Transzendental und John Carew Eccles: Unterschied zwischen den Seiten

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Das Adjektiv '''transzendental''' (von {{laS|transcendere}}, „überschreiten“) wird in [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischen]] Zusammenhängen mit Bezug auf die Erfahrung verwendet. Es bezeichnet Vorstellungen oder Erkenntnisfunktionen, die nicht durch [[Empirie|empirische]] Erfahrung erworben werden können, deren Gültigkeit aber angenommen werden muss, damit die Erfahrung einen Wahrheitsgehalt hat und folglich Erkenntnis und Wissen möglich sind. Da sie also eine jede mögliche empirische Erfahrung überschreiten, aber von dieser nicht losgelöst ([[Transzendenz|transzendent]]) sind, bezeichnet Kant diese Eigenschaft transzendental. Als ''transzendental'' wird daher auch die Untersuchung der allgemein-notwendigen Bedingungen bezeichnet, die Erkenntnis ermöglichen und wahre Überzeugungen als Wissen rechtfertigen – diese ist das Programm der [[Transzendentalphilosophie]], wie es [[Immanuel Kant]] in der [[w:Kritik der reinen Vernunft|Kritik der reinen Vernunft]]<ref>{{"|Der Ausdruck ‚transzendental‘ bezeichnet genau genommen nicht die Methode der Kritischen Philosophie, sondern den Charakter der sie leitenden Fragestellung; in der Transzendentalphilosophie wird nach Bedingungen gefragt, unter denen sich die objektive Gültigkeit von Begriffen und Sätzen a priori als möglich begreifen lässt.|Autor=Wolfgang Röd|Quelle=''Die Philosophie der Neuzeit 3. Teil 1: Kritische Philosophie von Kant bis Schopenhauer.'' München 2006, S. 33}}</ref> formulierte:
[[Datei:Eccles lab.jpg|mini|John C. Eccles]]
{{"|''Ich nenne alle Erkenntnis transzendental, die sich ''[…]'' mit unserer Erkenntnisart von Gegenständen, so fern diese [[a priori]] möglich sein soll, überhaupt beschäftigt.''|{{Kant|3|43||||KrV B 25}}}}
Sir '''John Carew Eccles''' [[Wikipedia:Order of Australia|AC]] (* [[Wikipedia:27. Januar|27. Januar]] [[Wikipedia:1903|1903]] in [[Wikipedia:Melbourne|Melbourne]]; † [[Wikipedia:2. Mai|2. Mai]] [[Wikipedia:1997|1997]] in [[Wikipedia:Tenero-Contra|Contra]]/[[Wikipedia:Bezirk Locarno|Bezirk Locarno]]) war ein [[Australien|australischer]] [[Medizin|Mediziner]], [[Physiologie|Physiologe]], [[Neurowissenschaften|Neurowissenschaftler]] und [[Philosophie|Philosoph]].<ref>Susanne Hahn: ''Eccles, Sir John Carew.'' In: [[Wikipedia:Werner E. Gerabek|Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Wikipedia:Gundolf Keil|Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 333.</ref> Mit seinen Forschungen zur Signalweiterleitung von Nervenzellen trug er entscheidend dazu bei, die Vorgänge im menschlichen Gehirn aufzuklären. Für diese Forschungen erhielt er zusammen mit zwei Kollegen 1963 den ''Nobelpreis für Physiologie oder Medizin''.


Die Eigenschaft „transzendental“ meint einen Zusammenhang mit der empirischen Erkenntnis von [[Gegenstand|Gegenständen]] im Allgemeinen und in Absehung von den besonderen Erkenntnisvoraussetzungen eines spezifischen Gegenstands. Entlang dieser Linie bestimmt Kant die [[Transzendentale Ästhetik]] als Lehre von den Bedingungen der Wahrnehmung von etwas überhaupt, und die [[Transzendentale Logik]] als die Lehre von gedanklichen Anteil der Gegenstandserkenntnis – im Unterschied zur allgemeinen formalen Logik, die ihm zufolge mit [[Urteil (Logik)|Urteilen]] und [[Begriff (Philosophie)|Begriffen]] unabhängig von jedem Gegenstandsbezug operieren und den Gesetzen einer spezifischen Wissenschaft, die einzelne Gegenstände und Eigenschaften betreffen.
== Leben und Wirken ==
John Carew Eccles wurde 1903 als Sohn des Lehrerehepaars William James Eccles und Mary Eccles (geb. Carew) in Melbourne geboren. Er studierte an der [[Wikipedia:Universität Melbourne|Universität Melbourne]] Medizin und schloss sein Studium dort 1925 ab. An der [[Wikipedia:Universität Oxford|Universität Oxford]] setzte er seine Studien fort. Er forschte dort von 1927 bis 1931 am Lehrstuhl des Physiologen [[Charles Scott Sherrington]] (1857–1952) über den Ablauf von [[Reflex]]en und die Signalübertragung über den [[Synapse|synaptischen Spalt]] und veröffentlichte während dieser Zeit gemeinsam mit Sherrington acht wissenschaftliche Artikel. 1929 erhielt Eccles den [[Wikipedia:Doctor of Philosophy|Doctor of Philosophy]]. Bis 1937 verblieb er in verschiedenen Positionen in Oxford.


