Geschichte der Physik und Geschichte der Geologie: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Joachim Stiller
 
imported>Joachim Stiller
(Die Seite wurde neu angelegt: „Im Gegensatz zur historischen Geologie, die sich mit der Entwicklungsgeschichte der Erde (insbesondere der Erdkruste) befasst, ist…“)
 
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:Galileo.arp.300pix.jpg|mini|Galileo Galilei: Oft als Begründer der Physik angesehen.]]
Im Gegensatz zur [[Historische Geologie|historischen Geologie]], die sich mit der Entwicklungsgeschichte der [[Erde]] (insbesondere der Erdkruste) befasst, ist das Thema '''Geschichte der Geologie''' die Entwicklung dieser Naturwissenschaft selbst. Hierbei kommt es zu Überschneidungen mit der Geschichte anderer [[Geowissenschaften]], wie vor allem [[Paläontologie]], [[Mineralogie]] und [[Petrografie]].
Die '''Geschichte der Physik''' als einer eigenständigen [[Naturwissenschaft]] begann Anfang des 17. Jahrhunderts mit der Einführung der [[experiment]]ellen Methode der wissenschaftlichen [[Erkenntnis]]findung, im Wesentlichen durch [[Galileo Galilei]]. Er und andere Begründer der [[Physik]] bezogen sich noch vielfach auf überlieferte Schriften der [[Antike]]. Diesen stellten sie aber eigene Beobachtungen entgegen, die sie in sorgfältig geplanten und mit mathematischen Methoden ausgewerteten Experimenten gewonnen hatten. Zudem forderten sie für die so gewonnenen Ergebnisse den Vorrang vor rein philosophisch oder theologisch begründeten Aussagen über die Natur.


Bis Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die [[klassische Physik]]: Zuerst, aufbauend auf dem Werk von [[Isaac Newton]], die  [[Klassische Mechanik]], die sich mit der [[Bewegung (Physik)|Bewegung]] und Wechselwirkung von [[Körper (Physik)|Körpern]] beschäftigt. Zuletzt die [[Elektrodynamik]], nachdem [[James Clerk Maxwell]] eine Theorie gefunden hatte, die alle [[Elektrizität|elektrischen]] und [[Magnetismus|magnetischen]] Effekte in einheitlicher Weise beschreibt. Nach und nach gelang es, fast alle damals bekannten Phänomene auf diese beiden Grundlagen zurückzuführen. Insbesondere wurde Hitze in der [[Thermodynamik]] als ungeordnete Bewegung von Teilchen, und [[Licht]] in der [[Optik]] als [[elektromagnetische Welle]] verstanden. Experimentelle Befunde, darauf aufbauende Theorien sowie Erkenntnisse aus der [[Chemie]] ließen den Aufbau der [[Materie (Physik)|Materie]] aus  [[Atomismus|Atomen]] erkennen.
== Antike ==
[[Datei:Turine Papyrus, ca. 1320 v.C..jpg|mini|links|270px|Der ''[[Turiner Papyrus (altägyptischer Lagerstätten-Papyrus)|Turiner Papyrus]]'' zeigt die Lageskizze eines ägyptischen Bergbaureviers, um 1160 v. Chr. Wegen der [[Legende (Karte)|Legende]]: „''Die Berge in denen Gold gewaschen wird. Sie sind in dieser roten Farbe.''“ gilt der Papyrus als die älteste erhaltene geologische Karte der Welt.]]


Anfang des 20. Jahrhunderts kam es, ausgelöst durch die [[Spezielle Relativitätstheorie|spezielle]] und die [[Allgemeine Relativitätstheorie|allgemeine]] [[Relativitätstheorie]] von [[Albert Einstein]] einerseits, sowie die [[Quantenphysik]] andererseits, zu einem [[Paradigmenwechsel]]. Die damals beginnende [[moderne Physik]] baut auf Begriffen von Raum, Zeit und Materie auf, die grundlegend anders sind als die der klassischen Physik, wobei deren bewährte Ergebnisse jedoch vollständig erhalten bleiben. Damit erweiterte und vertiefte sich das Wissen sowohl im mikroskopisch Kleinen ([[Teilchenphysik|Teilchen-]], [[Kernphysik|Kern-]] und [[Atomphysik]]) als auch im astronomisch Großen ([[Astrophysik]] und [[Kosmologie]]). Vor allem mit der [[Festkörperphysik]] und der [[Laserphysik]] lieferte und liefert die moderne Physik außerordentlich wichtige Grundlagen für technische Anwendungen in den verschiedensten Lebensbereichen.
Die Ursprünge der [[Geologie]] speisen sich aus zwei recht unterschiedlichen Quellen: einerseits aus den praktischen Kenntnissen der Erzsucher, Bergleute und Metallurgen, die die antiken [[Hochkultur (Geschichtswissenschaft)|Hochkulturen]] mit den benötigten [[Rohstoff]]en versorgten, andererseits aus den allerersten Keimen der abendländischen Philosophie.


Die Quantenphysik und die Relativitätstheorie bilden heute die Grundpfeiler des physikalischen [[Weltbild]]s.
=== Minerale, Fossilien und Gesteine in der ionischen Naturphilosophie ===
Es war [[Thales|Thales von Milet]] (um 624 bis um 546 v. Chr.), der Begründer der [[Ionische Naturphilosophie|ionischen Naturphilosophie]], der als Erster versucht hat, die alten mythologischen Vorstellungen über die Erde durch rationale Erklärungen zu ersetzen. Nicht mehr den grollenden ‚Erderschütterer‘ [[Poseidon]] machte er für die Entstehung der [[Erdbeben]] verantwortlich, sondern die Bewegungen der auf dem Urwasser schwimmenden [[Flache Erde|Erdscheibe]]. Ebenso scheint Thales durch die Beobachtung der [[Sedimentation]] bei Sandbänken an der Mündung großer Flüsse, oder der Ausfällung von [[Mineral]]en am Rand heißer Quellen, zu seiner These gelangt zu sein, alle Dinge seien aus dem Wasser entstanden.


== Vorgeschichte der Physik ==
[[Anaximander|Anaximandros]] (um 610 bis um 546 v. Chr.), zeichnete nicht nur die erste Karte der bewohnten Welt, sondern dehnte Thales Vorstellungen auch auf die belebte Welt aus. Er lehrte, dass die Lebewesen aus der Feuchtigkeit entstanden seien, die unter der Einwirkung der Sonne verdunste. Als Folge habe sich aus fischartigen Lebewesen der Mensch entwickelt. Natürlich ist es reiner Zufall, dass heute wieder diskutiert wird, ob sich die ersten Bausteine des Lebens („[[Chemische Evolution|Ursuppe]]“) im Meer gebildet haben, oder ob sie sich nicht eher in heißen, mineralgesättigten Wasserlöchern konzentriert hätten. Dennoch greift Anaximandros’ erstaunliche These der modernen [[Evolutionstheorie]] um mehr als 2400 Jahre voraus. Schließlich erwägt er als erster Denker einen ''natürlichen'' Entwicklungsprozess der Lebewesen. Auf jeden Fall zeigt sie, dass ihm das Phänomen der Ausfällung von Meersalz durch Sonneneinstrahlung ([[Evaporation]]) bekannt war.


{{Siehe auch|Naturphilosophie|Scholastik}}
[[Xenophanes|Xenophanes von Kolophon]] (um 570 bis um 470 v. Chr.) deutete erstmals die Abdrücke von Muscheln und anderen Seetieren in meeresfernen Landstrichen als die Überreste von versteinerten Lebewesen ([[Fossilien]]). Ihre Lage erklärte er damit, dass sich die Gebirge einstmals aus dem Meer gehoben hätten. Ebenso erkannte er die voranschreitende [[Erosion (Geologie)|Erosion]] an den Küsten. Aus diesen beiden Prozessen schloss er auf große Zyklen, in denen sich Gebirgsbildung und Erosion abwechselten. Bei der Zerstörung der Festländer werde dabei jedes Mal die jeweilige Menschheit vernichtet.


=== Antike ===
=== Metaphysische Spekulationen in der griechischen Philosophie ===
[[Datei:Mineurs grecs 2.jpg|mini|Griechische Bergarbeiter]]
Alle diese der Natur zugewandten Denkansätze galten schon im 4. vorchristlichen Jahrhundert wieder als überholt. Die [[griechische Philosophie]] widmete sich stattdessen vermehrt formallogischen und transzendenten Problemen. Während die [[Pythagoreer]] in Süditalien die Mathematik in eine geheime Mysterien-Religion verwandelten, beschränkten sich die [[Sophisten]] auf Übungen in Grammatik, Dialektik und Rhetorik. Die Vorstellungen über die Entstehung der [[Gestein]]e und [[Metalle]] bewegten sich bald nur noch im Bereich der reinen Spekulation, die auf empirische Beobachtungen weitgehend verzichtete. Als z. B. [[Anaxagoras|Anaxagoras von Klazomenai]] (um 500–428 v. Chr.) behauptete, die steinige Beschaffenheit der Himmelskörper sei durch den Fall des [[Meteorit]]en von Aigospotamoi bewiesen worden, brachte ihm das bereits eine Verurteilung wegen [[Gotteslästerung]] ein.


Die griechische Naturphilosophie griff mesopotamische und ägyptische Kenntnisse auf und suchte nach grundlegenden Erklärungsprinzipien. Einzelne Sachverhaltsbeschreibungen wurden bereits mathematisiert. Eine experimentelle Methodik war jedoch noch nicht etabliert.
[[Platon]] (427–348 v. Chr.) verband die Lehre von den [[Vier-Elemente-Lehre|vier Elementen]] des [[Empedokles]] mit den mathematischen Spekulationen der [[Pythagoreer]] über die geometrische Gestalt der Atome. Die Metalle und [[Mineral]]e bestehen demnach nicht, wie die Steine und Erden, aus vermischten Elementen, sondern aus besonders verdichtetem ‚schmelzbarem Wasser‘, sprich: besonders hart gefrorenem Eis.


Die ionische materialistische Naturphilosophie eines [[Thales]], [[Anaximander]], [[Anaximenes]], [[Heraklit]] erwarb Kenntnisse über Naturphänomene wie Ab- und Zunahme der Luftdichte, den Aufstieg warmer Luft, magnetische Anziehung und Bernsteinreibung.<ref name="s451">Schreier 1990, 451</ref>
[[Aristoteles]] (384–322 v.&nbsp;Chr.) vertrat in seinem Werk ''Meteorologia'' die folgenreiche Lehre von der Umwandlung ([[Transmutation]]) der Elemente. Die Wandlung führte er auf das tiefe Eindringen der Sonnenstrahlen in den Erdkörper zurück. Aus den resultierenden trockenen Ausdünstungen entstünden demnach die Gesteine, und aus den feuchten Ausdünstungen die Metalle. Seine Vorstellung über die Bildung von Fossilien im Inneren von Gesteinen durch eine unbestimmte schöpferische Kraft (lateinisch: ''vis plastica'') sollte ebenfalls bis weit in die Neuzeit Geltung behalten. Die Hebungen und Senkungen der Erdoberfläche, die Anschwemmung und Abtragung bewirken, waren ihm bekannt. Seiner Meinung nach beruhten sie auf der langsamen, aber unregelmäßigen Alterung der Erde.


[[Empedokles]] begründete die lange Zeit maßgebliche Lehre von vier Elementen. [[Leukipp]]os und [[Demokrit]] führten die von [[Epikur]] weiterverfolgte Atomhypothese ein: alles besteht aus kleinsten Teilchen, die selbst nicht teilbar oder [[intrinsisch]] wandelbar sind und deren Zusammensetzung den Wandel der Phänomene erklärt.
Als Ursache für die Entwicklung und das Wachstum aller Dinge, also auch der Minerale, galt der [[Logos]] (griechisch: das Wort, die vernünftige Rede, die Begründung), ein allgemeines metaphysisches Ordnungsprinzip, das den gesamten [[Universum|Kosmos]] durchdringt. In der philosophischen Schule der [[Stoa]] entwickelte man daraus das Konzept der ''Logoi spermaticoi'', der „samenartigen Gründe“. Diese enthalten, so nahm man an, die [[Idee]]n, die die endgültige Gestalt der Einzeldinge festlegen. Im [[Neuplatonismus]], der später einen bedeutenden Einfluss auf die christliche Theologie haben sollte, entsprangen diese Ideen dem göttlichen Geist. Heute würden wir hierbei wohl eher an die atomaren [[Chemische Bindung|Bindungskräfte]] denken, die die einzelnen Atome eines Minerals in ein [[Kristallgitter]] zwingen, oder die [[Gen]]e, die die Entwicklung eines lebenden Organismus bestimmen.


Im heutigen Gebiet der Optik entwickelten die griechischen Philosophen [[Pythagoras]], Demokrit, Empedokles und andere mehrere Theorien des Lichts.<ref>{{Literatur | Autor=Eugene Hecht | Titel=Optik | Auflage=4 | Verlag=Oldenbourg | Ort=München/ Wien | Jahr= 2005| ISBN=3-486-27359-0 | Seiten=1}}</ref> [[Euklid]] entwickelte sie nach dem von ihm entworfenen Ideal der Geometrie weiter und untersuchte insbesondere die Spiegelung mathematisch. Ptolemaios folgte ebenfalls diesem mathematischen Methodenideal und maß u.&nbsp;a. die [[Brechung (Physik)|Lichtbrechung]] durch Experimente. [[Heron von Alexandria]] versuchte, das [[Reflexionsgesetz]] und die Lichtbrechung dadurch zu erklären, dass das Licht den kürzesten Weg zwischen zwei Punkten nimmt.
=== Die antiken „Steinbücher“ ===
[[Datei:Pompeji um 1900 ueberblick.jpg|mini|270px|Die Ruinen von Pompeji zu Füßen des Vesuvs, um 1900]]


Bei den in der [[Legende]] von [[Pythagoras in der Schmiede]] beschriebenen Zahlenverhältnissen von [[Konsonanz|Wohlklängen]] handelt es sich um das erste konkret und quantitativ beschriebene [[Physikalisches Gesetz|Naturgesetz]], ohne dass jedoch klar ist, wie man zu diesem Gesetz gelangt ist.<ref>Károly Simonyi: ''Kulturgeschichte der Physik.'' Kapitel „Mystik und Mathematik: Pythagoras“. Verlag Harri Deutsch, Thun/Frankfurt am Main 1990, S. 61–66.</ref>
Solche Ansichten wurden von [[Theophrastos von Eresos|Theophrast]], dem Schüler und Nachfolger Aristoteles, in seiner Schrift ''Über die Steine'' zusammengefasst. Danach galten sie, bis weit in die Neuzeit hinein, als allgemein verbindlich. In den späteren Steinbüchern wurden diese Theorien aber zunehmend mit Vorstellungen aus dem Orient vermengt, über die magisch-astrologischen und medizinischen Eigenschaften der Metalle und [[Schmuckstein|Edelsteine]], aber auch mit praktischen Rezepten für die Fälschung von [[Gold]], sowie zur künstlichen Herstellung von [[Glas]] und Farbstoffen. Hier darf man die Ursprünge der technischen [[Chemie]] sehen.


[[Platon]] nahm immaterielle Urbilder an und versuchte, damit Bewegung und Gravitation zu erklären. Im [[Timaios]] entwickelte er Ansätze einer [[Kosmologie]]. Nach der [[Ontologie]] des Aristoteles ist die Identität und der Wandel der Objekte durch das Arrangement zweier Grundprinzipien erklärbar, Form und Materie. Er nahm vier Ursachen an, unter welchen die Bewegungsursache nur eine ist (neben Ziel, Form und Materie). Seine Bewegungslehre ist eine Vorform der klassischen Dynamik. Auch sonst beschrieb er Naturphänomene eher materialistisch. Aristoteles hat diverse physikalische und sonstige naturwissenschaftliche Studien betrieben und Werke oder Vortragsnotizen u.&nbsp;a. über die Physik, den Himmel, das Wetter, Entstehen und Vergehen, Fragen der [[Mechanik]] zusammengestellt.
Die letzte große Zusammenfassung all dieses, mittlerweile schon sehr umfangreichen und widersprüchlichen, Materials unternahm [[Plinius der Ältere]] in seiner enzyklopädischen ''Naturalis Historia'', deren letzte fünf Bücher sich mit dem Mineralreich befassten. Bei dem Ausbruch des [[Vesuv]]s, der die Stadt [[Pompeji]] vernichtete, wagte sich Plinius aus Hilfsbereitschaft, aber auch aus Neugier zu nah an den [[Vulkan]] heran und erstickte an den austretenden Gasen. Auf Grund des sehr detaillierten Augenzeugenberichtes seines Neffen [[Plinius der Jüngere|Plinius des Jüngeren]] werden solche explosiven Ausbrüche noch heute als [[Plinianische Eruption]]en bezeichnet.


Mit seinem Werk [[Physik (Aristoteles)|Physik]] prägte [[Aristoteles]] den Begriff "Physik" (alles natürlich Gewachsene im Gegensatz zu [[Artefakt]]en); sein Werk beschreibt die Natur nicht im heutigen Sinne mathematisch.
Sonst wurden in der Antike nur noch wenige geologische Beobachtungen gemacht. Das Desinteresse beruhte vor allem auf der allgemeinen Geringschätzung von schmutziger Handarbeit. So blieb besonders das Gebiet der [[Angewandte Geologie|Angewandten Geologie]], wie [[Bergbau]] und [[Lagerstättenkunde]], ausschließliche Domäne von Sklaven und Handwerkern, die ihre praktischen Kenntnisse im besten Fall mündlich weiter gaben. Nur im biblischen [[Ijob|Buch Ijob]] ({{B|Hi|28|1-19}}) findet sich eine kurze Schilderung über den (letztendlich unbefriedigten) Forscherdrang der Bergleute.


Darüber hinaus bestand ein ausgeprägtes Anwendungsinteresse, das Erfinder wie [[Ktesibios]], [[Philon von Byzanz]] oder Heron prägte, die hydraulische, pneumatische und mechanische Phänomene nutzten.<ref name="s451" /> [[Archimedes]] beschrieb um 250 v.&nbsp;Chr. den [[Statischer Auftrieb|statischen Auftrieb]] und die [[Hebelgesetz]]e. Er bestimmte den Schwerpunkt von Flächen und Körpern und mathematisierte nach dem Vorbild des Euklid [[Statik (Physik)|Statik]] und [[Hydrostatik]].
=== Die Grundlagen des christlichen Erdbildes ===
In der christlichen Spätantike gingen bereits viele alte Vorstellungen über die Beschaffenheit der Erde verloren. So verwarf schon [[Theophilus von Antiochia]] (115–181) die alten griechischen Vorstellungen über die Ewigkeit der Welt, oder über vieltausendjährige Zyklen der Erdentstehung und Erdvernichtung. Stattdessen versuchte er, nach jüdischem Vorbild, das Alter der Erde aus den Angaben der [[Bibel]] zu errechnen, wobei er auf ein Datum von 5529 v.&nbsp;Chr. kam. [[Lactantius|Lactantius Firmianus]] (ca. 240–320) hingegen leugnete die Kugelgestalt der Erde, und favorisierte eine [[Flache Erde|Flache-Erde-Theorie]], wie sie durch seine Auslegung des [[Altes Testament|Alten Testaments]] nahegelegt wurde.


