bis 3000 v. Chr. zurückreichen, belegt das auffallend systematische Wissen der alten Ägypter über die Anatomie des Gehirns.

Antike

Um 500 v. Chr. soll Alkmaion von Kroton als Erster die Sehnerven und andere sensorische Nerven entdeckt haben. Alkmaion entwickelte die Vorstellung, dass Nerven hohl seien und ein Medium (kenon) umhüllten, das den Sinneseindruck zum Gehirn leitet[5]. Hippokrates von Kos (ca. 460–370 v. Chr.) erkannte, dass das Gehirn als Sitz der Empfindung und Intelligenz fungiert. Aristoteles (384–322 v. Chr.) ging im Gegensatz dazu davon aus, dass die Empfindungen und der Verstand ihren Sitz im Herzen haben; das Gehirn sei nur ein Kühlorgan für das Blut. Die Seele (griech. ψυχή, psychḗ) sei eine eigenständige Substanz, die dem lebendigen Körper ihre Form gebe[6]. Diese Lehre wurde später von Thomas von Aquin (um 1225-1274) im christlichen Sinn weiter ausgeführt (anima unica forma corporis[7][8]).

Herophilos von Chalkedon (um 325–255 v. Chr.) führte erste Autopsien durch und beschrieb korrekt die grobe Anatomie des Gehirns. Den Sitz der Seelenkräfte und der menschlichen Intelligenz sah er aber nicht im Hirngewebe, sondern in den von ihm erstmals entdeckten drei flüssigkeitsgefüllten Hirnventrikeln[9]. Erasistratos (um 305–250 v. Chr.) unterschied bereits motorische und sensorische Nerven und zählte wegen der Aufteilung des ersten Ventrikels in einen rechten und linken Ventrikel vier Hirnventrikel. Die Seele lokalisierte er in den Hirnwindungen bzw. Hirnhäuten[10]

Um 129–216 n. Chr. wurden die Funktionen einzelner Nervenbahnen durch Galen und erstmals auch das sympathische Nervensystem beschrieben, dessen eigentliche Funktion er aber nicht erfasste. Herophilus folgend nahm er an, dass sich in den Hirnventrikeln eine Substanz befinde, das pneuma psychikon (lat. spiritus animalis), welche durch die als hohl angenommenen Nerven einerseits Sinneswahrnehmungen zum Gehirn transportiere, andererseits aber auch die Muskeln in Tätigkeit setze.

Mittelalter

Die Kenntnisse der westeuropäischen Hirnforschung fielen im Mittelalter hinter das Niveau der Antike zurück. Die Forschung im europäischen Raum beschäftigte sich primär mit der klösterlichen Heilkräuterkunde. Einzig Albertus Magnus (um 1200-1280) baute um 1250 die Ventrikellehre weiter aus und stellte sich vor, dass der spiritus animalis ähnlich einem römischen Brunnen von einem Ventrikel in den nächsten fließe und so den Prozess von der Wahrnehmung über das Denken zur Erinnerung führe.

Im byzantinischen und arabischen Kulturraum wurde die medizinische Forschung währenddessen fortgesetzt, weshalb namentlich die arabische Medizin bis in die Renaissance hinein die Erkenntnisse der Hirnforschung dominierte. So untersuchte um 900 Rhazes (Abu Bakr Mohammad Ibn Zakariya al-Razi; um 865-925) das Gehirn anatomisch genauer und beschrieb sieben der zwölf Hirnnerven und 31 der aus dem Rückenmark entspringenden Spinalnerven in seinem Werk Kitab al-Hawi Fi Al Tibb (arab. Geheimnis der Geheimnisse).[11][12]

Neuzeit

Erst in der Renaissance wurden im europäischen Raum wieder Obduktionen durchgeführt. Leonardo da Vinci (1452–1519) leistete dabei bedeutende Beiträge zu einer realistischeren zeichnerischen Darstellung anatomischer Strukturen. Andreas Vesalius (1514-1564) gilt mit seinem umfassenden Werk „Sieben Bücher über den Aufbau des menschlichen Körpers[13] als der eigentliche Begründer der neuzeitlichen Anatomie und führte auch öffentliche Leichensektionen durch.