Kants Programm führte im [[Deutscher Idealismus|deutschen Idealismus]] zum Anspruch, dass Transzendentales, weil ''a priori'' gültig, Erfahrung und Wissen [[Letztbegründung|abschließend begründen]] kann. Dieser Anspruch wurde in transzendentalen Konzepten – z. B. in denen von [[Friedrich Wilhelm Joseph Schelling|Schelling]] und [[Johann Gottlieb Fichte|Fichte]] – zur Konstruktion [[Idealismus|idealistischer]] Philosophien und [[Romantik|romantischer]] Kunsttheorien verwendet. Damit einher geht aber –&nbsp;entgegen Kants Ansicht –&nbsp;der Anspruch oder doch zumindest die Sehnsucht, [[Transzendenz|Transzendentes]] zu erfassen. Auch an diese wiederhergestellte Einheit von [[Kosmologie]] und [[Erkenntnistheorie]] knüpft Ende des 19. Jahrhunderts der amerikanische [[Transzendentalismus]] an.
Von 1937 bis 1966 arbeitete und lehrte Eccles an der [[Wikipedia:University of Otago|University of Otago]] und der [[Wikipedia:Australian National University|Australian National University]]. Danach forschte er am American Medical Association Institute for Biomedical Research in Chicago über biomedizinische Fragestellungen. 1968 wurde Eccles Fakultätsmitglied am College der [[Wikipedia:University at Buffalo, The State University of New York|University at Buffalo]]. 1959 wurde er in die [[Wikipedia:American Academy of Arts and Sciences|American Academy of Arts and Sciences]] gewählt, 1961 zum Mitglied der [[Wikipedia:Leopoldina|Leopoldina]], 1966 in die [[Wikipedia:National Academy of Sciences|National Academy of Sciences]].


== Begriffsgeschichte ==
Während seiner Arbeiten in Oxford entdeckte Eccles 1951 zusammen mit seinen Kollegen, den britischen Physiologen [[Wikipedia:Alan Lloyd Hodgkin|Alan Lloyd Hodgkin]] (1914–1998) und [[Wikipedia:Andrew Fielding Huxley|Andrew Fielding Huxley]] (1917–2012), den elektro-physiologischen Mechanismus der postsynaptischen Hemmung der [[Erregungsübertragung]]: Der auf dem Zellfortsatz der motorischen Nervenzelle (Motoneuron) ankommende Impuls verursacht eine Erregung oder Hemmung, da an den Nervenfaserendigungen, den Synapsen, erregende oder hemmende chemische Substanzen, die so genannten Transmittersubstanzen, ausgeschüttet werden. Damit war die elektrische Erregungsübertragung zwischen den Nervenzellen an den Synapsen aufgeklärt. Für diese Arbeiten erhielt Eccles zusammen mit Hodgkin und Huxley im Jahre 1963 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie. In der Begründung des Nobelpreiskomitees hieß es: „Für ihre Entdeckung über den Ionen-Mechanismus, der sich bei der Erregung und Hemmung in den peripheren und zentralen Bereichen der Nervenzellmembran abspielt.
In der [[Scholastik|scholastischen]] Philosophie wird auf dem Gebiet der [[Ontologie]] der Begriff der [[Transzendentalien]] benutzt. Er bestimmt die unveränderlichen und allgemeinen Bestimmungen des Seins und der Seienden Dinge, die jede spezifische Kategorie übersteigen und also dem [[Sein (Philosophie)|Sein]] als solchem, „τὸ ὂν ᾗ ὄν“, zukommt. Alle Dinge und alles Handeln sind je nach Grad ihrer Teilhabe an den Transzendentalien Sein – dem Einen, dem Wahren und dem Guten wertvoll oder weniger wertvoll bestimmbar. Die Vorstellung der Teilhabe wurde schon bei [[Platon]] und [[Augustinus]] thematisiert.  


Im 15. Jahrhundert wurden diese Vorstellungen und die dazugehörigen Termini „transzendental“ bzw. „Transzendentalien“ im Rahmen von Übersetzungen und Kommentierungen neu zugänglicher griechischer, lateinischer und arabischer Texte verwendet. [[w:Pedro da Fonseca|Pedro da Fonseca]] und [[w:Francisco Suárez|Francisco Suárez]] gehörten zu den ersten, die im 16. Jahrhundert dazu eigene Darstellungen verfassten. Auch [[Avicenna]]s Metaphysik gehört dazu.
Er starb am 2. Mai 1997 und ruht im Friedhof von [[Wikipedia:Tenero-Contra|Tenero-Contra]].
Der Nachlass von Eccles befindet sich am "Institut für die Geschichte der Medizin" in Düsseldorf.<ref>siehe [http://www.uniklinik-duesseldorf.de/eccles Seite über den Nachlass beim Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin], abgerufen 28. Januar 2018</ref>


„Transzendentalien“ bzw. „transzendental“ wurden in vielen weiteren theologischen und philosophischen Abhandlungen (v. a. bei [[Thomas von Aquin]]) zur Metaphysik und in dialektischen Disputen verwendet und verändert. Sie erweiterten stets die Terminologie, mit der sowohl theoretisch als auch empirisch Gottes Wirken und menschliches Denken erklärt werden sollten. Sie waren durch die folgenden Jahrhunderte und sind bis in die gegenwärtige Neuscholastik in Gebrauch. Kant waren sie durch die Schriften von [[Christian Wolff (Philosoph)|Christian Wolff]] und [[Alexander Gottlieb Baumgarten|Alexander Baumgarten]] bekannt, die sie für ihre Metaphysiken benutzt haben.  
== Wissenschaftliches Werk ==
Nach der Lektüre von [[Charles Scott Sherrington]]s Buch ''The Integrative Action of the Nervous System'' hatte Eccles bewusst Oxford als erste Station seiner Forschungslaufbahn gewählt, um im Labor Sherringtons mitarbeiten zu können. Als dieser 1932 den Nobelpreis erhielt, war Eccles an der Publikation des Buchs ''Reflex Activity of the Spinal Cord'' beteiligt, in dem Sherringtons Gruppe einen Überblick über ihre Studien des letzten Jahrzehnts gab. Als weitere Leitfiguren mit deutlichem Einfluss auf seine Forschung erwähnte Eccles in seinem 1964 erschienenen Buch ''The Physiology of Synapses'' [[Wikipedia:Santiago Ramón y Cajal|Santiago Ramón y Cajal]] und [[Wikipedia:Henry Hallett Dale|Henry Hallett Dale]].


