Horizontproblem

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Die Hintergrund­strahlung erreicht die Erde aus Entfernungen von über 15 Milliarden Lichtjahren. Als dieses Licht allerdings ausgesendet wurde, war das Universum viel jünger (300.000 Jahre alt). In dieser Zeit hätte das Licht jedoch nur einen Raum innerhalb der kleineren Kreise erreichen können. Die beiden Punkte auf dem Diagramm hätten miteinander keinen Kontakt, da die Sphären ihrer Kausalität sich nicht überschneiden.

Das Horizontproblem ist eines der grundlegenden Rätsel der Kosmologie, das im Rahmen des klassischen Urknall-Modells entdeckt wurde. Es betrifft die Gleichförmigkeit der kosmischen Hintergrundstrahlung (CMB) und die Frage, wie verschiedene Regionen des Universums, die scheinbar nie miteinander in Kontakt gewesen sind, ähnliche physikalische Eigenschaften aufweisen können.

Das Problem entsteht aus der Tatsache, dass das Universum in entgegengesetzten Richtungen am Himmel sehr gleichförmig erscheint, mit einer sehr ähnlichen Temperatur der CMB-Strahlung. Diese weit entfernten Regionen sind jedoch so weit voneinander entfernt, dass sie im klassischen Urknall-Modell nicht genügend Zeit gehabt hätten, um miteinander in kausalem Kontakt zu stehen, das heißt, Informationen oder Energie auszutauschen. Dies sollte nicht möglich sein, da ein Austausch von Eigenschaften (wie Energie, Temperatur etc.) gemäß der speziellen Relativitätstheorie maximal mit der Geschwindigkeit des Lichts erfolgen kann. Betrachtet man nun eine Galaxie, die zehn Milliarden Lichtjahre in einer Richtung entfernt ist, und schaut danach zu einer anderen in exakt entgegengesetzter Blickrichtung, so beträgt der Abstand zwischen beiden Galaxien zueinander insgesamt 20 Milliarden Lichtjahre. Das bedeutet, dass das Licht der einen Galaxie bis heute die andere Galaxie noch nicht erreicht haben kann, da das Universum ein nachweisbares Alter von 13,7 Milliarden Jahren besitzt und diese Zeitspanne nicht ausreicht, damit das Licht die Distanz zwischen beiden Galaxien hatte zurücklegen können. Ohne eine solche Interaktion ist es schwer zu erklären, warum diese Regionen ähnliche Temperaturen und Dichten aufweisen.

Lösungsansätze

Inflationstheorie

Die Inflationstheorie ist die am weitesten verbreitete und akzeptierte Lösung für das Horizontproblem. Sie besagt, dass das Universum in einem extrem frühen Stadium seiner Entwicklung eine kurze Phase der exponentiellen Expansion durchlief, wodurch kausal verbundene Regionen plötzlich auf weit größere Entfernungen getrennt wurden. Dies würde erklären, warum weiträumige Regionen des Universums ähnliche Eigenschaften aufweisen.

Künstlerische Darstellung des beobachtbaren Universums in logarithmischer Skalierung und Zentrierung auf das Sonnensystem. Abgebildet sind die inneren und äußeren Planeten des Sonnensystems, der Kuipergürtel, die Oortsche Wolke, Alpha Centauri, der Perseusarm, die Milchstraße, der Andromedanebel, Nachbargalaxien, Filamente und Voids, die kosmische Hintergrundstrahlung und der Plasmazustand kurz nach dem Urknall.

Sie wurde in den 1980er Jahren von Alan Guth und anderen als Lösung für das Horizontproblem vorgeschlagen. Sie besagt, dass das Universum in einer extrem frühen Phase seiner Entwicklung eine extrem schnelle Expansion, die sogenannte "Inflation", durchlaufen hat. Demnach gab es zwischen 10−35 und 10−32 Sekunden[1] nach dem Urknall eine kleine Periode mit einer rasanten, exponentiell ansteigenden Expansion - eben die genannte Inflation. Während dieser Inflationsphase hätte sich das Universum, d. h. der Raum selbst, um einen enormen Faktor schneller als das Licht ausgedehnt[2] und zog das Licht dabei quasi in alle Richtungen mit. Während dieser Inflationsphase wurden die verschiedenen Regionen des Universums, die ursprünglich miteinander in Kontakt standen und somit die Möglichkeit hatten, ihre Temperaturen und Dichten auszugleichen, aufgrund der beschleunigten Expansion auseinandergetrieben.