=== Mittelalter und Renaissance ===
== Mittelalter ==
Zahlreiche antike und frühmittelalterliche Kompendien überliefern die physikalischen Kenntnisse der antiken Wissenschaftler.
Während in Westeuropa nach dem Zusammenbruch des römischen Imperiums auch im Bergbau eine lange Zeit der Stagnation einsetzte, wurden im arabisch-muslimischen Kulturraum die antiken Vorstellungen über die Entstehung der [[Erz]]e und Gesteine weiterentwickelt. Ibn Sina (latinisiert: [[Avicenna]], um 980–1037) griff hierbei besonders auf Aristoteles zurück, dessen Lehre von der Umwandlung der Metalle er hingegen ablehnte. Darüber hinaus lieferte er eine modern anmutende Klassifizierung des Mineralreiches in Salze, Schwefel, Metalle und Steine. Aus der geschichteten Form von Gesteinen schloss er auf ihre Entstehung durch Sedimentation, und die Bildung der Gebirge führte er auf die Wirkung von Erdbeben zurück. In seinen Vorstellungen von der Wirkung des Wassers stand Ibn Sina übrigens einem Orden ([[Tariqa]]) von [[Sufismus|Sufi]]-Mystikern nahe, die sich die [[Brüder der Reinheit]] nannten. Diese lehrten, dass sich die Ozeane im Laufe langer Zeiträume mit Sedimenten aus den Bergen und Flüssen füllten. Schließlich flössen die Meere über und neues Material lagere sich auf den Festländern ab.


Im arabischen Kulturraum sind u.&nbsp;a. die Zusammenstellungen und Kommentierungen von [[Avicenna]] und [[Averroes]] wichtig, die auch für die im 12. und 13. Jahrhundert erfolgende Rezeption antiken Wissens im lateinischen Westen bedeutsam werden.
Solche antiken und arabischen Vorstellungen gelangten im 12. und 13.&nbsp;Jahrhundert nach Westeuropa, wo sie die abendländischen [[Alchemie|Alchemisten]] inspirierten. Diese erklärten die Bildung der Metalle durch die konzentrierte Strahlung aller [[Planet]]en auf das Zentrum der Erde, das man sich wie einen riesigen, feurigen Schmelzofen vorstellte. [[Albertus Magnus]] (1200–1280) beschrieb die Bildung von Erzadern wie einen [[Destillation]]s-Vorgang. Durch die Hitze des Erdinneren werden die feineren Bestandteile der feuchten Ausdünstungen in die natürlichen Poren und Risse der Erdkruste getrieben. Dort werden sie, ganz ähnlich wie im Hals einer Retorte, abgekühlt, ausgeschieden und konzentriert. Dies entspricht im Wesentlichen der modernen Theorie von [[hydrothermal]]en [[Ganglagerstätte]]n.


Insgesamt hat sich das bei Aristoteles stark ausgeprägte Interesse an einer Ausweitung physikalischer Einzelerkenntnisse und ihrer zusammenfassenden Systematisierung im lateinischen Westen über längere Zeit hin verloren. Stattdessen überwiegt ein Interesse an der Natur als Zeichen für den göttlichen Willen und daher einer Quelle der [[Offenbarung]], wie etwa schon in der Bibelauslegung des [[Augustinus]] um das Jahr 400.<ref>Vgl. ''De Genesi ad litteram'', ''De civitate Dei'' 21, 8; Donati/Speer.</ref>
[[Datei:Creation-and-the-expulsion-from-the-paradise-11291.jpg|mini|links|220px|Darstellung der Erde und des umgebenden Wassers unter den Sphären der Elemente Luft und Feuer (rot) sowie der Planeten- und Sternensphären (15.&nbsp;Jahrhundert)]]


Ein Interesse an der Natur im Sinne empirischer Erklärungssuche wird Anfang des 12. Jahrhunderts rudimentär greifbar, etwa bei [[Adelard von Bath]], der die Natur nicht mehr als „Buch“ göttlicher Zeichen versteht, sondern in seinen ''Quaestiones naturales'' biologische, physiologische, kosmologische und klimatologische Phänomene beschreibt und sich nicht auf Buchwissen, sondern Beobachtung, experimentum, stützt, ohne dies freilich methodologisch auszuarbeiten.<ref>Donati/Speer mit Verweis auf Quaest. nat. 6 und 22</ref>
Ansonsten richtete der mittelalterliche Mensch, wenn er sich Fragen über den Zustand der Welt machte, seinen Blick eher zum Himmel, als auf den Boden unter seinen Füßen. Im Himmel vermutete er, je nach Bildungsstand, entweder einen allwaltenden Herrgott, oder die Anziehungskräfte und Strahlungen der Planeten, die die Berge empor höben, die Meere zurückzögen, oder das Wachstum von Mineralen, Pflanzen und Tieren bewirkten.


[[Robert Grosseteste]] entwickelt im Anschluss an die platonische geometrische Weltbetrachtung eine Lichttheorie, welche die quantitative, qualitative, räumliche und substantielle Bewegung auf Lichtgesetze zu reduzieren versucht (''De motu corporali et luce'' und ''De lineis''). Damit wird die Optik (bei Robert ''scientia perspectiva'') eine „Modellwissenschaft“<ref>Donati/Speer</ref> Auch [[Roger Bacon]] will alle Naturkausalität als Wirkung energetischer Strahlung erklären.<ref>Opus maius, Teil 4, nach Donati/Speer</ref> [[Witelo]] gibt der Optik einen ähnlich zentralen Rang in seiner Übertragung und Erklärung der ''Perspectiva'' von [[Alhazen|Ibn al-Haitham]].<ref>Donati/Speer</ref> Die ähnlich angelegte ''Perspectiva communis'' [[Johannes Peckham]]s wird noch von [[Lorenzo Ghiberti]] und [[Leonardo da Vinci]] verwendet.<ref>Donati/Speer</ref>
Im Spätmittelalter kamen (besonders durch die Eingliederung der aristotelischen Philosophie in die christliche Theologie) die ersten Zweifel an der kurzen, biblischen [[Chronologie]] auf; so bei [[Johannes Buridan|Jean Buridan]] (ca. 1328–1358), der eine ewige Welt mit Zyklen von ''„vielleicht hunderttausend Millionen Jahren“'' postulierte, selbst wenn dies mit dem christlichen Glauben unvereinbar schien. Die [[Reformation]], mit ihrer programmatischen Rückbesinnung auf den Wortlaut der Bibel, unterstützte jedoch die biblische Chronologie erneut.


Kurz vor Mitte des 14. Jahrhunderts arbeitet [[Nikolaus von Autrecourt]] eine scharfe Kritik am Wissenschaftsstatus metaphysischer Ansprüche auf Erkenntnis und Disziplinprimat aus. Parallel erfordert und ermöglicht die merkantile und technische Entwicklung des 14. Jahrhunderts eine Quantifizierung der Natur und eine Kritik der aristotelischen Bewegungslehre, d.&nbsp;h. allgemein der Verursachungslehre. Dem widmen sich etwa [[Franz von Marchia]] und [[Johannes Buridan]], der Begründer der sog. [[Impetustheorie]],<ref>Enrico Giannetto: [http://www.springerlink.com/content/w61r14457hjm91kq/ ''The impetus theory: Between history of physics and science education.''] In: ''Science & Education.'' 2/3 (1993), S. 227–238.</ref> den [[Pierre Duhem]] einen „Vorläufer Galileis“ nennt.<ref>Hier nach Flasch, Das philosophische Denken im Mittelalter, Stuttgart: Reclam 2000, 543</ref> Diese Theorie bleibt langezeit maßgeblich, bis sie durch die Trägheitstheorie abgelöst wird. [[Nikolaus von Oresme]], [[Albert von Rickmersdorf]] und [[Marsilius von Inghen]] entwickeln sie weiter, nur in Oxford begegnet man ihnen mit Zurückhaltung ([[Thomas Bradwardine]]) oder Ablehnung ([[Richard Swineshead]]).<ref>Donati/Speer</ref> Die beiden letztgenannten gehören mit [[Johannes Dumbleton]] und [[William Heytesbury]] zu den sog. „Oxford Calculators“ am [[Merton College]], die eine allgemeine Mathematisierung der Naturbeschreibung versuchen.
== Renaissance ==
[[Datei:Georgius Agricola Erzsucher.jpg|mini|230px|Darstellung von Bergleuten und Erzsuchern (z. T. mit [[Wünschelrute]]) in Agricolas „De re metallica“, 1556]]


[[Nikolaus von Oresme]] nimmt auch sonst viele Anregungen Buridans auf und entwickelt sie z.&nbsp;B. unter Berufung auf das Prinzip der Denkökonomie zu der These weiter, dass die Annahme der Erdrotation ebenso durchführbar sei, wie die überkommene Vorstellung einer Rotation der Sonne um die Erde. Ebenso wird die aristotelische Zweiteilung der Physik in eine Welt über und unter dem Mond von ihm in Frage gestellt, die Relativität aller Bewegungszuschreibungen erkannt und ein Koordinatensystem eingeführt, das quantitativ genaue Beschreibungen qualitativer Veränderungen erlaubt.<ref>Vgl. Flasch, 545</ref> Im Gefolge dieser Ansätze steht zu Anfang des 15. Jahrhunderts z.&nbsp;B. [[Biagio Pelacani da Parma]],<ref>Vgl. Flasch, 569–572</ref> zur Mitte des 15. Jahrhunderts beispielsweise [[Nikolaus von Kues]], dessen ''Versuche mit der Waage'' quantitative Verfahren für die Medizin beschreiben und als exemplarisch für die Interessen der Frührenaissance gelten können.
[[Leonardo da Vinci]] (1452–1519) entdeckte die organische Natur der Fossilien erneut und beschrieb sie im [[Codex Leicester]], wobei er die Bedeutung der biblischen [[Sintflut]] für den Prozess klar verneinte.<ref name="Kemp186">[[Martin Kemp (Kunsthistoriker)|Martin Kemp]]: ''Leonardo'', C. H. Beck, München 2005,  S. 186 ff. ISBN 978-3-406-53462-1</ref> Ebenso verwarf er das, aus der Bibel errechnete, kurze Alter der Erde, und beobachtete die unterschiedliche Sedimentation von Sandkörnern in strömendem Wasser. Da Leonardo seine [[Manuskripte Leonardo da Vincis|Notizbücher]] aber nie veröffentlichte, blieben seine Erkenntnisse praktisch wirkungslos.


Der wohl bekannteste Naturforscher der Renaissance, [[Leonardo da Vinci]] (geb. 1452), hat sich vor allem aus praktischen Motiven als Maler und Ingenieur für Optik, Wasserbewegungen, Kraftübertragung und Vogelflug interessiert und dabei genaue Beobachtungen der Natur durchführt.
=== Bergleute … ===
Als Beginn der neuzeitlichen Geologie gilt deshalb das Werk des [[Georgius Agricola]] (1494–1555). Der Hauptteil seiner Schrift ''De re metallica libri XII'' besteht aus detaillierten Beschreibungen der damaligen Bergbau- und Ingenieurskunst, über den Bau von Schmelzöfen, Herstellung von [[Soda (Mineral)|Soda]], [[Nitrate#Salpeter|Salpeter]], [[Schwefel]] und [[Alaun]], Transport der Erze, Wind- und Wasserkraft, aber auch rechtliche und administrative Belange. In den ersten Kapiteln gibt er aber auch viele praktische Hinweise für die Auffindung von [[Lagerstätte]]n ([[Exploration (Geologie)|Exploration]]) anhand natürlicher Kennzeichen. Sein ''De natura fossilium'' gilt als das erste Handbuch der [[Mineralogie]], da die Klassifizierung der Minerale auf äußeren Merkmalen, wie Farbe, Glanz und Geschmack basiert. In seinem Werk ''De ortu et causis subterraneorum'' (1546) beschreibt Agricola seine Ansichten über die Bildung von Mineralen. Hierbei nahm er die Wirkung eines „versteinernden Saftes“ (''succus lapidescens'') an, der durch die gemeinsame Erhitzung und Eindickung von trockenen und feuchten Substanzen in unterirdischen Wässern entsteht, und die umgebenden Gesteine zersetzt (wörtlich: ableckt). In diesem Konzept kann man einen frühen Vorläufer der „mineral-haltigen Lösungen“ ([[Fluid]]e) in der modernen Lagerstättenkunde sehen, obwohl Agricola die vielfältigen unterschiedlichen Mineralbildungen, nach dem Vorbild Aristoteles, aber etwas unbefriedigend, auf die bloße Wirkung von Hitze und Kälte zurückführte. Agricola verwarf dabei nicht nur die biblische These, dass sich alle Minerale im Moment der göttlichen Schöpfung geformt hätten, sondern auch die alchemistische Theorie über die Umwandlung der Metalle. Trotzdem sollten sich diese noch lange halten. Ein wichtiger Antrieb für die europäischen [[Entdeckungsreise]]n nach Übersee war z.&nbsp;B. die Vorstellung, dass sich das ‚Sonnen-Metall‘ Gold besonders in den heißen, tropischen Regionen der Welt findet.


== Klassische Physik ==
Der Schweizer Naturkundler [[Conrad Gessner]] (1516–1565) sammelte in seinem Werk ''De rerum fossilium, lapidum et gemmarum'' (1565), ganz im Geiste der antiken Steinbücher, eine Fülle von (oft unzutreffenden) Angaben über Fossilien, Mineralien und Edelsteine.


{{Siehe auch|Klassische Physik|Geschichte der Klassischen Mechanik}}
=== … und Alchemisten ===
Ein weiteres Beispiel für die (ziemlich freie) Rückbesinnung auf die antike Tradition stellen die Spekulationen des [[Humanismus|humanistischen]] Gelehrten [[Paracelsus]] (1493–1541) dar. Seiner Meinung nach hatte sich der göttliche, immaterielle Geist (''Iliaster'') in die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde geteilt, die jeweils als Matrix für die Bildung verschiedener Stoffe dienen konnten. Die Minerale wüchsen demnach, auf Grund eines metaphysischen Ordnungsprinzips (''Archeus'') in der Erde, ganz ähnlich wie Pflanzensamen. Ihre Matrix sei das Wasser, das sich in einem Geflecht von unterirdischen Wasserläufen durch den ganzen Erdkörper zieht. Daneben unterteilte er, angelehnt an die christliche Trinität, die Natur auch in die eigenschaftsverleihenden Grundelemente Salz, Schwefel und Quecksilber. Hierbei griff er aber eher auf arabische Traditionen zurück als auf griechische.


=== 16. und 17. Jahrhundert ===
Die Vorstellung von Mineralen als „Samen“, die in der Erde wachsen, bis sie sich schließlich in „reife“ Metalle verwandeln, finden sich übrigens nicht nur bei Alchemisten, sondern auch in der Folklore der Bergleute und Metallurgen vieler Völker.


Die Überwindung der vorherrschenden Vorstellungen begann in der Astronomie der Neuzeit mit [[Nikolaus Kopernikus]] (''[[De revolutionibus orbium coelestium]]'', 1543) und dem [[Heliozentrisches Weltbild|heliozentrischen Weltbild]]. Unterstützung fand dieses Modell, nachdem [[Johannes Kepler]] das Beobachtungsmaterial von [[Tycho Brahe]] ausgewertet hatte und insbesondere [[Galileo Galilei]] mit dem Fernrohr die beobachtende Astronomie revolutionierte.
In den Schriften des deutschen Alchemisten und Bergwerksingenieur [[Johann Joachim Becher]] (1635–1682) entwickelten sich Paracelsus’ Prinzipien Salz, Schwefel und Quecksilber in die „glasige Erde“ (die Mutter der Steine), die „fette Erde“ (Mutter der gewöhnlichen Erde) und „quecksilbrige Erde“ (Mutter der Metalle). Während die quecksilbrige Erde in der späteren Entwicklung der Theorie bald wieder verschwand, wurde die glasige Erde mit dem Mineral [[Quarz]] in Verbindung gebracht, das tatsächlich ein Hauptbestandteil der Gesteine darstellt, und oft die Matrix für andere Minerale bildet. Die fette Erde wandelte sich in der Theorie in das [[Phlogiston]], eine hypothetische Substanz, die die Stoffe entflammbar machen sollte. Die Übertragung von Phlogiston von einem Stoff zum anderen wurde lange Zeit zur Erklärung von Verbrennungsreaktionen und metallurgischen Prozessen herangezogen, die wir heute als [[Reduktion (Chemie)|Reduktion]] und [[Oxidation]] bezeichnen würden. Im Laufe des 18.&nbsp;Jahrhunderts entwickelten sich aus solchen Konzepten die Vorstellungen über spezielle Erden, wie [[Kalkstein|Kalk]], [[Kieselerde]], [[Mangandioxid|Magnesia]] und Alaun, die man als quasi chemische Bestandteile von Mineralen anzusehen begann.


Um 1600 begründete [[William Gilbert]] mit seinen Experimenten die Lehre des [[Magnetismus]] und der [[Elektrostatik]] und konnte als erster zeigen, dass es sich dabei um verschiedene Phänomene handelte. Außerdem war er der erste, der die Gestalt des [[Erdmagnetfeld]]es richtig erkannte.
== Die Entdeckung der Erdgeschichte ==
Was die Geologie von den meisten anderen [[Naturwissenschaft]]en unterscheidet, ist v.&nbsp;a. der historische Ansatz. Die Minerale könnten ohne Weiteres von einem Chemiker klassifiziert werden, die Fossilien von einem Biologen. Die Eigenschaften des Erdkörpers könnte ein Physiker beschreiben, seine Gestalt ein Geograf. Der Geologe stellt aber nicht nur die Frage: „Was ist das?“, sondern vor allem: „Wie wurde es, was es ist?“


In der Mechanik war [[René Descartes]] einer der Ersten, die sich von aristotelischen Vorstellungen abwandten und versuchten, Bewegungen von Körpern allein mit der Kraft des Verstandes zu ergründen und rational zu beschreiben. Im Gegensatz zu ihm vertrat Galilei jedoch eine Schule, die ihre Schlussfolgerungen nicht nur auf logisches Schließen, sondern vor allem auch auf reproduzierbare Beobachtungen und Experimente aufbaut. Erst dadurch entwickelte sich die Physik von der Naturphilosophie zu einer modernen Naturwissenschaft. Galilei erkannte, dass sich alle Körper auf der Erde nach denselben Gesetzen bewegen, die mathematisch formuliert und experimentell überprüft werden können. Zu seinen Entdeckungen gehört das Gesetz des [[Freier Fall|freien Falls]], das im Widerspruch zur Lehre des Aristoteles stand, ebenso wie eine Formulierung des [[Trägheitsgesetz]]es, die Wurfparabel und das Pendelgesetz. Galilei wirkte mit seiner Vorstellung der Physik als experimenteller Wissenschaft schulbildend, so in der Erforschung des Luftdrucks und der Natur des [[Vakuum]]s (von [[Evangelista Torricelli]] über [[Blaise Pascal]] zu [[Otto von Guericke]]). [[Robert Boyle]] erforschte im 17. Jahrhundert die Gasgesetze und [[Christiaan Huygens]] baute die schon von Galilei vorgeschlagene Pendeluhren, fand die Zentrifugalkraft und verwendete bei Betrachtung des elastischen Stoßes ein Relativitätsprinzip (siehe [[Galilei-Transformation]]).
[[Datei:Athanasius Kircher Interior of the earth.jpg|mini|links|250px|Eine Zusammenfassung, wie sich ein gebildeter Mensch des 17.&nbsp;Jahrhunderts das Innere der Erde vorstellte, lieferte [[Athanasius Kircher]]; der Erdkörper ist nicht nur von Feuerherden durchzogen, sondern auch von unterirdischen Flüssen und Seen]]


[[Datei:GodfreyKneller-IsaacNewton-1689.jpg|mini|Isaac Newton]]
Die ersten Schritte in die Richtung einer [[Erdgeschichte]] ging der dänische Arzt und Naturforscher Niels Stensen, latinisiert: [[Nicolaus Steno]] (1638–1686). Im Jahre 1669 entwarf er in der [[Toskana]] das erste [[Geologisches Profil|geologische Profil]], das wirklich historisch gedacht war. Mit der grundlegenden Erkenntnis, dass die unteren Gesteinsschichten auch die älteren sind, und die darüber lagernden, sukzessive immer jünger, entdeckte Stensen das [[Stratigraphisches Prinzip|stratigraphische Prinzip]]. Die Anordnung im Raum entspricht also in Wirklichkeit einer Abfolge in der Zeit. Außerdem postulierte Stensen, dass alle Schichten ursprünglich horizontal abgelagert wurden, und dass die Schichten nur nachträglich durch erdinnere Kräfte verstellt, zerbrochen und gefaltet werden können. Ebenso begriff Stensen erneut die organische Natur der Fossilien. Hätten sich die Fossilien erst nachträglich ''innerhalb'' des Gesteins gebildet, so wie Aristoteles glaubte, dann wären sie durch das umgebende Gestein verformt worden, so wie Baumwurzeln, die in einen Erdspalt hineinwachsen. Tatsächlich passte sich jedoch das umgebende Gestein an die Fossilien an, wodurch klar war, dass sie älter als das umgebende Gestein sein mussten. Als erster [[Kristallografie|Kristallograph]] erkannte Stensen am Quarz das Gesetz der [[Winkelkonstanz]].
Die Grundlagen der [[Klassische Mechanik|klassischen Mechanik]] wurden 1687 im Wesentlichen von [[Isaac Newton]] in seinem Hauptwerk ''[[Philosophiae Naturalis Principia Mathematica]]'' begründet und formuliert ([[Newtonsche Gesetze]]). Hauptziel war zunächst die Erklärung der [[Keplersche Gesetze|Keplerschen Gesetze]] der [[Himmelsmechanik]] aus einem universellen [[Gravitation]]sgesetz, das sowohl auf der Erde als auch für die Himmelskörper gilt. Eine experimentelle Bestätigung im Labor sowie eine Bestimmung der [[Gravitationskonstante]] gelang jedoch erst [[Henry Cavendish]] über 100 Jahre später. Newton wandte seine Gesetze der Mechanik aber auch schon zum Beispiel auf die Bewegung von anderen Körpern und von Flüssigkeiten an.