Kant setzt sich in §12 der ''Kritik der reinen Vernunft'' mit dem scholastischen Satz {{"|''quodlibet ens est unum, verum, bonum''}} auseinander, den er als aus der „Transscendentalphilosophie der Alten“ stammend bezeichnet ({{Kant|3|97||||{{"|''Es findet sich aber in der Transscendentalphilosophie der Alten noch ein Hauptstück vor, welches reine Verstandesbegriffe enthält, die, ''[…]'' als Begriffe a priori von Gegenständen gelten sollten, ''[]'' Ob nun zwar der Gebrauch dieses Prinzips in Absicht auf die Folgerungen (die lauter tautologische Sätze gaben) sehr kümmerlich ausfiel, ''[…]'' so verdient doch ein Gedanke, der sich so lange Zeit erhalten hat, so leer er auch zu sein scheint, immer eine Untersuchung seines Ursprunges, und berechtigt zur Vermutung, daß er in irgend einer Verstandesregel seinen Grund habe, der nur, wie es oft geschieht, falsch gedolmetscht worden.''|}}}}).<ref>Vgl. zu diesem Abschnitt auch Karl Bärthlein: ''Die Transzendentalienlehre der alten Ontologie'', S. 1–5.</ref>
Die erste Phase Eccles’ Forschung galt der Frage, wie [[Aktionspotential]]e über den [[Synaptischer Spalt|synaptischen Spalt]] hinweg weitergeleitet werden. Lange Zeit standen sich in dieser Frage zwei Theorien gegenüber: Während die eine, unter anderem angeregt durch Sherrington, davon ausging, dass [[Neurotransmitter|chemische Botenstoffe]] an den Synapsen eine zentrale Rolle spielen, hielt die andere eine direkte elektrische Weiterleitung für wahrscheinlicher. Eccles hing lange Zeit der elektrischen Theorie an und sammelte in seinen Experimenten Daten, um diese zu unterstützen. Nachdem er im Mai 1945 eine [[Wissenschaftstheorie|wissenschaftstheoretische]] Vortragsreihe [[Karl Popper]]s gehört hatte, begann Eccles, seine Theorien zunehmend schärfer zu formulieren und Experimente zu ihrer [[Falsifizierung]] vorzuschlagen.
Nach Kant müssen diese metaphysischen Lehrsätze über Transzendentalien als Eigenschaften des Daseins jedoch in erkenntnistheoretische Grundsätze einer möglichen Erfahrung übersetzt werden, um an ihren wahren Kern zu gelangen. Die allgemeinsten Bestimmungen des Seins werden zu den allgemeinsten Formen der Erkenntnis.


== Kant und Hume ==
Dennoch interpretierte er seine folgenden Studien zunächst noch in voller Übereinstimmung mit den Vorhersagen der Theorie einer elektrischen Reizweiterleitung. 1949 musste er diese jedoch zum ersten Mal modifizieren und gestand nun eine chemische Vermittlung an der [[Motorische Endplatte|neuromuskulären Endplatte]] ein. Nachdem es ihm zusammen mit Kollegen in seinem Labor in [[Wikipedia:Dunedin|Dunedin]] gelungen war, Potentialmessungen in Einzelzellen lebender Versuchstiere durchzuführen, fand er 1951 an einer [[Inhibition (Neuron)|inhibitorischen]] Synapse ein Potential, dessen Vorzeichen im Widerspruch zu seiner Theorie stand. Obwohl Eccles einer der schärfsten Kritiker der Theorie einer chemischen Vermittlung gewesen war, hatte er seine eigene Theorie somit als erster klar widerlegen können und akzeptierte die Wirksamkeit der chemischen Übertragung nun auch für das [[Zentralnervensystem|zentrale Nervensystem]].
Kants und [[David Hume|Humes]] Programme für eine Begründung der Wissenschaften unterscheiden sich prinzipiell. Für Hume ergibt sich aus seinen Beobachtungen und Schlussfolgerungen, dass wissenschaftliche Kenntnisse keine absolute Gewissheit haben. Sie müssen kontinuierlich überprüft und an empirische Erfahrungen angepasst werden.<ref>Vgl. Hume: ''Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand''. VIII,4.</ref> Für Hume gibt es annähernde Gewissheit nur in der [[Mathematik]], deren Erkenntnisse a priori gültig sind, weil Mathematik ein geschlossenes System darstellt. Philosophie kann als offenes System einer „Wissenschaft vom Menschen“ nichts abschließend beweisen, sondern nur durch Beschreibung von Beobachtungen Inhalte plausibel, bzw. nachvollziehbar machen.<ref>Vgl. Hume: ''Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand''. VII,1.</ref> ''„Das Gegenteil einer sogenannten Tatsache bleibt immer möglich ''[...]'' Es ist deshalb von wissenschaftlichem Interesse, die Natur der Gewissheit zu untersuchen, welche uns von der wirklichen Existenz und von Tatsachen überzeugt.“''<ref>Hume, ''ebd. IV,2''.</ref>   