Durch diese sehr schnelle Expansion hätten sich die beobachteten Gleichförmigkeiten in der CMB-Strahlung entwickeln können, bevor die Regionen zu weit voneinander entfernt waren, um miteinander in kausalem Kontakt zu stehen. Die Inflationstheorie bietet somit eine plausible Lösung für das Horizontproblem und hat in den letzten Jahrzehnten weitere Unterstützung durch Beobachtungen und theoretische Entwicklungen erhalten. Als Konsequenz einer solchen kosmischen Inflation hätte sich die Anisotropie während des Urknalls reduziert, wäre jedoch nicht völlig verschwunden. Die Temperaturunterschiede der kosmischen Hintergrundstrahlung wurden durch die kosmische Inflation ebenso geglättet, bestehen jedoch in einem geringen Maß fort. Die Theorie sagt hierbei ein breites Spektrum für die Anisotropie der Mikrowellenhintergrundstrahlung voraus, die tatsächlich überwiegend im Einklang mit den Ergebnissen steht, die die Raumsonden WMAP und COBE der Wissenschaft liefern konnten.[3]

Sofern die Inflationstheorie richtig ist, folgt daraus allerdings auch, dass das beobachtbare Universum nur einen kleinen Bruchteil des gesamten Universums ausmacht. Der Beobachtungshorizont, auch Partikelhorizont oder Teilchenhorizont genannt, begrenzt den Teil des Universums, von dem uns seit dem Urknall Informationen erreicht haben können. Da das Universum etwa 13,8 Milliarden Jahre alt ist, könnte man annehmen, dass das beobachtbare Universum einen Radius von 13,8 Milliarden Lichtjahren hat. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil das Universum seit dem Urknall expandiert. Da sich der Raum selbst ausdehnt, während das Licht von den entfernten Galaxien zu uns reist, sind diese Galaxien heute weiter von uns entfernt, als sie es waren, als das Licht von ihnen ausgesendet wurde. Unter Berücksichtigung der Expansion des Universums beträgt der aktuelle Abstand zum Partikelhorizont etwa 46 Milliarden Lichtjahre. Aufgrund der endlichen Größe der Lichtgeschwindigkeit ist das die größte Entfernung, aus der wir Informationen in Form von Licht oder anderen elektromagnetischen Strahlungen empfangen können.

Alternative Modelle

Obwohl die Inflationstheorie gegenwärtig am meisten bevorzugt wird, gibt noch eine Reihe alternative Ansätze zur Lösung des Horizontproblems. Diese sind noch weitgehend spekulativ und wenig durch Fakten gestützt. Neue Beobachtungen und experimentelle Ergebnisse könnten in der Zukunft dazu führen, dass einer der alternativen Ansätze an Bedeutung gewinnt. Einige davon sind:

Zyklische Modelle

Die zyklischen Modelle schlagen vor, dass das Universum aus einer endlosen Abfolge von Expansionen und Kontraktionen besteht, wobei jedes "Universum" in einem zyklischen Prozess entsteht und vergeht. In solchen Modellen könnten die physikalischen Eigenschaften des Universums in jedem Zyklus angeglichen werden, wodurch das Horizontproblem gelöst wird. Die derzeit bekannten Fakten geben allerdings keinen Hinweis auf derartige zyklische Prozesse.

