Honore de Balzac und Auf der Suche nach der verlorenen Zeit: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:MS A la recherche du temps perdu.jpg|frame|right|Gedruckter Vorabzug mit handschriftlichen Notizen von ''À la recherche du temps perdu: Du côté de chez Swann'']]


[[Eugenie Grandet]] [[Vater Goriot]] [[Verlorene Illusionen]] [[Glaz und Elend der Kurtisanen]] [[Das Chagrinleder]] '''Honoré de Balzac''' (* [[Wikipedia:20. Mai|20. Mai]] [[Wikipedia:1799|1799]] in [[Wikipedia:Tours|Tours]]; † [[Wikipedia:18. August|18. August]] [[Wikipedia:1850|1850]] in [[Wikipedia:Paris|Paris]]) war ein französischer Schriftsteller. In den Literaturgeschichten wird er, obwohl er eigentlich zur Generation der [[Wikipedia:Romantik|Romantiker]] zählt, mit dem 17 Jahre älteren [[Wikipedia:STendhal|Stendhal]] und dem 22 Jahre jüngeren [[Wikipedia:Flaubert|Flaubert]] als Dreigestirn der großen Realisten gesehen. Sein Hauptwerk ist der rund 88 Titel umfassende, aber unvollendete [[Wikipedia:Roomanzyklus|Romanzyklus]] ''La Comédie humaine'' (dt.: ''[[Wikipedia:Die menschliche Komödie|Die menschliche Komödie]]''), dessen Romane und Erzählungen ein Gesamtbild der Gesellschaft im Frankreich seiner Zeit zu zeichnen versuchen.
'''Auf der Suche nach der verlorenen Zeit''' (frz. Originaltitel: ''À la recherche du temps perdu'', erschienen zwischen 1913 und 1927) ist ein siebenteiliger Roman von [[Wikipedia:Marcel Proust|Marcel Proust]]. Er erzählt die Geschichte von Prousts eigenem Leben als allegorische Suche nach der Wahrheit und ist das Hauptwerk der französischen Romanliteratur des frühen 20. Jahrhunderts.<ref>''[https://www.britannica.com/topic/In-Search-of-Lost-Time In Search of Lost Time]''. In: ''Encyclopædia Britannica''.</ref>


== Leben ==
Als Proust im Januar 1909 einen Zwieback (welcher im Roman zu einer Madeleine wird) in seinen Tee taucht, wird er unwillkürlich in seine Kindheit zurückversetzt. Im Juli zieht er sich von der Welt zurück, um seinen Roman zu schreiben, von dem der erste Entwurf im September 1912 fertig wird. Der erste Band ''Du côté de chez Swann'' (1913; deutsch: ''In Swanns Welt'', auch: ''Auf dem Weg zu Swann'') wurde von Verlagshäusern aus verschiedenen Gründen abgelehnt und erschien auf eigene Kosten im November 1913. Zu diesem Zeitpunkt waren von Proust nur drei Bände geplant.


=== Kindheit und Jugend ===
Während der Kriegsjahre überarbeitete Proust den Rest seines Werkes, vertiefte seine Empfindungen, Struktur und Interpretation, entwickelte die realen und satirischen Elemente weiter und verdreifachte seine Länge. Auf diese Weise verwandelte er es zu einer der tiefgründigsten Leistungen der menschlichen Vorstellungskraft. Im Juni 1919 erschien ''À l'ombre des jeunes filles en fleurs'' (1919; ''Im Schatten junger Mädchenblüte'') zeitgleich mit einer Neuauflage von ''Swann''. Im Dezember 1919 erhielt ''À l'ombre'' den Prix Goncourt und machte Proust auf einen Schlag berühmt. Zwei weitere Bände wurden noch zu Lebzeiten veröffentlicht und profitierten von seiner letzten Überarbeitung: ''Le Côté de Guermantes'' (1920/1921; ''Die Welt der Guermantes'') und ''Sodome et Gomorrhe'' (1921/1922; ''Sodom und Gomorra''). Die letzten drei Teile von ''À la recherche'' erschienen posthum in einer fortgeschrittenen aber noch nicht fertigen Bearbeitung: ''La Prisonnière'' (1923; ''Die Gefangene''), ''Albertine disparue'' (1925; ''Die Entflohene'') und ''Le Temps retrouvé'' (1927; ''Die wiedergefundene Zeit''). Die erste zuverlässige Gesamtausgabe erschien erst 1954.


Honoré Balzac (so sein Geburtsname) war, da ein 1798 geborener Bruder schon im Säuglingsalter starb, ältestes Kind von Bernard-François Balzac (1746–1829), einem Bauernsohn aus dem südwestfranzösischen Département [[Wikipedia:Tarn (Département)|Tarn]], und von Anne-Charlotte-Laure Sallambier (1778–1854), einer Pariserin aus gutbürgerlicher Familie. Der Vater, der es schon vor der [[Wikipedia:Französische Revolution|Revolution]] vom Notariatsangestellten zum Sekretär eines hohen Beamten gebracht hatte, war nach 1789 Sekretär eines Marineministers und dann leitender Beamter in der Verwaltung der Revolutionsarmee geworden. Schon um 1780 hatte er seinen eigentlichen Namen ''Balssa'' französisiert zu ''Balzac'', das er spätestens ab 1803 gern mit einem ''de'' verzierte. Erst 1797 hatte er mit 50 geheiratet. Seine Frau, eine offenbar hübsche und gebildete Person, war bei ihrer Heirat 19.  
== Handlung ==
Ein Ich-Erzähler berichtet von seinem Leben und vom Vorgang des Sich-Erinnerns.  


Die Mutter gab den neugeborenen Honoré sowie danach auch seine 1800 und 1802 geborenen Schwestern Laure und Laurence zu Ammen in Pflege. 1807, einige Monate bevor sie einen offenbar außerehelich empfangenen Sohn zur Welt brachte, schickte sie ihren eben achtjährigen Ältesten in ein Internat der [[Wikipedia:Oratorianer|Oratorianer]] in [[Wikipedia:Vendôme|Vendôme]]; ein Schulfreund war [[Wikipedia:Auguste Barchou de Penhoën|Auguste Barchou de Penhoën]]. Von dort wechselte er mit 13, sitzengeblieben und kränkelnd, in eine Pariser [[Wikipedia:Schülerpension|Schülerpension]] und besuchte, wiederum nur wenig erfolgreich, das [[Wikipedia:Lycée Charlemagne|Lycée Charlemagne]]. Insgesamt erlebte Balzac im Rückblick seine Kindheit und Jugend als freudlos und entwickelte einen tiefsitzenden Groll gegen seine Mutter.
Der Roman spielt im Frankreich des Fin de siècle in der gehobenen Gesellschaft. Der Ich-Erzähler stammt aus einer Familie des Pariser Bürgertums, die den Sommer üblicherweise bei Verwandten auf dem Land verbringt. Hier erlebt er eine glückliche Kindheit und lernt Personen kennen, die in seinem weiteren Leben eine Rolle spielen werden, etwa den Kunstliebhaber Swann, dessen Tochter Gilberte, oder die lokale Adelsfamilie, die Guermantes.  


1814 erhielt der Vater, der zuletzt in Tours Verwaltungschef des Krankenhauses gewesen war, einen guten Posten in Paris, und die Familie zog um in die Hauptstadt. Hier beendete Balzac 1816 seine Schulzeit und nahm ein Jurastudium an der Juristischen Hochschule ''(École de Droit)'' auf. Er besuchte jedoch auch Vorlesungen an der Pariser Philosophisch-philologischen Fakultät ''(Faculté des lettres)'' und am [[Wikipedia:Collège de France|Collège de France]] und begann, nebenher philosophische Überlegungen zu Papier zu bringen. Ab 1817 arbeitete er zudem stundenweise als Schreib- und juristische Hilfskraft, zunächst bei einem Anwalt (wo er den späteren Komödienautor [[Wikipedia:Eugène Scribe|Eugène Scribe]] als Kollegen hatte) und dann bei einem mit der Familie befreundeten Notar.
Als er alt genug ist, einen Beruf zu wählen, weckt ein Theaterbesuch in ihm das Interesse für Kunst und er will Schriftsteller werden. Allerdings hindern ihn seine schwache Gesundheit und seine Trägheit daran, ein literarisches Werk zu schaffen. Er erlebt bei der genauen Beobachtung der Natur aber immer wieder Augenblicke höchster Konzentration, die er gerne verarbeiten würde, nur kommt er niemals dazu.


=== Die Anfänge als Schriftsteller und erste Schulden ===
Der Erzähler verbringt die Sommerfrische in dem fiktiven Badeort Balbec, ein Großteil der Handlung spielt im dortigen Grandhotel. Vorbild für Balbec ist der Badeort Cabourg an der Küste der Normandie, in dessen Grandhotel Proust den Roman schrieb.
Hier verliebt sich der Ich-Erzähler erstmals in die junge Albertine. Er freundet sich auch mit dem Marquis de Saint-Loup an, der mit der Familie Guermantes verwandt ist.


Anfang 1819 legte er das ''baccalauréat en droit'' ab, die Zulassungsprüfung für den letzten Studienabschnitt vor der ''licence'', dem eigentlichen Abschluss. Nach Vorlesungsende im Sommer brach er jedoch das Studium ab, denn er hatte beschlossen, Schriftsteller zu werden. Nachdem sich der Vater bereitgefunden hatte, ihm zwei Probejahre zu finanzieren, zog Balzac in eine kleine Dachwohnung und begann zu schreiben. Das Ergebnis war allerlei [[Wikipedia:Feuilleton|Feuilletonistisches]] und Lyrisches, Fragmente eines Opernlibrettos und einer Tragödie.
In der Folge steigt der Ich-Erzähler in der Welt des Adels auf und besucht die Salons. Hier macht er sich über das leere Geplauder der Menschen lustig, aber er ist auch fasziniert und kann sich nicht von ihnen trennen, um sein Werk zu schaffen.  
Die politischen Affären seiner Zeit interessieren ihn kaum. Er bekommt nur mit, dass die Dreyfus-Affäre es manchen Personen erlaubt, gesellschaftlich aufzusteigen, während sie andere zum Abstieg zwingt.


1821 lernte er den schon erfahreneren Autor Auguste Lepoitevin kennen. Mit ihm zusammen und unter dessen Pseudonym „Viellerglé“ produzierte er in den Folgejahren mehrere Romane, versuchte es daneben aber auch mit eigenen, die er unter dem Pseudonym „Lord R’Hoone“ oder „Horace de Saint-Aubin“ zeichnete.
Nach einer ersten Liebe zu Gilberte wird er schließlich der Geliebte Albertines, wobei er aber kein Glück findet, sondern wegen seiner Eifersucht sehr leidet und auch ihr das Leben zur Hölle macht. Die Entwicklung seiner Gefühle schildert er minutiös. Albertine verlässt ihn am Ende und stirbt bei einem Reitunfall, weswegen er sich Vorwürfe macht.