Für Kant, der auf eine geschlossene, systematische Ethik hinarbeitet, ist  dabei vor allem das [[Induktionsproblem]] Stein des Anstoßes, das Hume nicht löse. Hume stelle lediglich fest, dass [[Kausalität|Kausalzusammenhänge]] nicht unmittelbar beobachtbar sind. Wie die Ursächlichkeit bewirkt werde, könne  – so Hume  – weder durch Erfahrung noch durch logische Analyse beantwortet werden. Dass der Begriff „Kausalität“, bzw. bestimmte Ursache-Wirkungszusammenhänge in alltäglichen und wissenschaftlichen Aussagen verwendet werden, die wir für gültig halten, erklärt er mangels Alternativen mit „Gewohnheit“. Die Gültigkeit des Begriffes „Kausalität“ entstehe durch wiederholtes Beobachten zweier aufeinander folgender Ereignisse. Dass Kausalität ein gültiges Prinzip menschlichen Vermutens und Denkens ist, so formuliert Hume allgemein, ''„ergibt sich nur nach einer langen Reihe gleichförmiger Vorgänge“'', die Gewissheit für den Einzelfall schaffen.<ref>Hume: ''Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand'' IV, 20.</ref> Dieser Reihe [[Notwendigkeit]] zuzuordnen, wie es ein naturwissenschaftliches Gesetz erfordert, ist nach Hume ein Irrtum bzw. eine Hypothese.
== Philosophische Position ==


Kant erklärt, im Unterschied zu Hume, die Tatsache, dass Menschen Kausalität feststellen, dadurch, dass er Kausalität zu einem reinen Verstandesbegriff, einer apriorischen Idee erhebt, die im transzendentalen Gebrauch der Einheit dem Zusammenhalt der empirischen Erfahrung überhaupt zugrunde liegt. So kann er behaupten, dass es kausale Verknüpfungen geben muss, die er als [[Synthetisches Urteil a priori|synthetische Urteile a priori]] charakterisiert, die allgemein gültig und notwendig sind. Erst mit dieser Lösung wird für Kant die Frage beantwortbar, ob trotz Humes Angriff eine [[Metaphysik]] der Natur und der Moral überhaupt noch möglich ist. Kant fährt fort:
Eccles beschäftigte sich auch philosophisch mit dem Problem des [[Bewusstsein]]s. Für ihn stand fest, dass nur der Mensch ein „Ich-Bewusstsein“ besitzt. Dieses sei von Zeugung an im Menschen angelegt und entwickle sich durch die Beziehung zur Außenwelt in den ersten Lebensjahren. Eccles lehnte einen strikten [[Materialismus]], also die Position, das Bewusstsein lasse sich auf rein physikalische und chemische Prozesse zurückführen, ab. Er verglich etwa das Gehirn mit einem Computer und das „Ich“ mit dessen Programmierer. Seine Vorstellung von der Interaktion zwischen Gehirn und immateriellem Bewusstsein stellte Eccles in den 1970er Jahren zusammen mit dem Philosophen [[Karl Popper]] in dem Buch ''The Self and its Brain'' vor (deutsch: ''Das Ich und sein Gehirn''). Er griff dabei auf Poppers [[Drei-Welten-Lehre]] zurück und behauptete, dass es bestimmte Regionen in der linken Gehirnhälfte gebe, die eine Interaktion der materiellen „Welt 1“ mit der mentalen „Welt 2“ ermöglichten.<ref>[[Max Bennett (Neurobiologe)|M. R. Bennett]] und [[Peter Hacker|P. M. S. Hacker]]: ''Philosophical Foundations of Neuroscience.'' Blackwell Publishing, 2003, ISBN 1-4051-0838-X, S. 50f.</ref>


{{Zitat
Vermutungen, wie diese Interaktion ablaufen könnte, stellte Eccles erst in hohem Alter an, angeregt von Ideen des deutschen Physikers und Philosophen [[Wikipedia:Henry Margenau|Henry Margenau]]. Er postulierte, dass kleinste Prozesse auf Ebene der [[Quantenphysik]] hinreichend seien, um die Ausschüttung von Neurotransmittern zu beeinflussen und schloss, dass die Wirkung eines energie- und masselosen Geistes auf das Gehirn somit durch eine Beeinflussung der quantenmechanischen Wahrscheinlichkeitsfelder erklärbar werde. Kritiker weisen darauf hin, dass dieser Vorschlag das Erklärungsproblem des Interaktionismus nur verlagere, da nunmehr die Art der Interaktion zwischen Geist und Wahrscheinlichkeitsfeld ungeklärt sei.<ref>Rafael Ferber: ''Philosophische Grundbegriffe 2.'' Becksche Reihe, 2003, ISBN 3-406-49462-5, S. 108f.</ref> Trotz eines enormen Respekts vor seinem wissenschaftlichen Lebenswerk wird Eccles’ Position zum Leib-Seele-Problem, aus der er auch Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod schöpfte, heute zumeist als unplausibel betrachtet<ref>vgl. exemplarisch die Argumentation von Max Bennett und Peter Hacker: ''Philosophical Foundations of Neuroscience.'' Blackwell Publishing, 2003, ISBN 1-4051-0838-X, S. 49–57</ref> und als Beispiel dafür gesehen, wie stark das Denken vieler Hirnforscher von religiösen Überzeugungen und von einem [[Dualismus |interaktionistischen Dualismus]] im Sinne [[René Descartes]] geprägt sei.<ref>vgl. die Zusammenfassung kritischer Stimmen in Peter Düweke: ''Kleine Geschichte der Hirnforschung. Von Descartes bis Eccles.'' Becksche Reihe, 2001, ISBN 3-406-45945-5, S. 174</ref>
|Da es mir nun mit der Auflösung des [[Induktionsproblem|Humeschen Problems]] nicht bloß in einem besonderen Falle, sondern in Absicht auf das ganze [[Vermögen (Fähigkeit)|Vermögen]] der reinen Vernunft gelungen war: so konnte ich sichere, obgleich immer nur langsame Schritte tun, um endlich den ganzen Umfang der reinen Vernunft, in seinen Grenzen sowohl, als in seinem Inhalt, vollständig und nach allgemeinen Prinzipien zu bestimmen, welches dann dasjenige war, was Metaphysik bedarf, um ihr System nach einem sicheren Plane aufzuführen.| Autor = {{Kant|4|260|||||261}}
| Quelle =
| ref =
}}


