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imported>Joachim Stiller |
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| Der '''Arabismus''', der die Impulse der [[Akademie von Gondishapur]] aufnahm, brachte verfrüht die [[Bewusstseinsseele]] und den damit verbundenen [[Intellekt]] zur Entfaltung, aber nicht durch die eigene innere Anstrengung des [[Mensch]]en, sondern wie durch eine Art Offenbarung. Damit konnte man zwar zur [[Erkenntnis]] der äußeren [[Natur]] kommen, die [[Geistige Welt|geistige Welt]] jedoch blieb verschlossen. Hätte nicht der aufblühende [[Mohammedanismus]] diesen Impuls gedämpft, wäre der Mensch von seiner weiteren geistigen Entwicklung überhaupt abgeschnitten worden.
| | [[Kategorie:Dramatisches Werk von Lessing|!]] |
| | | [[Kategorie:Dramatisches Werk|Dramatisches Werk Lessing]] |
| == Arabismus und Bewusstseinsseele ==
| | [[Kategorie:Werk von Lessing|101]] |
| | | [[Kategorie:Drama|Drama Lessing]] |
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| "Der
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| Arabismus ist nach der einen Seite seines Wesens eine verfrühte
| |
| Entfaltung der Bewußtseinsseele. Er bot durch das
| |
| in der Richtung der Bewußtseinsseele zu früh wirkende
| |
| Seelenleben die Möglichkeit, daß sich in ihm von Asien aus
| |
| über Afrika, Südeuropa, Westeuropa eine geistige Welle
| |
| ergoß, die gewisse europäische Menschen mit einem Intellektualismus
| |
| erfüllte, der erst später kommen durfte; Süd- und
| |
| Westeuropa bekamen im siebenten, achten Jahrhundert
| |
| geistige Impulse, die erst im Zeitalter der Bewußtseinsseele
| |
| hätten kommen dürfen.
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| Diese geistige Welle konnte das Intellektuelle im Menschen
| |
| wecken, nicht aber das tiefere Erleben, durch das die
| |
| Seele in die Geist-Welt taucht.
| |
| Wenn nun der Mensch im fünfzehnten bis zum neunzehnten
| |
| Jahrhundert sein Erkenntnisvermögen in Tätigkeit
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| brachte, so konnte er nur bis zu einer Seelentiefe untertauchen,
| |
| in der er noch nicht auf die geistige Welt stieß.
| |
| Der in das europäische Geistesleben einziehende Arabismus
| |
| hielt die erkennenden Seelen von der Geist-Welt zurück.
| |
| Er brachte - verfrüht - den Intellekt zur Wirksamkeit,
| |
| der nur die äußere Natur fassen konnte.
| |
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| Und dieser Arabismus erwies sich als sehr mächtig. Wer
| |
| von ihm erfaßt wurde, in dem begann ein innerer - zum
| |
| großen Teile ganz unbewußter - Hochmut die Seele zu ergreifen.
| |
| Er empfand die Macht des Intellektualismus; aber
| |
| er empfand nicht das Unvermögen des bloßen Intellektes, in
| |
| die Wirklichkeit einzudringen. So überließ er sich denn der
| |
| äußeren sinnenfälligen Wirklichkeit, die sich durch sich
| |
| selbst vor den Menschen hinstellte; aber er kam gar nicht
| |
| darauf, an die geistige Wirklichkeit heranzutreten." {{Lit|{{G|026|245f}}}}
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| </div>
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| Hätte nicht der aufblühende [[Mohammedanismus]] diesen Impuls gedämpft, wäre der Mensch von seiner weiteren geistigen Entwicklung überhaupt abgeschnitten worden. In dieser abgeschwächten Form war die arabische Kultur durchaus ein wichtiges Kulturferment für [[Wikipedia:Europa|Europa]].