1822 machte er die Bekanntschaft der 45-jährigen Mme de Berny, die seine erste Geliebte wurde und ihm eine ''éducation sentimentale'' angedeihen ließ. Sie blieb ihm bis kurz vor ihrem Tod 1836 als mütterliche Freundin verbunden.
Während des Ersten Weltkrieges bleibt er wegen [ehruntauglichkeit in Paris. Sein Freund Saint-Loup fällt im Krieg.
Lange nach dem Krieg besucht er ein letztes Mal eine Gesellschaft. Er ist jetzt alt und krank und merkt, dass er die Personen, die er einst kannte, kaum wiedererkennt, so sehr haben sie sich verändert. Außerdem scheinen sie völlig vergessen zu haben, wer früher angesehen war und wer nicht. Die Guermantes wurden vergessen, und früher verachtete Neureiche werden gefeiert.


1823 versuchte sich Balzac erneut als Dramatiker mit dem Stück ''Le Nègre'', das aber nicht angenommen wurde. Ein weiterer Ausflug in ein anderes Genre, das [[Wikipedia:Epos|epische Gedicht]] ''Fœdora'', wurde nicht fertig. Nebenher schrieb er Kritiken für das ''Feuilleton littéraire'' des jungen Publizisten [[Wikipedia:Horace Raisson|Horace Raisson]], mit dem zusammen er auch andere literarische Projekte verfolgte. Immerhin verdiente er inzwischen mit seiner Feder so viel, dass er in der Lage war, seinen Eltern 100 Franc Kostgeld monatlich zu zahlen, ein gewisses gesellschaftliches Leben zu führen und Reisen zu den Landsitzen adeliger oder großbürgerlicher Gastgeber zu unternehmen.
Der Ich-Erzähler bemerkt, dass die Vergangenheit einzig in seiner Erinnerung existiert. Er erkennt am Ende seines Lebens, dass er über seinen Liebesaffären und Kontakten zu belanglosen Menschen nie die Zeit und die Mühe aufbrachte, das Kunstwerk zu schaffen, das er sich vorgenommen hatte. Die letzte Möglichkeit ist, den Roman seiner Erinnerungen zu schreiben, die mit seinem Tod sonst unwiederbringlich verloren gingen. Und so endet der Roman, indem der Autor beginnt, ihn zu schreiben.


Den erhofften Durchbruch als Autor schaffte er trotz seiner fleißig fortgesetzten Romanproduktion jedoch weiterhin nicht. Ende 1824 scheint er deshalb in eine [[Wikipedia:Depression|Depression]] verfallen zu sein. Auch nachträglich haben seine Jugendwerke keine Geltung erlangt, obwohl er darin oft schon Themen behandelt, z.&nbsp;B. das Streben nach Anerkennung und Geld, und Typen gestaltet, z.&nbsp;B. den energiegeladenen jungen Aufsteiger, die später typisch für ihn waren.
"Verlorene Zeit“ kann damit mehrdeutig verstanden werden:
* als Zeit, die als vergeudet scheint;
* als Zeit, die unwiederbringlich verloren scheint, wenn sie nicht in der Erinnerung oder in einem Kunstwerk konserviert wird;
* als Erinnerung oder Imaginationen, die Namen oder Gegenstände hervorrufen.


Anfang 1825 lernte er über seine Schwester Laure in [[Wikipedia:Versailles|Versailles]] die [[Wikipedia:Laure-Adelaide Abrantès|Duchesse d’Abrantès]] kennen, die ein Verhältnis mit ihm einging und ihm Einblicke in die Welt des zeitgenössischen Adels verschaffte. Im August starb mit 23 seine jüngste Schwester, Laurence de Montzaigle, deren 1821 geschlossene Ehe unglücklich gewesen war. Im Herbst begann Balzac hieraufhin ein leicht zynisches und illusionsloses Ehehandbuch für noch ledige Männer: ''Physiologie du mariage'', das er jedoch erst 1829 fertigstellte und anonym publizierte.
<blockquote>
„Die verlorene Zeit ist die Zeit, die uns unwiederbringlich verloren erscheint. Das ist ja der Sinn des Romans. Wir haben dort jemanden, der auf der Suche nach etwas ist, nach einer Wahrheit im Leben, nach einem Sinn im Leben, der gerne Schriftsteller werden will, aber gar kein Thema hat und nicht so recht weiß, wo es lang läuft. Und diese unwillkürlichen Erinnerungserlebnisse zeigen ihm, was Materie eines Buches sein könnte, seines Buches dann wird. Insofern ist es dann eine wiedergefundene Zeit, denn der letzte Band heißt ja „Le temps retrouvé“, die wiedergefundene Zeit.“<ref>Der Literaturwissenschaftler und Vizevorsitzende der Proust-Gesellschaft in Deutschland Jürgen Ritte im Interview über den literarischen Meister Marcel Proust: [http://www.deutschlandradiokultur.de/interview-mit-proust-forscher-ein-universum-von-erinnerungen.954.de.html?dram:article_id=268455]</ref>
</blockquote>


Ebenfalls 1825 versuchte sich Balzac als Compagnon eines Pariser Verlegers und gab je eine illustrierte und kommentierte [[Wikipedia:Molière|Molière]]- und [[Wikipedia:Jean de La Fontaine|La-Fontaine]]-Ausgabe heraus. Auf den Geschmack als Verleger gekommen, kaufte er 1826 mit Darlehen Mme de Bernys und vor allem seiner Mutter eine Druckerei, der er 1827 eine Letterngießerei angliederte. Schon 1828 jedoch musste er infolge einer von England nach Frankreich überspringenden Wirtschaftskrise Konkurs anmelden, die Gießerei an den Sohn Mme de Bernys abtreten und die Druckerei schließen. Er blieb lebenslang Schuldner seiner Mutter, die seinen Vater († 1829) und ihn selbst überlebte. Immerhin hatte er in seiner Eigenschaft als Verleger Kontakt zu mehreren Autoren der Schule der Romantiker erhalten, darunter [[Wikipedia:Victor Hugo|Victor Hugo]] und [[Wikipedia:Alfred des Vigny|Alfred de Vigny]].
=== ''Eine Liebe Swanns'' ===
''Un amour de Swann'' ist der Mittelteil des ersten Bandes und fällt formal aus dem Rahmen der Recherche, denn diese in sich abgeschlossene Erzählung ist aus der Perspektive eines [[Wikipedia:Auktorialer Erzähler|auktorialen Erzählers]] in der Er-Form geschrieben, während der sonstige Roman ausschließlich eine Ich-Erzählung ist.


=== Die Zeit des Erfolgs ===
''Eine Liebe von Swann'' schildert minutiös die Entwicklung der Liebe des Lebemanns Swann zu der Kurtisane Odette de Crécy. Swann interessiert sich anfangs kaum für sie, allmählich kommen sich die beiden dennoch näher. Seine Zuneigung findet neue Nahrung, als er in ihr das Ebenbild Sephoras, einer der Töchter Jethros, erkennt, wie sie auf Botticellis Fresko in der Sixtinischen Kapelle dargestellt ist. Als sich ihre Beziehung einspielt, beginnt Odette, Swann gegenüber anderen Kontakten – vor allem dem Zirkel der Verdurin – zurückzustellen, und entfacht damit seine Eifersucht. Swanns Eifersucht steigert in einer Art von Rückkopplung wiederum seine Liebe zu Odette. Dieser Kreislauf endet erst, als sie ihm wieder gleichgültig wird. Ungeachtet dessen begegnet Odette dem Leser später als Swanns Frau und Mutter von Gilberte.


In der Folgezeit konzentrierte sich Balzac wieder auf das Schreiben. 1829 hatte er endlich Erfolg mit ''Le dernier Chouan, ou La Bretagne en 1800'' (später überarbeitet und umbenannt in ''Les Chouans, ou La Bretagne en 1799''). Es ist ein [[Wikipedia:Historiscehr Roman|historischer Roman]] nach der neuen Machart [[Wikipedia:Walter Scott|Walter Scotts]], der mit einem jungen Adeligen als Protagonisten das tragische Ende eines der letzten königstreuen Widerständler gegen das Revolutionsregime schildert. ''Les Chouans'' war zugleich das erste Werk, das Balzac mit seinem Namen zeichnete. Diesem setzte er rasch ein „de“ voran, als ihm der Erfolg die Pariser Salons zu öffnen begann.
In der Erzählung werden viele Motive vorweggenommen, die in der „Suche“ dann ausführlicher ausgebreitet werden. Kunst spielt bereits hier eine wichtige Rolle; die eifersüchtige Liebe Swanns entspricht der Liebe des Ich-Erzählers zu Gilberte und Albertine. Swann wird durch die Liebe und das mondäne Salonleben daran gehindert, ein bleibendes Werk zu schaffen – ähnlich wie der Ich-Erzähler, dem das im letzten Moment allerdings doch noch gelingt. Nicht zuletzt wird in der „kleinen Phrase“, einer Melodie, die Swann gemeinsam mit Odette hört und die beim erneuten Hören seine Erinnerungen weckt, bereits die unwillkürliche Erinnerung angedeutet.


In den nächsten Jahren führte er eine äußerst vielfältige und bewegte Existenz. So gründete er 1830, im Jahr der [[Wikipedia:Julirevolution von 1830|Julirevolution]], mit dem späteren Zeitungsmagnaten [[Wikipedia:Émile de Girardin|Girardin]] eine politische Zeitschrift. 1831 und nochmals 1832 erwog er, für ein Abgeordnetenmandat zu kandidieren, beschränkte sich dann jedoch auf eine Rolle als sehr aktiver Journalist, wobei er 1835 Mehrheitsaktionär einer politischen und literarischen Zeitschrift wurde, die jedoch schon 1836 einging. Seine politische Position rückte in diesen Jahren deutlich nach rechts, denn 1832 hatte der pseudoadelige Bourgeois über eine adelige Freundin, die Marquise de Castries, Anschluss an Kreise der Legitimisten gefunden, die den 1830 zurückgetretenen [[Wikipedia:Karl X. (Frankreich)|Charles X]] weiterhin als legitimen König betrachteten und sich dem neuen [[Wikipedia:Ludwig Philipp (Frankreich)|„Bürgerkönig“ Louis-Philippe]] verweigerten.
== Strukturen ==
Inhaltlich ist der Roman wie ein großes Labyrinth, in dem Personen und Themen immer
wieder auftauchen, um dann wieder vergessen zu werden. Es gibt aber einige Prinzipien,
die den Roman strukturieren.