Der Italiener Giovanni Alfonso Borelli (1608–1679) stellte erstmals die Existenz eines gasförmigen spiritus animalis in Frage. Er vermutete stattdessen die Existenz einer Flüssigkeit, des succus nerveus, die durch die hohlen Nerven in die Extremitäten gepresst werden und so nach pneumatischen Prinzipien die Handlungen hervorrufen solle.

Dass elektrische Impulse über Nerven strömen, wurde im 18. Jahrhundert erstmals beschrieben. Eine zweite wichtige Erkenntnis des 18. Jahrhunderts war, dass die Großhirnrinde funktionell gegliedert ist.

19. Jahrhundert

Ab dem 19. Jahrhundert schritt die Erforschung der Hirnanatomie schnell voran. Mit der von Camillo Golgi (1843-1926) entwickelten histologischen Färbetechnik mittels Silbernitrat erzielte der spanische Histologen Santiago Ramón y Cajal (1852-1934) große Fortschritte in der Aufklärung der Feinstruktur des Zentralnervensystems und postulierte 1887, dass das Nervensystem aus Milliarden von Neuronen bestehe, die über spezielle Verbindungen miteinander kommunizieren, für die 1897 Charles Scott Sherrington (1857-1952) den Begriff „Synapse“ prägte. Golgi war hingegen davon überzeugt, dass die Nervenzellen durchgängig miteinander verbunden seien, wodurch es zu einem heftigen Gelehrtenstreit zwischen Golgi und Cajal kam. Dennoch wurde 1906 beiden gemeinsam der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin verliehen.

20. Jahrhundert

An der Anfang des 20. Jahrhunderts von Oskar Vogt (1870-1959) in Berlin begründeten „Neurologischen Zentralstation“, aus der 1914 das Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung hervorging[14], gelang es 1907 dem deutschen Anatomen Korbinian Brodmann (1868–1918) die Großhirnrinde nach histologisch-topographischen Kriterien in zunächst 52 Felder einzuteilen, denen später großteils auch konkrete Funktionen zugeordnet werden konnten. Diese sog. Brodmann-Areale werden heute noch verwendet, doch erwies sich eine allzu starre Funktionszuteilung als problematisch.

21. Jahrhundert

Im noch jungen 21. Jahrhundert entwickelt sich die Neurowissenschaft primär methodologisch weiter.

Neurowissenschaften und Materialismus

In den Neurowissenschaften ist ein starker Hang zum Naturalismus, Materialismus, Determinismus, Reduktionismus und Physikalismus zu bemerken. So meint etwa Gerhard Roth: „Wir müssen also davon ausgehen, dass Geist ein physikalischer Zustand eigener Art mit vielen speziellen Gesetzen ist.[15] Diese Haltung ist auch nicht weiter verwunderlich, denn in der Nerventätigkeit und insbesondere im physischen Bau des Gehirns spiegelt sich die geistige Tätigkeit des Menschen als ein sogar in gewissem Sinn selbsttätiges Abbild wider, denn „alles das, was das übersinnliche Seelenorgan vorstellungsgemäß kann, kann das Gehirn auch.“ (Lit.:GA 314, S. 90)

„Wir haben herausgefunden, dass im menschlichen Gehirn neuronale Prozesse und bewusst erlebte geistig-psychische Zustände aufs Engste miteinander zusammenhängen und unbewusste Prozesse bewussten in bestimmter Weise vorausgehen. Die Daten, die mit modernen bildgebenden Verfahren gewonnen wurden, weisen darauf hin, dass sämtliche innerpsychischen Prozesse mit neuronalen Vorgängen in bestimmten Hirnarealen einhergehen – zum Beispiel Imagination, Empathie, das Erleben von Empfindungen und das Treffen von Entscheidungen beziehungsweise die absichtsvolle Planung von Handlungen. Auch wenn wir die genauen Details noch nicht kennen, können wir davon ausgehen, dass all diese Prozesse grundsätzlich durch physikochemische Vorgänge beschreibbar sind. Diese näher zu erforschen ist die Aufgabe der Hirnforschung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten.