Newton nimmt insgesamt eine überragende Stellung in der Geschichte der Physik und in der Mathematisierung der Naturwissenschaften ein. Er leistete auch wichtige Beiträge zur Optik (Spiegelteleskop, Prisma). Im Gegensatz zu [[Christiaan Huygens]] ([[Wellenoptik]]) vertrat er eine Korpuskulartheorie des Lichts.
Stensens Zeitgenossen beschäftigte weiterhin das Problem, warum die Fossilien tief in die Gesteine eingebettet waren, anstatt auf der Oberfläche zu liegen. Ein Ausweg bestand darin, den organischen Ursprung der Fossilien einfach zu leugnen, und sie als spontane Bildungen und kuriose „Naturspiele“ abzutun, wie dies z.&nbsp;B. [[Martin Lister]] (1638–1711) tat. [[Robert Hooke]]s (1638–1703) Geistesblitz, dass man aus dem Fossilinhalt der Gesteine eine zeitliche Abfolge der sich verändernden Umweltbedingungen rekonstruieren könnte, wurde vorerst nicht weiter verfolgt.


=== 18. Jahrhundert ===
Solche erdgeschichtlichen Ansätze wurden aber noch lange durch das Festhalten an der biblischen Zeitskala behindert. Das bekannteste Beispiel ist die Berechnung des Erzbischofes von Armagh (Irland), [[James Usher]] (1580–1656), der die Entstehung der Welt auf Montag, den 23. Oktober 4004 v.&nbsp;Chr. datierte. Als einziges Ereignis, das die Gestalt der Erde nach der Schöpfung noch wesentlich verändert haben konnte, galt die Sintflut. Sie wurde nicht nur für die Existenz von Fossilien fern dem Meer verantwortlich gemacht, sondern auch für die weit verbreiteten [[Geschiebelehm]]e. Diese in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas auftretenden Gesteine wurden erst im 19.&nbsp;Jahrhundert als Zeugnisse der letzten [[Kaltzeit|Kaltzeiten]] erkannt. Wegen der Ähnlichkeit der Küstenlinien von Afrika und Südamerika machte ein Theologe namens Lilienthal im Jahr 1736 die Sintflut sogar für das Auseinanderbrechen dieser Kontinente verantwortlich.


Die in der Formulierung der Mechanik benutzte, von Newton und unabhängig von [[Gottfried Wilhelm Leibniz]] erfundene [[Infinitesimalrechnung]] wurde ebenso wie die Mechanik insbesondere auf dem europäischen Kontinent ausgebaut, nachdem sich die britischen Mathematiker unter anderem in Folge des Prioritätsstreits zwischen Newton und Leibniz isoliert hatten. Differentialgleichungen bildeten danach die Grundlage für die Formulierung vieler Naturgesetze.
== Die Geologie als moderne Wissenschaft ==
[[Datei:Johann Gottlob Lehmann geological section Thuringia.jpg|mini|270px|Ein Profilschnitt durch die Gesteinsschichten Thüringens von Johann Gottlob Lehmann (1759)]]


Mathematiker und Physiker wie [[Daniel Bernoulli]], [[Jean-Baptiste le Rond d’Alembert]], [[Leonhard Euler]], [[Joseph-Louis Lagrange]] (''Mécanique analytique'' 1788, [[Lagrange-Formalismus]]) und [[Pierre-Simon Laplace]] (dessen Werk als Höhepunkt der Entwicklung der Himmelsmechanik galt) entwickelten die Mechanik auf dem Kontinent wesentlich weiter unter anderem mit Verwendung von [[Variationsrechnung|Variationsprinzipien]] ([[Prinzip der kleinsten Wirkung]]). Insbesondere Frankreich dominierte Ende des 18. Jahrhunderts auf dem Gebiet der theoretischen Physik, wobei die treibenden Kräfte vielfach noch in der theoretischen Astronomie (Himmelsmechanik) lagen und die Grenzen zwischen theoretischen Physikern und Mathematikern noch nicht so wie im späteren 20. Jahrhundert bestanden.
Im Laufe der [[Aufklärung]] ging der Glaube an die biblische Zeitskala nach und nach verloren, und man versuchte eine Brücke zu schlagen, zwischen den althergebrachten praktischen Kenntnissen der Bergleute und Metallurgen und den rein theoretischen Spekulationen eines [[René Descartes|Descartes]], [[Gottfried Wilhelm Leibniz|Leibniz]] oder [[Immanuel Kant|Kant]] über die Entstehung der Erde. Damit vollzog die Geologie den Wandel von einer beschreibenden zu einer erklärenden Wissenschaft. Das Sammeln von Fossilien und Mineralen wurde in bürgerlichen Kreisen zu einer regelrechten Modeerscheinung, und Kenntnisse über geologische Merkwürdigkeiten galten als ein wichtiger Bestandteil der Allgemeinbildung.


Das 18. Jahrhundert sah auch eine vielfältige Beschäftigung mit dem Phänomenen der [[Elektrizität]]. Spannungsgeneratoren (Elektrisiermaschinen) und Kondensatoren in Form [[Leidener Flasche]]n fanden weite Verbreitung in den physikalischen Kabinetten des Barocks. Reproduzierbare quantitative Ergebnisse ergaben sich nach Einführung der Batterie durch [[Alessandro Volta]] (um 1800). Gegen Ende des Jahrhunderts formulierte [[Charles-Augustin de Coulomb]] die Gesetze der Elektrostatik.
Die ersten, die sich anschickten Hookes Idee über eine mögliche Erdgeschichte in die Tat umzusetzen, waren der preußische Bergrat [[Johann Gottlob Lehmann]] (1719–1767) und der fürstliche Leibarzt [[Georg Christian Füchsel]] (1722–1773). Dabei zogen sie aber eher die unterschiedliche Ausbildung der Gesteine ([[Lithologie]]) zu Rate, als den Fossilinhalt. In der Mitte des 18.&nbsp;Jahrhunderts fertigten sie die ersten Profilschnitte und [[geologische Karte]]n an, die die Gesteinsschichten in den Bergbaurevieren von Thüringen repräsentierten.


Im 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts befassten sich auch bedeutende Philosophen und Intellektuelle mit der Physik. Bekannt ist der Beitrag von [[Immanuel Kant]] zur [[Kosmogonie]] und die [[Farbenlehre (Goethe)|Farbenlehre]] (1810) von [[Johann Wolfgang von Goethe]], die dieser für bedeutender als sein literarisches Werk hielt. Die Naturphilosophie des [[Deutscher Idealismus|deutschen Idealismus]] insbesondere über [[Friedrich Wilhelm Joseph Schelling]] und [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel]] war im deutschsprachigen Raum zeitweise sehr einflussreich und Schellings Naturphilosophie beeinflusste Chemiker, Biologen und in der Physik zum Beispiel Hans Christian Ørsted und Johann Wilhelm Ritter.<ref>Barry Gower, ''Speculation in  Physics: the history and practice of Naturphilosphie'', Stud. Hist. Phil. Sci., 3, 1973, 301</ref> Sie hatte eine spekulative Physik zur Folge (so der Titel einer Zeitschrift des Schelling-Kreises in Jena), die Anfang des 19. Jahrhunderts in Deutschland von Physikern wie [[Johann Christian Poggendorff]], dem Herausgeber der [[Annalen der Physik]], heftig bekämpft wurde. Das hatte auch noch in den 1840er Jahren zur Folge, dass die frühen aus heutiger Sicht wegweisenden Arbeiten zur Energieerhaltung von [[Robert Mayer]] und [[Hermann von Helmholtz]] dort nicht erscheinen konnten<ref>Walther Gerlach, in Propyläen Weltgeschichte (19. Jahrhundert), und Walther Gerlach, Zum 150. Geburtstag von Julius Robert Mayer, Physikalische Blätter 1964, S. 407, {{doi|10.1002/phbl.19640200903}} (freier Volltext)</ref> da die betreffenden Arbeiten Poggendorff zu spekulativ erschienen, sie von Medizinern stammten und außerdem - besonders was Mayer betraf - unklar und von naturphilosophischem Denken beeinflusst waren<ref>[[Thomas S. Kuhn]] machte 1959 in einem klassischen Aufsatz die Naturphilosophie als eine der Faktoren aus, die zum Prinzip der Energieerhaltung führten. Thomas S. Kuhn, Energy conservation as an example of simultaneous discovery, in Marshall Clagett u.&nbsp;a., Critical problems in the history of science, University of Wisconsin Press, 1959, S. 321–356, nachgedruckt in Kuhn: The essential tension, University of Chicago Press, 1977, S. 66–104. Zwei weitere ''Trigger Factors'' waren nach Kuhn die Beschäftigung mit Maschinen und Konversionsprozessen.</ref>. Hier wird auch das Bestreben nach Professionalisierung und Abgrenzung der Physik als Disziplin in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts deutlich. ''Natural Philosophy'' war noch lange in England die Bezeichnung für Theoretische Physik, wie sich auch an der Benennung der zugehörigen Lehrstühle zeigt.
Auch der toskanische Bergwerksdirektor [[Giovanni Arduino]] (1735–1795) fertigte ein Profil des italienischen Alpenvorlands an. Dabei unterteilte er die Gesteine der Erdkruste in ‚Primär‘, ‚Sekundär‘, [[Tertiär (Geologie)|Tertiär]] und [[Quartär (Geologie)|Quartär]]. Die letzten beiden Begriff sind noch heute gebräuchlich, die ersten beiden entsprechen etwa dem heutigen [[Paläozoikum]] und [[Mesozoikum]]. Außerdem erkannte er, dass die Fossilien in den jüngeren Schichten den heute lebenden Organismen immer ähnlicher werden.


=== 19. Jahrhundert ===
Den Durchbruch in der grundlegenden Arbeitsmethode der geologischen Kartierung gelang jedoch dem Vermessungsingenieur und Kanalbauer [[William Smith (Geologe)|William Smith]] (1769–1839). Im Jahre 1815 veröffentlichte er seine monumentale, farbige Karte der Geologie von England und Wales, die sowohl den Fossilinhalt, als auch die Lithologie in Betracht zog. Smith hatte dabei erkannt, dass bestimmte Gesteinsfolgen auch durch eine ganz bestimmte, unverwechselbare [[Faunenfolge]] charakterisiert werden. 1827 prägte [[Leopold von Buch]] (1774–1853) für solche Fossilien, die eine relative Datierung erlaubten, den Begriff [[Leitfossil]]. Smiths Karte wurde weiterhin richtungsweisend für alle späteren Projekte der jeweiligen nationalen [[Landesamt|Landesämter]]. Mit Hilfe solcher Karten ist es dem Geologen nicht nur möglich, die Verbreitung bestimmter Gesteine an der Oberfläche darzustellen, sondern auch ihre Lage im Untergrund vorherzusagen. Je mehr man sich bewusst wurde, dass es sich bei den Gesteinsschichten auch um [[Chronostratigraphie|zeitliche Einheiten]] handelt, desto mehr wurde die geologische Karte zu einer komplexen Darstellung von vier Dimensionen (die drei des Raumes und die Zeit) in zwei Dimensionen.
Das 19. Jahrhundert ist insbesondere durch die Entwicklung der Gesetze der [[Thermodynamik]] und die Entwicklung des Feldkonzepts auf dem Gebiet der [[Elektrodynamik]], gipfelnd in den [[Maxwellsche Gleichungen|Maxwellschen Gleichungen]], gekennzeichnet.


Die Grundlagen der Thermodynamik wurden durch [[Nicolas Léonard Sadi Carnot|Sadi Carnot]] 1824 gelegt, der Kreisprozesse mit idealisierten Wärmekraftmaschinen betrachtete. Dabei wurde auch das Energiekonzept und das Konzept der Energieerhaltung herausgearbeitet, unter anderem in Arbeiten von [[Julius Robert von Mayer]], den Experimenten von [[James Prescott Joule]] (experimentelle Messung des Wärmeäquivalents von Arbeit), durch [[Rudolf Clausius]], von dem auch Entropie-Begriff und 2.&nbsp;Hauptsatz der Thermodynamik stammen, [[Lord Kelvin]] und [[Hermann von Helmholtz]]. Eine mikroskopische Interpretation der Thermodynamik als statistische Theorie von Ensembles, die Gesetzen der klassischen Mechanik gehorchen, erfuhr die Thermodynamik in der [[Statistische Mechanik|statistischen Mechanik]], die insbesondere von [[James Clerk Maxwell]], [[Josiah Willard Gibbs]] und [[Ludwig Boltzmann]] begründet wurde. [[Max Planck]] und [[Albert Einstein]], die Anfang des 20. Jahrhunderts die moderne Physik wesentlich begründeten, waren noch als Spezialisten in der Thermodynamik und statistischen Mechanik ausgebildet und machten sich zunächst auf diesen Gebieten einen Namen.
Die Entwicklung der Geologie vollzog sich im Folgenden in einer Reihe von, teilweise äußerst heftigen, wissenschaftlichen Kontroversen.
<div style="clear:left;"></div>


Aus Betrachtungen zur Wärmeleitung gewann [[Joseph Fourier]] die für die theoretische Physik grundlegende Methode der Fourieranalyse. Fortschritte in der Kontinuumsmechanik wurden in der Formulierung der [[Navier-Stokes-Gleichung]]en als Erweiterung der [[Eulergleichungen]] idealer Flüssigkeiten erbracht sowie in den Untersuchungen zur Turbulenz durch [[Osborne Reynolds]]. Das 19. Jahrhundert brachte auch wesentliche Fortschritte auf dem Gebiet der Technischen Mechanik, der Elastizitätstheorie und der Akustik (Wellenphänomene wie der [[Doppler-Effekt]] nach [[Christian Doppler]]).
=== Ein Paar, wie Feuer und Wasser: Plutonismus und Neptunismus ===
Die erste dieser Kontroversen war der sogenannte „Basaltstreit“ zwischen Plutonisten und Neptunisten. Vordergründig wissenschaftlich geführt, war der Basaltstreit auch eine Grundsatzdiskussion verschiedener religiöser Anschauungen bezüglich der biblischen Schöpfungsgeschichte.


[[Datei:James Clerk Maxwell big.jpg|mini|James Clerk Maxwell]]
Der [[Neptunismus]] hat Wurzeln, die bis zu Thales von Milet zurückreichen. Demnach bilden sich die Gesteine ausschließlich durch Sedimentation aus wässrigen Lösungen. Sein Hauptvertreter war der Leiter der neu gegründeten Bergakademie in Freiberg, [[Abraham Gottlob Werner]] (1749–1817). Vulkanische Phänomene erklärte er als unbedeutende, lokale Erdbrände, und die resultierenden Gesteine seien lediglich aufgeschmolzene Sedimente.
Die Grundlagen der Elektrodynamik legten [[Hans Christian Ørsted]] (Zusammenhang von Elektrizität (Strom) und Magnetismus), [[André-Marie Ampère]] und [[Michael Faraday]] (Elektromagnetische Induktion, Feldkonzepte). Zusammengefasst und in einer einheitlichen Nahwirkungstheorie wurde die Elektrodynamik von James Clerk Maxwell beschrieben. Er lieferte damit auch eine elektromagnetische Theorie des Lichts (die Wellennatur des Lichts hatte sich schon Anfang des Jahrhunderts mit [[Thomas Young (Physiker)|Thomas Young]] und [[Augustin Jean Fresnel]] durchgesetzt). Wesentliche Anteile an der Ausarbeitung hatten danach [[Oliver Heaviside]] und [[Heinrich Hertz]], der als Erster elektromagnetische Wellen nachwies. Maxwell ging – wie auch die meisten anderen Physiker seiner Zeit – davon aus, dass sich die elektromagnetischen Wellen in einem Medium ausbreiten, das den gesamten Raum ausfüllt, dem [[Äther (Physik)|Äther]]. Alle Versuche, diesen Äther experimentell nachzuweisen, insbesondere das [[Michelson-Morley-Experiment]], schlugen jedoch fehl, weshalb die Äther-Hypothese später fallen gelassen werden musste.


Maxwell war einer der herausragenden Vertreter der theoretischen Physik, die im 19. Jahrhundert aus Großbritannien kamen und das Land im 19. Jahrhundert führend in der Physik machten. Zu ihnen gehörte auch [[William Rowan Hamilton]], der eine später in der Quantenmechanik einflussreiche neue Formulierung von Mechanik und geometrischer Optik fand ([[Hamiltonsche Mechanik]]), Lord Kelvin und [[Lord Rayleigh]] (Theory of Sound). In Deutschland war Hermann von Helmholtz in Berlin die dominierende Persönlichkeit in der Physik mit Beiträgen auf den unterschiedlichsten Gebieten.
Einer der Kontrahenten Werners war der schottische „Gentleman-Farmer“ [[James Hutton]] (1726–1797). Der [[Plutonismus (historisch)|Plutonismus]] vertritt die Ansicht, dass der Ursprung aller Gesteine in magmatischen und vulkanischen Prozessen zu suchen ist. Alle diese Vorstellungen beruhen letztendlich auf den „trockenen“ und „feuchten Ausdünstungen“ des Aristoteles. Geschmolzene Massen aus dem Erdinneren bahnen sich demnach, von Zeit zu Zeit, ihren Weg nach oben und können sogar zur Oberfläche durchbrechen. Durch die Erosion werden diese Gesteine frei gelegt und wieder abgetragen, um auf den Festländern als Böden, und in den Ozeanen als Sedimente abgelagert zu werden. Durch das Gewicht immer neuer Sedimentlagen werden die älteren Schichten immer stärker verfestigt und schließlich, unter dem enormen Druck, wieder erhitzt und umgewandelt, bis sie schließlich wieder aufschmelzen. Diese Idee vom [[Kreislauf der Gesteine]] wird heute allgemein akzeptiert.