Daneben war Balzac viel unterwegs, um Gast in den Sommerresidenzen vornehmer Leute zu sein oder einer der zahlreichen, meist verheirateten Damen zu folgen, mit denen er Verhältnisse anstrebte oder unterhielt, wie [[Wikipedia:Laure des Berny|Laure de Berny]] (1777–1836), [[Wikipedia:Zulma Carraud|Zulma Carraud]] (1796–1889); [[Wikipedia:Laure Junot d'Abrantès|Laure Junot d'Abrantès]] (1784–1838), [[Wikipedia:Olympe Pélissier|Olympe Pélissier]] (1799–1878), [[Wikipedia:Claire de Maillé de La Tour-Landry|Claire de Maillé de La Tour-Landry]] (La duchesse de Castries, 1796–1861), [[Wikipedia:Marie du Fresnay|Marie du Fresnay]] (1809–1892), [[Wikipedia:Frances-Sarah Guidoboni-Visconti|Frances-Sarah Guidoboni-Visconti]] (1804–1883) und [[Wikipedia:Caroline Marbouty|Caroline Marbouty]] (1804–1890). Hierbei wurde er offenbar auch Vater außerehelich gezeugter Kinder, und zwar 1834 einer Marie du Fresnay und 1836 eines Lionel-Richard Guidoboni-Visconti.
=== Erinnerung ===
''Auf der Suche nach der verlorenen Zeit'' ist ein Roman der Erinnerungen. Dabei unterscheidet der Autor zwischen bewusster Erinnerung, die immer unvollständig und oft beängstigend ist, und unwillkürlicher Erinnerung. Berühmtestes Beispiel ist dabei die Madeleine (ein jakobsmuschelförmiges Gebäck), die der Hauptperson als Erwachsenem von seiner Mutter serviert wird und deren Geschmack ihm die Fülle seiner Kindheitserlebnisse mit allen Bildern, Klängen, Geschmäckern und Gerüchen wieder vergegenwärtigt. Diese so genannte unwillkürliche Erinnerung ist dabei einerseits psychisches Erlebnis (im Sinne von Déjà-vu-Erlebnissen), andererseits ein literarischer Kniff, der es dem Erzähler erlaubt, Assoziationsketten zu beginnen.


[[Datei:MadamHanska (cropped).jpg|mini|225px|Comtesse Evelyne Hańska und ihr Hund, 1835; im Schloss Saché ausgestellte Kopie nach Ferdinand Georg Waldmüller.]]
<blockquote>
1832 begann die polnische Gräfin [[Wikipedia:Ewelina Hańska|Ewelina Hańska]] eine langjährige Korrespondenz mit Balzac. Im September 1833 kam es im Schweizerischen [[Wikipedia:Neuchâtel (Stadt)|Neuchâtel]] zu einer ersten Begegnung zwischen Hanska und Balzac, im Dezember zu einem weiteren Treffen in [[Wikipedia:Genf|Genf]] und wieder 1835 in [[Wikipedia:Wien|Wien]].  
„Er misstraut der willentlichen Erinnerung, das ist die große Entdeckung Prousts gewesen: Man kann sich willentlich an etwas erinnern, aber alles das, was willentlich geschieht, ist im Grunde genommen nur eine verfälschte Erinnerung. Die wahre Erinnerung, die wahre Empfindung, so, wie es wirklich war, das ist die Offenbarung durch die berühmte unwillkürliche Erinnerung, die mémoires involontaires, das sind so Déjà-vu-Erlebnisse, die man hat.
</blockquote>


Nach dem Erfolg der ''Chouans'' passabel bezahlt und zunehmend anerkannt, verfasste Balzac zahlreiche Erzählungen und Romane, die in der Regel zunächst fortsetzungsweise in Zeitschriften herauskamen, ehe sie in Buchform erschienen. Schon früh entwickelte er die Gewohnheit, jeweils mehrere schon gedruckte Werke unter Gruppentiteln zusammengefasst nochmals zu vermarkten, so 1830 die zweibändigen ''Scènes de la vie privée'' (mit u.&nbsp;a. ''La Maison du chat qui pelote'' und ''Gobseck''), 1831 die ''Romans et contes philosophiques'' (mit u.&nbsp;a. ''La Peau de chagrin''), 1832 einen ersten Band ''Contes drôlatiques'' und 1833 die zweibändigen ''Scènes de la vie de Province'' (mit u.&nbsp;a. ''Eugénie Grandet'').
=== Leitmotive ===
Das auffälligste Strukturprinzip ist das Stilmittel Leitmotiv durch Wiederholungen und Abwandlungen von Themen und literarischen Motiven. Liebesbeziehungen des Erzählers, die immer nach dem gleichen Schema ablaufen, werden sehr häufig beschrieben. Ein anderes Beispiel ist eine bestimmte Eisenbahnstrecke. Als Kind liest die Hauptperson im Fahrplan die Namen der Städte an dieser Strecke und macht sich Vorstellungen anhand dieser Ortsnamen. Später fährt er tatsächlich mit diesem Zug, und ein Bekannter macht etymologische Bemerkungen über die Namen der Orte, wobei die scheinbar wissenschaftliche Exaktheit kaum kaschiert, dass es sich auch hierbei um reine Phantasie handelt.


Im Oktober 1833 schloss Balzac einen Verlagsvertrag, wonach er aus vorhandenen und noch zu schreibenden Werken eine drei mal vier (also insgesamt zwölf) Bände umfassende Sammlung von „Szenen“ zu erstellen hatte, die unter dem Generaltitel ''Études de mœurs au XIXe siècle'' erscheinen sollten. Noch 1833 lieferte er zwei Bände ''Scènes de la vie de province'', 1834 begann er die ''Scènes de la vie parisienne''.
=== Das Menschenbild ===
Jean Firges fasst das Werk 2010 in anthropologischer Sicht zusammen.<ref>Firges, Jean (2009): Margel Proust: Die verlorene Zeit - Die wiedergefundene Zeit. Sonnenberg Verlag Annweiler.</ref> Die diesbezüglichen Voraussetzungen des Weltbilds sind nach Firges bei Proust:
* Das Subjekt ist in einer [[Wikipedia:Monade (Philosophie)|Monadenstruktur]], ohne ein Fenster nach draußen, eingeschlossen;
* das Ich ist zergliedert in vielfache [[Wikipedia:Bewusstseinszustand|Bewusstseinszustände]], die sich ständig verändern;
* die Zeit verläuft nicht linear, sondern diskontinuierlich.


Im selben Jahr 1834 hatte er beim Schreiben eines seiner besten Romane, ''Le Père Goriot'' ([[Wikipedia:Vater Goriot|Vater Goriot]]), die Idee, die Figuren seiner bis dahin verfassten und der künftigen erzählenden Werke immer wieder neu auftreten zu lassen, um mit ihnen und um sie herum eine überschaubare Welt entstehen zu lassen. Wirklich schuf er so im Lauf der Zeit ein Universum von gut 2000 Figuren, die zugleich Repräsentanten der nachrevolutionären französischen Gesellschaft sein sollten und in der Tat eine plastische Vorstellung vom Leben zumindest der zeitgenössischen bürgerlichen und adeligen Schichten samt ihrer Domestiken vermitteln.
Der Roman schildert die obere Gesellschaft der [[Wikipedia:Dritte Republik Frankreich|Dritten Republik]], die deren menschlichen Bedingungen unterworfen ist, als eine Welt der Lüge, der Verstellung und der Dekadenz.


Im Sinne dieser Idee wählte Balzac, als er 1841 mit einer Verlegergruppe eine neue Gesamtausgabe seines vorhandenen und geplanten erzählerischen Œuvres vereinbarte und diese 1842 mit drei ersten Bänden eröffnete, den Obertitel ''La Comédie humaine''. Hierbei sollten die einzelnen Romane und Erzählungen nicht nur zu Großgruppen zusammengefasst werden (''Études philosophiques'', ''Études analytiques'' und ''Études de mœurs''), sondern auch noch zu Untergruppen (''Scènes de la vie privée'' usw.).
=== Prosagedichte ===
Besonders die Naturschilderungen sind oft so ausgearbeitet, dass sie sich fast zu Prosagedichten entwickelt haben.


Zur Verwirklichung dieses Projektes schrieb Balzac in den nächsten Jahren wie besessen. Sein infernalischer Arbeitsrhythmus (oft 15 bis 17 Stunden am Tag), den er wie symbolisch in einer Art Mönchskutte absolvierte, und sein enormer Kaffeeverbrauch (bis zu 50 Tassen in der Arbeitszeit) wurden legendär.
=== Pastiches ===
Zur eigenen Stilfindung hatte Proust mehrere sogenannte Pastiches geschrieben, z.B. zu Gustave Flaubert und Ernest Renan. Gegen den Literaturkritiker Charles-Augustin Sainte-Beuve argumentierte Proust, dass sich ein literarisches Werk nicht in erster Linie über den Autor erklären ließe. Aus einem 1908 dazu begonnenen Essay ergaben sich dann Prousts umfangreiche Recherchen zum Stil verschiedener Künstler, deren Ergebnisse zu fiktiven Gestalten (wie dem Musiker Vinteuil, dem Maler Elstir oder dem Architekt Bergson) wieder auftauchen und diese Figuren absichtlich so dargestellt werden, dass der Leser nicht durch ihr Verhalten oder ähnliches darauf kommt, wer sie sind.<ref>Siehe dazu umfangreich insbesondere in: Milly, Jean (1970): Les Pastiches de Proust. Librairie Armand Colin; sowie Milly, Jean (1970): Proust et le style. Slatkine Genève.</ref>


Die außergewöhnliche Vitalität und Schaffenskraft Balzacs beschränkten sich nicht auf seine literarische Aktivität als Erzähler, Journalist und gelegentlicher (stets erfolgloser) Dramatiker.<ref>Bei der Realisierung der Dramen zog er auch Mitarbeiter heran, wie bei ''Vautrin'' (1840) seinen Freund ud Mitarbeiter Laurent-Jan; Edouard Ourlic und Auguste-Guillaume de Belloy sprangen schnell ab. Vgl. Mauriac: ''Prometheus oder das Leben Balzacs''. Econ, 1966, S. 369 f.</ref> Vielmehr war er ein Lebemann, der trotz seiner ständig wachsenden Schulden einen luxuriösen Lebensstil mit Kutsche, guter Kleidung, eleganten Wohnungen und sogar einem Landsitz zu unterhalten versuchte und ein aufwendiges gesellschaftliches Leben pflegte. Auch hatte er bis etwa 1843 fast ständig Geliebte, wobei er es immer wieder schaffte, aufopferungswillige und oft auch zu finanziellen Hilfeleistungen bereite Frauen aus den besten Kreisen an sich zu binden.
=== Beschreibungen ===
Proust widmet seinen präzisen Beschreibungen besondere Aufmerksamkeit. Er kann sich seitenlang über die Kleider einer Frau oder über eine Blüte auslassen. Sein Ziel ist es dabei, Vergangenheit im Kunstwerk zu bewahren. Die Beschreibungen können auch als Schule für den Leser verstanden werden, selbst durch genauestes Beobachten Schönheit in ihrem scheinbar grauen Alltag zu entdecken.