Geist und Bewusstsein – wie einzigartig sie von uns auch empfunden werden – fügen sich also in das Naturgeschehen ein und übersteigen es nicht. Und: Geist und Bewusstsein sind nicht vom Himmel gefallen, sondern haben sich in der Evolution der Nervensysteme allmählich herausgebildet. Das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis der modernen Neurowissenschaften.“

Das Manifest: Elf führende Neurowissenschaftler über Gegenwart und Zukunft der Hirnforschung, in: GEHIRN & GEIST 6/2004, S. 33 [4]

Viele Neuro- und Kognitionswissenschaftler gehen auch grundsätzlich davon aus, dass das menschliche Gehirn im Prinzip wie ein Computer funktioniert und alle geistige und seelische Tätigkeit letztlich auf Verrechnungsprozessen beruht - eine These, die allerdings von Wissenschaftlern wie John Searle (* 1932) oder Roger Penrose (* 1931) energisch bestritten wird.

Der Mensch wird vielfach geradezu als gehirngesteuerter Automat angesehen, dem der freie Wille abgesprochen und das Ich und die Seele zu wesenlosen Illusionen erklärt werden. So behauptet etwa der Neurophysiologe Wolf Singer ganz dezidiert: „Verschaltungen legen uns fest: Wir sollten aufhören, von Freiheit zu sprechen[16] und fordert entsprechende ethische und juristische Konsequenzen bezüglich der Schuldfähigkeit des Menschen. Thomas Metzinger, der in die gleiche Richtung denkt, warnt zugleich aber auch vor den nachweislichen Folgen einer solchen Anschauung:

„Was viele Geisteswissenschaftler häufig noch nicht wissen, ist, dass es mittlerweile erste empirische Studien gibt, die tatsächlich zeigen wie ein verringerter Glaube an die eigene Willensfreiheit bei Versuchspersonen nachweislich zu einer Abschwächung von Hilfsbereitschaft, zu einer Erhöhung der Bereitschaft zum Betrügen, zu geringerer Selbstkontrolle, einer schwächeren Reaktion auf eigene Fehler und zu einer Verstärkung von Aggressivität führt. Objektive Veränderungen können experimentell sogar bis in die neuronalen Korrelate der unbewussten Vorstufen von Willkürhandlungen nachgewiesen werden.“ (Lit.: Metzinger, S. 186)

Gemeinsam mit dem englischen Philosophen Peter Hacker hat der australische Neurowissenschaftler und Physiologe Maxwell Bennett wesentlich zur begrifflichen Klärung der Grundlagen der Neurowissenschaften beigetragen. Beide Forscher wenden sich entschieden gegen die eben genannte Missdeutung, dass der Geist des Menschen bzw. seine Individualität identisch mit seinem Gehirn sei. Dies sei ein „mereologischer Fehlschluss“, d.h. ein falscher Schluss von den Teilen auf das Ganze. Hacker schließt unmittelbar an Wittgenstein an, der gemeint hatte „man könne nur vom lebenden Menschen, und was ihm ähnlich ist, (sich ähnlich benimmt) sagen, es habe Empfindungen; es sähe; sei blind; höre; sei taub; sei bei Bewußtsein, oder bewußtlos.[17] Es ist der Mensch als Ganzes, als psychophysische Einheit (aus anthroposophischer Sicht die Einheit von Leib, Seele und Geist), der wahrnimmt, denkt, fühlt, will usw.

„Der Geist ist jedoch, wie wir geltend machen, weder eine vom Gehirn verschiedene noch eine mit dem Gehirn identische Substanz. Außerdem zeigen wir, daß es ungereimt ist, dem Gehirn psychologische Eigenschaften zuzuschreiben. Wir Menschen verfügen über eine Vielzahl psychischer Fähigkeiten, die im Leben zum Einsatz gebracht werden, wenn wir wahrnehmen, denken und Überlegungen anstellen, Emotionen empfinden, Dinge haben wollen, Pläne schmieden und Entscheidungen treffen. Daß wir diese Fähigkeiten haben, definiert uns als die Lebewesen, die wir tatsächlich sind. Die Bedingungen und Begleitumstände des Vorhandenseins und der Ausübung dieser Vermögen kann man erforschen. Das ist die Aufgabe der Neurowissenschaft, die immer mehr darüber herausfindet. Doch ihre Entdeckungen ändern gar nichts an der begrifflichen Wahrheit, daß diese Fähigkeiten und deren Ausübung in der Wahrnehmung wie im Denken und Fühlen Eigenschaften von Menschen sind, nicht Eigenschaften ihrer Teile, insbesondere nicht des Gehirns. Der Mensch ist nicht ein in den Schädel eines Körpers eingebettetes Gehirn, sondern eine psychophysische Einheit, ein Lebewesen, das wahrnehmen, absichtlich handeln, Überlegungen anstellen und Emotionen empfinden kann, ein die Sprache gebrauchendes Lebewesen, das nicht nur Bewußtsein, sondern auch Selbstbewußtsein hat...