Insgesamt breitete sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Vorstellung aus, die Physik wäre mehr oder weniger abgeschlossen, es gebe nichts Neues mehr zu entdecken. Im Nachhinein zeigten sich aber schon damals einige deutliche Hinweise, dass dem nicht so war: In der Chemie ließen gewisse Gesetzmäßigkeiten den atomaren Aufbau der Materie erahnen (wobei es Ende des 19. Jahrhunderts auch einflussreiche Gegner des Atomismus gab). In der Spektralanalyse ([[Joseph von Fraunhofer]], [[Gustav Robert Kirchhoff]], [[Robert Bunsen]]) wurden gewisse Regelmäßigkeiten der Spektren entdeckt (siehe [[Rydberg-Formel]]), die man sich nicht erklären konnte. Die Beeinflussbarkeit der Spektren durch Magnetfelder im [[Zeemaneffekt]] war ein erster Hinweis auf Elektronen in Atomen. Die Entdeckungen des Elektrons in [[Elektronenstrahl|Kathodenstrahlen]] ([[J. J. Thomson]]), der Röntgenstrahlung ([[Wilhelm Conrad Röntgen|Röntgen]]), des Photoeffekts ([[Wilhelm Hallwachs|Hallwachs]]), der [[Radioaktivität]] ([[Henri Becquerel|Becquerel]]) usw. warfen weitere damals ungeklärte Fragen auf. Insbesondere waren die Frage nach der Energiequelle der Sonne  und die Theorie des [[Schwarzer Körper|schwarzen Körper]]s ungeklärt.
[[Datei:Abraham werner.jpg|mini|links|153px|Abraham Gottlob Werner]]
[[Datei:James Hutton.jpg|mini|153px|James Hutton]]


Verborgen in der Struktur der Maxwellgleichungen war auch die Relativitätstheorie, wie sich aus Untersuchungen der Elektrodynamik bewegter Körper von [[Hendrik Antoon Lorentz]] und [[Henri Poincaré]] andeutete und die [[Albert Einstein]] im folgenden Jahrhundert in voller Tragweite erkannte.
Verschiedene, überspitzte Ansichten der Neptunisten konnten in der Folge widerlegt werden, wie z.&nbsp;B. die Entstehung der [[Granit]]e und [[Basalt]]e als chemische Ausfällungen aus den Wassern eines heißen Urozeans. Deshalb wird besonders in der angelsächsischen Literatur gerne behauptet, die Plutonisten hätten die Kontroverse gewonnen. Man darf aber nicht vergessen, dass auch verschiedene Grundannahmen Huttons nicht gehalten werden konnten, wie die totale Leugnung der Existenz von chemisch ausgefällten Sedimenten, die Erklärung der [[Salzstock|Salzstöcke]] als magmatische Intrusionen, und besonders die Annahme der Wasserunlöslichkeit der [[Silikat]]e. Ganz im Gegenteil spielt Wasser in allen magmatischen und metamorphen Prozessen eine unverzichtbare Rolle. An dieser Stelle sind Werners überhitzte, mineralgesättigte Lösungen ([[Sole]]n), unter dem Namen [[Fluid]]e, wieder in die Theorie zurückgekehrt.


== Moderne Physik ==
Werners Verdienst war außerdem, dass an den Bergakademien nicht nur geforscht, sondern auch systematisch gelehrt wurde. Viele bedeutende Zeitgenossen, wie [[Alexander von Humboldt]], [[Novalis]] oder [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]] (der wichtige Experimente über die Löslichkeit und Ausfällung von [[Kieselgel]] unternahm) besuchten die Vorlesungen und verbreiteten das Interesse an geologischen Problemen in der ganzen Welt.


{{Siehe auch|Moderne Physik}}
Anfang des 19.&nbsp;Jahrhunderts begannen sich die verschiedenen losen Enden zusammenzufügen. Die Schüler Werners machten auf ihren ausgedehnten Reisen Bekanntschaft mit unzweifelhaft vulkanischen Bildungen, wie der Auvergne in Frankreich, oder der Eifel, und modifizierten ihre Ansichten entsprechend. Andererseits versuchte man die verschiedenen „Gebirgs-[[Formation (Geologie)|Formationen]]“ mit den benachbarten [[Stratigraphie (Geologie)|stratigraphischen]] Abfolgen, wie sie in Thüringen, im Pariser Becken, oder in England zu beobachten waren, nach der Art Werners zu korrelieren. Mit den Methoden William Smiths ließen sich diese anschaulich in geologischen Karten und Profilen darstellen. Dabei machte man zunehmend Gebrauch von Leitfossilien.
Das 20. Jahrhundert begann mit der Entdeckung der beiden grundlegenden Säulen der modernen Physik, der [[Quantentheorie]] durch [[Max Planck]] (1900) und der [[Relativitätstheorie]] durch [[Albert Einstein]]. Beide Theorien führten zu einer grundlegenden Umgestaltung der Physik.


Auf experimenteller Seite war einerseits die Entdeckung der Radioaktivität Ende des 19. Jahrhunderts ([[Henri Becquerel]]) und deren Erforschung Anfang des 20. Jahrhunderts durch [[Marie Curie]] von ausschlaggebender Bedeutung, gefolgt von der Entdeckung des Atomkerns durch [[Ernest Rutherford]] ([[Rutherford-Streuung|Rutherford-Streuversuch]]). Als erstes Elementarteilchen war noch im 19. Jahrhundert das Elektron in [[Kathodenstrahlen]] entdeckt worden ([[J. J. Thomson]]). Ein wichtiger Fortschritt war auch die Untersuchung bisher nicht bekannter Teile des elektromagnetischen Spektrums mit der Entdeckung der Röntgenstrahlung durch [[Wilhelm Conrad Röntgen]], mit großen Auswirkungen auf die Medizin und die mikroskopische Untersuchung von Festkörpern ([[Max von Laue]], [[William Henry Bragg]], [[William Lawrence Bragg]]).
=== Eine ewig aktuelle Welt, oder ein Universum der Katastrophen? ===
[[Datei:Georges Cuvier large.jpg|mini|links|153px|Georges de Cuvier]]


=== Relativitätstheorie ===
Gerade das Studium der Leitfossilien führte zu einer anderen, lang anhaltenden Kontroverse, über die Rolle, die man [[Katastrophismus|katastrophalen]] Ereignissen in der Geschichte der Erde zuschreiben darf. Als Hauptvertreter der [[Kataklysmentheorie]] gilt [[Georges de Cuvier]] (1769–1832). Aus den, oft dramatischen, Unterschieden im Fossilbestand der einzelnen Formationen schloss er, dass im Laufe der Erdgeschichte riesige Umwälzungen stattgefunden haben müssen, die in bestimmten Gebieten alle Lebewesen ausgelöscht hätten. Danach seien diese durch neue, entweder von außen zugewanderte, oder gänzlich neu erschaffene, Organismen ersetzt worden. Die biblische Sintflut sei dabei nur die allerletzte dieser Katastrophen gewesen.
{{WikipediaDE|Geschichte der speziellen Relativitätstheorie}}


[[Datei:Einstein 1921 portrait2.jpg|mini|Albert Einstein]]
[[Datei:Charles Lyell.jpg|mini|153px|Charles Lyell]]
Die ''spezielle Relativitätstheorie'' (SRT) wurde nach Vorarbeiten von [[Hendrik Antoon Lorentz]] und [[Henri Poincaré]] durch Albert Einstein begründet. Er erkannte als erster ihre volle Tragweite. Durch die postulierte Gleichberechtigung aller Beobachter in Inertialsystemen ([[Relativitätsprinzip]]) und durch die [[Invarianz]] der Lichtgeschwindigkeit, war es notwendig geworden, Raum und Zeit neu zu definieren. Beide Größen waren nach der SRT nicht mehr absolut, sondern von der Wahl des Bezugssystems abhängig. An die Stelle der [[Galilei-Transformation]] trat nun die [[Lorentz-Transformation]].


Die ebenfalls von Einstein begründete ''allgemeine Relativitätstheorie'' (ART) dehnte die Erkenntnisse der SRT auf Nicht-[[Inertialsystem]]e aus. Demnach sind [[Gravitation]]swirkungen und [[Trägheitskraft|Trägheitskräfte]] zueinander vollkommen [[Äquivalenzprinzip (Physik)|äquivalent]]. Daraus folgte sowohl die Gleichheit von schwerer und träger Masse als auch die [[Raumkrümmung|Krümmung der Raumzeit]]. Die noch in der klassischen Physik stillschweigend als zutreffend angesehene [[euklidische Geometrie]] des Raumes erwies sich nun als nicht mehr tragfähig. Die ART fand schon bald nach dem Ersten Weltkrieg Bestätigung in Beobachtungen (Lichtablenkung am Rand der Sonne bei Sonnenfinsternis, [[Arthur Eddington]]) und die darin formulierten Kosmologischen Modelle ([[Alexander Alexandrowitsch Friedmann|Friedmann]], [[Georges Lemaître]]) in der Entdeckung der Expansion des Universums ([[Edwin Hubble]]).
Das Konzept des [[Aktualismus (Geologie)|Aktualismus]] wurde von Sir [[Charles Lyell]] (1797–1875) entwickelt. Sein Hauptwerk ''Principles of Geology'' erschien zuerst 1830. Basierend auf den Gedanken James Huttons kam Lyell zu dem Schluss, dass die geologische Zeitskala, im Vergleich zur menschlichen Geschichte, sehr lang ist. Außerdem ging er davon aus, dass die Prozesse, die zur Bildung von bestimmten Gesteinen führten, im Wesentlichen identisch sind, zu den Vorgängen, die man noch heute beobachten kann. (''„Die Gegenwart ist der Schlüssel zur Vergangenheit“'') Die Veränderungen im Fossilbestand erklärte Lyell durch ständige, langsame Hebungen und Senkungen der Erdkruste, wie sie sich bereits Aristoteles vorgestellt hatte. Die Schichtgrenzen an denen sich die Lebewesen anscheinend sprunghaft veränderten, entsprächen einfach den Zeiten, in denen sich auf den herausgehobenen Festländern keine Sedimente abgelagert hätten.


=== Quantentheorie ===
Es war [[Charles Darwin]] (1809–1882) der dem Aktualismus weitgehend zum Durchbruch verhalf. In seiner Jugend hatte er eine formale, wenn auch kurze, Ausbildung als Geologe erhalten, und seine Erklärung der Entstehung der [[Atoll]]e wird noch heute akzeptiert. Seine größte Leistung jedoch, die [[Evolutionstheorie]], basiert wesentlich auf Lyells aktualistischem Prinzip. Erst durch das vergleichende Studium heute lebender Organismen stellte er die [[Paläontologie]] auf eine solide theoretische Grundlage. Darwin lieferte mit seiner Theorie von der natürlichen Zuchtwahl das Werkzeug, mit dem man die langsame Veränderung der Organismen im Laufe der Erdgeschichte erklären kann, ohne dafür völlig unbekannte, willkürliche, wenn nicht sogar übernatürliche, Kräfte postulieren zu müssen. Einer der letzten [[Paläontologe]]n, der als Anhänger des [[Katastrophismus]] die Artenvielfalt [[Metaphysik|metaphysisch]] deutete, auf einen schöpferischen Gott zurückführte, war [[Louis Agassiz]].
{{Hauptartikel|Quantenphysik}}


Die Quantentheorie hat ihre Wurzeln in der [[Quantenhypothese]], mit der es [[Max Planck]] gelang, das Spektrum der Wärmestrahlung des [[Schwarzer Körper|Schwarzen Körpers]] durch das [[Plancksches Strahlungsgesetz]] zu erklären: Planck nahm an, dass die Materie Strahlung nicht kontinuierlich, sondern in kleinen „Portionen“ – Quanten – absorbiert und emittiert. Albert Einstein schloss daraus auf den Teilchencharakter des Lichts ([[Photon]]) und erklärte damit den [[Photoelektrischer Effekt|Photoeffekt]], der schon im 19. Jahrhundert von [[Wilhelm Hallwachs]] entdeckt worden war. Der Teilchencharakter des Lichts stand in krassem Widerspruch zu der Wellentheorie des Lichts, die sich bisher ausgezeichnet bewährt hatte. [[Louis de Broglie]] ging später sogar noch einen Schritt weiter und postulierte, dass dieser [[Welle-Teilchen-Dualismus]] nicht nur eine Eigenschaft des Lichts sei, sondern ein Grundprinzip der Natur. Daher schrieb er auch der Materie einen Wellencharakter zu. [[Niels Bohr]], [[Arnold Sommerfeld]] und andere entwickelten das halbklassische [[Bohrsches Atommodell|Bohrsche Atommodell]] mit quantisierten Energien, das eine erste plausible Erklärung für die [[Linienspektrum|Linienspektren]] der Atome gab. Die ältere Quantentheorie erwies sich bald insbesondere in der Erklärung komplexer Spektren als ungenügend. Um 1925 wurde durch [[Werner Heisenberg]], [[Max Born]] (von dem die statistische Interpretation der Wellenfunktion stammt), [[Pascual Jordan]] und [[Wolfgang Pauli]] die [[Matrizenmechanik]] entwickelt. Hier wurden die Quantisierungserscheinungen durch die Nichtvertauschbarkeit der den grundlegenden Messgrößen wie Impuls und Ort zugeordneten Operatoren erklärt. Außerdem erkannte Heisenberg dass diese Größen nicht gleichzeitig exakt bestimmt sind und schätzte dies in seiner [[Unschärferelation]] ab. [[Erwin Schrödinger]] formulierte unabhängig davon mit der [[Schrödingergleichung]] die Grundlage der [[Wellenmechanik]]. Diese Gleichung ist eine partielle Differentialgleichung und eine [[Eigenwert]]-Gleichung: Die Eigenwerte des [[Hamilton-Operator]]s sind die Energien der möglichen Zustände. Die Matrizen- und die Wellenmechanik erwiesen sich als zwei Aspekte derselben Theorie: Der eigentlichen [[Quantenmechanik]]. Bis Ende der 1920er Jahre war die Formulierung insbesondere durch [[Paul Dirac]] zu einem Abschluss gebracht worden und die neue Theorie erzielte große Erfolge durch Anwendung nicht nur in der Atomphysik, sondern auch bei Molekülen, Festkörpern und auf anderen Gebieten. Der [[Spin]], eine fundamentale Eigenschaft aller Teilchen, die sich in der klassischen Physik nicht verstehen lässt, wurde entdeckt. Der grundlegende Unterschied von [[Boson]]en (ganzzahliger Spin, [[Bose-Einstein-Statistik]]) einerseits und [[Fermion]]en (halbzahliger Spin, [[Fermi-Dirac-Statistik]]) andererseits wurde erkannt (siehe [[Spin-Statistik-Theorem]] von Wolfgang Pauli). Mit der [[Klein-Gordon-Gleichung]] und der [[Diracgleichung]] gelangen relativistische Formulierungen der Quantentheorie. Die daraus entwickelte Vorhersage von [[Antiteilchen]] konnte durch [[Carl D. Anderson]] bestätigt werden.
Trotzdem war es verfrüht, den endgültigen Sieg der Aktualisten zu verkünden. In der Tat fiel es ausgerechnet Lyell sehr schwer, Darwins Evolutionstheorie zu akzeptieren. Lyells Vorhersage, dass man auch Reste von Wirbeltieren in den ältesten Schichten finden müsste, erfüllte sich jedoch nie. Auch das späte Erscheinen des Menschen, sowie die sich damals mehrenden Anzeichen für eine globale [[Kaltzeit|Eiszeit]], widersprachen seiner Ansicht, dass sich die Erde in ihrer Geschichte niemals wesentlich verändert hätte. In neuerer Zeit erlebte der schon totgeglaubte Katastrophismus eine Renaissance. Die Vorstellung von langen, stabilen geologischen Epochen, in denen sich praktisch nichts verändert, schließt die Möglichkeit von einmaligen, plötzlichen, katastrophalen Umwälzungen (wie z.&nbsp;B. [[Meteorit]]en-Einschläge) letztendlich nicht aus.


Die Grundlagen der Quantentheorie wurden in Schlüsselexperimenten wie im [[Franck-Hertz-Versuch]] (quantisierter inelastischer Stoß von Elektronen mit Atomen), im [[Millikan-Versuch]] (Quantisierung der Ladung), im [[Compton-Effekt]] (Streuung von Photonen an freien Ladungsträgern), im [[Stern-Gerlach-Versuch]] (Richtungsquantelung des Drehimpulses) und im [[Davisson-Germer-Experiment]] (Beugung von Materiewellen) bestätigt.
=== Erste globale Hypothesen zur Gebirgsbildung ===
[[Datei:Carl Spitzweg 025.jpg|mini|links|[[Carl Spitzweg]]: Der Geologe, um 1860]]


Noch mehr als die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie stellte die Quantenphysik einen Paradigmenwechsel in der Physik dar. Die Klassische Physik war ihrem Prinzip nach<ref>Die weite Verbreitung chaotischen Verhaltens auch in der klassischen Physik wurde erst ab den 1970er Jahren in der [[Chaostheorie]] deutlich und führte auch hier zu einem Paradigmenwechsel.</ref> streng [[Determinismus|deterministisch]]. Das bedeutet, dass gleiche Anfangsbedingungen unter identischen Umständen immer zu den gleichen Versuchsergebnissen führen. Dieser Determinismus war in der Quantenphysik nicht gegeben. [[Max Born]] führte die statistische Interpretation der Wellenfunktionen ein, ausgebaut in der [[Kopenhagener Deutung]] der Quantentheorie durch Bohr und Heisenberg 1928. Einstein lehnte diese Deutung vehement ab, blieb damit aber isoliert.
Im Verlauf des 19.&nbsp;Jahrhunderts wurden weltweit immer mehr Einzelinformationen zusammen getragen. Nach und nach bildete sich eine allgemein akzeptierte, relative [[geologische Zeitskala]] heraus. Die verschiedenen Staaten gründeten ihre jeweiligen geologischen Institute, die sich besonders mit der Herstellung nationaler Kartenwerke und der Erforschung von Lagerstätten beschäftigten.


=== 1930er Jahre, Anwendungen der Quantentheorie ===
Der Katastrophist [[Léonce Élie de Beaumont]] (1798–1874) entwickelte die erste umfassende Theorie zur Gebirgsbildung ([[Orogenese]]). Demnach entstünden die weltweiten Gebirgsgürtel durch die von kataklysmischen Vulkanausbrüchen begleitete Abkühlung des Erdkörpers, ähnlich wie die schrumpfende Haut eines erkaltenden Bratapfels.