=== Gründung des Schriftstellerverbandes ===
=== Stil ===
Proust ist bekannt für seine langen Sätze (genannt „Proustsche Perioden“) und die exzessive Verwendung des Konjunktivs. Außerdem erfordert das Netz von Anspielungen und Motivwiederholungen, das Proust ausbreitet, sehr viel Aufmerksamkeit von seinen Lesern.


1838 wurde von ihm, [[Wikipedia:Victor Hugo|Victor Hugo]], [[Wikipedia:Alexandre Dumas der Ältere|Alexandre Dumas]] und [[Wikipedia:George Sand|George Sand]] die ''Société de Gens de Lettres'' gegründet, der erste französische Schriftstellerverband. Balzac steuerte den bedeutenden Grundentwurf bei, den ''Code littéraire de la Société des Gens de Lettres'', der erstmals die Urheberrechte der Schriftsteller an ihren Werken postulierte. Balzac hatte sehr persönliche Gründe, sich hier zu engagieren, da nach Veröffentlichung eines seiner Werke in Frankreich dieses immer in Belgien nachgedruckt und wesentlich billiger in hohen Auflagen in ganz Europa vertrieben wurde, ohne dass er einen Anteil davon bekam. Wegen Meinungsverschiedenheiten zog er sich jedoch aus der Vereinigung bald zurück.
== Siehe auch ==


=== Die letzten Jahre ===
* {{WikipediaDE|Marcel Proust}}
* {{WikipediaDE|Auf der Suche nach der verlorenen Zeit}}


[[Datei:Père-Lachaise - Division 48 - Balzac 07.jpg|mini|225px|Grabmal Balzacs]]
== Literatur ==
Spätestens 1843 und verstärkt 1844 bekam er aufgrund seiner ständigen Überanstrengung und seines exzessiven Kaffeeverbrauchs Gesundheitsprobleme. Er versuchte jedoch, sie mit Arbeit zu betäuben oder auf Reisen mit Mme Hańska zu vergessen, die ab 1845 seine feste, allerdings niemals ständig mit ihm zusammenlebende Partnerin wurde. Mit ihr bereiste er in drei Sommern Frankreich, Deutschland, Italien und die Schweiz. Den Winter 1847/48 und das ganze Jahr 1849 verbrachte er mit ihr auf ihrem polnischen Schloss Wierzchownia bei Berditschew im damaligen [[Wikipedia:Russisches Kaiserreich|Russischen Reich]] (heute [[Wikipedia:Berdytschiw|Berdytschiw]] in der Ukraine). Seine Hoffnung, sich dort gesundpflegen zu lassen, erfüllte sich jedoch nicht. Am 14. März 1850 heiratete Balzac seine langjährige Partnerin Ewelina Hańska in Berditschew.
; Bibliographien
 
* Victor E. Graham: ''Bibliographie des études sur Marcel Proust et son œuvre''. Genf: Droz 1976.
Nach mehrwöchiger und offenbar strapaziöser Rückreise nach Paris starb Balzac dort am 18. August 1850. Er wurde auf dem Pariser Friedhof [[Wikipedia:Père-Lachaise|Père-Lachaise]] beigesetzt.<ref>[http://www.findagrave.com/cgi-bin/fg.cgi?page=gr&GRid=51 Balzacs Grab] bei findagrave.com (englisch)</ref> [[Wikipedia:Vicor Hugo|Victor Hugo]] hielt die Trauerrede.
* Reiner Speck, Marie und George Pistorius: ''Marcel Proust und Deutschland: Eine internationale Bibliographie.'' 2., neu bearb. u. erw. Aufl. 2002.
 
Die Aufnahme in die [[Wikipedia:Académie française|Académie française]] war Balzac trotz mehrerer Anläufe (zuletzt in Abwesenheit 1849) nicht vergönnt: Sein Stil, dem in der Tat die Eile anzumerken ist, mit der er schrieb, galt bei der professionellen Literaturkritik der Zeit als zu formlos und damit unseriös. Immerhin wurde Balzac 1845 mit dem Kreuz der Ehrenlegion ausgezeichnet.
 
Aller Wahrscheinlichkeit nach bezog seine Witwe größere Einkünfte aus seiner Schriftstellerei, als er zu seinen Lebzeiten selbst erzielt hatte. Er pflegte nämlich seine im Prinzip recht ordentlichen Honorare ganz erheblich dadurch zu schmälern, dass er auf den Korrekturfahnen (d.&nbsp;h. den Probeausdrucken) seiner Texte so viele Verbesserungen anbrachte, dass das Ganze jeweils neu gesetzt werden musste.
 
Schon zu Lebzeiten wurde Balzac mehrfach von Malern porträtiert. Auch Karikaturisten nahmen ihn häufig aufs Korn. Die heute bekannteste Darstellung ist wohl die Statue, die [[Wikipedia:Auguste Rodin|Auguste Rodin]] zwischen 1893 und 1897 schuf und die im [[Wikipedia:Musée Rodin|Rodin-Museum]] in Paris zu sehen ist.
 
== Balzacs Werk ==
 
Die ''Comédie Humaine'' ([[Wikipedia:Die menschliche Komödie|Die menschliche Komödie]]) sollte Balzacs Lebenswerk werden, das er jedoch nicht mehr vollenden konnte. „Nur“ 91 der geplanten 137 Romane und Erzählungen wurden fertiggestellt.
 
Balzac verband die einzelnen Texte zu einem Zyklus, indem er viele Figuren mehrfach auftreten ließ. Mit dieser literarischen Innovation wollte er ein System schaffen, das seiner Intention entsprach, ein umfassendes (Sitten-)Gemälde seiner Zeit zu entwerfen: „Die Unermesslichkeit eines Planes, der zugleich die Geschichte und die Kritik der Gesellschaft, die Analyse ihrer Übel und die Erörterung ihrer Prinzipien umfasst, berechtigt mich, so scheint es mir, meinem Werk den Titel zu geben, unter dem es heute erscheint: ''›Die menschliche Komödie‹''.“ (Balzac, Vorrede zur menschlichen Komödie)
 
Innerhalb dieses literarischen Spiegelbildes der zeitgenössischen Verhältnisse schrieb Balzac jüdischen Figuren [[Wikipedia:Judenfeindlichkeit|antijüdischen]] Klischees entsprechende Charakteristika zu: Nucingen, einer der großen Bankiers in Paris, wird als habgierig gezeichnet. Nebenbei besitzt er deutsche Wurzeln, wie auch Fritz Brunner aus ''Le Cousin Pons'', dem Balzac ''beaucoup de juiverie'' („ein großes Maß an jüdischer Verschlagenheit/Gerissenheit“) attestiert.<ref>Bernd Kortländer (Hg.): ''Balzac und Deutschland – Deutschland und Balzac''. Narr Verlag, Tübingen 2012, S. 20.</ref>
 
== Wirkung ==
 
Balzacs Erzählweise gilt in der Literaturgeschichte als prototypisch für den traditionellen Roman „à la Balzac“, d.&nbsp;h. einen Roman mit interessanten, nicht eben Durchschnittstypen verkörpernden Protagonisten, einer interessanten und mehr oder minder zielstrebigen Handlung sowie einem eindeutigen Vorherrschen der [[Wikipedia:Auktoriale Erzählsituation|auktorialen Erzählsituation]].
 
Mit seiner relativ ungeschminkten Darstellung der gesellschaftlichen Realität prägte Balzac Generationen nicht nur französischer Autoren und bereitete den [[Wikipedia:Naturalismus (Literatur)|Naturalismus]] vor.
 
Sein Prinzip der Verbindung einer ganzen Serie von Romanen durch ein System wiederkehrender Figuren wurde von [[Wikipedia:Émile Zola|Émile Zola]] in dessen Zyklus der Rougon-Macquart aufgegriffen.
 
== Werke ==
=== Theaterstücke ===
* ''Cromwell'', 1820
* ''Le Nègre'', 1823
* ''Vautrin'', 1840
* ''Paméla Giraud'', 1843
* ''Les Ressources de Quinola'', 1842
* ''La Marâtre'', 1848
* ''Mercadet le faiseur'' (Der Macher), 1840 (1851 posthum uraufgeführt)
 
=== Jugendwerke ===
Die Jugendwerke hat Balzac unter den Pseudonymen Lord R'Hoone und Horace de Saint-Aubin veröffentlicht. Er hat diese Romane auch später nicht anerkannt und sie gehören nicht zur ''Comédie humaine'', in der aber Motive und auch Personen aus diesen Schriften wieder aufgegriffen werden.
 