Es hat nämlich keinen Sinn, solche psychologischen Attribute irgendeiner kleineren Einheit zuzuschreiben als dem Lebewesen als Ganzem. Es sind nicht Teile des Gehirns, die wahrnehmen, sondern das Lebewesen nimmt wahr; es ist nicht das Gehirn, das denkt und Überlegungen anstelle, sondern der Mensch. Das Gehirn und seine Tätigkeiten ermöglichen es uns - nicht ihm -, wahrzunehmen und zu denken, Emotionen zu empfinden sowie Projekte zu ersinnen und in die Tat umzusetzen.“

M. Bennett, P. Hacker: Neurowissenschaft und Philosophie, S. 19ff.

Warum die Missdeutung, den Geist mit dem Gehirn und dessen Funktionen gleichzusetzen, sehr naheliegend ist, hat Rudolf Steiner wie folgt begründet:

„Ich war einmal in einer Versammlung — es ist schon viele Jahre her —, da sprach zuerst ein Arzt über den Gehirnbau, setzte den Gehirnbau auseinander im Zusammenhang mit dem Seelenleben des Menschen, nach einer Anschauung, die man ganz mit Recht materialistisch nennen kann. Es war ein ganz waschechter Materialist, der da den Gehirnbau ganz gut auseinandersetzte, soweit er heute durchforscht ist, und der also das Seelenleben im Zusammenhang mit diesem Gehirnbau erklärte. Der Vorsitzende dieser Versammlung war ein Herbartianer, und der konstruierte sich nun nicht den Gehirnbau, aber dasjenige, was das Vorstellungsleben ist, so wie es der Philosoph Herhart einmal gemacht hat. Der sagte dann: Ja, es ist doch merkwürdig, der Physiologe, der Arzt, der zeichnet das Gehirn auf und macht da Figuren; wenn ich als Herbartianer, sagte er, die komplizierten Vorstellungsassoziationen aufzeichne, wobei ich bloß ein Bild meine von dem, was sich als Vorstellungen vergesellschaftet, nicht etwa Nervenfäden, die eine Nervenzelle mit der anderen verbinden, wenn ich als richtiger Herbartianer, der sich nicht um das Gehirn kümmert, dasjenige, was ich mir vorstelle über die Art, wie sich Vorstellungen verketten und so weiter, nur ganz symbolisch zeichne, so sieht das ganz ähnlich aus wie die Zeichnungen des Physiologen über den physischen Gehirnbau.