== Neukantianismus und 20. Jahrhundert ==
== Schriften ==
Laut [[Friedrich Albert Lange|Lange]] handelt es sich dabei um „den Grund aller Irrtümer unsres Reformators der Philosophie“: ''''[die]'' Verwechslung der methodischen und kunstgerechten Handhabung der Denkgesetze mit der sogenannten Spekulation, welche aus allgemeinen Begriffen deduziert.''<ref>Vgl. für diesen Abschnitt und Zitate: Friedrich Albert Lange: ''Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart''. Frankfurt am Main 1974, S. 488–492. [http://www.zeno.org/nid/20009204091 zeno.org]</ref> Solche „Deduktionen aus Begriffen“ machten für Kant den Kern seiner transzendentalen Methode aus.
* ''Reflex Activity of the Spinal Cord.'' 1932.
 
* ''The neurophysiological basic of the mind: The principles of neurophysiology.'' Oxford: Clarendon 1953.
Hinter Kants Entscheidung für die transzendentale Methode stehe – so der Neukantianer [[Wilhelm Windelband|Windelband]] – die fundamentale Einsicht, dass  ''„die Geltung der Vernunftprinzipien von der Art und Weise wie sie im empirischen Bewusstsein zustande kommen, völlig unabhängig ist.''<ref>Wilhelm Windelband: ''Lehrbuch der Geschichte der Philosophie''. Tübingen 6. Aufl. 1912, S. 447. [http://www.zeno.org/nid/2000927796X zeno.org]</ref>
* ''The Physiology of Nerve Cells.'' 1957.
 
* ''The Physiology of Synapses.'' Berlin 1964.
Ferner charakterisiert er die Transzendentalphilosophie als „neu und absolut originell“. Man finde „ganz neue Probleme“ und ein „ganz neues Begriffsmaterial“, um sie zu lösen. Sie sei
* ''The brain and the unity of conscious experience.'' London: Cambridge University Press 1965.
{{Zitat|...die systematische Besinnung auf die unumstößlichen und unumgänglichen, jedem normal denkenden Menschen von selbst einleuchtenden, Voraussetzungen und Grundsätze, ohne welche es überhaupt keine Verständigung der Denkenden untereinander und keinen Versuch wissenschaftlicher Constatierung irgend welcher Thatsachen, keine Verarbeitung derselben zu Erkenntnissen giebt.<ref>Wilhelm Windelband: ''Immanuel Kant. Zur Säcularfeier seiner Philosophie''. S. 114 u. 122f. In: Ders.: ''Präludien: Aufsätze und Reden zur Einleitung in die Philosophie''. Freiburg i. B. [u.a.] 1884, S.112-145.[http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/windelband1884 Digisat Universität Heidelberg]</ref>}}[[Leonard Nelson]] griff sogar die Möglichkeit einer Erkenntnistheorie überhaupt an, da diese immer auf allgemein bestehenden Erkenntnissen beruhe und somit ad-hoc und Vermutung bleiben müsse. Daraus folgt für [[Hans Albert]] nicht die Unmöglichkeit von ''Erkenntnistheorie'' als solcher, sondern lediglich die Unmöglichkeit einer ''reinen'' Erkenntnistheorie.<ref>{{Literatur|Autor=Hans Albert|Titel=Kritik der reinen Erkenntnislehre|Verlag=Mohr|Ort=Tübingen|Jahr=1987|Seiten=29|ISBN=3-16-945229-0}}</ref> Er deutet Kants Lösung als [[Begründung|Rechtfertigungsstrategie]]. Diese könne durch Anwendung des [[Fallibilismus]] und des [[Kritischer Realismus|kritischen Realismus]] ersetzt werden. Kants eigene Ansätze müssten dann zu ...
* ''The Inhibitory Pathways of the Central Nervous System.'' 1969.
# einer empirischen Theorie, die das Erkennen erklärt;
* ''Facing reality: Philosophical Adventures by a Brain Scientist.'' Berlin: Springer 1970.
# einer Erkenntnistheorie, die Ziele und Normen aufgrund der faktischen Möglichkeiten festsetzt und die (1) aufweist;
* ''The Understanding of the Brain.'' 1973.
# einer Methodologie wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts, die als eine rationale Heuristik aufgefasst werden sollte,
* ''The Self and Its Brain.'', mit [[Karl Popper]], Berlin: Springer 1977.
transformiert werden.
** ''Das Ich und sein Gehirn.'' München 1982, ISBN 3-492-21096-1; Neuausgabe München und Zürich 1989
 