* ''Sténie'', 1819
* ''Falthurne'', 1822
* ''Le Vicaire des Ardennes'', 1822 (Horace de Saint-Aubin)
* ''L'Héritière de Birague'', 1822 (Lord R'Hoone)
* ''Clotilde de Lusignan'', 1823 (Lord R'Hoone)
* ''Annette et le criminel'', 1824 (Horace de Saint-Aubin)
* ''Le Centenaire ou les deux Beringheld'', 1824 (Horace de Saint-Aubin)
* ''Wann-Chlore'', 1825 (Horace de Saint-Aubin)
 
=== ''La Comédie humaine'' ===
(Chronologische Reihenfolge, Zuordnung zu den ''Scènes'' im Artikel ''[[Wikipedia:Die menschliche Komödie|La Comédie humaine]]'')
 
* ''Le dernier Chouan ou la Bretagne en 1800'', Roman 1829 (dt. Der letzte Chouan oder Die Bretagne im Jahr 1800, 1841)
* ''Physiologie du mariage'', Abhandlung 1829 (dt. Physiologie der Ehe, 1842)
* ''Adieu'', Novelle 1830 (dt. Lebewohl, 1908)
* ''Le bal de Sceaux'', Erzählung 1830 (dt. Der Ball von Sceaux, 1900)
* ''Étude de femme'', Erzählung 1830 (dt. Frauenstudie, 1841)
* ''[[Wikipedia:Gobseck|Gobseck]]'', Erzählung 1830 (dt. Gobseck, 1846)
 
* ''La maison du Chat-qui-pelote'', Erzählung 1830 (dt. Das Haus "Zur ballspielenden Katze", 1845)
* ''Une passion dans le désert'', Novelle 1830 (dt. Eine Leidenschaft in der Wüste, 1908)
* ''Petites misères de la vie conjugale'', Erzählung 1830 (dt. Kleine Nöte des Ehelebens, 1847)
* ''Sarrasine'', Erzählung 1830 (dt. Sarrasine, 1912)
* ''La vendetta'', Erzählung 1830 (dt. Vendetta, 1841–1846)
* ''Une double famille'', Erzählung 1830 (dt. Eine doppelte Familie)
* ''La Paix du ménage'', Erzählung 1830 (dt. Ehefrieden)
* ''[[Wikipedia:Rote Herberge|L'auberge rouge]]'', Erzählung 1831 (dt. Die rote Herberge, 1924)
* ''Le chef-d’oeuvre inconnu'', Erzählung 1831 (dt. Das unbekannte Meisterwerk, 1925)
* ''La peau de chagrin'', Roman 1831 (dt. [[Wikipedia:Das Chagrinleder|Das Chagrinleder]], 1841)
* ''L’enfant maudit'', Erzählung 1831 (dt. Das verfluchte Kind, 1831)
* ''L'Élixir de longue vie'', Erzählung 1831 (dt. Das Lebenselixier)
* ''Les proscrits'', Erzählung 1831 (dt. Die Geächteten, 1836)
* ''El Verdugo'', Erzählung 1831 (dt. El Verdugo)
* ''Jésus-Christ en Flandre'', Erzählung 1831 (dt. Jesus Christus in Flandern)
* ''La bourse'', Erzählung 1832 (dt. Die Börse, 1958)
* ''[[Wikipedia:Der Pfarrer von Tours|Le Curé de Tours]]'', Erzählung 1832 (dt. Der Pfarrer von Tours, 1924)
* ''[[Wikipedia:Oberst Chabert|Le colonel Chabert]]'', Erzählung 1832 (dt. Oberst Chabert, 1844)
* ''La femme abandonnée'', Erzählung 1832 (dt. Die verlassene Frau, 1846)
* ''La Grenadière'', Erzählung 1832 (dt. Die Grenadiere, 1845)
* ''Louis Lambert'', Roman 1832 (dt. Louis Lambert, 1845)
* ''Madame Firmiani'', Roman 1832 (dt. Madame Firmiani)
* ''Le Réquisitionnaire'', Roman 1832 (dt. Der Aufgebotene)
* ''[[Wikipedia:Maitre Cornélius|Meitre Cornélius]]'', Roman 1832 (dt. Meister Cornelius)
* ''L’illustre Gaudissart'', Erzählung 1833 (dt. Der berühmte Gaudissart, 1846)
* ''Le médecin de campagne'', Roman 1833 (dt. Der Landarzt, 1835)
* ''Le Message'', Roman 1833 (dt. Die Botschaft)
* ''Gaudissart II'', Roman 1834 (dt. Gaudissart II)
* ''[[Wikipedia:Eugénie Grandet|Eugénie Grandet]]'', Roman 1834 (dt. Eugénie Grandet, 1835)
* ''La recherche de l’absolu'', Roman 1834 (dt. Die Suche nach dem Absoluten, 1841–1846)
* ''[[Wikipedia:Le Père Goriot|Le Père Goriot]]'', Roman 1834/35 (dt. Vater Goriot, 1835)
* ''Histoire des treize'', Erzählungen 1843 (dt. Geschichte der Dreizehn, 1909)
** ''Ferragus'', Erzählung 1834 (dt. Ferragus)
** ''La duchesse de Langeais'', Erzählung 1834 (dt. Die Herzogin von Langeais)
** ''La fille aux yeux d’or'', Erzählung 1835 (dt. Das Mädchen mit den Goldaugen)
* ''Les Marana'', Erzählung 1834 (dt. Die Maranas)
* ''Le lys dans la vallée'', Roman 1835 (dt. Die Lilie im Tal, 1845)
* ''Un drame au bord de la mer'', Erzählung 1835 (dt. Ein Drama am Meeresstrand, 1910)
* ''Les paysans'', Roman 1835 (dt. Die Bauern, 1923)
* ''Séraphíta'', Erzählung 1835 (dt. Seraphita, 1836)
* ''Le contrat de mariage'', Roman 1835 (dt. Der Ehevertrag, 1846)
* ''Melmoth réconcilié'', Erzählung 1835 (dt. Melmoth)
* ''[[Wikipedia:Facino Cane|Facino Cane]]'', Erzählung 1836 (dt. Facino Cane, 1912)
* ''La vielle fille'', Roman 1836 (dt. Die alte Jungfer, 1838)
* ''La Messe de l'athée'', Erzählung 1836 (dt. Die Messe des Gottesleugners)
* ''L'Interdiction'', Erzählung 1836 (dt. Die Entmündigung)
* ''Sur Catherine de Médicis'', Erzählung 1836 (dt. Katharina von Medici)
* ''Gambara'', Erzählung 1837 (dt. Gambara, 1845)
* ''[[Wikipedia:Verlorene Illusionen|Illusions perdues]]'', Roman 1837–1843 (dt. Verlorene Illusionen, 1846)
** Neuübersetzung von Melanie Walz: Hanser, München 2014, ISBN 978-3-446-24614-0.
* ''La Muse du département'', Erzählung 1837 (dt. Die Muse des Départements).
* ''Massimilla Doni'', Erzählung 1837.
* ''La femme supérieure'' (''Les Employés''), Roman 1837 (dt. Die überlegene Frau, 1843)
* ''Histoire de la grandeur et de la décadence de César Birotteau'', Roman 1838 (dt. Geschichte der Größe und des Verfalls von César Birotteau, 1842)
* ''La maison Nucingen'', Erzählung 1838 (dt. Das Haus Nucingen, 1845)
* ''Splendeurs et misères des courtisanes'', Roman 1838–1844 (dt. [[Wikipedia:Glanz und Elend der Kurtisanen|Glanz und Elend der Kurtisanen]], 1845)
* ''Le cabinet des antiques'', Roman 1839 (dt. Das Antiquitätenkabinett, 1923)
* ''Le curé de village'', Roman 1839 (dt. Der Landpfarrer, 1841)
* ''Les secrets de la princesse de Cadignan'', Erzählung 1839 (dt. Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan, 1920)
* ''Béatrix ou les amours forcés'', Roman 1839–1845 (dt. Beatrix oder Die erzwungene Liebe, 1840)
* ''Une fille d'Ève'', Erzählung 1839 (dt. Eine Evastochter)
* ''Autre étude de femme'', Erzählung 1839 (dt. Zweite Frauenstudie)
* ''Pierre Grassou'', Erzählung 1839
* ''Un prince de la bohème'', Erzählung 1840 (dt. Ein Fürst der Bohème)
* ''Pierrette'', Roman 1840 (dt. Pierrette, 1840)
* ''Z. Marcas'', Erzählung 1840 (dt. Z. Marcas, 1923)
* ''La fausse maitresse'', Erzählung 1841 (dt. Die falsche Geliebte, 1844)
* ''Une ténébreuse affaire'', Roman 1841 (dt. Eine dunkle Affäre, 1841)
* ''Ursule Mirouët'', Roman 1841 (dt. Ursula Mirouet, 1843)
* ''Mémoires de deux jeunes mariées'', Briefroman 1841/42 (dt. Memoiren zweier junger Frauen, 1844)
* ''Albert Savarus'', Roman 1842 (dt. Albert Savarus, 1925)
* ''La femme de trente ans'', Roman 1842 (dt. Die Frau von dreißig Jahren, 1845)
* ''La rabouilleuse'', Roman 1841/42 (dt. Die Krebsfischerin, 1846)
* ''Modeste Mignon ou les trois amoureux'', Roman 1844 (dt. Modeste Mignon oder Die drei Liebhaber, 1846)
* ''Un début dans la vie'', Erzählung 1844 (dt. Ein Lebensbeginn)
* ''Un homme d’affaires'', Erzählung 1844 (dt. Ein Geschäftsmann)
* ''Honorine'', Erzählung 1845
* ''Un épisode sous la Terreur'', Erzählung 1845 (dt. Eine Episode aus der Zeit der Schreckensherrschaft)
* ''La cousine Bette'', Roman 1846 (dt. Kusine Lisbeth, 1910)
* ''Les comédiens sans le savoir'', Erzählung 1846 (dt. Die unfreiwilligen Komödianten, 1923)
* ''Le cousin Pons ou les deux musiciens'', Roman 1847 (dt. Vetter Pons oder Die beiden Musiker, 1919)
* ''L´envers de l’histoire contemporaine'', Roman 1842 (dt. Die Kehrseite der Zeitgeschichte, 1967) (Regie J. Robert)
* ''Le Député d'Arcis'', Erzählung 1854 (dt. Der Abgeordnete von Arcis)
* ''Les Petits Bourgeois'', Erzählung 1856 (dt. Die Kleinbürger)
 
=== Sonstige Werke außerhalb der ''Comédie humaine'' ===
* ''Voyage de Paris à Java'', 1830
* ''La Comédie du diable'', 1831
* ''La Chine et les chinois'', 1842
* ''Les contes drolatiques'', 1832–1837 (dt. ''Tolldreiste Geschichten'')
* ''Scènes de la vie privée et publique des animaux'', 1840–1842
** ''Les Amours de deux bêtes offerts en exemple aux gens d’esprit''
** ''Voyage d’un lion d’Afrique à Paris, et ce qui s’ensuivit''
** ''Guide-âne à l'usage des animaux qui veulent parvenir aux honneurs''
** ''Voyage d’un moineau de Paris à la recherche du meilleur gouvernement''
* ''Revue parisienne'' (Zeitschrift, 3 Ausgaben 1840)
 