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| "Es war einmal der Segen Europas,
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| daß über Südeuropa herüber die arabische, maurische Kultur sich ausbreitete.
| |
| Für die damalige Zeit war vollberechtigt dasjenige, was aber
| |
| heute [[ahrimanisch]] geworden ist." {{Lit|{{G|159|242f}}}}
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| == Arabismus und aristotelische Wissenschaft ==
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| "Der innere Gehalt des Mohammedanismus
| |
| gründet sich im wesentlichen auf einfache
| |
| monotheistische Ideen, die sich beschränken auf ein göttliches
| |
| Grundwesen, dessen Natur und Gestalt man nicht besonders
| |
| erforscht, das man nicht ergründet, in dessen Willen
| |
| man sich aber ergibt, das man glaubt. Deshalb ist diese
| |
| Religion dazu geschaffen, ein ungeheures Vertrauen in diesen
| |
| Willen hervorzurufen, das zum Fatalismus führt, zur
| |
| willenlosen Ergebung. Daher war es möglich, daß in wenigen
| |
| Menschenaltern diese Stämme die arabische Herrschaft
| |
| ausdehnten über Syrien, Mesopotamien, Nordafrika bis zu
| |
| dem Reich der Westgoten in Spanien, so daß bereits um die
| |
| Wende des 7. zum 8. Jahrhundert die Mauren ihre Herrschaft
| |
| dort ausbreiteten und an die Stelle der westgotischen
| |
| ihre eigene Kultur setzten.
| |
| | |
| So strömt etwas ganz Neues, Andersgeartetes in die europäische
| |
| Kultur. Auf eigentlich geistigem, religiösem Gebiet
| |
| hat diese arabische Kultur nur einen einfachen Inhalt, der
| |
| in der Seele gewisse Kräfte begründete, aber nicht viele
| |
| Vorstellungen erwirkte, nicht den Geist besonders in Anspruch
| |
| nahm. Dieser Geist war nicht erfüllt vom Nachdenken
| |
| über Dogmen, über Engel und Dämonen und so weiter.
| |
| Aber war der Geist nicht damit erfüllt, so mit dem, was
| |
| den christlich-germanischen Stämmen damals fehlte: mit
| |
| äußerer Wissenschaftlichkeit. Fortgebildet finden wir hier
| |
| alle jene Wissenschaften, wie Medizin, Chemie, mathematisches
| |
| Denken. Der praktische Geist, der aus Asien mit
| |
| nach Spanien gebracht war, fand nun in Seefahrten und so
| |
| weiter Betätigung. Er wurde hinübergebracht in einer Zeit,
| |
| wo dort ein wissenschaftsloser Geist sein Reich begründet
| |
| hatte. Die maurischen Städte wurden Stätten ernster, wissenschaftlicher
| |
| Arbeit: wir sehen da eine Kultur, die jeder,
| |
| der sie kennt, nur bewundern kann, von der ein ''Humboldt''
| |
| sagte: «Diese Weite, diese Intensität, diese Schärfe des Wissens
| |
| ist ohne Beispiel in der Kulturgeschichte.» Diese maurischen
| |
| Gelehrten sind voll Weitblick und Tiefsinn und haben
| |
| nicht nur wie die Germanen die griechische Wissenschaft
| |
| übernommen, sondern vorgebildet. ''Aristoteles'' lebte
| |
| auch bei diesen fort, aber bei den Arabern der wahre Aristoteles
| |
| als Vater der Wissenschaft, verehrt mit großem
| |
| Weitblick. Es ist interessant zu sehen, wie das, was in Griechenland
| |
| vorgebildet war, die alexandrinische Kultur, dort
| |
| fortlebte, und damit haben wir eine der merkwürdigsten
| |
| Strömungen im menschlichen Geistesleben berührt. Die
| |
| Araber lieferten die Grundlagen zur objektiven Wissenschaft.
| |
| Diese strömte zunächst von da aus ein in die angelsächsischen
| |
| Klöster in England und Irland, wo das alte
| |
| energische keltische Blut lebte. Eigentümlich war es zu sehen,
| |
| was für ein reger Verkehr zwischen ihnen und Spanien
| |
| eingeleitet wurde, und wie dort, wo Tiefsinn und Fähigkeit
| |
| zum Denken vorhanden war, die Wissenschaft durch Vermittlung
| |
| der Araber auflebte.