* ''The Human Mystery. The Gifford Lectures 1977–78'', Berlin: Springer 1979.
Auch [[Karl Popper]] beanspruchte, mit dem [[Kritischer Realismus]] die Kritische Transzendentalphilosophie Kants fortzusetzen. Dabei wandte er sich ausdrücklich gegen die Kantianer der ersten Generation, vor allem  [[Jakob Friedrich Fries]] und seine einflussreiche Schule. Er unterstellte ihnen einen [[Psychologismus]], also eine Vermischung von (empirischer) Psychologie und Erkenntnistheorie, der auch für Kant selbst nicht immer auszuschließen sei. Für Popper bleibt vom transzendentalen Erkenntnisapparat der Anschauungsformen und Begriffe lediglich eine „transzendentale Methode“, die Begriffe und Thesen einer Erkenntnistheorie an den tatsächlichen Verfahren der Wissenschaften kritisch zu messen.<ref>{{Literatur |Autor=Karl R. Popper |Titel=Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie|Seiten=7 }} [https://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=1_1lljVGo-UC&oi=fnd&pg=PR17&dq=grundprobleme+der+erkenntnistheorie&ots=iOHezPVYwE&sig=B9776Ljq4-WGImYlmhIRY7fKbGU#v=onepage&q=grundprobleme%20der%20erkenntnistheorie&f=false Online]</ref>
* ''The Human Psyche.'' 1980.
* ''The Wonder of Being Human - Our Brain & Our Mind.'', with [[Wikipedia:Daniel N. Robinson|Daniel N. Robinson]], New York, Free Press 1984.
* ''Mind and Brain: The Many-Faceted Problems.'', (Editor), New York: Paragon House 1985.
* ''Evolution Of The Brain : Creation Of The Self.'' 1989.
* ''Wie das Selbst sein Gehirn steuert.'' Berlin 1994.
* ''Das Gehirn des Menschen.'' Piper Verlag München 1975, Neuausgabe 1990, Lizenz Seehamer Verlag Weyam 2000.
* ''Die Evolution des Gehirns – die Erschaffung des Selbst.'' München 2002, ISBN 3-492-23709-6.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|transzendental}}
* {{WikipediaDE|John Carew Eccles}}
* [[Transzendentalphilosophie]]
 
== Literatur ==
Zur Begriffsgeschichte:
* Jan A. Aertsen, ''Medieval Philosophy as Transcendental Thought. From Philip the Chancellor (ca. 1225) to Francisco Suárez'', Leiden, Brill, 2012.
* Karl Bärthlein: ''Die Transzendentalienlehre der alten Ontologie''. Teil I. Berlin/New York 1972. [https://books.google.de/books?id=h_9CgeDIFCIC&pg=PA5&lpg=PA5&dq=welche+Rolle+transzendentalien+scholastik&source=bl&ots=r07l4XZeJi&sig=ra1OfV82GQKFEAmIGjWbXwngLks&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwj4v42Rq43UAhUCC8AKHcECA78Q6AEIQTAE#v=onepage&q=welche%20Rolle%20transzendentalien%20scholastik&f=false Google-Books]
* Hinrich Knittermeyer: ''Der Terminus transszendental in seiner historischen Entwickelung bis zu Kant''. Marburg, Hamel 1920. {{IA|derterminustrans00knit}}
* G. Schulemann: ''Die Lehre von den Transzendentalien in der scholastischen Philosophie''. Leipzig 1929.
* Max von Zynda: ''Kant – Reinhold – Fichte. Studien zur Geschichte des Transzendentalbegriffs.'' Vaduz/Liechtenstein 1980.
 
Zur Methode der Transzendentalphilosophie bei Kant:
* {{Literatur|Autor=Hans Albert|Titel=Kritik der reinen Erkenntnislehre|Ort=Tübingen|Jahr=1987}}
* {{Literatur|Autor=Ernst Cassirer|Titel=Determinismus und Indeterminismus in der modernen Physik. Historische und systematische Studien zum Kausalproblem|Ort=Hamburg|Jahr=2004}}
* Nikolaus Knoepffler: ''Der Begriff „transzendental“ bei Kant''. München 2001.
* Michael Nerurkar: ''Amphibolie der Reflexionsbegriffe und transzendentale Reflexion in Kants Kritik der reinen Vernunft.'' Würzburg 2012.
* {{Literatur|Autor=Karl R. Popper|Titel=Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie|Ort=Tübingen|Jahr=1994}}
* Armando Rigobello: ''Die Grenzen des Transzendentalen bei Kant.'' München 1968.
* {{Literatur|Autor=Wolfgang Röd|Titel=Dialektische Philosophie der Neuzeit|Band=Bd. 1|Ort=München|Jahr=1974|Seiten=30ff.}}
 
Zum Charakter und zur Brauchbarkeit sog. transzendentaler Argumente:
* {{Literatur|Autor=Roderick Chisholm|Titel={{lang|en|What is a Transcendental Argument?}}|Sammelwerk=Neue Hefte für Philosophie|Nummer=14|Jahr=1978}}
* {{Literatur|Autor=Moltke S. Gram|Titel={{lang|en|Do Transcendental Arguments have a Future?}}|Sammelwerk=Neue Hefte für Philosophie|Nummer=14|Jahr=1978}}


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.textlog.de/5253.html Eintrag im Wörterbuch der Philosophischen Begriffe von Rudolf Eisler] (1904)
{{Commonscat|John Eccles|John Carew Eccles}}
* [http://www.textlog.de/32695.html Eintrag im Kant-Lexikon von Rudolf Eisler] (1930)
* {{DNB-Portal|118850946}}
* [http://www.philosophie.tu-darmstadt.de/media/institut_fuer_philosophie/diesunddas/nerurkar/kant/Was_heisst_transzendental_bei_Kant.pdf Michael Nerurkar: Was heißt ‘transzendental’ bei Kant?] (2012; PDF; 227&nbsp;kB)
* {{nobel-med|1963|John Carew Eccles}}
* {{UTB-Philosophie|Thomas Zwenger|899|Transzendental}}