== Verfilmungen (Auswahl) ==
* ''Adieu'', Verfilmung: ''1812'', Deutschland 1923 (Regie J. Berger)
* ''Gobseck'', Verfilmungen: Deutschland 1923 (Regie P. Rist), UdSSR 1936 (Regie K. Eggert)
* ''L'auberge rouge'', Verfilmung: Frankreich 1922/23 (Regie Jean Epstein), Frankreich 1951 (Regie Claude Autant-Lara)
* ''Le chef-d’oeuvre inconnu'', Verfilmung: ''La belle noiseuse'', Frankreich 1992 (Regie Jacques Rivette)
* ''La peau de chagrin'', Verfilmungen: Frankreich 1909 oder 1911 (Regie M. Carré), ''Slave of desire'', USA 1923 (Regie G. D. Baker), ''Die unheimlichen Wünsche'', Deutschland 1939 (Regie H. Hilpert), ''La piel de Zapa'', Argentinien 1943 (Regie B. Herr)
* ''Le colonel Chabert'', Verfilmungen: Frankreich 1910 (Regie André Calmettes), Deutschland 1920 (Regie E. Burg), Italien 1920 (Regie C. Gallone), ''Mensch ohne Namen'', Deutschland 1932 (Regie Gustav Ucicky), Frankreich 1943 (Regie R. Le Hénaff), BR Deutschland 1956 (Regie V. von Collande), BR Deutschland 1967 (TV, Regie L. Cremer), Frankreich 1994 (Regie Yves Angelo)
* ''Les contes drolatiques'', Verfilmung: ''Die tolldreisten Geschichten'', BR Deutschland 1968 (Regie J. Zachar)
* ''Eugénie Grandet'', Verfilmungen: ''The Conquering Power'', USA 1921 (Regie Rex Ingram), Italien 1946 (Regie M. Soldati), Mexiko 1952 (Regie E. Gómez Muriel), ''Unser liebes Fräulein Grandet'', BR Deutschland 1965 (TV Regie G. Fleckenstein)
* ''Le Père Goriot'', Verfilmungen: USA 1915, Frankreich 1921/22 (Regie Jacques de Baroncelli), ''Paris at Midnight'', USA 1926 (Regie E. Mason Hopper), Frankreich 1944 (Regie R. Vernay), ''Karriere in Paris'', DDR 1951 (Regie Georg C. Klaren)
* ''La duchesse de Langeais'', Verfilmungen: Frankreich 1910 (Regie André Calmettes), ''The Eternal Flame'', USA 1922 (Regie F. Lloyd), Deutschland 1926 (Regie Paul Czinner) als [[Wikipedia:Liebe (1926)|Liebe]], Frankreich 1942 (Regie Jacques de Baroncelli), ''Ne touchez pas la hache'', Frankreich 2007 (Regie Jacques Rivette)
* ''La fille aux yeux d’or'', Verfilmung: Frankreich 1961 (Regie I. G. Albicocco)
* ''Un drame au bord de la mer'', Verfilmung: L’homme du large, Frankreich 1920 (Regie Marcel L’Herbier)
* ''Séraphíta'', Verfilmung: ''Himself as Herself'', USA 1966/67 (Regie G. J. Markopoulos),
* ''Histoire de la grandeur et de la décadence de César Birotteau'', Verfilmungen: Frankreich 1911 (Regie E. Chautard), Italien 1921 (Regie A. Fratelli)
* ''Splendeurs et misères des courtisanes'', Verfilmung: ''Glanz und Elend der Kurtisanen'', Deutschland 1927 (Regie Manfred Noa)
* ''Béatrix ou les amours forcés'', Verfilmung: ''Beatrice'', Italien 1920 (Regie Herbert Brenon)
* ''Pierrette'', Verfilmung: ''Gli amori di Dafne'', Italien 1970 (Regie O. Brazzi)
* ''La fausse maitresse'', Verfilmung: Frankreich 1942 (Regie A. Cayatte)
* ''La rabouilleuse'', Verfilmungen: Frankreich 1943 (Regie F. Rivers), ''Les arrivistes'', Frankreich 1960 (Regie L. Daquin), ''[[Wikipedia:Trübe Wasser|Trübe Wasser]]'', DDR 1960 (Regie L. Daquin)
* ''La cousine Bette'', Verfilmungen: Frankreich 1928 (Regie M. de Rieux), Frankreich 1966 (TV Regie Y.-A. Hubert), USA 1998 (Regie Des McAnuff)
* ''Le cousin Pons ou les deux musiciens'', Verfilmung: Frankreich 1924
 
== Vertonungen (Auswahl) ==
* ''Séraphíta'', Ruggiero Leoncavallo, Symphonisches Gedicht, 1894
* ''La peau de chagrin'', Oper in sieben Bildern von Fritz Geißler nach einem Libretto von Günther Deicke, 1977/78
* ''Oberst Chabert'', Oper  von Hermann Wolfgang von Waltershausen, Uraufführung 18. Januar 1912 in Frankfurt am Main.
 
== Deutsche Gesamtausgaben (Auswahl) ==
* ''Sämtliche Werke'', 82 Bände, Basse-Verlag, Quedlinburg 1841–1846
* ''Die menschliche Komödie'', 16 Bände, Insel, Leipzig 1908–1911
* ''Gesammelte Werke'', 44 Bände, Rowohlt, Berlin 1923–1926, Neuauflage Hamburg 1952–1955. Teilreprint 40 + 1 Bände, Diogenes, Zürich 1977, Neuauflage 1998.
* ''Die menschliche Komödie'' Hg. Fritz-Georg Voigt, Dünndruckausgabe in 20 Bänden, Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar  1961–1985
* ''Die menschliche Komödie'', Hg. Ernst Sander, 12 Bände, Goldmann, München 1971–1972. Taschenbuch-Ausgabe btb, Berlin 1998


== Siehe auch ==
; Nachschlagewerke
* Ulrike Sprenger: ''Proust-ABC''. Leipzig: Reclam 1997. ISBN 3-379-01601-2.
* Philippe Michel-Thiriet: ''Das Marcel Proust Lexikon''. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1999. ISBN 978-3-518-39549-3


* {{WikipediaDE|Honore de Balzac}}
;Einzeldarstellungen
* {{WikipediaDE|Die menschliche Komödie}}
* Angelika Corbineau-Hoffmann: ''Marcel Proust: „A la recherche du temps perdu“. Einführung und Kommentar''. Francke, Tübingen 1993. ISBN 3-8252-1755-8.
 
* Meindert Evers: ''Proust und die ästhetische Perspektive. Eine Studie über „A la recherche du temps perdu“''. Königshausen & Neumann, Würzburg 2004. ISBN 3-8260-2853-8.
== Literatur ==
* Jean Firges: ''Marcel Proust. Die verlorene Zeit. Die wiedergefundene Zeit.'' Exemplarische Reihe Literatur und Philosophie, 28. Sonnenberg, Annweiler 2009. ISBN 978-3-933264-57-2 (mit wissenschaftl. Bibliographie).
* Léon Gozlan: ''Balzac in Pantoffeln''. Heimeran, München 1967; München: dtv 1969 <ref>Das 1856 erschienene Buch ''Balzac en pantoufles'', mit Einblicken in Balzacs Privatleben</ref>
* Hanno Helbling: ''Erinnertes Leben. Marcel Prousts „Suche nach der verlorenen Zeit“''. Suhrkamp, Frankfurt 1988, ISBN 3-518-38047-8.
* Joachim Küpper: ''Balzac und der Effet de réel. Eine Untersuchung anhand der Textstufen des "Colonel Chabert" und des Curé de village''. B. R. Gruner, Amsterdam 1986. (= Beihefte zur Poetica, 17) ISBN 90-6032-213-4
* Hans Robert Jauß: ''Zeit und Erinnerung in Marcel Prousts „A la recherche du temps perdu“. Ein Beitrag zur Theorie des Romans''. Suhrkamp, Frankfurt 1986, ISBN 3-518-28187-9.
* Joachim Küpper: ''Ästhetik der Wirklichkeitsdarstellung und Evolution des Romans von der französischen Spätaufklärung bis zu Robbe-Grillet. Ausgewählte Probleme zum Verhältnis von Poetologie und literarischer Praxis''. Steiner, Stuttgart 1987. (= Beihefte zur Zeitschrift für französische Sprache und Literatur, 13) ISBN 3-515-04881-2
* Georges Poulet: ''Marcel Proust: „A la Recherche du Temps perdu“.'' in Walter Pabst (Hg.): ''Der moderne französische Roman. Interpretationen''. Ernst Schmidt, Berlin 1968, S. 120–133.
* Bettina Licht: ''Balzac. Leben und Werk des Romanciers''. Probst, Mainz-Kostheim 2002 ISBN 3-935718-83-7
* Philipp Reuter: ''Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“.'' Piper, München 1999, ISBN 3-492-22890-9.
* André Maurois: ''Prometheus oder das Leben Balzacs''. Econ, Düsseldorf 1966 (auch als ''Das Leben des Honoré Balzac. Eine Biographie''. Diogenes, Zürich 1985 ISBN 3-257-21297-6)
* Henning Teschke: ''Marcel Proust, „A la recherche du temps perdu“ 1913–1927.'' in Wolfgang Asholt (Hg.): ''Interpretationen. Französische Literatur, 20. Jahrhundert: Roman.'' Stauffenburg, Tübingen 2007, ISBN 978-3-86057-909-1.
* Anka Muhlstein: ''Die Austern des Monsieur Balzac. Eine delikate Biografie'', Übers. Grete Osterwald, Arche, Zürich 2011 ISBN 978-3-7160-2610-6
* Eric Karpeles: ''Marcel Proust und die Gemälde aus der verlorenen Zeit''. Dt. Erstausgabe: DuMont Buchverlag 2010, ISBN 978-3-8321-9276-1. Der Maler Eric Karpeles stellt Prousts Roman den Bildern der europäischen Kunstgeschichte gegenüber, die seine Figuren inspiriert und beeinflusst haben.
* Ralf Nestmeyer: ''Französische Dichter und ihre Häuser''. Frankfurt 2005. ISBN 3-458-34793-3
* Gaëtan Picon: ''Honoré de Balzac''. 8. Aufl., Rowohlt, Reinbek 2000 ISBN 3-499-50030-2
* Wolfgang Pohrt: ''Honoré de Balzac. Der Geheimagent der Unzufriedenheit''. 3. Aufl. Tiamat, Berlin 2012
* Charles-Augustin Sainte-Beuve: ''Balzac. Die Suche nach dem Unbedingten.'' in: ''Literarische Porträts.'' Übers. und Erl. Rolf Müller; Ausw. und Einl. Katharina Scheinfuß. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1958; Wissenschaftliche Buchgesellschaft WBG, Darmstadt 1958,<ref>Auch über Jean de La Fontaine, Molière, Alain-René Lesage, Diderot, Madame de Staël, Jean de La Bruyère, Victor Hugo und Pierre-Jean de Béranger. Der Text über Balzac in Französisch [http://archive.org/stream/revuedesdeuxmond041834pari#page/440/mode/1up online als Scan.] Zuerst ''La recherche de l'absolu.'', der Autor signiert hier C. A. (=&nbsp;Sainte-Beuve). Reihe: Poètes et romanciers modernes de la France, 16. Revue des Deux Mondes, 1834, Bd. 4, S. 440–458. Der Text begründete ein dauerndes Zerwürfnis zwischen den beiden.</ref> S. 251–302
* Claudia Schmölders (Hg.): ''Balzac. Leben und Werk''. Erw. Neuausgabe. Diogenes, Zürich 1993. ISBN 3-257-22661-6
* Laure de Surville: ''Mein Bruder Honoré de Balzac. Die Schwester berichtet''. Voco, Köln 1989 ISBN 3-926566-93-0
* Barbara Vinken: ''Balzac / Zola: Hysterische Madonnen – Neue Mütter,'' in: ''Geschlechterdifferenz im interdisziplinären Gespräch.'' Hg. Doris Ruhe, Königshausen & Neumann, Würzburg 1998, S. 117–134
* Winfried Wehle: ''Litterature des Images. Balzacs Poetik der wissenschaftlichen Imagination''. in: Gumbrecht/Stierle/Warning (Hg.): ''Honoré de Balzac.'' Wilhelm Fink, München 1980 (Reihe UTB, 977), S. 57–81. [http://edoc.ku-eichstaett.de/4284/1/Litterature_21.pdf online] (PDF; 1,1&nbsp;MB)
* Reto Zöllner: „Konstruktive Vorbilder“: Strukturprinzipien bei Balzac, in: [[Wikipedia:Romanische Studien (Zeitschrift)|Romanische Studien]], Nr. 2 (2015), S. 183–194, online: http://romanischestudien.de/index.php/rst/article/view/34
* Stefan Zweig: ''Balzac. Eine Biographie''. Fischer TB, Frankfurt 1994 ISBN 3-596-22183-8 <ref>Große Biografie, die ein Fragment blieb. Das Leben Balzacs wird ausführlich geschildert, die Beschreibung des Werkes blieb unvollendet.</ref>
* Stefan Zweig: ''Drei Meister: Balzac – [[Wikipedia:Charles Dickens|Dickens]] – [[Wikipedia:Dostojewski|Dostojewski]].'' ''Die Baumeister der Welt'', Band 1, Insel, Leipzig 1920