| |
| | |
| Und es ist eine merkwürdige Erscheinung, wenn wir weiter
| |
| sehen, daß die Araber, die anfangs ganz Spanien in Besitz
| |
| nahmen, bald äußerlich besiegt wurden in der Schlacht
| |
| bei Poitiers 732 durch die Franken unter Karl Martell
| |
| Damit siegte äußerlich die physische Kraft der Franken
| |
| über die physische Kraft der Mauren. Aber unbesiegbar
| |
| bleibt die geistige Kraft der Araber, und so wie einst die
| |
| griechische Bildung erobernd in Rom auftritt, so erobert
| |
| sich die arabische Bildung den Westen, den siegreichen
| |
| Germanen gegenüber. Wenn nun die Wissenschaft, die
| |
| man braucht, um den Gesichtskreis für Handel und Weltverkehr
| |
| auszubreiten, wenn die Städtekultur entsteht, so
| |
| sehen wir, daß es arabische Einflüsse sind, die hier sich geltend
| |
| machen, ganz neue Elemente, die hier einströmen,
| |
| und die versuchen, sich den alten anzupassen." {{Lit|{{G|51|132ff}}}}
| |
| </div>
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| === Arabismus und Logik ===
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| <div style="margin-left:20px">
| |
| "Die Logik ist zwar für alle Welten anwendbar, aber unmittelbar
| |
| angewendet kann sie nur in bezug auf die physische Welt werden.
| |
| Also an ihr Instrument, an das physische Gehirn ist die Logik unbedingt
| |
| gebunden, wenn sie als menschliche Logik auftritt; nie hätte das
| |
| rein begriffsmäßige Denken in die Welt kommen können ohne das
| |
| Weiter-Heruntersteigen in die sinnliche Welt. Sie sehen, die Ausbildung
| |
| des logischen Denkens ist verknüpft mit dem Verlust der alten hellseherischen
| |
| Anschauung; wirklich hat der Mensch das logische Denken
| |
| erkaufen müssen mit diesem Verlust. Er muß sich die hellseherische
| |
| Anschauung wiederum hinzuerwerben zu dem logischen Denken. In
| |
| späteren Zeiten wird der Mensch die Imagination dazu erhalten, aber
| |
| das logische Denken wird ihm bleiben. Erst mußte das menschliche
| |
| Gehirn erschaffen werden, heraustreten mußte der Mensch in die physische
| |
| Welt. Der Kopf mußte erst ganz ausgestaltet werden, dem Ätherkopfe
| |
| gleich, damit dieses Gehirn im Menschen sei. Da erst war es
| |
| möglich, daß der Mensch in die physische Welt herabsteigen konnte.
| |
| Zur Rettung des Spirituellen aber mußte der Zeitpunkt gewählt werden,
| |
| wo noch nicht der letzte Impuls zum rein mechanischen, zum rein
| |
| äußerlichen Denken gegeben war. Wenn der Christus einige Jahrhunderte
| |
| später erschienen wäre, dann wäre er sozusagen zu spät gekommen,
| |
| dann wäre die Menschheit zu weit heruntergestiegen gewesen,
| |
| sie hätte sich mit dem Denken zu weit verstrickt gehabt, sie hätte den
| |
| Christus nicht mehr verstehen können. Vor dem letzten Impulse mußte
| |
| der Christus erscheinen, da noch konnte die religiös spirituelle Strömung
| |
| als eine Glaubensströmung gerettet werden. Und dann konnte der
| |
| letzte Impuls gegeben werden, der das Denken des Menschen herunterstieß
| |
| in den tiefsten Punkt, so daß die Gedanken ganz gefesselt, gebannt
| |
| wurden an das physische Leben. Das wurde durch die Araber
| |
| und Mohammedaner gegeben. Der Mohammedanismus ist nichts anderes
| |
| als eine besondere Episode in diesem Arabertum, denn in seinem
| |
| Herüberziehen nach Europa gibt er den letzten Einfluß in das rein logische
| |
| Denken, das sich nicht erheben kann zu Höherem, Geistigem." {{Lit|{{G|105|193}}}}
| |
| </div>
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| === Arabismus und die Wissenschaft der physischen Welt ===
| |
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| {{GZ|Die Araber
| |
| haben das, was sie haben, von Mohammed erhalten. Mohammed
| |
| führte die Wissenschaft ein, die nur von den Gesetzen des physischen
| |
| Planes durchzogen ist. Die christlichen Mönche bekamen
| |
| Anregungen von den Mauren. Zwar wurden die Mauren durch
| |
| politische Macht zurückgeschlagen, aber der Monotheismus, der
| |
| eine Vertiefung der physischen Wissenschaft mit sich bringt, ist
| |
| durch die Mauren nach Europa gekommen und hat zu einer
| |
| Reinigung des Christentums von allem Heidnischen geführt.