Das ist nicht ohne Grund, daß das ähnlich ausschaut. Indem wir immer mehr und mehr auf den Bau des Gehirnes naturwissenschaftlich gekommen sind, hat sich nämlich immer mehr und mehr gezeigt, daß eigentlich der äußere Bau des Gehirnes in einer ganz wunderbaren Weise dem Bau unseres Vorstellungslebens entspricht. Man kann alles, was man im Vorstellungsleben findet, im Gehirnbau wiederfinden. Es ist einfach — bitte nehmen Sie das cum grano salis —, wie wenn die Natur selber im Gehirn ein plastisches Abbild unseres Vorstellungslebens hätte schaffen wollen. So etwas fällt einem ganz besonders auf, wenn man, sagen wir, solche Darstellungen wie die von Meynert liest. Jetzt sind sie schon etwas veraltet. Meynert ist Materialist gewesen, aber ausgezeichneter Gehirnphysiologe, Psychiater, und man möchte sagen: Ja, der ist Materialist, aber dasjenige, was er einem als Materialist gibt, das ist eine wunderbare Abschlagszahlung für dasjenige, was man auch herauskriegt, auch wenn man sich gar nicht kümmert um das menschliche Gehirn, sondern bloß darum, wie sich Vorstellungen verknüpfen und trennen und so weiter und bloß diese Symbole hinzeichnen will. — Kurz, es ist so, daß man, wenn man durch irgend etwas Materialist werden könnte, man es durch den Bau des menschlichen Gehirnes ganz besonders werden könnte. Jedenfalls muß man sagen, wenn es ein Geistig-Seelisches gibt, so hat dieses Geistig-Seelische im menschlichen Gehirn einen so adäquaten Ausdruck gefunden, daß man nun gar nicht weit von der Behauptung ist: Ja, was braucht man noch ein Geistig-Seelisches für das Vorstellungsleben? Wenn man noch eine Seele verlangen würde, die noch denken kann! Da das Gehirn eine so genaue Abbildung ist des Geistig-Seelischen, warum soll das Gehirn nicht denken können? -

Alle diese Dinge müssen Sie natürlich mit dem bekannten Gran Salz verstehen. Ich will nur auf den Sinn der ganzen Auseinandersetzung heute hinweisen. Das menschliche Gehirn kann einen schon, besonders wenn man in die Detailforschung eingeht, zum Materialisten machen. Und was da so eigentlich für ein Geheimnis obwaltet, was da eigentlich zugrunde liegt, das wird einem doch erst klar, wenn man zur imaginativen Erkenntnis kommt. In der imaginativen Erkenntnis nämlich zeigen sich einem Bilder, Bilder für nur wirklich Geistiges, Bilder, die man früher nicht gesehen hat. Aber man möchte sagen, diese Bilder erinnern einen an die durch die Nervenzellen und Nervenfäden geformten Bilder im menschlichen Gehirn. Und ich möchte sagen, wenn ich Ihnen eine Erklärung geben sollte für die Frage: Was ist eigentlich dieses imaginative Erkennen, das natürlich ganz im Übersinnlichen verläuft, was ist es? Wenn ich Ihnen gleichsam versinnbildlichen sollte die imaginative Erkenntnis, wie der Mathematiker es mit seinen Figuren macht, indem er mathematische Probleme aufzeichnet, dann könnte ich auch sagen: Man stelle sich vor, daß man in der Welt mehr erkennt, als was die Sinneserkenntnis gibt, dadurch, daß man aufsteigen kann zu Bildern, die eine Realität so geben, wie das menschliche Gehirn die menschliche Seelenrealität gibt. Die Natur selber stellt das hin als eine reale, als eine sinnlichreale Imagination im Gehirn, was man eigentlich in der imaginativen Erkenntnis auf einem höheren Gebiete erlangt.

Aber dadurch kommt man tiefer jetzt hinein in die menschliche Konstitution. Wir werden das in den nächsten Tagen sehen: Man kommt immer zu einer Möglichkeit, diesen Wunderbau des menschlichen Gehirns nicht isoliert für sich zu sehen, sondern ich möchte sagen: Während man eine Welt, eine übersinnliche Welt oben durch Imagination sieht, ist es so, wie wenn ein Teil dieser Welt sich herunterrealisiert hätte und im menschlichen Gehirn eine realisierte imaginative Welt vor uns dastehen würde. Und in der Tat, ich glaube nicht, daß irgend jemand adäquat über das menschliche Gehirn sprechen kann, der nicht in dem menschlichen Gehirnbau eine imaginative Darstellung des Seelenlebens sieht. Das ist auch dasjenige, was uns immer wiederum in eine Zwickmühle führt, wenn wir von der bloßen Gehirnphysiologie ausgehen und zum Seelenleben hinüberkommen wollen. Nämlich, wenn man beim Gehirn stehenbleiben will, braucht man gar nicht das Seelenleben. Nur derjenige hat ein Recht, gegenüber dem Bau des menschlichen Gehirnes noch von einem Seelenleben zu sprechen, der dieses Seelenleben außerdem noch anders kennt, als man es kennt auf dem gewöhnlichen Wege dieser Welt. Denn wenn man in der geistigen Welt dieses Seelenleben kennenlernt: im Bau des menschlichen Gehirnes hat es sein adäquates Abbild, und alles das, was das übersinnliche Seelenorgan vorstellungsgemäß kann, kann das Gehirn auch. Denn bis in die Funktionen hinein ist das Gehirn ein Abbild; so daß niemand Materialismus belegen oder widerlegen kann von der Gehirnphysiologie aus. Das gibt es einfach nicht. Wenn der Mensch bloß Gehirnwesen wäre, so würde man gar nicht daraufzukommen brauchen, daß er noch eine Seele hat.“ (Lit.:GA 314, S. 88ff)