Die 1930er Jahre waren geprägt vom Ausbau der Kernphysik, die mit der Entwicklung der ersten [[Teilchenbeschleuniger]] (insbesondere das [[Zyklotron]] durch [[Ernest O. Lawrence]]) einen Aufschwung erhielt. Als weiterer grundlegender Elementarteilchen-Baustein neben dem Elektron und Proton kam das Neutron hinzu ([[James Chadwick]]) und bald darauf weitere Elementarteilchen, die zunächst vor allem durch ''natürliche'' Beschleuniger in Form der [[Kosmische Strahlung|Kosmischen Höhenstrahlung]] untersucht wurden, wobei die wesentlichen neuen Entdeckungen erst nach dem Zweiten Weltkrieg ab der zweiten Hälfte der 1940er Jahre erzielt wurden ([[P. M. S. Blackett]] u.&nbsp;a.). Das [[Neutron]] war grundlegend für das Verständnis der Kerne und sein Zerfall führte zur Entdeckung der vierten fundamentalen Wechselwirkung (neben Gravitation, elektromagnetischer und der die Kerne zusammenhaltenden starken Wechselwirkung), der schwachen Wechselwirkung. Es wurden erste [[Atomkern|Kernmodell]]e entwickelt, so z.&nbsp;B. das [[Tröpfchenmodell]] von [[Carl Friedrich von Weizsäcker]]. Bis heute gibt es jedoch keine in sich geschlossene befriedigende Theorie des Atomkerns. Ende der 1930er Jahre wurde die [[Kernspaltung]] durch [[Otto Hahn]] entdeckt und durch [[Lise Meitner]] theoretisch gedeutet. Nachdem der Zweite Weltkrieg ausgebrochen war, starteten die USA das [[Manhattan-Projekt]] zur Entwicklung von [[Atombombe]]n. An dem Projekt, das unter der wissenschaftlichen Leitung von [[J. Robert Oppenheimer]] stand, waren zahlreiche namhafte Physiker beteiligt. Die erste ''kontrollierte'' Kettenreaktion gelang Enrico Fermi 1942 und bildete die Grundlage für die friedliche Nutzung der Kernenergie. Außerdem war dies zusammen mit der Radarforschung im Zweiten Weltkrieg der Beginn von [[Big Science]] und massiver Förderung der Naturwissenschaften und Technologie durch staatliche Stellen in den USA und anderen Ländern und durch die Ausbildung eines [[Militärisch-industrieller Komplex|militärisch-industriellen Komplexes]].
Im Schweizer [[Jura (Gebirge)|Jura]], und besonders in den Kohlefeldern der [[Appalachen]] in Nordamerika, wurden tatsächlich immer mehr Indizien entdeckt, die auf bedeutende seitliche Einengung von Gesteinsschichten hinwiesen. Diese Bewegungen hatten dort anscheinend zur Bildung von ausgedehnten [[Falte (Geologie)|Falten]] und tektonischen [[Überschiebung]]en geführt. Im Jahre 1873 fasste der amerikanische Aktualist [[James Dwight Dana]] (1813–1895) solche Beobachtungen zu seiner [[Geosynklinale|Geosynklinal-Theorie]] zusammen. Diese blieb, bis weit ins 20.&nbsp;Jahrhundert hinein, das maßgebliche tektonische Erklärungsmodell. In Europa verhalf [[Eduard Suess]] (1831–1914), mit seinen Arbeiten über die Alpen, solchen Vorstellungen zum Durchbruch. Auf Suess geht auch die Unterscheidung der weltweiten Gebirgsbildungsphasen zurück. Am bekanntesten sind die [[Kaledonische Orogenese|kaledonische]], [[Variszische Orogenese|variszische]] und [[alpidisch]]e Gebirgsbildungsära. [[Hans Stille]] (1876–1966) vertrat noch bis in die zwanziger Jahre des 20.&nbsp;Jahrhunderts sehr erfolgreich die [[Kontraktionshypothese|Kontraktions-Hypothese]], nach der die Gebirgsbildung v.&nbsp;a. durch die Schrumpfung des Erdkörpers hervorgerufen wird ([[Stille-Zyklus]]).


Nach der [[Machtergreifung]] durch die Nationalsozialisten 1933 verlor Deutschland seine Vorreiterstellung in der Physik, die es im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts innegehabt hatte. Zahlreiche Physiker verließen Deutschland und später Österreich, weil sie wegen ihrer jüdischen Abstammung oder ihrem politischen Engagement verfolgt wurden, darunter so namhafte Wissenschaftler wie Einstein, Schrödinger, Meitner und andere. In der so genannten „[[Deutsche Physik|Deutschen Physik]]“ (vertreten durch z. B. [[Philipp Lenard]], [[Johannes Stark]], u. a.) wurden wichtige Erkenntnisse der Modernen Physik aus ideologischen Gründen abgelehnt. Wie nicht anders zu erwarten, stellte sich die „Deutsche Physik“ jedoch als wissenschaftliche Sackgasse heraus. Auch Deutschland unternahm im Zweiten Weltkrieg im Rahmen des [[Uranprojekt]]s militärisch motivierte Forschungen zur Kernspaltung, jedoch war es bis Kriegsende noch weit vom Bau einer Atombombe entfernt. Die Forschung in Deutschland war auf diesem und anderen militärisch relevanten Gebieten nach dem Krieg bis 1956 untersagt. Sie litt außerdem in Deutschland unter den Kriegszerstörungen und der Vertreibung zahlreicher Wissenschaftler unter den Nationalsozialisten und musste nach dem Krieg wieder mühsam Fuß fassen.  
Das Problem dieser Hypothese besteht darin, dass sie bestimmte expansive Phänomene, wie die Einsenkung von [[Grabenbruch|Grabenbrüchen]] oder [[Spaltenvulkan]]ismus, nicht befriedigend zu erklären vermag. Außerdem bleibt unklar, wie ein kontinuierlicher Abkühlungsprozess zu zyklisch wiederkehrenden Phasen der Gebirgsbildung führen soll, die durch lange Zeiten tektonischer Ruhe voneinander getrennt sind. Erst die Entdeckung der natürlichen [[Radioaktivität]] lieferte eine plausible Energiequelle, die dem bisher angenommenen, unaufhaltsamen Abkühlungs- und Schrumpfungsprozess des Erdkörpers entgegenwirken konnte. Doch selbst dann blieb das Phänomen der Gebirgsbildungs-''Zyklen'' noch rätselhaft.


In den 1930er Jahren wurde auch die Quantentheorie von Feldern entwickelt (Dirac, Jordan u.&nbsp;a.), mit dem grundlegenden Bild von Wechselwirkungen vermittelt durch den Austausch von Teilchen ([[Hideki Yukawa]], Fermi).
=== Die Suche nach dem fest verankerten Urkontinent ===
In der zweiten Hälfte des 19.&nbsp;Jahrhunderts wurden immer mehr Ähnlichkeiten zwischen den Ablagerungen und Fossilien auf verschiedenen Kontinenten entdeckt, besonders in Südamerika, Afrika und Indien. Man postulierte daher die Existenz von [[Landbrücken-Hypothese|Landbrücken]], die die Kontinente früher miteinander verbunden hätten, so wie heute der [[Isthmus (Geographie)|Isthmus]] von [[Panama]] Nord- und Südamerika verbindet. Suess hingegen nahm an, dass große Teile des ursprünglich zusammenhängenden [[Gondwana]]lands abgesunken seien und sich in Ozeanböden verwandelt hätten. Gerade diese Vorstellung fand übrigens großen Anklang in okkultistischen und esoterischen Zirkeln um Madame [[Helena Blavatsky]]. Nicht nur der Untergang von [[Atlantis (Platon)|Atlantis]], sondern auch von ‚[[Lemuria]]‘ (die vermutete Urheimat der Lemuren) im Indischen Ozean, und von [[Mu (Kontinent)|Mu]] im Pazifik, wurde in der Folge von ‚Medien‘ phantasievoll ausgemalt, und mit der Theorie von der Ozeanisierung von kontinentaler Kruste erklärt.


=== Aufschwung der Physik nach dem Zweiten Weltkrieg ===
Bis in die Mitte des 20.&nbsp;Jahrhunderts hinein wurden die verschiedensten geotektonischen Hypothesen vorgeschlagen, wie die [[Pulsationshypothese]], die von abwechselnden Phasen von Kontraktion und Expansion der Erde ausgeht, oder die [[Oszillations-Hypothese]], die verstärkt auf vertikale, [[Isostasie|isostatische]] Ausgleichsbewegungen in der Erdkruste zurückgreift. Wie ihren Vorgängern, so ist allen diesen Hypothesen gemeinsam, dass sie von einer festen [[Fixismus|Fixierung]] der Erdkruste auf ihrer Grundlage ausgehen.


Die führende Rolle in der Physik übernahmen nach dem Zweiten Weltkrieg die USA. Ende der 1940er Jahre entstanden durch [[Richard Feynman]] (der auch nach einer Idee von Dirac die [[Pfadintegral]]-Formulierung der Quantenmechanik begründete), [[Julian Schwinger]], [[Freeman Dyson]] und andere konsistente Formulierungen von Quantentheorien von Feldern ([[Quantenfeldtheorie]], [[Quantenelektrodynamik]]). Aus den Radarforschungen im Zweiten Weltkrieg kamen viele neue experimentelle Verfahren, insbesondere die Entwicklung des [[Maser]]s (Mitte der 1950er Jahre) und daraus die des Lasers (um 1960), die nicht nur die Spektroskopie revolutionierten, und Methoden wie [[Kernspinresonanzspektroskopie]]. Die [[Festkörperphysik]] lieferte eine weitere Säule der technologischen Entwicklung in Form von [[Halbleiter]]n und dem [[Transistor]] ([[John Bardeen]], [[William B. Shockley]]). Auch lange unverstandene makroskopische Quantenphänomene wie die von [[Supraleiter]] (John Bardeen u.&nbsp;a.) und [[Supraflüssigkeit]] fanden mit hier auf die Vielteilchenphysik angewandten quantenfeldtheoretischen Methoden eine Erklärung. Die Festkörperphysik sorgte immer wieder für überraschende Entdeckungen (wie [[Hochtemperatursupraleiter]] und [[Quanten-Hall-Effekt]] in den 1980er Jahren), nicht nur mit großen technologischen Auswirkungen, sondern auch mit theoretischen Ansätzen, die auch die Elementarteilchenphysik und andere Gebiete der Physik befruchteten. Von besonderer Bedeutung war hier die Entwicklung der Theorie der [[Phasenübergang|Phasenübergänge]] und kritischen Phänomene ([[Lew Landau]], [[Kenneth Wilson]]). Wilson arbeitete das einflussreiche Konzept der [[Renormierungsgruppe]] heraus, die zum Beispiel bei der Theorie von Phasenübergängen und in der Elementarteilchenphysik und Quantenfeldtheorie Anwendung findet.
Besonders italienische, und später deutsche [[Geophysik]]er begannen mit der Konstruktion von [[Seismograf]]en, mit denen die Ausbreitungswellen von Erdbeben im Erdkörper aufgezeichnet werden konnten. Um das Jahr 1900 schloss [[Emil Wiechert]] (1861–1928) aus seismischen Daten auf die Schalenstruktur der Erde, mit [[Erdkern]], [[Erdmantel]] und [[Erdkruste]].


=== Entwicklung des Standardmodells ===
=== Die Entdeckung der treibenden Kontinente ===
Ab etwa 1930 setzten sich statt der Modelle des [[Fixismus]] zunehmend solche des [[Mobilismus]] und einer ''beweglichen Erdkruste'' durch. Es entstanden die [[Kontraktionstheorie]] sowie ihr Gegenteil, die [[Expansionstheorie]] der Erde. Beide hatten zahlreiche Argumente für sich, konnten aber nicht alle Phänomene erklären. Der endgültige Paradigmenwechsel kam mit Erkenntnissen von [[Tiefbohrung]]en und durch Forschungsschiffe der [[Ozeanografie]].


Die Entwicklung der [[Teilchenbeschleuniger]] nach dem Krieg führte zur Entdeckung eines ganzen Elementarteilchen-Zoos, in den die Theoretiker besonders ab den 1960er Jahren Ordnung brachten. Dabei erwiesen sich Symmetrien und deren quantenfeldtheoretische Formulierung als [[Eichtheorie]]n von besonderer Bedeutung. Eichtheorien wurden ursprünglich von [[Hermann Weyl]] als Erweiterungen der Allgemeinen Relativitätstheorie eingeführt und erwiesen sich insbesondere in Form von [[Yang-Mills-Theorie]]n als grundlegend für das sich nun herausbildende Standardmodell der Elementarteilchen und fundamentalen Wechselwirkungen. Von großer Bedeutung war die Entdeckung der Verletzung einer grundlegenden Symmetrie in der schwachen Wechselwirkung, der [[Paritätsverletzung]] (1956, postuliert von [[Chen Ning Yang|Yang]], [[Tsung-Dao Lee|Lee]] und bestätigt im [[Wu-Experiment]]). Wesentliche Beiträge leistete [[Murray Gell-Mann]] bei der starken Wechselwirkung, speziell durch die Einführung punktförmiger Konstituenten ([[Quark (Physik)|Quarks]]), aus denen [[Meson]]en und [[Baryon]]en aufgebaut sind und die Ende der 1960er Jahre in Hochenergieexperimenten beobachtet wurden. Ab den 1970er Jahren schälte sich eine spezielle Yang-Mills-Theorie, die [[Quantenchromodynamik]] als Theorie der starken Wechselwirkung und ein Baustein des Standardmodells heraus, gefolgt von einer Vereinigung der elektrischen und schwachen Wechselwirkung ([[Steven Weinberg]], [[Abdus Salam]], [[Sheldon Glashow]], 1960er Jahre). Die Entwicklung der großen Beschleuniger, die exemplarisch für ''Big Science'' stehen, bei denen tausende Wissenschaftler an den Experimenten nichts Ungewöhnliches sind, bestätigte Stück für Stück dieses Modell bis hin zur Entdeckung des letzten Quarks (Top Quark) in den 1990er Jahren und des [[Higgs-Teilchen]]s Anfang der 2010er Jahre.
Beim Verlegen der ersten untermeerischen Fernsprechkabel von den Britischen Inseln nach Nordamerika zum Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts, entdeckte man den [[Mittelatlantischer Rücken|mittelatlantischen Rücken]]. Jedoch zog man lange Zeit keine Schlüsse aus der Tatsache, dass er sich küstenparallel von Norden nach Süden durch den ganzen Ozean zieht, anstatt, wie eigentlich zu erwarten gewesen wäre, die Festländer zu beiden Seiten des Atlantiks in Ost-West-Richtung zu verbinden.


Die theoretische Elementarteilchenphysik wurde in den Jahren nach Abschluss des [[Standardmodell]]s (Ende der 1970er Jahre) von der [[Stringtheorie]] beherrscht, die die Phänomenologie des Standardmodells durch die Betrachtung ausgedehnter (fadenförmiger) statt punktförmiger Elementarteilchen zu erklären versucht und die Lösung eines weiteren großen ungelösten Problems der Physik, der Vereinigung von Gravitation und Quantentheorie, zum Ziel hat. Allerdings leidet die Theorie an dem großen Abstand der [[Planck-Skala]] der Beschreibung der Theorie und experimentell zugänglichen Dimensionen. Die Theorie war dagegen sehr fruchtbar für einen neuen gegenseitigen Austausch von Mathematik und Physik.
[[Datei:Alfred Wegener Die Entstehung der Kontinente und Ozeane 1929.jpg|mini|Alfred Wegeners Vorstellungen über das Auseinanderdriften der Kontinente]]


=== Weitere Entwicklungen ===
Die ersten [[Mobilismus|mobilistischen]] Vorstellungen über die Möglichkeit bedeutender ''seitlicher'' Bewegungen von Festlandsmassen finden sich in der [[Kontinentaldrift]]-Hypothese [[Alfred Wegener]]s (1880–1930) aus dem Jahr 1915. Wegener nahm an, dass die verhältnismäßig leichten, granitischen Gesteine der kontinentalen Kruste ([[Sial]]) auf dem dichteren, aber zähflüssigen Untergrund aus basaltischem Material ([[Sima]]) schwimmen, wie Eisberge auf dem Wasser. Ein ursprünglicher Superkontinent ([[Pangaea]]) könnte so durch relativ schwache Kräfte in Stücke brechen und auseinander treiben. Dies würde nicht nur den parallelen Verlauf der östlichen und westlichen Küsten des Atlantiks erklären, sondern auch die Ähnlichkeiten der Fossilien und [[Klimazeuge]]n, sowie bestimmter alter Gebirgszüge in Gondwana. Wegeners Theorie stieß zu seinen Lebzeiten aber auf breite Ablehnung, da er die wirkenden Kräfte nicht plausibel erklären konnte. Erst [[Arthur Holmes]] (1890–1965) schlug 1930 einen Mechanismus vor, der die Bewegung von Kontinentalplatten erklären könnte: [[Konvektion]]sströmungen heißer Magmen im Erdmantel.
Die durch die Miniaturisierung elektronischer Schaltungen möglich gemachte Entwicklung des Computers und der Elektronik machte nicht nur die Entwicklung der Teilchenbeschleunigerexperimente, die das Standardmodell bestätigten, möglich, sondern revolutionierte auch die Theoretische Physik. Zu den vor allem durch die Computerentwicklung ermöglichten neuen Zweigen gehört auch die [[Chaostheorie]], die in den 1970er Jahren zu einem Paradigmenwechsel auch in Gebieten wie der klassischen Mechanik führte, die bis dahin als weitgehend abgeschlossen galten. Mit dem Computer erschlossen sich ganz neue Fragestellungen und Verbesserungen der Vorhersagemöglichkeiten von vielen Modellen. Die Miniaturisierung von Schaltkreisen wurde später bis in den Quantenbereich fortgetrieben und es entstanden neue Forschungsfelder wie Mesoskopische Physik und [[Quanteninformationstheorie]].


Im großen Maßstab der Kosmologie und Astrophysik ([[Quasar]]e und aktive Galaxien, [[Neutronenstern]]e und [[Pulsar]]e, [[Schwarzes Loch|Schwarze Löcher]]) wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ebenfalls sowohl theoretisch als auch auf dem Gebiet der Beobachtungen (Astronomie in den unterschiedlichsten Wellenlängen) große Fortschritte erzielt. Schwarze Löcher wandelten sich von einer exotischen Möglichkeit zu einem etablierten Erklärungsmodell und die Kosmologie wurde insbesondere mit der Entdeckung der [[Kosmische Hintergrundstrahlung|3-K-Hintergrundstrahlung]] zu einer quantitativen Wissenschaft. Es stellten sich auch vielfältige Verbindungen von der Physik im ganz Kleinen (Elementarteilchen) zur Astrophysik und Kosmologie heraus ([[Astroteilchenphysik]]), zum Beispiel bei der Erklärung des Problems [[Neutrinooszillation|solarer Neutrinos]]. Das [[Inflation (Kosmologie)|Inflationäre Modell]] wurde zu einem der Bausteine der modernen Naturerklärung, wobei sich Ende des 20. Jahrhunderts in Form der Entdeckung [[Dunkle Materie|Dunkler Materie]] und der beschleunigten [[Expansion des Universums]] neue grundlegende ungelöste Probleme ergaben.
Der Durchbruch mobilistischer Theorien erfolgte aber erst drei Jahrzehnte später in den 1960er Jahren. Man erkannte, dass das weltumspannende System der [[Mittelozeanischer Rücken|mittelozeanischen Rücken]] seismisch aktiv ist, und dass dort, entlang von vulkanischen Spalten, kontinuierlich neues Material aus dem Erdmantel an die Oberfläche tritt. Bei Island, das genau auf dem mittelatlantischen Rücken liegt, wurde mit Hilfe [[Paläomagnetismus|paläomagnetischer]] Messungen der Gesteine auf dem Meeresgrund nachgewiesen, dass sich die beiden symmetrischen Seiten des Ozeanbodens jedes Jahr einige Zentimeter auseinander bewegen. Dieses Phänomen wird heute, mit einer nicht ganz glücklichen Übersetzung aus dem Englischen, als ''Ozeanbodenspreizung'' bezeichnet (siehe: [[Sea-Floor-Spreading]]), ''Ozeanbodenausbreitung'' wäre wohl treffender. Aus einer Fülle von [[Geophysik|geophysikalischen]], [[Ozeanografie|ozeanografischen]], [[Paläontologie|paläontologischen]] und [[Petrografie|petrografischen]] Beobachtungen entwickelte sich darauf hin die heute allgemein akzeptierte Theorie der [[Plattentektonik]]. Der zyklische Wechsel von Phasen des Auseinanderbrechens von Kontinenten, und der erneuten Kollision dieser Platten liefert eine plausible Erklärung für die wiederkehrenden, globalen Gebirgsbildungsphasen ([[Wilson-Zyklus]]) sowie für eine Reihe anderer geologischer Phänomene.
 