| |
| Durch das Christentum wurde das Gefühlsleben der Menschen
| |
| bis zum Kama-Manas hingeführt. Durch den Mohammedanismus
| |
| wurde der Verstand, der Geist, heruntergeführt vom spirituellem
| |
| Leben zum abstrakten Auffassen der rein physischen Gesetze.|92|18}}
| |
| | |
| == Der Einfluss des Arabismus auf Europa ==
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| <div style="margin-left:20px">
| |
| "Was man berücksichtigen muß, wenn man die europäische Entwicklung
| |
| bis ins 9. Jahrhundert hinein ins Auge faßt, das ist dieses,
| |
| daß zwei Erscheinungen deutlich vor dem geschichtlich betrachtenden
| |
| Auge auftauchen. Das eine ist der allmähliche Niederstieg des
| |
| Römischen Reiches und alles dessen, was damit zusammenhing; das
| |
| andere ist aber, daß gleichzeitig damit aufblühen die orientalischen
| |
| Lebensverhältnisse. Wir sehen, daß sich im Oriente weit über die
| |
| Gebiete, an die nach dem Osten hin das Römische Reich grenzt, Kulturblüte
| |
| entwickelt, allerdings äußere, materielle Kulturblüte. Mit
| |
| andern Worten, diese Länder, an die das Römische Reich, man kann
| |
| nicht einmal sagen, daß es in seiner Kulturblüte an sie grenzte, sondern
| |
| die es nominell umfaßte, diese Länder entfalten eine glänzende
| |
| materielle Kulturblüte. Ohne diese materielle Kulturblüte, die sich an
| |
| der Peripherie des Römischen Reiches bildete, wäre es unmöglich gewesen,
| |
| daß später, als der Mohammedanismus aufblühte, als das
| |
| Arabertum sich geltend machte in der geschichtlichen Entwickelung,
| |
| dieses Arabertum in so glänzender Weise einen großen Teil der Welt
| |
| bis in die Zeit des 8., 9. Jahrhunderts hinein für sich in Anspruch
| |
| nehmen konnte. Wir sehen ja, daß bis in dieses 8., 9. Jahrhundert hinein
| |
| die arabische Herrschaft unter der geistigen Fahne des Mohammed
| |
| sich ausbreitete bis nach Spanien hinein, daß aber auch nach den
| |
| andern Richtungen das europäische Leben in deutlichen Zusammenhang
| |
| kam mit alldem, was sich als Kulturblüte da ringsumher erhob.
| |
| Das, was die Araber erreicht haben, die dann die Feinde Europas
| |
| wurden, in Spanien, in Sizilien, vom Oriente her, das mußte wurzeln in
| |
| einem Reichtum, in glänzenden materiellen Verhältnissen. Nur dadurch
| |
| ist es möglich geworden, daß das Arabertum solch glänzende
| |
| Eroberertaten verüben konnte. Woher kommt diese Erscheinung,
| |
| die inniger, als man denkt, mit dem, was in Europa geschieht
| |
| bis zum 9. Jahrhundert hin, zusammenhängt? Woher rührt diese
| |
| Erscheinung, daß auf der einen Seite das Römische Reich zurückgeht,
| |
| und auf der andern Seite das orientalische Wesen einen glänzenden
| |
| Aufschwung nimmt und auf das Abendland in außerordentlicher
| |
| Weise wirkt? Denn es wirkte nicht nur durch.seine Eroberung, es
| |
| wirkte in außerordentlicher Art geistig. Man glaubt gar nicht, wieviel
| |
| von dem, was die Araber zum Teil durch die griechische Bildung,
| |
| die sie selbst erst übernommen hatten, die sie mit ihrem
| |
| eigenen Wesen verwoben haben, auf das europäische Abendland
| |
| eingewirkt hat.