Siehe auch

Literatur

  • Das Manifest - Elf führende Neurowissenschaftler über Gegenwart und Zukunft der Hirnforschung in: Gehirn & Geist 2004/6, S. 30ff. spektrum.de (pdf)
  • Jean Pierre Changeux: Der neuronale Mensch. Wie die Seele funktioniert - die Entdeckungen der neuen Gehirnforschung, Rowohlt-Verlag 1984, ISBN 978-3498008659
  • Francis Crick: Was die Seele wirklich ist. Die naturwissenschaftliche Erforschung des Bewußtseins, Rowohlt Taschenbuch Verlag 1997, ISBN 978-3499602573
  • Patricia Churchland: Neurophilosophy: Toward a Unified Science of the Mind-Brain (Computational Models of Cognition and Perception), Neurophilosophy 1989, ISBN 978-0262530859
  • Paul Churchland: Die Seelenmaschine: Eine philosophische Reise ins Gehirn, Spektrum Verlag 2001, ISBN 978-3827410207
  • Christian Geyer (Hrsg.): Hirnforschung und Willensfreiheit: Zur Deutung der neuesten Experimente, 9. Auflage, Suhrkamp Verlag 2004, ISBN 978-3518123874
  • Tobias Kläden: Mit Leib und Seele: Die mind-brain-Debatte in der Philosophie des Geistes und die anima-forma-corporis Lehre des Thomas von Aquin (ratio fidei), Verlag Friedrich Pustet 2005, ISBN 978-3791719603
  • Klaus-Jürgen Grün (Hrsg.), Gerhard Roth (Hrsg.): Das Gehirn und seine Freiheit, 3. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht 2006, ISBN 978-3525490853
  • Ernst Pöppel (Hrsg.): Gehirn und Bewusstsein, Wiley Verlag Chemie 1989, ISBN 978-3527279012
  • Peter Bieri: Was macht Bewußtsein zu einem Rätsel? (rtf; 56 kB), veröffentlicht in „Gehirn und Bewusstsein“ (Hrsg. Wolf Singer), Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1994, ISBN 978-3860252208, S. 172–180
  • Konrad Sandhoff, Wolfgang Donner (Hrsg.): Vom Urknall zum Bewusstsein - Selbstorganisation der Materie, Thieme-Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3131481917
  • Maxwell Bennett, Daniel C. Dennett, Peter Hacker, John R. Searle: Neurowissenschaft und Philosophie: Gehirn, Geist und Sprache, Suhrkamp Verlag 2010, ISBN 978-3518585429
  • Maxwell R. Bennett , Peter M. Hacker, Axel Walter (Übers.): Die philosophischen Grundlagen der Neurowissenschaften, Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG) 2010, ISBN 978-3534228775, eBook ASIN B01A16QLUA
  • Michael Gazzaniga, Dagmar Mallett (Übers.): Die Ich-Illusion: Wie Bewusstsein und freier Wille entstehen, Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG 2012, ISBN 978-3446430112, eBook ASIN B007ADU5R8
  • Thomas Metzinger: Der Ego-Tunnel: Eine neue Philosophie des Selbst: Von der Hirnforschung zur Bewusstseinsethik, Piper Taschenbuch 2014, ISBN 978-3492305334, eBook ASIN B00GZL6ZT8
  • Wolfgang Prinz: Selbst im Spiegel: Die soziale Konstruktion von Subjektivität, Suhrkamp Verlag 2013, ISBN 978-3518585948, eBook ASIN B00BJ3KW3C
  • Frank Rösler: Psychophysiologie der Kognition: Eine Einführung in die Kognitive Neurowissenschaft, Springer-Verlag 2012, ISBN 978-3827425997
  • Markus F. Peschl (Hrsg.), Alexander Batthyany (Hrsg.): Geist als Ursache?: Mentale Verursachung im interdisziplinären Diskurs (Geist & Seele, Band 2), Verlag Königshausen u. Neumann 2008, ISBN 978-3826038068
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  • Alexander Batthyány: Gehirn und Handlung: Anmerkungen zum Bereitschaftspotential (Beiträge zur Philosophie. Neue Folge), Universitätsverlag Winter GmbH, Heidelberg 2016, ISBN 978-3825366179
  • Peter Heusser: Anthroposophie und Wissenschaft: Eine Einführung. Erkenntniswissenschaft, Physik, Chemie, Genetik, Biologie, Neurobiologie, Psychologie, Philosophie des Geistes, Anthropologie, Anthroposophie, Medizin, Verlag am Goetheanum, Dornach 2016, ISBN 978-3723515686
  • Rudolf Steiner: Physiologisch-Therapeutisches auf Grundlage der Geisteswissenschaft. Zur Therapie und Hygiene, GA 314 (1989), ISBN 3-7274-3141-5 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
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Weblinks