Modelle mit variabler Lichtgeschwindigkeit

In den Theorien mit variabler Lichtgeschwindigkeit (eng. Varying Speed of Light, VSL) wird vorgeschlagen, dass die Lichtgeschwindigkeit in der Frühzeit des Universums höher gewesen sein könnte als heute. Eine höhere Lichtgeschwindigkeit würde bedeuten, dass sich unterschiedliche Regionen des Universums schneller ausgetauscht haben könnten, was das Horizontproblem lösen würde. Die VSL-Theorien erfordern keine spezielle Inflationsphase und damit auch keine zusätzlichen Mechanismen oder neue Teilchen, um eine solche Phase auszulösen und zu beenden. Dies könnte als Vorteil angesehen werden, da die Inflationstheorie noch auf experimentelle Bestätigung für den zugrundeliegenden Inflationsmechanismus wartet. Allerdings sind solche Theorien spekulativ und stehen im Widerspruch zu etablierten Theorien wie der Relativitätstheorie. Außerdem haben die VSL-Theorien bisher keine überzeugende theoretische Grundlage oder einheitliche mathematische Beschreibung, die sie mit anderen gut etablierten Theorien der Physik verbindet. Darüber hinaus haben die VSL-Theorien auch keine direkte experimentelle Unterstützung, wogegen die meisten verfügbaren Beobachtungsdaten im Einklang mit der Inflationstheorie und der konstanten Lichtgeschwindigkeit stehen. Auch müssen die VSL-Theorien sehr sorgfältig angepasst werden, um andere kosmologische Beobachtungen, wie die Anisotropie der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung und die großräumige Struktur des Universums, zu erklären, ohne andere Probleme zu erzeugen.

Kausale Dynamische Triangulation

Die Theorie der kausalen dynamische Triangulation (eng. causal dynamic triangulation, kurz CDT) ist eine Theorie zur Quantengravitation, die versucht, Raum und Zeit aus diskreten, quantenmechanischen Bausteinen zu konstruieren. In solchen Modellen könnte das Universum im sehr frühen Stadium auf fundamentaler Ebene ganz anders ausgesehen haben, was zu einer natürlichen Lösung des Horizontproblems führen könnte.

Die CDT geht davon aus, dass die Raumzeit in der Nähe der Planck-Skala (ungefähr 10-35 Meter) eine granulare, quantisierte Struktur hat, die in größeren Skalen zu einer glatten Raumzeit verschwimmt. Die grundlegende Idee hinter der CDT ist es, Raum und Zeit auf kleinster Ebene durch ein Netzwerk von "Bausteinen" darzustellen, die als "Triangulationen" bezeichnet werden. Diese Triangulationen sind einfache, dreidimensionale geometrische Objekte, wie Tetraeder, die aneinandergereiht und verknüpft werden, um den Raum auf größeren Skalen aufzubauen. Im Laufe der Zeit entstehen und vergehen diese Verknüpfungen zwischen den Triangulationen, wodurch Zeit und Dynamik in das System eingeführt werden. Dieser Ansatz ist in Übereinstimmung mit der Allgemeinen Relativitätstheorie, die eine dynamische, von Materie und Energie geformte Raumzeit vorhersagt.

Die Theorie der Kausalen Dynamischen Triangulation befindet sich erst in der Entwicklung und muss noch viele Herausforderungen bewältigen, bevor sie als vollständige Theorie der Quantengravitation akzeptiert werden kann. Eine der zentralen Fragen ist, ob die CDT in der Lage ist, die bekannten Phänomene der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Quantenmechanik in ihren entsprechenden Skalenbereichen korrekt zu reproduzieren.

Stringtheorie-inspirierte Modelle

In einigen Ansätzen, die auf der Stringtheorie basieren, könnten zusätzliche Dimensionen oder Brane-Strukturen dazu führen, dass das Universum in der Frühzeit auf unterschiedliche Weise verbunden war, was das Horizontproblem lösen könnte.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Inflation. Abgerufen am 15. Juli 2010.
  2.  Andrew Liddle: Einführung in die moderne Kosmologie. 1, Wiley-VCH Verlag, 2009, ISBN 978-3-527-40882-5, S. 111.
  3. D. Glenn, Dominik J. Schwarz Starkman: Is the Universe Out of Tune? 1. August 2005. (scientificamerican.com)
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