| |
| | |
| Dieses europäische Abendland hat durch die Art und Weise, wie es
| |
| sich bis zum 9. Jahrhundert entwickelt hat, ja nicht nur eine Strömung
| |
| in sich. Wir alle, insofern wir teilnehmen an der Bildung des
| |
| Abendlandes, haben zwei deutliche Strömungen in uns. Man geht
| |
| ganz fehl, wenn man glaubt, daß nur die eine, christliche Strömung
| |
| sich im Abendlande ausgebreitet hat; geistig hat sich ganz wesentlich
| |
| das, was von den Arabern gekommen ist, im Abendlande ausgebreitet.
| |
| Die Denkweise, die Art und Weise des Vorstellens ist vom Arabertum
| |
| tief eingedrungen in die europäischen Verhältnisse. In dem, was der
| |
| heutige Mensch - ich meine jetzt nicht den geisteswissenschaftlich angekränkelten
| |
| Menschen, sondern den Menschen der allgemeinen Bildung
| |
| - über Schicksal, über Naturordnung, über das Leben überhaupt
| |
| denkt, darin stecken bis in den Bauernkopf hinein die mannigfaltigsten
| |
| arabischen Gedanken. Und wenn Sie vieles von dem, was
| |
| heute die Köpfe beherrscht, nehmen, so finden Sie schon, daß arabische
| |
| Gedanken darinnen sind.
| |
| | |
| Was kann man unter vielem andern als charakteristisch für diese
| |
| arabische Denkungsweise, die sich in Europa ausbreitete, aufstellen?
| |
| Als besonders charakteristisch kann man aufstellen, daß diese arabische
| |
| Denkungsweise zuerst einmal spitzfindig ist, abstrakt ist, das
| |
| Konkrete nicht gern hat, daher am liebsten alle Welt- und Naturverhältnisse
| |
| in Abstraktionen betrachtet. Daneben ist eine, man kann
| |
| nicht bloß sagen blühende, sondern wollüstige Phantasieentwickelung.
| |
| Denken Sie nur einmal, was neben der nüchternen, abstrakten
| |
| Denkweise, die sich sogar im Künstlerischen zeigt im Arabertum, was
| |
| sich da an Phantasie entwickelt über eine Art Paradies, über eine Art
| |
| Jenseits mit all den aus dem Sinnlichen in dieses Jenseits hineinversetzten
| |
| Freuden. Diese zwei nebeneinanderlaufenden Dinge: nüchternes,
| |
| materialistisches Betrachten von Natur- und Weltverhältnissen,
| |
| auf der andern Seite üppiges Phantasieleben, selbstverständlich in Abstumpfung
| |
| dann und im Gescheitwerden, ist etwas, was sich bis in die
| |
| Gegenwart herein fortgepflanzt hat. Denn, will man heute irgend etwas
| |
| von der geistigen Welt vorbringen, ja, wenn man es in Form von
| |
| Phantasie gibt, dann gehen die Leute noch darauf ein. Dann brauchen
| |
| sie nicht daran zu glauben, sondern können es als Phantasiegebilde
| |
| hinnehmen. Das lassen sie sich gefallen, denn daneben wollen sie das
| |
| haben, was sie echt, wirklich nennen. Das muß aber nüchtern, das
| |
| muß trocken, das muß abstrakt sein.
| |
| | |
| Diese zwei Dinge, die als zweite Strömung im Seelenleben Europas
| |
| leben, die sind im wesentlichen mit dem Arabertum gekommen. Das
| |
| Arabertum ist zwar kriegerisch in vieler Beziehung zurückgedrängt
| |
| worden, aber diese Vorstellungsart, die ist tief eingedrungen in das
| |
| europäische Leben, namentlich in das südliche, westliche und mitteleuropäische
| |
| Leben, weniger in das osteuropäische Leben; aber auch
| |
| da, wenigstens in das, was man «Bildung» nennt, ist es teilweise eingedrungen.