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Wikiquote|Honoré de Balzac}}
{{Wikisource|À la recherche du temps perdu|lang=fr}}
{{Wikisource|Honoré de Balzac}}
* [http://www.gutenberg.org/catalog/world/authrec?fk_authors=987 Elektronische Versionen der ersten Bände bei Projekt Gutenberg (auf französisch)]
{{Wikisource|Auteur:Honoré de Balzac|Honoré de Balzac|lang=fr}}
* [http://www.dmpg.de/ Website] der Marcel Proust Gesellschaft
{{Commons}}
* [http://www.zitate-aphorismen.de/zitate/autor/Marcel_Proust/74 Über 100 Zitate mit Seitenangaben aus „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“]
* [http://www.gert-pinkernell.de/romanistikstudium/index.html Namen, Titel und Daten der französischen Literatur] von Gert Pinkernell
* [http://www.wsws.org/de/2000/okt2000/balz-o06.shtml Zum 150. Todestag von Honoré de Balzac]
* [http://www.intratext.com/Catalogo/Autori/AUT38.HTM Honoré de Balzacs Werke]: Text, Konkordanzen und Frequenzlisten (englisch)
* [http://gams.uni-graz.at/fedora/get/container:usb-balzac/bdef:Container/get/ Aufsätze zu Balzac von Ulrich Schulz-Buschhaus (Das Aufsatzwerk)]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


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[[Kategorie:Literarisches Werk von Marcel Proust]]
[[Kategorie:Literarisches Werk]]
{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Aktuelle Version vom 27. Februar 2021, 00:37 Uhr

Gedruckter Vorabzug mit handschriftlichen Notizen von À la recherche du temps perdu: Du côté de chez Swann

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (frz. Originaltitel: À la recherche du temps perdu, erschienen zwischen 1913 und 1927) ist ein siebenteiliger Roman von Marcel Proust. Er erzählt die Geschichte von Prousts eigenem Leben als allegorische Suche nach der Wahrheit und ist das Hauptwerk der französischen Romanliteratur des frühen 20. Jahrhunderts.[1]

Als Proust im Januar 1909 einen Zwieback (welcher im Roman zu einer Madeleine wird) in seinen Tee taucht, wird er unwillkürlich in seine Kindheit zurückversetzt. Im Juli zieht er sich von der Welt zurück, um seinen Roman zu schreiben, von dem der erste Entwurf im September 1912 fertig wird. Der erste Band Du côté de chez Swann (1913; deutsch: In Swanns Welt, auch: Auf dem Weg zu Swann) wurde von Verlagshäusern aus verschiedenen Gründen abgelehnt und erschien auf eigene Kosten im November 1913. Zu diesem Zeitpunkt waren von Proust nur drei Bände geplant.

Während der Kriegsjahre überarbeitete Proust den Rest seines Werkes, vertiefte seine Empfindungen, Struktur und Interpretation, entwickelte die realen und satirischen Elemente weiter und verdreifachte seine Länge. Auf diese Weise verwandelte er es zu einer der tiefgründigsten Leistungen der menschlichen Vorstellungskraft. Im Juni 1919 erschien À l'ombre des jeunes filles en fleurs (1919; Im Schatten junger Mädchenblüte) zeitgleich mit einer Neuauflage von Swann. Im Dezember 1919 erhielt À l'ombre den Prix Goncourt und machte Proust auf einen Schlag berühmt. Zwei weitere Bände wurden noch zu Lebzeiten veröffentlicht und profitierten von seiner letzten Überarbeitung: Le Côté de Guermantes (1920/1921; Die Welt der Guermantes) und Sodome et Gomorrhe (1921/1922; Sodom und Gomorra). Die letzten drei Teile von À la recherche erschienen posthum in einer fortgeschrittenen aber noch nicht fertigen Bearbeitung: La Prisonnière (1923; Die Gefangene), Albertine disparue (1925; Die Entflohene) und Le Temps retrouvé (1927; Die wiedergefundene Zeit). Die erste zuverlässige Gesamtausgabe erschien erst 1954.

Handlung

Ein Ich-Erzähler berichtet von seinem Leben und vom Vorgang des Sich-Erinnerns.

Der Roman spielt im Frankreich des Fin de siècle in der gehobenen Gesellschaft. Der Ich-Erzähler stammt aus einer Familie des Pariser Bürgertums, die den Sommer üblicherweise bei Verwandten auf dem Land verbringt. Hier erlebt er eine glückliche Kindheit und lernt Personen kennen, die in seinem weiteren Leben eine Rolle spielen werden, etwa den Kunstliebhaber Swann, dessen Tochter Gilberte, oder die lokale Adelsfamilie, die Guermantes.

Als er alt genug ist, einen Beruf zu wählen, weckt ein Theaterbesuch in ihm das Interesse für Kunst und er will Schriftsteller werden. Allerdings hindern ihn seine schwache Gesundheit und seine Trägheit daran, ein literarisches Werk zu schaffen. Er erlebt bei der genauen Beobachtung der Natur aber immer wieder Augenblicke höchster Konzentration, die er gerne verarbeiten würde, nur kommt er niemals dazu.

Der Erzähler verbringt die Sommerfrische in dem fiktiven Badeort Balbec, ein Großteil der Handlung spielt im dortigen Grandhotel. Vorbild für Balbec ist der Badeort Cabourg an der Küste der Normandie, in dessen Grandhotel Proust den Roman schrieb. Hier verliebt sich der Ich-Erzähler erstmals in die junge Albertine. Er freundet sich auch mit dem Marquis de Saint-Loup an, der mit der Familie Guermantes verwandt ist.

In der Folge steigt der Ich-Erzähler in der Welt des Adels auf und besucht die Salons. Hier macht er sich über das leere Geplauder der Menschen lustig, aber er ist auch fasziniert und kann sich nicht von ihnen trennen, um sein Werk zu schaffen. Die politischen Affären seiner Zeit interessieren ihn kaum. Er bekommt nur mit, dass die Dreyfus-Affäre es manchen Personen erlaubt, gesellschaftlich aufzusteigen, während sie andere zum Abstieg zwingt.

Nach einer ersten Liebe zu Gilberte wird er schließlich der Geliebte Albertines, wobei er aber kein Glück findet, sondern wegen seiner Eifersucht sehr leidet und auch ihr das Leben zur Hölle macht. Die Entwicklung seiner Gefühle schildert er minutiös. Albertine verlässt ihn am Ende und stirbt bei einem Reitunfall, weswegen er sich Vorwürfe macht.

Während des Ersten Weltkrieges bleibt er wegen [ehruntauglichkeit in Paris. Sein Freund Saint-Loup fällt im Krieg. Lange nach dem Krieg besucht er ein letztes Mal eine Gesellschaft. Er ist jetzt alt und krank und merkt, dass er die Personen, die er einst kannte, kaum wiedererkennt, so sehr haben sie sich verändert. Außerdem scheinen sie völlig vergessen zu haben, wer früher angesehen war und wer nicht. Die Guermantes wurden vergessen, und früher verachtete Neureiche werden gefeiert.

Der Ich-Erzähler bemerkt, dass die Vergangenheit einzig in seiner Erinnerung existiert. Er erkennt am Ende seines Lebens, dass er über seinen Liebesaffären und Kontakten zu belanglosen Menschen nie die Zeit und die Mühe aufbrachte, das Kunstwerk zu schaffen, das er sich vorgenommen hatte. Die letzte Möglichkeit ist, den Roman seiner Erinnerungen zu schreiben, die mit seinem Tod sonst unwiederbringlich verloren gingen. Und so endet der Roman, indem der Autor beginnt, ihn zu schreiben.

"Verlorene Zeit“ kann damit mehrdeutig verstanden werden:

  • als Zeit, die als vergeudet scheint;
  • als Zeit, die unwiederbringlich verloren scheint, wenn sie nicht in der Erinnerung oder in einem Kunstwerk konserviert wird;
  • als Erinnerung oder Imaginationen, die Namen oder Gegenstände hervorrufen.