=== Die Veränderung der Arbeitsmethoden im 20. Jahrhundert ===
Bereits im 18. und 19.&nbsp;Jahrhundert begannen Geologen, chemische und physikalische Verfahren zur Untersuchung von Gesteinen und Mineralen heranzuziehen. Hier sind vor allem die auf [[Axel Frederic Cronstedt]] zurückgehende [[Lötrohrprobierkunde]] und die im 19.&nbsp;Jahrhundert an Bedeutung gewinnende nasschemische Analyse zu nennen. Doch bis zum Beginn des 20.&nbsp;Jahrhunderts dominierten in der Geologie beschreibende Forschungsmethoden. Im 20.&nbsp;Jahrhundert wandelte sich die Geologie zu einer analytischen Naturwissenschaft: Mit der Entdeckung der [[Röntgenbeugung]] konnte man die mineralogische Zusammensetzung auch von feinkristallinen Gesteinen bestimmen, mit der Entwicklung der [[Geophysik]] gewann man erstmals Erkenntnisse über das Innere der Erde. Mit Hilfe von [[Modellierung]]en am Computer können geologische Prozesse besser verstanden werden. Ein immer größerer Anteil geologischer Forschung wanderte vom Gelände an den Schreibtisch und ins Labor. Dieser Wandel der Methoden machte aus der zuvor rein qualitativen Geologie eine quantitative Wissenschaft und stellt damit nach der Abkehr von metaphysischen Vorstellungen in der frühen Neuzeit den zweiten Quantensprung der Wissenschaftsgeschichte der Geologie dar.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Geschichte der Physik}}
* {{WikipediaDE|Kategorie:Geschichte der Geologie}}
* {{WikipediaDE|Geschichte der Physik}}
* {{WikipediaDE|Geschichte der Geologie}}
* {{WikipediaDE|Zeittafel physikalischer Entdeckungen}}
* {{WikipediaDE|Liste der Nobelpreisträger für Physik}}
* {{WikipediaDE|Geschichte der Naturwissenschaften}}


== Literatur ==
== Literatur ==
=== Bibliographien ===
* François Ellenberger: History of Geology, 2 Bände, Balkema, 1996, 1999
* Roderick W. Home: ''The history of classical physics''. A selected, annotated bibliography. Garland, New York 1984, ISBN 0-8240-9067-5.
* Helmut Hölder: ''Kurze Geschichte der Geologie und Paläontologie'', Springer Verlag, 1989, ISBN 3-540-50659-4.
* Stephen G. Brush, Lanfranco Belloni: ''The history of modern physics''. An international bibliography. Garland, New York 1983, ISBN 0-8240-9117-5.
* David R. Oldroyd: ''Thinking about the Earth'', Harvard Press, 1996, ISBN 0-674-88382-9; dt.: ''Die Biographie der Erde. Zur Wissenschaftsgeschichte der Geologie'', Frankfurt am Main 1998.
 
* Alan Cutler: ''Die Muschel auf dem Berg'' – Über Nicolaus Steno und die Anfänge der Geologie. Albrecht Knaus Verlag, München 2004, ISBN 3-8135-0188-4.
=== Überblicksdarstellungen und Handbücher ===
* Gabriel Gohau ''A history of Geology'', Rutgers University Press 1990 (französisches Original Edition La Decouverte 1987).
* Armin Hermann: ''Weltreich der Physik.'' 2. Auflage. GNT Verlag, 1991.
* Martin Rudwick ''Bursting the Limits of Time: The Reconstruction of Geohistory in the Age of Revolution'', University of Chicago Press 2005.
* John Heilbron (Hrsg.): ''The Oxford Guide to the History of Physics and Astronomy.'' Oxford University Press, 2005.
* Martin Rudwick ''Worlds Before Adam. The Reconstruction of Geohistory in the Age of Reform'', University of Chicago Press 2008
* Gerald Holton, Stephen G. Brush: ''Physics, the Human Adventure.'' From Copernicus to Newton and Beyond. Rutgers University Press, 2001, ISBN 0-8135-2908-5.
* Anthony Hallam ''Great Geological Controversies'', Oxford University Press 1983, 2. Auflage 1989.
* Friedrich Hund: ''Geschichte der physikalischen Begriffe.'' 2. Auflage. Bibliographisches Institut, Mannheim 1978.
* Bernhard Hubmann ''Die großen Geologen'', Marix Verlag 2009.
** Band 1: ''Die Entstehung des mechanischen Naturbildes.'' ISBN 3-411-05543-X.
* Karl Alfred von Zittel ''Geschichte der Geologie und Paläontologie bis Ende des 19. Jahrhunderts'', München: Oldenbourg 1899, [http://archive.org/details/geschichtederge00zittgoog Archive].
** Band 2: ''Die Wege zum heutigen Naturbild.'' ISBN 3-411-05544-8.
* Max Pfannenstiel ''Wie trieb man vor hundert Jahren Geologie ?'', Mitteilungen des Alpenländischen Geologischen Vereins, Band 34, 1941, Wien 1942, [http://www2.uibk.ac.at/downloads/oegg/Band_34_81_126.pdf pdf].
* Friedrich Hund: ''Grundbegriffe der Physik.'' Bibliographisches Institut, Mannheim 1969, {{DNB|457041064}}. (2. Auflage. 1979, {{DNB|550539808}})
* Robert Locqueneux: ''Kurze Geschichte der Physik.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1989, ISBN 3-525-03414-8.
* Klaus Mainzer: ''Physik.'' In: ''HWPh.'' 7, S. 937–947.
* Wolfgang Schreier (Hrsg.): ''Geschichte der Physik.'' Diepholz, Berlin 2002, ISBN 3-928186-62-0.
* Emilio Segrè ''Die großen Physiker und ihre Entdeckungen.'' 2 Bände, Piper Verlag, München 1986, ISBN 3-492-02935-3.
* {{Literatur | Autor=Károly Simonyi | Titel=Kulturgeschichte der Physik | Verlag=Harri Deutsch, Thun | Ort=Frankfurt am Main | Jahr=1995 | ISBN=3-8171-1379-X| Übersetzer= Akademiai Kiado}}<small>Populäre, bebilderte Darstellung</small>
* Roger G. Newton: ''From Clockwork to Crapshoot: A History of Physics.'' Belknap, Cambridge 2007, ISBN 978-0-674-02337-6.
* Albert Einstein, Leopold Infeld: ''Die Evolution der Physik.'' Rowohlt, 1995, ISBN 3-499-18342-0.
* Max von Laue: ''Geschichte der Physik.'' Ullstein Bücher, 1959,
 
=== Lexika ===
* Charles Coulston Gillispie (Hrsg.): ''Dictionary of Scientific Biography.'' 16 Bde., New York 1970–1980.
* Armin Hermann (Hrsg.): ''Lexikon Geschichte der Physik A-Z.'' 3. Auflage. Köln 1987, ISBN 3-7614-1010-7.
* Karl von Meÿenn (Hrsg.): ''Die großen Physiker.'' 2 Bände, München 1997.
* J. C. Poggendorff: ''Biographisch-literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften''. Datenbank, hg. Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Verlag Wiley-VCH, Weinheim 2000.
 
=== Spezielle Themen ===
; Mechanik
* René Dugas: ''A history of mechanics.'' Routledge and Kegan, 1955
* Istvan Szabo: ''Geschichte der mechanischen Prinzipien.'' Birkhäuser, 1987
* Eduard Jan Dijksterhuis ''Die Mechanisierung des Weltbildes.'' Springer, Berlin/ Heidelberg/ New York 1956. (Reprint 1983)
* Ernst Mach: ''Die Mechanik in ihrer Entwickelung.'' Brockhaus, 1897.
* Verschiedene Bücher von Max Jammer wie ''The concept of force''
; Thermodynamik, Kinetische Gastheorie
* Stephen G. Brush: ''The Kind of Motion We Call Heat – A History of the Kinetic Theory of Gases in the 19th Century''. 2 Bände. North Holland 1976.
; Elektrodynamik
* Edmund T. Whittaker: ''History of the theories of ether and electricity.'' 2 Bände, Dover 1989. (zuerst 1910)
* Olivier Darrigol: ''Electrodynamics from Ampère to Einstein.'' Oxford University Press, 2003
* John Heilbron: ''Electricity in the 17th and 18th Century: Study of Early Modern Physics.'' University of California Press, 1979. (Dover 1999)
; Quantentheorie
* Friedrich Hund: ''Geschichte der Quantentheorie.'' 2. Auflage. Bibliographisches Institut, Mannheim 1975, ISBN 3-411-01476-8.
* Jagdish Mehra, Helmut Rechenberg: ''The historical development of Quantum Theory.'' 6 Bände, Springer Verlag, New York 1982–2002.
* Bartel Leendert van der Waerden (Hrsg.): ''Sources of Quantum Mechanics.'' North Holland 1967. (Dover/ Amsterdam 1968)
; Quantenfeldtheorie, Elementarteilchenphysik
* Abraham Pais: ''Inward Bound. Of Matter and Forces in the Physical World''. Clarendon Press, Oxford, 1986.
* Silvan S. Schweber: ''QED and the Men Who Made It: Dyson, Feynman, Schwinger, and Tomonaga.'' Princeton University Press, Princeton 1994.
; Mittelalter
* A. C. Crombie: ''Augustine to Galileo'': The History of Science A.D. 400 - 1650. Penguin 1969, ISBN 0-14-055074-7.
* S. Donati, Andreas Speer: ''Physik und Naturphilosophie.'' In: ''Lexikon des Mittelalters.'' Band 6, J. B. Metzler, 2000, S. 2111–2117.
* Edward Grant: ''Physical Science in the Middle Ages.'' Wiley History of Science Series, John Wiley, New York/ London 1971.
* Edward Grant: ''The Foundations of Modern Science in the Middle Ages.'' Their Religious, Institutional and Intellectual Contexts. Cambridge University Press, Cambridge 1996, ISBN 0-521-56762-9.
* Edward Grant (Hrsg.): ''A Sourcebook in Medieval Science''. Harvard University Press, Cambridge 1974, ISBN 0-674-82360-5.
* Toby E. Huff: ''The Rise of Early Modern Science.'' Islam, China, and the West. Cambridge University Press, 2003, ISBN 0-521-52994-8.
* David C. Lindberg: ''The Beginnings of Western Science''. University of Chicago Press, Chicago 1992, ISBN 0-226-48230-8.
* David C. Lindberg (Hrsg.): ''Science in the Middle Ages''. University of Chicago Press, Chicago 1976, ISBN 0-226-48233-2.
* M. H. Shank (Hrsg.): ''The Scientific Enterprise in Antiquity and the Middle Ages''. University of Chicago Press, 2000, ISBN 0-226-74951-7.
* J. Thijssen: ''Die Stellung der scholastischen Naturphilosophie in der Geschichte der Physik.'' Herbst des Mittelalters oder Frühling der Neuzeit? In: Jan A. Aertsen, Martin Pickavé (Hrsg.): ''Herbst des Mittelalters? Fragen zur Bewertung des 14. und 15. Jahrhunderts.'' De Gruyter, 2004, S. 512ff.
; Ältere Darstellungen
Ernst Gerland, Edmund Hoppe, Johann Christian Poggendorff, August Heller, Ferdinand Rosenberger, Emil Wilde (Optik), Carl Ramsauer (Experimente)


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Wikisource|Physik}}
* http://www.geodienst.de/geschichte.htm Personen und Daten zur Geschichte der Geologie und Paläontologie
; Überblicksdarstellungen
* [http://www.uni-leipzig.de/~zirnst/ GeoGe.pdf] Umfangreiches Skriptum zur Geologiegeschichte
* Bernhard Szallies: [http://szallies.de/Zeittafel.htm Zeittafel]
* Johann Carl Fischer: [http://gdz.sub.uni-goettingen.de/no_cache/dms/load/toc/?IDDOC=111449 ''Geschichte der Naturwissenschaften.''] Göttingen 1801
* Joachim Schummer: [http://www.joachimschummer.net/kurs/hpp/ ''Einführung in die Geschichte und Philosophie der Physik.''] Universität Karlsruhe
* Pierre Duhem: [http://www.newadvent.org/cathen/12047a.htm ''History of Physics.''] In: ''The Catholic Encyclopedia.'' Band 12, Robert Appleton Company, New York 1911. ([[s:en:Catholic Encyclopedia (1913)/History of Physics|bei wikisource]])
* Paul Halsall: [http://www.fordham.edu/halsall/science/sciencesbook.html ''Internet History of Science Sourcebook.''] 1998–2007
*{{Internetquelle | autor=Zapata Marín, Oswaldo | titel=Il Saggiatore: Passages on the History of Physics | datum=2009 | url=http://www.ilsaggiatore.blogspot.com/ | format=mdy | zugriff=29. November 2013}}
* [http://www.techniklexikon.net/d/geschichte_der_physik/geschichte_der_physik.htm Geschichte der Physik - Techniklexikon - abgerufen am 19. Dez. 2013]
 
; Mittelalter
* Stephen Carey: [http://www2.gsu.edu/~mclsmc/mechanicswemsk.html Mechanics in the Middle Ages], kommentierte Bibliographie
 
; Neuzeit
* Gerald Holton / Stephen G. Brush: [http://www.ipst.umd.edu/Faculty/brush/physicsbibliography.htm Bibliographie zu: ''Physics, the Human Adventure'']: From Copernicus to Newton and Beyond, Rutgers University Press, 2001
 
; Spezielle Themen
* L L. Whyte: [http://www.archive.org/details/essayonatomismfr006336mbp Essay on Atomism from Democritus to 1960], Wesleyan University Press 1961
* Friedrich Albert Lange: [http://www.zeno.org/Philosophie/M/Lange,+Friedrich+Albert/Geschichte+des+Materialismus Geschichte des Materialismus], Leipzig 2. A. 1873/75.
* [http://philsci-archive.pitt.edu/view/subjects/history-of-science-case-studies.html Philosophy of Science Case Studies] und [http://philsci-archive.pitt.edu/view/subjects/history-of-philosophy-of-science.html History of Philosophy of Science], Aufsätze von PhilSci Archive


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


[[Kategorie:Geschichte der Physik|!]]
[[Kategorie:Wikipedia:Lesenswert]]
[[Kategorie:Geschichte der Geologie|!]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 7. Dezember 2018, 20:42 Uhr

Im Gegensatz zur historischen Geologie, die sich mit der Entwicklungsgeschichte der Erde (insbesondere der Erdkruste) befasst, ist das Thema Geschichte der Geologie die Entwicklung dieser Naturwissenschaft selbst. Hierbei kommt es zu Überschneidungen mit der Geschichte anderer Geowissenschaften, wie vor allem Paläontologie, Mineralogie und Petrografie.

Antike

Der Turiner Papyrus zeigt die Lageskizze eines ägyptischen Bergbaureviers, um 1160 v. Chr. Wegen der Legende: „Die Berge in denen Gold gewaschen wird. Sie sind in dieser roten Farbe.“ gilt der Papyrus als die älteste erhaltene geologische Karte der Welt.

Die Ursprünge der Geologie speisen sich aus zwei recht unterschiedlichen Quellen: einerseits aus den praktischen Kenntnissen der Erzsucher, Bergleute und Metallurgen, die die antiken Hochkulturen mit den benötigten Rohstoffen versorgten, andererseits aus den allerersten Keimen der abendländischen Philosophie.

Minerale, Fossilien und Gesteine in der ionischen Naturphilosophie

Es war Thales von Milet (um 624 bis um 546 v. Chr.), der Begründer der ionischen Naturphilosophie, der als Erster versucht hat, die alten mythologischen Vorstellungen über die Erde durch rationale Erklärungen zu ersetzen. Nicht mehr den grollenden ‚Erderschütterer‘ Poseidon machte er für die Entstehung der Erdbeben verantwortlich, sondern die Bewegungen der auf dem Urwasser schwimmenden Erdscheibe. Ebenso scheint Thales durch die Beobachtung der Sedimentation bei Sandbänken an der Mündung großer Flüsse, oder der Ausfällung von Mineralen am Rand heißer Quellen, zu seiner These gelangt zu sein, alle Dinge seien aus dem Wasser entstanden.

Anaximandros (um 610 bis um 546 v. Chr.), zeichnete nicht nur die erste Karte der bewohnten Welt, sondern dehnte Thales Vorstellungen auch auf die belebte Welt aus. Er lehrte, dass die Lebewesen aus der Feuchtigkeit entstanden seien, die unter der Einwirkung der Sonne verdunste. Als Folge habe sich aus fischartigen Lebewesen der Mensch entwickelt. Natürlich ist es reiner Zufall, dass heute wieder diskutiert wird, ob sich die ersten Bausteine des Lebens („Ursuppe“) im Meer gebildet haben, oder ob sie sich nicht eher in heißen, mineralgesättigten Wasserlöchern konzentriert hätten. Dennoch greift Anaximandros’ erstaunliche These der modernen Evolutionstheorie um mehr als 2400 Jahre voraus. Schließlich erwägt er als erster Denker einen natürlichen Entwicklungsprozess der Lebewesen. Auf jeden Fall zeigt sie, dass ihm das Phänomen der Ausfällung von Meersalz durch Sonneneinstrahlung (Evaporation) bekannt war.

Xenophanes von Kolophon (um 570 bis um 470 v. Chr.) deutete erstmals die Abdrücke von Muscheln und anderen Seetieren in meeresfernen Landstrichen als die Überreste von versteinerten Lebewesen (Fossilien). Ihre Lage erklärte er damit, dass sich die Gebirge einstmals aus dem Meer gehoben hätten. Ebenso erkannte er die voranschreitende Erosion an den Küsten. Aus diesen beiden Prozessen schloss er auf große Zyklen, in denen sich Gebirgsbildung und Erosion abwechselten. Bei der Zerstörung der Festländer werde dabei jedes Mal die jeweilige Menschheit vernichtet.

Metaphysische Spekulationen in der griechischen Philosophie

Griechische Bergarbeiter

Alle diese der Natur zugewandten Denkansätze galten schon im 4. vorchristlichen Jahrhundert wieder als überholt. Die griechische Philosophie widmete sich stattdessen vermehrt formallogischen und transzendenten Problemen. Während die Pythagoreer in Süditalien die Mathematik in eine geheime Mysterien-Religion verwandelten, beschränkten sich die Sophisten auf Übungen in Grammatik, Dialektik und Rhetorik. Die Vorstellungen über die Entstehung der Gesteine und Metalle bewegten sich bald nur noch im Bereich der reinen Spekulation, die auf empirische Beobachtungen weitgehend verzichtete. Als z. B. Anaxagoras von Klazomenai (um 500–428 v. Chr.) behauptete, die steinige Beschaffenheit der Himmelskörper sei durch den Fall des Meteoriten von Aigospotamoi bewiesen worden, brachte ihm das bereits eine Verurteilung wegen Gotteslästerung ein.

Platon (427–348 v. Chr.) verband die Lehre von den vier Elementen des Empedokles mit den mathematischen Spekulationen der Pythagoreer über die geometrische Gestalt der Atome. Die Metalle und Minerale bestehen demnach nicht, wie die Steine und Erden, aus vermischten Elementen, sondern aus besonders verdichtetem ‚schmelzbarem Wasser‘, sprich: besonders hart gefrorenem Eis.

Aristoteles (384–322 v. Chr.) vertrat in seinem Werk Meteorologia die folgenreiche Lehre von der Umwandlung (Transmutation) der Elemente. Die Wandlung führte er auf das tiefe Eindringen der Sonnenstrahlen in den Erdkörper zurück. Aus den resultierenden trockenen Ausdünstungen entstünden demnach die Gesteine, und aus den feuchten Ausdünstungen die Metalle. Seine Vorstellung über die Bildung von Fossilien im Inneren von Gesteinen durch eine unbestimmte schöpferische Kraft (lateinisch: vis plastica) sollte ebenfalls bis weit in die Neuzeit Geltung behalten. Die Hebungen und Senkungen der Erdoberfläche, die Anschwemmung und Abtragung bewirken, waren ihm bekannt. Seiner Meinung nach beruhten sie auf der langsamen, aber unregelmäßigen Alterung der Erde.