| |
| So daß das Christentum, das in bezug auf diese Dinge
| |
| ganz anders geartet ist, mit diesen entgegengesetzten Vorstellungen zu
| |
| kämpfen hatte. Will man also Europas Entwickelung bis ins 9. Jahrhundert
| |
| hinein verstehen, so darf man nicht außer acht lassen, daß
| |
| solche arabische Gedanken in Europa eingedrungen sind. Man glaubt
| |
| gar nicht, wieviel eigentlich in Europa dem Türkentum nahesteht,
| |
| der mohammedanischen Kultur nahesteht in den Gedanken, die der
| |
| Europäer über Leben, Schicksal und so weiter hat." {{Lit|{{G|180|284ff}}}}
| |
| </div>
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| | |
| <div style="margin-left:20px">
| |
| "Erst in der Zeit der Renaissance wacht die Wissenschaft wieder auf.
| |
| Was von Griechenland und Rom angeregt war, das wird zur arabischen
| |
| Weisheit, zum Geist des Mohammedanismus. Der Arabismus
| |
| hat sich dann von Spanien aus über Europa ausgebreitet. Groß ist
| |
| diese Wissenschaft in allem, was sich auf das unmittelbar Sinnliche
| |
| bezieht. Die Wissenschaft, die im eminentesten Sinne Anregung geworden
| |
| ist zur europäischen Wissenschaft, die Bacon und Spinoza
| |
| beeinflußt hat, sie entspringt dem spanischen Arabertum, sie kommt
| |
| von Spanien. Sie kann aber nicht hinaufsteigen über einen Pantheismus
| |
| hinaus, der gar nicht zu konkreten Geistwesen kommen kann.
| |
| Zum Konkreten kam der Arabismus nicht; er stieg bis zum sinnlichen
| |
| Menschen hinauf, aber das, was man darüber sah, war nur eine
| |
| abstrakte göttliche Einheit, von der man nicht weiß, was sie ist. Eine
| |
| arme und bequeme Weltanschauung! Man hat eben keine Kenntnis
| |
| vom Geist, wenn man ihn zusammenfaßt in einer Einheit. Darin liegt
| |
| die Armut des Pantheismus." {{Lit|{{G|104a|91}}}}
| |
| </div>
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| | |
| === Reinkarnation arabistischer Denker in Europa ===
| |
| | |
| [[Rudolf Steiner]] hat darauf hingewiesen, dass viele arabistische Denker später in Europa wiedergeboren wurden und das hier erwachende [[naturwissenschaft]]liche [[Denken]] prägten.
| |
| | |
| <div style="margin-left:20px">
| |
| "Nun wissen wir ja, daß in äußerlicher Weise unter dem Stoße des
| |
| Mohammedanismus sich verbreitete der Arabismus über Afrika, Südeuropa,
| |
| über Spanien nach Europa hinein. Wir kennen dasjenige, was
| |
| sich an äußeren Kriegen, an äußeren Kulturkonflikten abgespielt hat.
| |
| Aber das Ganze reißt einmal ab. Man redet ja gewöhnlich von der
| |
| Schlacht des ''Karl Martell'' bei Tours und Poitiers so, als ob damit der
| |
| Arabismus aus Europa verdrängt worden wäre. Aber im Arabismus
| |
| war eine ungeheure geistige Stoßkraft. Und das Merkwürdige ist, daß,
| |
| als der Arabismus äußerlich als politische, als kriegerische Macht sozusagen
| |
| zurückgeschlagen worden war aus Europa, daß da die Seelen
| |
| derer, die innerhalb des Arabismus tonangebend gewirkt haben, nachdem
| |
| sie durch die Pforte des Todes gegangen waren, in der geistigen
| |
| Weit sich intensiv damit beschäftigt haben, wie sie weitergestalten können
| |
| für Europa den Einfluß des Arabismus. Bei dem, was durch die
| |
| geistige Welt durchgeht, handelt es sich nicht darum, meine lieben
| |
| Freunde, daß in äußerlicher Weise die Dinge gestaltet werden. Das
| |
| Äußere mag sich wenig gleichen bei dem, was erscheint, wenn eine Individualität
| |
| in zwei aufeinanderfolgenden Erdenleben auftritt. Da
| |
| kommt es vielmehr auf das Innerlichste an [...] Daher entwickeln sich diese großen Seelen des Arabismus in der Weise
| |
| weiter zwischen Tod und einer neuen Geburt, daß sie verbunden bleiben
| |
| mit dem Impuls, der vom Osten nach dem Westen gegangen war, daß
| |
| sie verbunden bleiben in der geistigen Welt mit ihren Taten. In der
| |
| äußeren Welt entwickelt sich, wie man sagt, die Zivilisation weiter.