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references/>
<references />
 
{{Normdaten|TYP=p|GND=118850946|LCCN=n/80/063040 |VIAF=104834420}}


[[Kategorie:Kritik der reinen Vernunft]]
{{SORTIERUNG:Eccles, John Carew}}
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Version vom 13. November 2018, 08:54 Uhr

John C. Eccles

Sir John Carew Eccles AC (* 27. Januar 1903 in Melbourne; † 2. Mai 1997 in Contra/Bezirk Locarno) war ein australischer Mediziner, Physiologe, Neurowissenschaftler und Philosoph.[1] Mit seinen Forschungen zur Signalweiterleitung von Nervenzellen trug er entscheidend dazu bei, die Vorgänge im menschlichen Gehirn aufzuklären. Für diese Forschungen erhielt er zusammen mit zwei Kollegen 1963 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin.

Leben und Wirken

John Carew Eccles wurde 1903 als Sohn des Lehrerehepaars William James Eccles und Mary Eccles (geb. Carew) in Melbourne geboren. Er studierte an der Universität Melbourne Medizin und schloss sein Studium dort 1925 ab. An der Universität Oxford setzte er seine Studien fort. Er forschte dort von 1927 bis 1931 am Lehrstuhl des Physiologen Charles Scott Sherrington (1857–1952) über den Ablauf von Reflexen und die Signalübertragung über den synaptischen Spalt und veröffentlichte während dieser Zeit gemeinsam mit Sherrington acht wissenschaftliche Artikel. 1929 erhielt Eccles den Doctor of Philosophy. Bis 1937 verblieb er in verschiedenen Positionen in Oxford.

Von 1937 bis 1966 arbeitete und lehrte Eccles an der University of Otago und der Australian National University. Danach forschte er am American Medical Association Institute for Biomedical Research in Chicago über biomedizinische Fragestellungen. 1968 wurde Eccles Fakultätsmitglied am College der University at Buffalo. 1959 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences gewählt, 1961 zum Mitglied der Leopoldina, 1966 in die National Academy of Sciences.

Während seiner Arbeiten in Oxford entdeckte Eccles 1951 zusammen mit seinen Kollegen, den britischen Physiologen Alan Lloyd Hodgkin (1914–1998) und Andrew Fielding Huxley (1917–2012), den elektro-physiologischen Mechanismus der postsynaptischen Hemmung der Erregungsübertragung: Der auf dem Zellfortsatz der motorischen Nervenzelle (Motoneuron) ankommende Impuls verursacht eine Erregung oder Hemmung, da an den Nervenfaserendigungen, den Synapsen, erregende oder hemmende chemische Substanzen, die so genannten Transmittersubstanzen, ausgeschüttet werden. Damit war die elektrische Erregungsübertragung zwischen den Nervenzellen an den Synapsen aufgeklärt. Für diese Arbeiten erhielt Eccles zusammen mit Hodgkin und Huxley im Jahre 1963 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie. In der Begründung des Nobelpreiskomitees hieß es: „Für ihre Entdeckung über den Ionen-Mechanismus, der sich bei der Erregung und Hemmung in den peripheren und zentralen Bereichen der Nervenzellmembran abspielt.“

Er starb am 2. Mai 1997 und ruht im Friedhof von Tenero-Contra. Der Nachlass von Eccles befindet sich am "Institut für die Geschichte der Medizin" in Düsseldorf.[2]

Wissenschaftliches Werk

Nach der Lektüre von Charles Scott Sherringtons Buch The Integrative Action of the Nervous System hatte Eccles bewusst Oxford als erste Station seiner Forschungslaufbahn gewählt, um im Labor Sherringtons mitarbeiten zu können. Als dieser 1932 den Nobelpreis erhielt, war Eccles an der Publikation des Buchs Reflex Activity of the Spinal Cord beteiligt, in dem Sherringtons Gruppe einen Überblick über ihre Studien des letzten Jahrzehnts gab. Als weitere Leitfiguren mit deutlichem Einfluss auf seine Forschung erwähnte Eccles in seinem 1964 erschienenen Buch The Physiology of Synapses Santiago Ramón y Cajal und Henry Hallett Dale.

Die erste Phase Eccles’ Forschung galt der Frage, wie Aktionspotentiale über den synaptischen Spalt hinweg weitergeleitet werden. Lange Zeit standen sich in dieser Frage zwei Theorien gegenüber: Während die eine, unter anderem angeregt durch Sherrington, davon ausging, dass chemische Botenstoffe an den Synapsen eine zentrale Rolle spielen, hielt die andere eine direkte elektrische Weiterleitung für wahrscheinlicher. Eccles hing lange Zeit der elektrischen Theorie an und sammelte in seinen Experimenten Daten, um diese zu unterstützen. Nachdem er im Mai 1945 eine wissenschaftstheoretische Vortragsreihe Karl Poppers gehört hatte, begann Eccles, seine Theorien zunehmend schärfer zu formulieren und Experimente zu ihrer Falsifizierung vorzuschlagen.