Einzelnachweise

  1.  Trappenberg, Thomas P.: Fundamentals of Computational Neuroscience. 2 Auflage. Oxford University Press, Oxford 2010, ISBN 978-0-19-956841-3.
  2. Pierpaolo Petrone, Massimo Niola, Pierpaolo Di Lorenzo, Mariano Paternoster, Vincenzo Graziano, Giuseppe Quaremba, Claudio Buccelli: Early Medical Skull Surgery for Treatment of Post-Traumatic Osteomyelitis 5,000 Years Ago, in: PLoS ONE 10,5 (2015) 1-22, hier: S. 1.
  3. Ira M. Rutkow: Trephination. In: Archives of Surgery. Band 135, Nr. 9, 2000, S. 1119, doi:10.1001/archsurg.135.9.1119
  4. Frank P. Saul, Julie Mather Saul: Trepanation: Old World and New World, in: Samuel H. Greenblatt, T. Forcht Dagi, Mel H. Epstein (Hrsg.): A History of Neurosurgery. In Its Scientific and Professional Contexts, Park Ridge 1997, S. 29–36, hier S. 29. Er bezieht sich in Anm. 22 auf Thomas Dale Stewart: Stone age skull surgery. A general review, with emphasis on the New World, Annual Report of the Smithsonian Institution, Washington 1958, S. 469–491.
  5. Lloyd, 1975.: Alcmeon and the early history of dissection, Sudhoffs Archiv, 59: 113–47
  6. Aristoteles, Klaus Corcilius (Übers.): Über die Seele. De Anima. Griechisch-Deutsch, Felix Meiner Verlag, Hamburg 2017, ISBN 978-3-7873-2789-8, Buch II, Kapitel 1, 412a20.
  7. Richard Heinzmann: Anima unica forma corporis. Thomas von Aquin als Überwinder des platonisch-neuplatonischen Dualismus. in: Philosophisches Jahrbuch, 93. Jahrgang 1986, Verlag Karl Alber, Freiburg/München 1986, S. 236ff. [1]
  8. Tobias Kläden: Anima forma corporis. Zur Aktualität der nichtdualistischen Sicht des Menschen bei Thomas von Aquin. in: Natur und Geist: von der Einheit der Wissenschaften im Mittelalter, Ostfildern 2008, S. 11-30 [2]
  9. H. Diels, W. Kranz: Die Fragmente der Vorsokratiker. 6th ed., Band 1, S. 210–216. Weidmann, Dublin, Ireland 1952.
  10. Bernhard D. Haage: Ventrikellehre. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2007, ISBN 978-3-11-019703-7, eBook ISBN 978-3-11-097694-6, S. 1439.
  11. http://juliusruska.digilibrary.de/q231/q231.html
  12. L. Richter-Bernburg: Abu Bakr Muhammad al-Razi’s (Rhazes) medical works. Med Secoli. 6 (2): S. 377–392, 1994
  13. Andreas Vesalius: De humani corporis fabrica libri septem. Basel (Johannes Oporinus) 1543; Neudruck Brüssel 1970.
  14. Wolf Singer: Auf dem Weg nach innen. 50 Jahre Hirnforschung in der Max-Planck-Gesellschaft. In: Der Beobachter im Gehirn. Essays zur Hirnforschung. Suhrkamp, 2002, S. 12, ISBN 3-518-29171-8
  15. „Wir müssen also davon ausgehen, dass Geist ein physikalischer Zustand eigener Art mit vielen speziellen Gesetzen ist. Dies ist insofern kein Problem, als der Bereich der Physik stets offen war und ist für Erweiterungen: Was zur Physik gehört und was nicht, hat sich über die Jahrhunderte stark geändert und wird sich weiter ändern. Warum aber sehen wir Geist überhaupt als physikalischen Zustand an und sind nicht einfach Dualisten, für die sich Geist grundlegend vom Materiell-Physikalischen unterscheidet?
