Johannes Calvin

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Johannes Calvin (Anonymer Künstler um 1540, Wallonisch-Niederländische Kirche Hanau)
Unterschrift Johannes Calvin
Unterschrift Johannes Calvin

Johannes Calvin (* 10. Juli 1509 in Noyon]], Picardie; † 27. Mai 1564 in Genf) war einer der einflussreichsten systematischen Theologen unter den Reformatoren des 16. Jahrhunderts. Sein Hauptwerk, die Institutio Christianae Religionis, wird als eine „protestantische Summa“ bezeichnet.[1]

Allgemeines

Die Verfolgung der französischen Protestanten unter König Franz I. zwang den Juristen, Humanisten und theologischen Autodidakten Calvin wie viele Gleichgesinnte zu einem Leben im Untergrund, schließlich zur Flucht aus Frankreich. Die Stadtrepublik Genf hatte bei seiner Ankunft dort (1536) gerade erst die Reformation eingeführt. Der Reformator Guillaume Farel machte Calvin zu seinem Mitarbeiter. Nach zweijähriger Tätigkeit wurden Farel und Calvin vom Stadtrat ausgewiesen. Martin Bucer lud Calvin nach Straßburg ein. 1539 erhielt er eine Professur für Theologie an der Hohen Schule von Straßburg. Außerdem war er Pfarrer der französischen Flüchtlingsgemeinde.

Als ihn der Stadtrat von Genf zurückrief, war Calvins Stellung wesentlich stärker als bei seinem ersten Genfer Aufenthalt. Er hatte Erfahrungen mit der Gemeindeorganisation gewonnen, die ihm jetzt zugutekamen. Im Herbst 1541 kam Calvin nach Genf und arbeitete umgehend eine Kirchenordnung aus. Calvins Rückhalt in den folgenden Jahren war das Pastorenkollegium (Compagnie des pasteurs). Der starke Zuzug verfolgter Hugenotten veränderte die Bevölkerungsstruktur Genfs und die Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat, was 1555 zur Entmachtung der Calvin-kritischen Ratsfraktion führte. Die 1559 gegründete Akademie profitierte vom Ruf Calvins und machte Genf zum Ziel von Studenten aus mehreren europäischen Staaten.

Calvins Wirken in Genf war durch schwere Konflikte gekennzeichnet, unter denen zwei hervorstechen:

  • Die Vertreibung Jérôme-Hermès Bolsecs. Er hatte Calvins Prädestinationslehre kritisiert, wurde deshalb 1551 aus Genf ausgewiesen und verfasste später eine viel rezipierte, polemische Calvin-Biografie.
  • Die Hinrichtung des Antitrinitariers Michel Servet (1553). Calvin hatte bereits die Römische Inquisition, die Servet im französischen Vienne verhörte, mit Belastungsmaterial versorgt. Servet floh vor seiner Hinrichtung nach Genf; dort wurde er auf Betreiben Calvins ebenfalls vor Gericht gestellt. Es war ein politischer Prozess, den der Kleine Rat der Stadt an sich zog. Calvin war daran als theologischer Gutachter, nicht als Richter beteiligt. Er befürwortete das Todesurteil und rechtfertigte es nachträglich gegen die Kritik des Baseler Humanisten Sebastian Castellio.

Calvins theologisches Hauptwerk ist die Institutio Christianae Religionis, die aber zusammengesehen werden sollte mit Calvins Bibelkommentaren. Die Institutio ist einerseits aus dem Bibelstudium erwachsen, andererseits aus einer intensiven Auseinandersetzung mit den altkirchlichen Dogmen und den Schriften der Kirchenväter, besonders Augustinus von Hippo. Das Zentrum von Calvins Theologie wird unterschiedlich bestimmt: die Majestät Gottes (Benjamin B. Warfield) oder Christus als der Mittler (Wilhelm Niesel); die doppelte Prädestination ist ein Nebenthema. Die Kirchenordnung hatte für Calvin religiöse Relevanz, denn die Kirche solle in ihrer Gestalt ihrem Auftrag entsprechen. Kirchenzucht sei sowohl für die Integrität der Kirche als auch für die persönliche Heiligung der Mitglieder unverzichtbar.