„Die verlorene Zeit ist die Zeit, die uns unwiederbringlich verloren erscheint. Das ist ja der Sinn des Romans. Wir haben dort jemanden, der auf der Suche nach etwas ist, nach einer Wahrheit im Leben, nach einem Sinn im Leben, der gerne Schriftsteller werden will, aber gar kein Thema hat und nicht so recht weiß, wo es lang läuft. Und diese unwillkürlichen Erinnerungserlebnisse zeigen ihm, was Materie eines Buches sein könnte, seines Buches dann wird. Insofern ist es dann eine wiedergefundene Zeit, denn der letzte Band heißt ja „Le temps retrouvé“, die wiedergefundene Zeit.“[2]

Eine Liebe Swanns

Un amour de Swann ist der Mittelteil des ersten Bandes und fällt formal aus dem Rahmen der Recherche, denn diese in sich abgeschlossene Erzählung ist aus der Perspektive eines auktorialen Erzählers in der Er-Form geschrieben, während der sonstige Roman ausschließlich eine Ich-Erzählung ist.

Eine Liebe von Swann schildert minutiös die Entwicklung der Liebe des Lebemanns Swann zu der Kurtisane Odette de Crécy. Swann interessiert sich anfangs kaum für sie, allmählich kommen sich die beiden dennoch näher. Seine Zuneigung findet neue Nahrung, als er in ihr das Ebenbild Sephoras, einer der Töchter Jethros, erkennt, wie sie auf Botticellis Fresko in der Sixtinischen Kapelle dargestellt ist. Als sich ihre Beziehung einspielt, beginnt Odette, Swann gegenüber anderen Kontakten – vor allem dem Zirkel der Verdurin – zurückzustellen, und entfacht damit seine Eifersucht. Swanns Eifersucht steigert in einer Art von Rückkopplung wiederum seine Liebe zu Odette. Dieser Kreislauf endet erst, als sie ihm wieder gleichgültig wird. Ungeachtet dessen begegnet Odette dem Leser später als Swanns Frau und Mutter von Gilberte.

In der Erzählung werden viele Motive vorweggenommen, die in der „Suche“ dann ausführlicher ausgebreitet werden. Kunst spielt bereits hier eine wichtige Rolle; die eifersüchtige Liebe Swanns entspricht der Liebe des Ich-Erzählers zu Gilberte und Albertine. Swann wird durch die Liebe und das mondäne Salonleben daran gehindert, ein bleibendes Werk zu schaffen – ähnlich wie der Ich-Erzähler, dem das im letzten Moment allerdings doch noch gelingt. Nicht zuletzt wird in der „kleinen Phrase“, einer Melodie, die Swann gemeinsam mit Odette hört und die beim erneuten Hören seine Erinnerungen weckt, bereits die unwillkürliche Erinnerung angedeutet.

Strukturen

Inhaltlich ist der Roman wie ein großes Labyrinth, in dem Personen und Themen immer wieder auftauchen, um dann wieder vergessen zu werden. Es gibt aber einige Prinzipien, die den Roman strukturieren.

Erinnerung

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit ist ein Roman der Erinnerungen. Dabei unterscheidet der Autor zwischen bewusster Erinnerung, die immer unvollständig und oft beängstigend ist, und unwillkürlicher Erinnerung. Berühmtestes Beispiel ist dabei die Madeleine (ein jakobsmuschelförmiges Gebäck), die der Hauptperson als Erwachsenem von seiner Mutter serviert wird und deren Geschmack ihm die Fülle seiner Kindheitserlebnisse mit allen Bildern, Klängen, Geschmäckern und Gerüchen wieder vergegenwärtigt. Diese so genannte unwillkürliche Erinnerung ist dabei einerseits psychisches Erlebnis (im Sinne von Déjà-vu-Erlebnissen), andererseits ein literarischer Kniff, der es dem Erzähler erlaubt, Assoziationsketten zu beginnen.

„Er misstraut der willentlichen Erinnerung, das ist die große Entdeckung Prousts gewesen: Man kann sich willentlich an etwas erinnern, aber alles das, was willentlich geschieht, ist im Grunde genommen nur eine verfälschte Erinnerung. Die wahre Erinnerung, die wahre Empfindung, so, wie es wirklich war, das ist die Offenbarung durch die berühmte unwillkürliche Erinnerung, die mémoires involontaires, das sind so Déjà-vu-Erlebnisse, die man hat.“

Leitmotive

Das auffälligste Strukturprinzip ist das Stilmittel Leitmotiv durch Wiederholungen und Abwandlungen von Themen und literarischen Motiven. Liebesbeziehungen des Erzählers, die immer nach dem gleichen Schema ablaufen, werden sehr häufig beschrieben. Ein anderes Beispiel ist eine bestimmte Eisenbahnstrecke. Als Kind liest die Hauptperson im Fahrplan die Namen der Städte an dieser Strecke und macht sich Vorstellungen anhand dieser Ortsnamen. Später fährt er tatsächlich mit diesem Zug, und ein Bekannter macht etymologische Bemerkungen über die Namen der Orte, wobei die scheinbar wissenschaftliche Exaktheit kaum kaschiert, dass es sich auch hierbei um reine Phantasie handelt.

Das Menschenbild

Jean Firges fasst das Werk 2010 in anthropologischer Sicht zusammen.[3] Die diesbezüglichen Voraussetzungen des Weltbilds sind nach Firges bei Proust:

  • Das Subjekt ist in einer Monadenstruktur, ohne ein Fenster nach draußen, eingeschlossen;
  • das Ich ist zergliedert in vielfache Bewusstseinszustände, die sich ständig verändern;
  • die Zeit verläuft nicht linear, sondern diskontinuierlich.

Der Roman schildert die obere Gesellschaft der Dritten Republik, die deren menschlichen Bedingungen unterworfen ist, als eine Welt der Lüge, der Verstellung und der Dekadenz.

Prosagedichte

Besonders die Naturschilderungen sind oft so ausgearbeitet, dass sie sich fast zu Prosagedichten entwickelt haben.

Pastiches

Zur eigenen Stilfindung hatte Proust mehrere sogenannte Pastiches geschrieben, z.B. zu Gustave Flaubert und Ernest Renan. Gegen den Literaturkritiker Charles-Augustin Sainte-Beuve argumentierte Proust, dass sich ein literarisches Werk nicht in erster Linie über den Autor erklären ließe. Aus einem 1908 dazu begonnenen Essay ergaben sich dann Prousts umfangreiche Recherchen zum Stil verschiedener Künstler, deren Ergebnisse zu fiktiven Gestalten (wie dem Musiker Vinteuil, dem Maler Elstir oder dem Architekt Bergson) wieder auftauchen und diese Figuren absichtlich so dargestellt werden, dass der Leser nicht durch ihr Verhalten oder ähnliches darauf kommt, wer sie sind.[4]

Beschreibungen

Proust widmet seinen präzisen Beschreibungen besondere Aufmerksamkeit. Er kann sich seitenlang über die Kleider einer Frau oder über eine Blüte auslassen. Sein Ziel ist es dabei, Vergangenheit im Kunstwerk zu bewahren. Die Beschreibungen können auch als Schule für den Leser verstanden werden, selbst durch genauestes Beobachten Schönheit in ihrem scheinbar grauen Alltag zu entdecken.

Stil

Proust ist bekannt für seine langen Sätze (genannt „Proustsche Perioden“) und die exzessive Verwendung des Konjunktivs. Außerdem erfordert das Netz von Anspielungen und Motivwiederholungen, das Proust ausbreitet, sehr viel Aufmerksamkeit von seinen Lesern.

Siehe auch

Literatur

Bibliographien
  • Victor E. Graham: Bibliographie des études sur Marcel Proust et son œuvre. Genf: Droz 1976.
  • Reiner Speck, Marie und George Pistorius: Marcel Proust und Deutschland: Eine internationale Bibliographie. 2., neu bearb. u. erw. Aufl. 2002.
Nachschlagewerke
Einzeldarstellungen
  • Angelika Corbineau-Hoffmann: Marcel Proust: „A la recherche du temps perdu“. Einführung und Kommentar. Francke, Tübingen 1993. ISBN 3-8252-1755-8.
  • Meindert Evers: Proust und die ästhetische Perspektive. Eine Studie über „A la recherche du temps perdu“. Königshausen & Neumann, Würzburg 2004. ISBN 3-8260-2853-8.
  • Jean Firges: Marcel Proust. Die verlorene Zeit. Die wiedergefundene Zeit. Exemplarische Reihe Literatur und Philosophie, 28. Sonnenberg, Annweiler 2009. ISBN 978-3-933264-57-2 (mit wissenschaftl. Bibliographie).
  • Hanno Helbling: Erinnertes Leben. Marcel Prousts „Suche nach der verlorenen Zeit“. Suhrkamp, Frankfurt 1988, ISBN 3-518-38047-8.
  • Hans Robert Jauß: Zeit und Erinnerung in Marcel Prousts „A la recherche du temps perdu“. Ein Beitrag zur Theorie des Romans. Suhrkamp, Frankfurt 1986, ISBN 3-518-28187-9.
  • Georges Poulet: Marcel Proust: „A la Recherche du Temps perdu“. in Walter Pabst (Hg.): Der moderne französische Roman. Interpretationen. Ernst Schmidt, Berlin 1968, S. 120–133.
  • Philipp Reuter: Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Piper, München 1999, ISBN 3-492-22890-9.
  • Henning Teschke: Marcel Proust, „A la recherche du temps perdu“ 1913–1927. in Wolfgang Asholt (Hg.): Interpretationen. Französische Literatur, 20. Jahrhundert: Roman. Stauffenburg, Tübingen 2007, ISBN 978-3-86057-909-1.
  • Eric Karpeles: Marcel Proust und die Gemälde aus der verlorenen Zeit. Dt. Erstausgabe: DuMont Buchverlag 2010, ISBN 978-3-8321-9276-1. Der Maler Eric Karpeles stellt Prousts Roman den Bildern der europäischen Kunstgeschichte gegenüber, die seine Figuren inspiriert und beeinflusst haben.

Weblinks

 Wikisource: À la recherche du temps perdu – Quellen und Volltexte (français)

Einzelnachweise

  1. In Search of Lost Time. In: Encyclopædia Britannica.
  2. Der Literaturwissenschaftler und Vizevorsitzende der Proust-Gesellschaft in Deutschland Jürgen Ritte im Interview über den literarischen Meister Marcel Proust: [1]
  3. Firges, Jean (2009): Margel Proust: Die verlorene Zeit - Die wiedergefundene Zeit. Sonnenberg Verlag Annweiler.
  4. Siehe dazu umfangreich insbesondere in: Milly, Jean (1970): Les Pastiches de Proust. Librairie Armand Colin; sowie Milly, Jean (1970): Proust et le style. Slatkine Genève.
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