    Der Grund hierfür ist, dass Geist – welcher physikalischen Natur er auch immer ist - eindeutig im Rahmen der Naturgesetze auftritt und unabdingbar an physikalische und im engeren Sinne an chemische und physiologische Gesetzmäßigkeiten gebunden ist. Dies ist mit einem Dualismus unvereinbar. Wie oben bereits beschrieben, geht geistige Aktivität im Gehirn mit einem hohen Sauerstoff- und Glukoseverbrauch und vielen anderen neuroelektrischen und neurochemischen Prozessen einher, und nach bisheriger Kenntnis sind die Beziehungen mehr oder weniger linear; d.h. je intensiver die geistigen Aktivitäten, desto höher der Hirnstoffwechsel, der Transmitterausstoß, die Entladungsraten der Neurone usw. Hinzu kommt, dass es keine geistigen Zustände gibt, die physikalischen Gesetzen eklatant widersprechen. Dies wäre vor allem dann der Fall, wenn geistige Zustände überhaupt nicht an neuronale Prozesse gebunden wäre. Das Gegenteil ist aber der Fall: Geistige Zustände hängen aufs Engste mit neuronalen Zuständen zusammen, die wiederum klar physikalisch-chemisch-physiologischen Gesetzen gehorchen.
    Wir müssen also auf der einen Seite zugeben, dass Geist ein physikalischer Zustand eigener Art ist, der sich aber in das Gesamtgefüge physikalischer Zustände einfügt und dieses nicht im dualistischen Sinne „transzendiert". Zugleich gibt es ganz offensichtlich zahlreiche Eigengesetzlichkeiten des Geistigen, die durch die bisherige Physik nicht erklärt werden können - aber das ist bei vielen Eigenschaften biologischer Systeme der Fall. So findet die biologische Evolution zweifellos im Rahmen der Physik statt, aber es gibt keine physikalische, sondern nur eine spezielle biologische Theorie der Evolution. Wie die „Physik des Geistes" einmal aussehen wird, ist unklar. Die Tatsache, dass Geist im Gehirn nur bei hohem Energie- und Materiedurchsatz auftritt, stellt ihn in die Nähe komplexer physikalischer und chemischer Systeme, die man „selbstorganisierend" nennt und die sich durch „spontane" Muster- und Ordnungsbildung raumzeitlicher Art auszeichnen. Die Gestaltpsychologie hat viele Merkmale von Wahrnehmungs- und Denkvorgängen beschrieben, die ebenfalls eine große Nähe zu Merkmalen selbstorganisierender physiko-chemischer Systeme haben.“
    Gerhard Roth: Die Physik des Geistes in: Konrad Sandhoff, Wolfgang Donner (Hrsg.): Vom Urknall zum Bewusstsein - Selbstorganisation der Materie, 2007, S. 309
  16. Wolf Singer in: Christian Geyer (Hrsg.): Hirnforschung und Willensfreiheit, 2004, S. 30ff.
  17. Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen (1953), § 281, in: Ludwig Wittgenstein: Werkausgabe, Band 1, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1999, ISBN 978-3-518-28101-7, S.231-485


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