Als Ursache für die Entwicklung und das Wachstum aller Dinge, also auch der Minerale, galt der Logos (griechisch: das Wort, die vernünftige Rede, die Begründung), ein allgemeines metaphysisches Ordnungsprinzip, das den gesamten Kosmos durchdringt. In der philosophischen Schule der Stoa entwickelte man daraus das Konzept der Logoi spermaticoi, der „samenartigen Gründe“. Diese enthalten, so nahm man an, die Ideen, die die endgültige Gestalt der Einzeldinge festlegen. Im Neuplatonismus, der später einen bedeutenden Einfluss auf die christliche Theologie haben sollte, entsprangen diese Ideen dem göttlichen Geist. Heute würden wir hierbei wohl eher an die atomaren Bindungskräfte denken, die die einzelnen Atome eines Minerals in ein Kristallgitter zwingen, oder die Gene, die die Entwicklung eines lebenden Organismus bestimmen.

Die antiken „Steinbücher“

Die Ruinen von Pompeji zu Füßen des Vesuvs, um 1900

Solche Ansichten wurden von Theophrast, dem Schüler und Nachfolger Aristoteles, in seiner Schrift Über die Steine zusammengefasst. Danach galten sie, bis weit in die Neuzeit hinein, als allgemein verbindlich. In den späteren Steinbüchern wurden diese Theorien aber zunehmend mit Vorstellungen aus dem Orient vermengt, über die magisch-astrologischen und medizinischen Eigenschaften der Metalle und Edelsteine, aber auch mit praktischen Rezepten für die Fälschung von Gold, sowie zur künstlichen Herstellung von Glas und Farbstoffen. Hier darf man die Ursprünge der technischen Chemie sehen.

Die letzte große Zusammenfassung all dieses, mittlerweile schon sehr umfangreichen und widersprüchlichen, Materials unternahm Plinius der Ältere in seiner enzyklopädischen Naturalis Historia, deren letzte fünf Bücher sich mit dem Mineralreich befassten. Bei dem Ausbruch des Vesuvs, der die Stadt Pompeji vernichtete, wagte sich Plinius aus Hilfsbereitschaft, aber auch aus Neugier zu nah an den Vulkan heran und erstickte an den austretenden Gasen. Auf Grund des sehr detaillierten Augenzeugenberichtes seines Neffen Plinius des Jüngeren werden solche explosiven Ausbrüche noch heute als Plinianische Eruptionen bezeichnet.

Sonst wurden in der Antike nur noch wenige geologische Beobachtungen gemacht. Das Desinteresse beruhte vor allem auf der allgemeinen Geringschätzung von schmutziger Handarbeit. So blieb besonders das Gebiet der Angewandten Geologie, wie Bergbau und Lagerstättenkunde, ausschließliche Domäne von Sklaven und Handwerkern, die ihre praktischen Kenntnisse im besten Fall mündlich weiter gaben. Nur im biblischen Buch Ijob (Hi 28,1-19 EU) findet sich eine kurze Schilderung über den (letztendlich unbefriedigten) Forscherdrang der Bergleute.

Die Grundlagen des christlichen Erdbildes

In der christlichen Spätantike gingen bereits viele alte Vorstellungen über die Beschaffenheit der Erde verloren. So verwarf schon Theophilus von Antiochia (115–181) die alten griechischen Vorstellungen über die Ewigkeit der Welt, oder über vieltausendjährige Zyklen der Erdentstehung und Erdvernichtung. Stattdessen versuchte er, nach jüdischem Vorbild, das Alter der Erde aus den Angaben der Bibel zu errechnen, wobei er auf ein Datum von 5529 v. Chr. kam. Lactantius Firmianus (ca. 240–320) hingegen leugnete die Kugelgestalt der Erde, und favorisierte eine Flache-Erde-Theorie, wie sie durch seine Auslegung des Alten Testaments nahegelegt wurde.

Mittelalter

Während in Westeuropa nach dem Zusammenbruch des römischen Imperiums auch im Bergbau eine lange Zeit der Stagnation einsetzte, wurden im arabisch-muslimischen Kulturraum die antiken Vorstellungen über die Entstehung der Erze und Gesteine weiterentwickelt. Ibn Sina (latinisiert: Avicenna, um 980–1037) griff hierbei besonders auf Aristoteles zurück, dessen Lehre von der Umwandlung der Metalle er hingegen ablehnte. Darüber hinaus lieferte er eine modern anmutende Klassifizierung des Mineralreiches in Salze, Schwefel, Metalle und Steine. Aus der geschichteten Form von Gesteinen schloss er auf ihre Entstehung durch Sedimentation, und die Bildung der Gebirge führte er auf die Wirkung von Erdbeben zurück. In seinen Vorstellungen von der Wirkung des Wassers stand Ibn Sina übrigens einem Orden (Tariqa) von Sufi-Mystikern nahe, die sich die Brüder der Reinheit nannten. Diese lehrten, dass sich die Ozeane im Laufe langer Zeiträume mit Sedimenten aus den Bergen und Flüssen füllten. Schließlich flössen die Meere über und neues Material lagere sich auf den Festländern ab.

Solche antiken und arabischen Vorstellungen gelangten im 12. und 13. Jahrhundert nach Westeuropa, wo sie die abendländischen Alchemisten inspirierten. Diese erklärten die Bildung der Metalle durch die konzentrierte Strahlung aller Planeten auf das Zentrum der Erde, das man sich wie einen riesigen, feurigen Schmelzofen vorstellte. Albertus Magnus (1200–1280) beschrieb die Bildung von Erzadern wie einen Destillations-Vorgang. Durch die Hitze des Erdinneren werden die feineren Bestandteile der feuchten Ausdünstungen in die natürlichen Poren und Risse der Erdkruste getrieben. Dort werden sie, ganz ähnlich wie im Hals einer Retorte, abgekühlt, ausgeschieden und konzentriert. Dies entspricht im Wesentlichen der modernen Theorie von hydrothermalen Ganglagerstätten.

Darstellung der Erde und des umgebenden Wassers unter den Sphären der Elemente Luft und Feuer (rot) sowie der Planeten- und Sternensphären (15. Jahrhundert)

Ansonsten richtete der mittelalterliche Mensch, wenn er sich Fragen über den Zustand der Welt machte, seinen Blick eher zum Himmel, als auf den Boden unter seinen Füßen. Im Himmel vermutete er, je nach Bildungsstand, entweder einen allwaltenden Herrgott, oder die Anziehungskräfte und Strahlungen der Planeten, die die Berge empor höben, die Meere zurückzögen, oder das Wachstum von Mineralen, Pflanzen und Tieren bewirkten.

Im Spätmittelalter kamen (besonders durch die Eingliederung der aristotelischen Philosophie in die christliche Theologie) die ersten Zweifel an der kurzen, biblischen Chronologie auf; so bei Jean Buridan (ca. 1328–1358), der eine ewige Welt mit Zyklen von „vielleicht hunderttausend Millionen Jahren“ postulierte, selbst wenn dies mit dem christlichen Glauben unvereinbar schien. Die Reformation, mit ihrer programmatischen Rückbesinnung auf den Wortlaut der Bibel, unterstützte jedoch die biblische Chronologie erneut.

Renaissance

Darstellung von Bergleuten und Erzsuchern (z. T. mit Wünschelrute) in Agricolas „De re metallica“, 1556

Leonardo da Vinci (1452–1519) entdeckte die organische Natur der Fossilien erneut und beschrieb sie im Codex Leicester, wobei er die Bedeutung der biblischen Sintflut für den Prozess klar verneinte.[1] Ebenso verwarf er das, aus der Bibel errechnete, kurze Alter der Erde, und beobachtete die unterschiedliche Sedimentation von Sandkörnern in strömendem Wasser. Da Leonardo seine Notizbücher aber nie veröffentlichte, blieben seine Erkenntnisse praktisch wirkungslos.

Bergleute …

Als Beginn der neuzeitlichen Geologie gilt deshalb das Werk des Georgius Agricola (1494–1555). Der Hauptteil seiner Schrift De re metallica libri XII besteht aus detaillierten Beschreibungen der damaligen Bergbau- und Ingenieurskunst, über den Bau von Schmelzöfen, Herstellung von Soda, Salpeter, Schwefel und Alaun, Transport der Erze, Wind- und Wasserkraft, aber auch rechtliche und administrative Belange. In den ersten Kapiteln gibt er aber auch viele praktische Hinweise für die Auffindung von Lagerstätten (Exploration) anhand natürlicher Kennzeichen. Sein De natura fossilium gilt als das erste Handbuch der Mineralogie, da die Klassifizierung der Minerale auf äußeren Merkmalen, wie Farbe, Glanz und Geschmack basiert. In seinem Werk De ortu et causis subterraneorum (1546) beschreibt Agricola seine Ansichten über die Bildung von Mineralen. Hierbei nahm er die Wirkung eines „versteinernden Saftes“ (succus lapidescens) an, der durch die gemeinsame Erhitzung und Eindickung von trockenen und feuchten Substanzen in unterirdischen Wässern entsteht, und die umgebenden Gesteine zersetzt (wörtlich: ableckt). In diesem Konzept kann man einen frühen Vorläufer der „mineral-haltigen Lösungen“ (Fluide) in der modernen Lagerstättenkunde sehen, obwohl Agricola die vielfältigen unterschiedlichen Mineralbildungen, nach dem Vorbild Aristoteles, aber etwas unbefriedigend, auf die bloße Wirkung von Hitze und Kälte zurückführte. Agricola verwarf dabei nicht nur die biblische These, dass sich alle Minerale im Moment der göttlichen Schöpfung geformt hätten, sondern auch die alchemistische Theorie über die Umwandlung der Metalle. Trotzdem sollten sich diese noch lange halten. Ein wichtiger Antrieb für die europäischen Entdeckungsreisen nach Übersee war z. B. die Vorstellung, dass sich das ‚Sonnen-Metall‘ Gold besonders in den heißen, tropischen Regionen der Welt findet.

Der Schweizer Naturkundler Conrad Gessner (1516–1565) sammelte in seinem Werk De rerum fossilium, lapidum et gemmarum (1565), ganz im Geiste der antiken Steinbücher, eine Fülle von (oft unzutreffenden) Angaben über Fossilien, Mineralien und Edelsteine.

… und Alchemisten

Ein weiteres Beispiel für die (ziemlich freie) Rückbesinnung auf die antike Tradition stellen die Spekulationen des humanistischen Gelehrten Paracelsus (1493–1541) dar. Seiner Meinung nach hatte sich der göttliche, immaterielle Geist (Iliaster) in die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde geteilt, die jeweils als Matrix für die Bildung verschiedener Stoffe dienen konnten. Die Minerale wüchsen demnach, auf Grund eines metaphysischen Ordnungsprinzips (Archeus) in der Erde, ganz ähnlich wie Pflanzensamen. Ihre Matrix sei das Wasser, das sich in einem Geflecht von unterirdischen Wasserläufen durch den ganzen Erdkörper zieht. Daneben unterteilte er, angelehnt an die christliche Trinität, die Natur auch in die eigenschaftsverleihenden Grundelemente Salz, Schwefel und Quecksilber. Hierbei griff er aber eher auf arabische Traditionen zurück als auf griechische.

Die Vorstellung von Mineralen als „Samen“, die in der Erde wachsen, bis sie sich schließlich in „reife“ Metalle verwandeln, finden sich übrigens nicht nur bei Alchemisten, sondern auch in der Folklore der Bergleute und Metallurgen vieler Völker.

In den Schriften des deutschen Alchemisten und Bergwerksingenieur Johann Joachim Becher (1635–1682) entwickelten sich Paracelsus’ Prinzipien Salz, Schwefel und Quecksilber in die „glasige Erde“ (die Mutter der Steine), die „fette Erde“ (Mutter der gewöhnlichen Erde) und „quecksilbrige Erde“ (Mutter der Metalle). Während die quecksilbrige Erde in der späteren Entwicklung der Theorie bald wieder verschwand, wurde die glasige Erde mit dem Mineral Quarz in Verbindung gebracht, das tatsächlich ein Hauptbestandteil der Gesteine darstellt, und oft die Matrix für andere Minerale bildet. Die fette Erde wandelte sich in der Theorie in das Phlogiston, eine hypothetische Substanz, die die Stoffe entflammbar machen sollte. Die Übertragung von Phlogiston von einem Stoff zum anderen wurde lange Zeit zur Erklärung von Verbrennungsreaktionen und metallurgischen Prozessen herangezogen, die wir heute als Reduktion und Oxidation bezeichnen würden. Im Laufe des 18. Jahrhunderts entwickelten sich aus solchen Konzepten die Vorstellungen über spezielle Erden, wie Kalk, Kieselerde, Magnesia und Alaun, die man als quasi chemische Bestandteile von Mineralen anzusehen begann.

Die Entdeckung der Erdgeschichte

Was die Geologie von den meisten anderen Naturwissenschaften unterscheidet, ist v. a. der historische Ansatz. Die Minerale könnten ohne Weiteres von einem Chemiker klassifiziert werden, die Fossilien von einem Biologen. Die Eigenschaften des Erdkörpers könnte ein Physiker beschreiben, seine Gestalt ein Geograf. Der Geologe stellt aber nicht nur die Frage: „Was ist das?“, sondern vor allem: „Wie wurde es, was es ist?“

Eine Zusammenfassung, wie sich ein gebildeter Mensch des 17. Jahrhunderts das Innere der Erde vorstellte, lieferte Athanasius Kircher; der Erdkörper ist nicht nur von Feuerherden durchzogen, sondern auch von unterirdischen Flüssen und Seen

Die ersten Schritte in die Richtung einer Erdgeschichte ging der dänische Arzt und Naturforscher Niels Stensen, latinisiert: Nicolaus Steno (1638–1686). Im Jahre 1669 entwarf er in der Toskana das erste geologische Profil, das wirklich historisch gedacht war. Mit der grundlegenden Erkenntnis, dass die unteren Gesteinsschichten auch die älteren sind, und die darüber lagernden, sukzessive immer jünger, entdeckte Stensen das stratigraphische Prinzip. Die Anordnung im Raum entspricht also in Wirklichkeit einer Abfolge in der Zeit. Außerdem postulierte Stensen, dass alle Schichten ursprünglich horizontal abgelagert wurden, und dass die Schichten nur nachträglich durch erdinnere Kräfte verstellt, zerbrochen und gefaltet werden können. Ebenso begriff Stensen erneut die organische Natur der Fossilien. Hätten sich die Fossilien erst nachträglich innerhalb des Gesteins gebildet, so wie Aristoteles glaubte, dann wären sie durch das umgebende Gestein verformt worden, so wie Baumwurzeln, die in einen Erdspalt hineinwachsen. Tatsächlich passte sich jedoch das umgebende Gestein an die Fossilien an, wodurch klar war, dass sie älter als das umgebende Gestein sein mussten. Als erster Kristallograph erkannte Stensen am Quarz das Gesetz der Winkelkonstanz.

Stensens Zeitgenossen beschäftigte weiterhin das Problem, warum die Fossilien tief in die Gesteine eingebettet waren, anstatt auf der Oberfläche zu liegen. Ein Ausweg bestand darin, den organischen Ursprung der Fossilien einfach zu leugnen, und sie als spontane Bildungen und kuriose „Naturspiele“ abzutun, wie dies z. B. Martin Lister (1638–1711) tat. Robert Hookes (1638–1703) Geistesblitz, dass man aus dem Fossilinhalt der Gesteine eine zeitliche Abfolge der sich verändernden Umweltbedingungen rekonstruieren könnte, wurde vorerst nicht weiter verfolgt.

Solche erdgeschichtlichen Ansätze wurden aber noch lange durch das Festhalten an der biblischen Zeitskala behindert. Das bekannteste Beispiel ist die Berechnung des Erzbischofes von Armagh (Irland), James Usher (1580–1656), der die Entstehung der Welt auf Montag, den 23. Oktober 4004 v. Chr. datierte. Als einziges Ereignis, das die Gestalt der Erde nach der Schöpfung noch wesentlich verändert haben konnte, galt die Sintflut. Sie wurde nicht nur für die Existenz von Fossilien fern dem Meer verantwortlich gemacht, sondern auch für die weit verbreiteten Geschiebelehme. Diese in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas auftretenden Gesteine wurden erst im 19. Jahrhundert als Zeugnisse der letzten Kaltzeiten erkannt. Wegen der Ähnlichkeit der Küstenlinien von Afrika und Südamerika machte ein Theologe namens Lilienthal im Jahr 1736 die Sintflut sogar für das Auseinanderbrechen dieser Kontinente verantwortlich.

Die Geologie als moderne Wissenschaft

Ein Profilschnitt durch die Gesteinsschichten Thüringens von Johann Gottlob Lehmann (1759)

Im Laufe der Aufklärung ging der Glaube an die biblische Zeitskala nach und nach verloren, und man versuchte eine Brücke zu schlagen, zwischen den althergebrachten praktischen Kenntnissen der Bergleute und Metallurgen und den rein theoretischen Spekulationen eines Descartes, Leibniz oder Kant über die Entstehung der Erde. Damit vollzog die Geologie den Wandel von einer beschreibenden zu einer erklärenden Wissenschaft. Das Sammeln von Fossilien und Mineralen wurde in bürgerlichen Kreisen zu einer regelrechten Modeerscheinung, und Kenntnisse über geologische Merkwürdigkeiten galten als ein wichtiger Bestandteil der Allgemeinbildung.

Die ersten, die sich anschickten Hookes Idee über eine mögliche Erdgeschichte in die Tat umzusetzen, waren der preußische Bergrat Johann Gottlob Lehmann (1719–1767) und der fürstliche Leibarzt Georg Christian Füchsel (1722–1773). Dabei zogen sie aber eher die unterschiedliche Ausbildung der Gesteine (Lithologie) zu Rate, als den Fossilinhalt. In der Mitte des 18. Jahrhunderts fertigten sie die ersten Profilschnitte und geologische Karten an, die die Gesteinsschichten in den Bergbaurevieren von Thüringen repräsentierten.

Auch der toskanische Bergwerksdirektor Giovanni Arduino (1735–1795) fertigte ein Profil des italienischen Alpenvorlands an. Dabei unterteilte er die Gesteine der Erdkruste in ‚Primär‘, ‚Sekundär‘, Tertiär und Quartär. Die letzten beiden Begriff sind noch heute gebräuchlich, die ersten beiden entsprechen etwa dem heutigen Paläozoikum und Mesozoikum. Außerdem erkannte er, dass die Fossilien in den jüngeren Schichten den heute lebenden Organismen immer ähnlicher werden.

Den Durchbruch in der grundlegenden Arbeitsmethode der geologischen Kartierung gelang jedoch dem Vermessungsingenieur und Kanalbauer William Smith (1769–1839). Im Jahre 1815 veröffentlichte er seine monumentale, farbige Karte der Geologie von England und Wales, die sowohl den Fossilinhalt, als auch die Lithologie in Betracht zog. Smith hatte dabei erkannt, dass bestimmte Gesteinsfolgen auch durch eine ganz bestimmte, unverwechselbare Faunenfolge charakterisiert werden. 1827 prägte Leopold von Buch (1774–1853) für solche Fossilien, die eine relative Datierung erlaubten, den Begriff Leitfossil. Smiths Karte wurde weiterhin richtungsweisend für alle späteren Projekte der jeweiligen nationalen Landesämter. Mit Hilfe solcher Karten ist es dem Geologen nicht nur möglich, die Verbreitung bestimmter Gesteine an der Oberfläche darzustellen, sondern auch ihre Lage im Untergrund vorherzusagen. Je mehr man sich bewusst wurde, dass es sich bei den Gesteinsschichten auch um zeitliche Einheiten handelt, desto mehr wurde die geologische Karte zu einer komplexen Darstellung von vier Dimensionen (die drei des Raumes und die Zeit) in zwei Dimensionen.

Die Entwicklung der Geologie vollzog sich im Folgenden in einer Reihe von, teilweise äußerst heftigen, wissenschaftlichen Kontroversen.