Dennoch interpretierte er seine folgenden Studien zunächst noch in voller Übereinstimmung mit den Vorhersagen der Theorie einer elektrischen Reizweiterleitung. 1949 musste er diese jedoch zum ersten Mal modifizieren und gestand nun eine chemische Vermittlung an der neuromuskulären Endplatte ein. Nachdem es ihm zusammen mit Kollegen in seinem Labor in Dunedin gelungen war, Potentialmessungen in Einzelzellen lebender Versuchstiere durchzuführen, fand er 1951 an einer inhibitorischen Synapse ein Potential, dessen Vorzeichen im Widerspruch zu seiner Theorie stand. Obwohl Eccles einer der schärfsten Kritiker der Theorie einer chemischen Vermittlung gewesen war, hatte er seine eigene Theorie somit als erster klar widerlegen können und akzeptierte die Wirksamkeit der chemischen Übertragung nun auch für das zentrale Nervensystem.

Philosophische Position

Eccles beschäftigte sich auch philosophisch mit dem Problem des Bewusstseins. Für ihn stand fest, dass nur der Mensch ein „Ich-Bewusstsein“ besitzt. Dieses sei von Zeugung an im Menschen angelegt und entwickle sich durch die Beziehung zur Außenwelt in den ersten Lebensjahren. Eccles lehnte einen strikten Materialismus, also die Position, das Bewusstsein lasse sich auf rein physikalische und chemische Prozesse zurückführen, ab. Er verglich etwa das Gehirn mit einem Computer und das „Ich“ mit dessen Programmierer. Seine Vorstellung von der Interaktion zwischen Gehirn und immateriellem Bewusstsein stellte Eccles in den 1970er Jahren zusammen mit dem Philosophen Karl Popper in dem Buch The Self and its Brain vor (deutsch: Das Ich und sein Gehirn). Er griff dabei auf Poppers Drei-Welten-Lehre zurück und behauptete, dass es bestimmte Regionen in der linken Gehirnhälfte gebe, die eine Interaktion der materiellen „Welt 1“ mit der mentalen „Welt 2“ ermöglichten.[3]

Vermutungen, wie diese Interaktion ablaufen könnte, stellte Eccles erst in hohem Alter an, angeregt von Ideen des deutschen Physikers und Philosophen Henry Margenau. Er postulierte, dass kleinste Prozesse auf Ebene der Quantenphysik hinreichend seien, um die Ausschüttung von Neurotransmittern zu beeinflussen und schloss, dass die Wirkung eines energie- und masselosen Geistes auf das Gehirn somit durch eine Beeinflussung der quantenmechanischen Wahrscheinlichkeitsfelder erklärbar werde. Kritiker weisen darauf hin, dass dieser Vorschlag das Erklärungsproblem des Interaktionismus nur verlagere, da nunmehr die Art der Interaktion zwischen Geist und Wahrscheinlichkeitsfeld ungeklärt sei.[4] Trotz eines enormen Respekts vor seinem wissenschaftlichen Lebenswerk wird Eccles’ Position zum Leib-Seele-Problem, aus der er auch Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod schöpfte, heute zumeist als unplausibel betrachtet[5] und als Beispiel dafür gesehen, wie stark das Denken vieler Hirnforscher von religiösen Überzeugungen und von einem interaktionistischen Dualismus im Sinne René Descartes geprägt sei.[6]

Schriften

  • Reflex Activity of the Spinal Cord. 1932.
  • The neurophysiological basic of the mind: The principles of neurophysiology. Oxford: Clarendon 1953.
  • The Physiology of Nerve Cells. 1957.
  • The Physiology of Synapses. Berlin 1964.
  • The brain and the unity of conscious experience. London: Cambridge University Press 1965.
  • The Inhibitory Pathways of the Central Nervous System. 1969.
  • Facing reality: Philosophical Adventures by a Brain Scientist. Berlin: Springer 1970.
  • The Understanding of the Brain. 1973.
  • The Self and Its Brain., mit Karl Popper, Berlin: Springer 1977.
    • Das Ich und sein Gehirn. München 1982, ISBN 3-492-21096-1; Neuausgabe München und Zürich 1989
  • The Human Mystery. The Gifford Lectures 1977–78, Berlin: Springer 1979.
  • The Human Psyche. 1980.
  • The Wonder of Being Human - Our Brain & Our Mind., with Daniel N. Robinson, New York, Free Press 1984.
  • Mind and Brain: The Many-Faceted Problems., (Editor), New York: Paragon House 1985.
  • Evolution Of The Brain : Creation Of The Self. 1989.
  • Wie das Selbst sein Gehirn steuert. Berlin 1994.
  • Das Gehirn des Menschen. Piper Verlag München 1975, Neuausgabe 1990, Lizenz Seehamer Verlag Weyam 2000.
  • Die Evolution des Gehirns – die Erschaffung des Selbst. München 2002, ISBN 3-492-23709-6.

Siehe auch

Weblinks

Commons: John Carew Eccles - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Susanne Hahn: Eccles, Sir John Carew. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 333.
  2. siehe Seite über den Nachlass beim Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, abgerufen 28. Januar 2018
  3. M. R. Bennett und P. M. S. Hacker: Philosophical Foundations of Neuroscience. Blackwell Publishing, 2003, ISBN 1-4051-0838-X, S. 50f.
  4. Rafael Ferber: Philosophische Grundbegriffe 2. Becksche Reihe, 2003, ISBN 3-406-49462-5, S. 108f.
  5. vgl. exemplarisch die Argumentation von Max Bennett und Peter Hacker: Philosophical Foundations of Neuroscience. Blackwell Publishing, 2003, ISBN 1-4051-0838-X, S. 49–57
  6. vgl. die Zusammenfassung kritischer Stimmen in Peter Düweke: Kleine Geschichte der Hirnforschung. Von Descartes bis Eccles. Becksche Reihe, 2001, ISBN 3-406-45945-5, S. 174


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