| |
| Ganz andere Formen erscheinen da, als diejenigen waren, die der Arabismus
| |
| hatte. Aber die Seelen, die im Arabismus groß gewesen waren,
| |
| erschienen wieder, und sie trugen eben, ohne daß sie seine äußeren Formen
| |
| herübergetragen hätten, den Arabismus in seinen inneren Impulsen
| |
| in eine viel spätere Zeit hinein. Sie erschienen als Kulturträger einer
| |
| späteren Zeit, in der Sprache, in den Denkgewohnheiten, in den Empfindungsgewohnheiten,
| |
| Willensimpulsen einer solchen späteren Zeit.
| |
| Aber in ihren Seelen wirkte der Arabismus weiter. Und so sehen wir
| |
| denn, daß gerade diejenige Geistesströmung, die heraufgekommen ist
| |
| als die tonangebende in den zwei letzten Dritteln des 19. Jahrhunderts,
| |
| tief beeinflußt war von solchen Geistern, welche aus dem Arabismus
| |
| hervorgegangen sind." {{Lit|{{G|240|106f}}}}
| |
| </div>
| |
| | |
| <div style="margin-left:20px">
| |
| "Denn tatsächlich, das ist das Geheimnis, meine lieben Freunde,
| |
| für die sonderbare Entwickelung des naturwissenschaftlichen Denkens
| |
| in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, daß fast sämtliche Träger
| |
| dieser mehr ursprünglich denkenden und fühlenden naturwissenschaftlichen
| |
| Strömung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in ihrem
| |
| vorigen Erdenleben, in ihrem bestimmenden Erdenleben, Araber waren ..." {{Lit|{{G|235|138}}}}
| |
| </div>
| |
| | |
| ==Literatur==
| |
| #Rudolf Steiner: ''Anthroposophische Leitsätze'', [[GA 26]] (1998), ISBN 3-7274-0260-1 {{Schriften|026}}
| |
| #Rudolf Steiner: ''Über Philosophie, Geschichte und Literatur'', [[GA 51]] (1983), ISBN 3-7274-0510-4 {{Vorträge|051}}
| |
| #Rudolf Steiner: ''Die okkulten Wahrheiten alter Mythen und Sagen'', [[GA 92]] (1999), ISBN 3-7274-0920-7 {{Vorträge|092}}
| |
| #Rudolf Steiner: ''Aus der Bilderschrift der Apokalypse des Johannes'', [[GA 104a]] (1991), ISBN 3-7274-1045-0 {{Vorträge|104a}}
| |
| #Rudolf Steiner: ''Welt, Erde und Mensch '', [[GA 105]] (1983), ISBN 3-7274-1050-7 {{Vorträge|105}}
| |
| #Rudolf Steiner: ''Das Geheimnis des Todes. Wesen und Bedeutung Mitteleuropas und die europäischen Volksgeister'', [[GA 159]] [GA 159/160] (1980), ISBN 3-7274-1590-8 {{Vorträge|159}}
| |
| #Rudolf Steiner: ''Mysterienwahrheiten und Weihnachtsimpulse. Alte Mythen und ihre Bedeutung'', [[GA 180]] (1980), ISBN 3-7274-1800-1 {{Vorträge|180}}
| |
| #Rudolf Steiner: ''Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge. Erster Band'', [[GA 235]] (1994), ISBN 3-7274-2350-1 {{Vorträge|235}}
| |
| #Rudolf Steiner: ''Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge. Sechster Band'', [[GA 240]] (1992), ISBN 3-7274-2401-X {{Vorträge|240}}
| |
| | |
| {{GA}}
| |
| | |
| [[Kategorie:Arabismus]] [[Kategorie:Islam]]
| |