Ein Paar, wie Feuer und Wasser: Plutonismus und Neptunismus

Die erste dieser Kontroversen war der sogenannte „Basaltstreit“ zwischen Plutonisten und Neptunisten. Vordergründig wissenschaftlich geführt, war der Basaltstreit auch eine Grundsatzdiskussion verschiedener religiöser Anschauungen bezüglich der biblischen Schöpfungsgeschichte.

Der Neptunismus hat Wurzeln, die bis zu Thales von Milet zurückreichen. Demnach bilden sich die Gesteine ausschließlich durch Sedimentation aus wässrigen Lösungen. Sein Hauptvertreter war der Leiter der neu gegründeten Bergakademie in Freiberg, Abraham Gottlob Werner (1749–1817). Vulkanische Phänomene erklärte er als unbedeutende, lokale Erdbrände, und die resultierenden Gesteine seien lediglich aufgeschmolzene Sedimente.

Einer der Kontrahenten Werners war der schottische „Gentleman-Farmer“ James Hutton (1726–1797). Der Plutonismus vertritt die Ansicht, dass der Ursprung aller Gesteine in magmatischen und vulkanischen Prozessen zu suchen ist. Alle diese Vorstellungen beruhen letztendlich auf den „trockenen“ und „feuchten Ausdünstungen“ des Aristoteles. Geschmolzene Massen aus dem Erdinneren bahnen sich demnach, von Zeit zu Zeit, ihren Weg nach oben und können sogar zur Oberfläche durchbrechen. Durch die Erosion werden diese Gesteine frei gelegt und wieder abgetragen, um auf den Festländern als Böden, und in den Ozeanen als Sedimente abgelagert zu werden. Durch das Gewicht immer neuer Sedimentlagen werden die älteren Schichten immer stärker verfestigt und schließlich, unter dem enormen Druck, wieder erhitzt und umgewandelt, bis sie schließlich wieder aufschmelzen. Diese Idee vom Kreislauf der Gesteine wird heute allgemein akzeptiert.

Abraham Gottlob Werner
James Hutton

Verschiedene, überspitzte Ansichten der Neptunisten konnten in der Folge widerlegt werden, wie z. B. die Entstehung der Granite und Basalte als chemische Ausfällungen aus den Wassern eines heißen Urozeans. Deshalb wird besonders in der angelsächsischen Literatur gerne behauptet, die Plutonisten hätten die Kontroverse gewonnen. Man darf aber nicht vergessen, dass auch verschiedene Grundannahmen Huttons nicht gehalten werden konnten, wie die totale Leugnung der Existenz von chemisch ausgefällten Sedimenten, die Erklärung der Salzstöcke als magmatische Intrusionen, und besonders die Annahme der Wasserunlöslichkeit der Silikate. Ganz im Gegenteil spielt Wasser in allen magmatischen und metamorphen Prozessen eine unverzichtbare Rolle. An dieser Stelle sind Werners überhitzte, mineralgesättigte Lösungen (Solen), unter dem Namen Fluide, wieder in die Theorie zurückgekehrt.

Werners Verdienst war außerdem, dass an den Bergakademien nicht nur geforscht, sondern auch systematisch gelehrt wurde. Viele bedeutende Zeitgenossen, wie Alexander von Humboldt, Novalis oder Goethe (der wichtige Experimente über die Löslichkeit und Ausfällung von Kieselgel unternahm) besuchten die Vorlesungen und verbreiteten das Interesse an geologischen Problemen in der ganzen Welt.

Anfang des 19. Jahrhunderts begannen sich die verschiedenen losen Enden zusammenzufügen. Die Schüler Werners machten auf ihren ausgedehnten Reisen Bekanntschaft mit unzweifelhaft vulkanischen Bildungen, wie der Auvergne in Frankreich, oder der Eifel, und modifizierten ihre Ansichten entsprechend. Andererseits versuchte man die verschiedenen „Gebirgs-Formationen“ mit den benachbarten stratigraphischen Abfolgen, wie sie in Thüringen, im Pariser Becken, oder in England zu beobachten waren, nach der Art Werners zu korrelieren. Mit den Methoden William Smiths ließen sich diese anschaulich in geologischen Karten und Profilen darstellen. Dabei machte man zunehmend Gebrauch von Leitfossilien.

Eine ewig aktuelle Welt, oder ein Universum der Katastrophen?

Georges de Cuvier

Gerade das Studium der Leitfossilien führte zu einer anderen, lang anhaltenden Kontroverse, über die Rolle, die man katastrophalen Ereignissen in der Geschichte der Erde zuschreiben darf. Als Hauptvertreter der Kataklysmentheorie gilt Georges de Cuvier (1769–1832). Aus den, oft dramatischen, Unterschieden im Fossilbestand der einzelnen Formationen schloss er, dass im Laufe der Erdgeschichte riesige Umwälzungen stattgefunden haben müssen, die in bestimmten Gebieten alle Lebewesen ausgelöscht hätten. Danach seien diese durch neue, entweder von außen zugewanderte, oder gänzlich neu erschaffene, Organismen ersetzt worden. Die biblische Sintflut sei dabei nur die allerletzte dieser Katastrophen gewesen.

Charles Lyell

Das Konzept des Aktualismus wurde von Sir Charles Lyell (1797–1875) entwickelt. Sein Hauptwerk Principles of Geology erschien zuerst 1830. Basierend auf den Gedanken James Huttons kam Lyell zu dem Schluss, dass die geologische Zeitskala, im Vergleich zur menschlichen Geschichte, sehr lang ist. Außerdem ging er davon aus, dass die Prozesse, die zur Bildung von bestimmten Gesteinen führten, im Wesentlichen identisch sind, zu den Vorgängen, die man noch heute beobachten kann. („Die Gegenwart ist der Schlüssel zur Vergangenheit“) Die Veränderungen im Fossilbestand erklärte Lyell durch ständige, langsame Hebungen und Senkungen der Erdkruste, wie sie sich bereits Aristoteles vorgestellt hatte. Die Schichtgrenzen an denen sich die Lebewesen anscheinend sprunghaft veränderten, entsprächen einfach den Zeiten, in denen sich auf den herausgehobenen Festländern keine Sedimente abgelagert hätten.

Es war Charles Darwin (1809–1882) der dem Aktualismus weitgehend zum Durchbruch verhalf. In seiner Jugend hatte er eine formale, wenn auch kurze, Ausbildung als Geologe erhalten, und seine Erklärung der Entstehung der Atolle wird noch heute akzeptiert. Seine größte Leistung jedoch, die Evolutionstheorie, basiert wesentlich auf Lyells aktualistischem Prinzip. Erst durch das vergleichende Studium heute lebender Organismen stellte er die Paläontologie auf eine solide theoretische Grundlage. Darwin lieferte mit seiner Theorie von der natürlichen Zuchtwahl das Werkzeug, mit dem man die langsame Veränderung der Organismen im Laufe der Erdgeschichte erklären kann, ohne dafür völlig unbekannte, willkürliche, wenn nicht sogar übernatürliche, Kräfte postulieren zu müssen. Einer der letzten Paläontologen, der als Anhänger des Katastrophismus die Artenvielfalt metaphysisch deutete, auf einen schöpferischen Gott zurückführte, war Louis Agassiz.

Trotzdem war es verfrüht, den endgültigen Sieg der Aktualisten zu verkünden. In der Tat fiel es ausgerechnet Lyell sehr schwer, Darwins Evolutionstheorie zu akzeptieren. Lyells Vorhersage, dass man auch Reste von Wirbeltieren in den ältesten Schichten finden müsste, erfüllte sich jedoch nie. Auch das späte Erscheinen des Menschen, sowie die sich damals mehrenden Anzeichen für eine globale Eiszeit, widersprachen seiner Ansicht, dass sich die Erde in ihrer Geschichte niemals wesentlich verändert hätte. In neuerer Zeit erlebte der schon totgeglaubte Katastrophismus eine Renaissance. Die Vorstellung von langen, stabilen geologischen Epochen, in denen sich praktisch nichts verändert, schließt die Möglichkeit von einmaligen, plötzlichen, katastrophalen Umwälzungen (wie z. B. Meteoriten-Einschläge) letztendlich nicht aus.

Erste globale Hypothesen zur Gebirgsbildung

Carl Spitzweg: Der Geologe, um 1860

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurden weltweit immer mehr Einzelinformationen zusammen getragen. Nach und nach bildete sich eine allgemein akzeptierte, relative geologische Zeitskala heraus. Die verschiedenen Staaten gründeten ihre jeweiligen geologischen Institute, die sich besonders mit der Herstellung nationaler Kartenwerke und der Erforschung von Lagerstätten beschäftigten.

Der Katastrophist Léonce Élie de Beaumont (1798–1874) entwickelte die erste umfassende Theorie zur Gebirgsbildung (Orogenese). Demnach entstünden die weltweiten Gebirgsgürtel durch die von kataklysmischen Vulkanausbrüchen begleitete Abkühlung des Erdkörpers, ähnlich wie die schrumpfende Haut eines erkaltenden Bratapfels.

Im Schweizer Jura, und besonders in den Kohlefeldern der Appalachen in Nordamerika, wurden tatsächlich immer mehr Indizien entdeckt, die auf bedeutende seitliche Einengung von Gesteinsschichten hinwiesen. Diese Bewegungen hatten dort anscheinend zur Bildung von ausgedehnten Falten und tektonischen Überschiebungen geführt. Im Jahre 1873 fasste der amerikanische Aktualist James Dwight Dana (1813–1895) solche Beobachtungen zu seiner Geosynklinal-Theorie zusammen. Diese blieb, bis weit ins 20. Jahrhundert hinein, das maßgebliche tektonische Erklärungsmodell. In Europa verhalf Eduard Suess (1831–1914), mit seinen Arbeiten über die Alpen, solchen Vorstellungen zum Durchbruch. Auf Suess geht auch die Unterscheidung der weltweiten Gebirgsbildungsphasen zurück. Am bekanntesten sind die kaledonische, variszische und alpidische Gebirgsbildungsära. Hans Stille (1876–1966) vertrat noch bis in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts sehr erfolgreich die Kontraktions-Hypothese, nach der die Gebirgsbildung v. a. durch die Schrumpfung des Erdkörpers hervorgerufen wird (Stille-Zyklus).

Das Problem dieser Hypothese besteht darin, dass sie bestimmte expansive Phänomene, wie die Einsenkung von Grabenbrüchen oder Spaltenvulkanismus, nicht befriedigend zu erklären vermag. Außerdem bleibt unklar, wie ein kontinuierlicher Abkühlungsprozess zu zyklisch wiederkehrenden Phasen der Gebirgsbildung führen soll, die durch lange Zeiten tektonischer Ruhe voneinander getrennt sind. Erst die Entdeckung der natürlichen Radioaktivität lieferte eine plausible Energiequelle, die dem bisher angenommenen, unaufhaltsamen Abkühlungs- und Schrumpfungsprozess des Erdkörpers entgegenwirken konnte. Doch selbst dann blieb das Phänomen der Gebirgsbildungs-Zyklen noch rätselhaft.

Die Suche nach dem fest verankerten Urkontinent

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden immer mehr Ähnlichkeiten zwischen den Ablagerungen und Fossilien auf verschiedenen Kontinenten entdeckt, besonders in Südamerika, Afrika und Indien. Man postulierte daher die Existenz von Landbrücken, die die Kontinente früher miteinander verbunden hätten, so wie heute der Isthmus von Panama Nord- und Südamerika verbindet. Suess hingegen nahm an, dass große Teile des ursprünglich zusammenhängenden Gondwanalands abgesunken seien und sich in Ozeanböden verwandelt hätten. Gerade diese Vorstellung fand übrigens großen Anklang in okkultistischen und esoterischen Zirkeln um Madame Helena Blavatsky. Nicht nur der Untergang von Atlantis, sondern auch von ‚Lemuria‘ (die vermutete Urheimat der Lemuren) im Indischen Ozean, und von Mu im Pazifik, wurde in der Folge von ‚Medien‘ phantasievoll ausgemalt, und mit der Theorie von der Ozeanisierung von kontinentaler Kruste erklärt.

Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein wurden die verschiedensten geotektonischen Hypothesen vorgeschlagen, wie die Pulsationshypothese, die von abwechselnden Phasen von Kontraktion und Expansion der Erde ausgeht, oder die Oszillations-Hypothese, die verstärkt auf vertikale, isostatische Ausgleichsbewegungen in der Erdkruste zurückgreift. Wie ihren Vorgängern, so ist allen diesen Hypothesen gemeinsam, dass sie von einer festen Fixierung der Erdkruste auf ihrer Grundlage ausgehen.

Besonders italienische, und später deutsche Geophysiker begannen mit der Konstruktion von Seismografen, mit denen die Ausbreitungswellen von Erdbeben im Erdkörper aufgezeichnet werden konnten. Um das Jahr 1900 schloss Emil Wiechert (1861–1928) aus seismischen Daten auf die Schalenstruktur der Erde, mit Erdkern, Erdmantel und Erdkruste.

Die Entdeckung der treibenden Kontinente

Ab etwa 1930 setzten sich statt der Modelle des Fixismus zunehmend solche des Mobilismus und einer beweglichen Erdkruste durch. Es entstanden die Kontraktionstheorie sowie ihr Gegenteil, die Expansionstheorie der Erde. Beide hatten zahlreiche Argumente für sich, konnten aber nicht alle Phänomene erklären. Der endgültige Paradigmenwechsel kam mit Erkenntnissen von Tiefbohrungen und durch Forschungsschiffe der Ozeanografie.

Beim Verlegen der ersten untermeerischen Fernsprechkabel von den Britischen Inseln nach Nordamerika zum Ende des 19. Jahrhunderts, entdeckte man den mittelatlantischen Rücken. Jedoch zog man lange Zeit keine Schlüsse aus der Tatsache, dass er sich küstenparallel von Norden nach Süden durch den ganzen Ozean zieht, anstatt, wie eigentlich zu erwarten gewesen wäre, die Festländer zu beiden Seiten des Atlantiks in Ost-West-Richtung zu verbinden.

Alfred Wegeners Vorstellungen über das Auseinanderdriften der Kontinente

Die ersten mobilistischen Vorstellungen über die Möglichkeit bedeutender seitlicher Bewegungen von Festlandsmassen finden sich in der Kontinentaldrift-Hypothese Alfred Wegeners (1880–1930) aus dem Jahr 1915. Wegener nahm an, dass die verhältnismäßig leichten, granitischen Gesteine der kontinentalen Kruste (Sial) auf dem dichteren, aber zähflüssigen Untergrund aus basaltischem Material (Sima) schwimmen, wie Eisberge auf dem Wasser. Ein ursprünglicher Superkontinent (Pangaea) könnte so durch relativ schwache Kräfte in Stücke brechen und auseinander treiben. Dies würde nicht nur den parallelen Verlauf der östlichen und westlichen Küsten des Atlantiks erklären, sondern auch die Ähnlichkeiten der Fossilien und Klimazeugen, sowie bestimmter alter Gebirgszüge in Gondwana. Wegeners Theorie stieß zu seinen Lebzeiten aber auf breite Ablehnung, da er die wirkenden Kräfte nicht plausibel erklären konnte. Erst Arthur Holmes (1890–1965) schlug 1930 einen Mechanismus vor, der die Bewegung von Kontinentalplatten erklären könnte: Konvektionsströmungen heißer Magmen im Erdmantel.

Der Durchbruch mobilistischer Theorien erfolgte aber erst drei Jahrzehnte später in den 1960er Jahren. Man erkannte, dass das weltumspannende System der mittelozeanischen Rücken seismisch aktiv ist, und dass dort, entlang von vulkanischen Spalten, kontinuierlich neues Material aus dem Erdmantel an die Oberfläche tritt. Bei Island, das genau auf dem mittelatlantischen Rücken liegt, wurde mit Hilfe paläomagnetischer Messungen der Gesteine auf dem Meeresgrund nachgewiesen, dass sich die beiden symmetrischen Seiten des Ozeanbodens jedes Jahr einige Zentimeter auseinander bewegen. Dieses Phänomen wird heute, mit einer nicht ganz glücklichen Übersetzung aus dem Englischen, als Ozeanbodenspreizung bezeichnet (siehe: Sea-Floor-Spreading), Ozeanbodenausbreitung wäre wohl treffender. Aus einer Fülle von geophysikalischen, ozeanografischen, paläontologischen und petrografischen Beobachtungen entwickelte sich darauf hin die heute allgemein akzeptierte Theorie der Plattentektonik. Der zyklische Wechsel von Phasen des Auseinanderbrechens von Kontinenten, und der erneuten Kollision dieser Platten liefert eine plausible Erklärung für die wiederkehrenden, globalen Gebirgsbildungsphasen (Wilson-Zyklus) sowie für eine Reihe anderer geologischer Phänomene.

Die Veränderung der Arbeitsmethoden im 20. Jahrhundert

Bereits im 18. und 19. Jahrhundert begannen Geologen, chemische und physikalische Verfahren zur Untersuchung von Gesteinen und Mineralen heranzuziehen. Hier sind vor allem die auf Axel Frederic Cronstedt zurückgehende Lötrohrprobierkunde und die im 19. Jahrhundert an Bedeutung gewinnende nasschemische Analyse zu nennen. Doch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts dominierten in der Geologie beschreibende Forschungsmethoden. Im 20. Jahrhundert wandelte sich die Geologie zu einer analytischen Naturwissenschaft: Mit der Entdeckung der Röntgenbeugung konnte man die mineralogische Zusammensetzung auch von feinkristallinen Gesteinen bestimmen, mit der Entwicklung der Geophysik gewann man erstmals Erkenntnisse über das Innere der Erde. Mit Hilfe von Modellierungen am Computer können geologische Prozesse besser verstanden werden. Ein immer größerer Anteil geologischer Forschung wanderte vom Gelände an den Schreibtisch und ins Labor. Dieser Wandel der Methoden machte aus der zuvor rein qualitativen Geologie eine quantitative Wissenschaft und stellt damit nach der Abkehr von metaphysischen Vorstellungen in der frühen Neuzeit den zweiten Quantensprung der Wissenschaftsgeschichte der Geologie dar.

Siehe auch

Literatur

  • François Ellenberger: History of Geology, 2 Bände, Balkema, 1996, 1999
  • Helmut Hölder: Kurze Geschichte der Geologie und Paläontologie, Springer Verlag, 1989, ISBN 3-540-50659-4.
  • David R. Oldroyd: Thinking about the Earth, Harvard Press, 1996, ISBN 0-674-88382-9; dt.: Die Biographie der Erde. Zur Wissenschaftsgeschichte der Geologie, Frankfurt am Main 1998.
  • Alan Cutler: Die Muschel auf dem Berg – Über Nicolaus Steno und die Anfänge der Geologie. Albrecht Knaus Verlag, München 2004, ISBN 3-8135-0188-4.
  • Gabriel Gohau A history of Geology, Rutgers University Press 1990 (französisches Original Edition La Decouverte 1987).
  • Martin Rudwick Bursting the Limits of Time: The Reconstruction of Geohistory in the Age of Revolution, University of Chicago Press 2005.
  • Martin Rudwick Worlds Before Adam. The Reconstruction of Geohistory in the Age of Reform, University of Chicago Press 2008
  • Anthony Hallam Great Geological Controversies, Oxford University Press 1983, 2. Auflage 1989.
  • Bernhard Hubmann Die großen Geologen, Marix Verlag 2009.
  • Karl Alfred von Zittel Geschichte der Geologie und Paläontologie bis Ende des 19. Jahrhunderts, München: Oldenbourg 1899, Archive.
  • Max Pfannenstiel Wie trieb man vor hundert Jahren Geologie ?, Mitteilungen des Alpenländischen Geologischen Vereins, Band 34, 1941, Wien 1942, pdf.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Martin Kemp: Leonardo, C. H. Beck, München 2005, S. 186 ff. ISBN 978-3-406-53462-1


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Geschichte der Geologie aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.