Name

Der Reformator hieß eigentlich Jehan (Jean) Cauvin ([ʒɑ̃ koːvɛ̃]).[2] Bereits als Jugendlicher, bei Studienbeginn in Paris, latinisierte er seinen Namen: aus Jean Cauvin wurde Ioannes Calvinus.[3] Dabei mag eine Rolle gespielt haben, dass reale und fiktive Personen namens Calvinus in der Antike mehrfach bezeugt sind, unter anderem ein fiktiver Schriftsteller Calvinus in Martials Epigrammen.[4]

Im französischen Sprachraum ist heute die re-gallizierte Namensform Jean Calvin ([ʒɑ̃ kalvɛ̃]) üblich, im deutschen Sprachraum dagegen Johannes Calvin ([joˈhanəs kalˈviːn] oder, in der Schweiz, [joˈhanəs ˈkalviːn]).

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Siehe auch

Werkausgaben

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert stellten mehrere Calvin-Editionen die Forschung auf eine neue Grundlage. Herausragend war die fast vollständige Straßburger Edition der Calvini Opera von Johann Wilhelm Baum, August Eduard Cunitz, Eduard Reuss: sie löste die Calvin-Gesamtausgabe von J. J. Schipper (1671) ab. 1833/34 gab August Tholuck die Kommentare Calvins zum Neuen Testament heraus, und Aimé-Louis Herminjard veröffentlichte 1866/67 Calvins französischen Briefwechsel.[5] Im 20. Jahrhundert förderte E. F. Karl Müller durch seine Übersetzungen von Calvins Werken ins Deutsche dessen Bekanntheit (1909 ein Auszug aus der Institutio, 1901–19 Calvins Bibelauslegungen in 14 Bänden) und bereitete so die Calvin-Renaissance in der Dialektischen Theologie vor.[6]

In den Originalsprachen (lateinisch, französisch)

  • Johann Wilhelm Baum, August Eduard Cunitz, Eduard Reuss (Hrsg.): Ioannis Calvini opera quae supersunt omnia, 59 Bände (= Corpus Reformatorum, Bände 29–87). C.A. Schwetschke, Braunschweig / Berlin, 1863–1900 (Zugang zu Digitalisaten). Klassische Werkausgabe (Abkürzung: CO), immer noch wissenschaftlich zitierfähig.
  • Peter Barth, Wilhelm Niesel (Hrsg.): Ioannis Calvini opera selecta. 5 Bände. Kaiser, München 1926–1936. Werkauswahl (Abkürzung: OS).
  • Irena Backus u. a. (Hrsg.): Ioannis Calvini opera omnia denuo recognita et adnotatione critica instructa notisque. Droz, Genf 1992 ff. Auf 12 Bände angelegte Neuausgabe der Calvini Opera mit Anmerkungen und Bibliographie nach dem aktuellen Forschungsstand (Abkürzung: COR).

In deutscher Übersetzung

  • Rudolf Schwarz (Hrsg.): Johannes Calvins Lebenswerk in seinen Briefen. Eine Auswahl von Briefen in deutscher Übersetzung. 1. Aufl. 2 Bände, Tübingen 1909; 2. Aufl. 3 Bände, Neukirchen 1961/62.
  • Otto Weber (Hrsg.): Unterricht in der christlichen Religion / Institutio Christianae religionis. Nach der letzten Ausgabe übersetzt und bearbeitet von Otto Weber. Neukirchener Verlag, (1. Aufl. 1955) 5. Auflage Neukirchen 1988, ISBN 3-7887-0148-X. (online)
  • Matthias Freudenberg (Hrsg.): Unterricht in der christlichen Religion / Institutio Christianae religionis. Die Übersetzung von Otto Weber im Auftrag des Reformierten Bundes bearbeitet und neu herausgegeben. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2008, ISBN 978-3-7887-2327-9.
  • Eberhard Busch (Hrsg.): Calvin-Studienausgabe. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1994–2011. Lateinische bzw. französische Originaltexte mit deutscher Übersetzung.
  • Matthias Freudenberg, Georg Plasger (Hrsg.): Calvin-Lesebuch. Neukirchener, Neukirchen-Vluyn 2008, ISBN 978-3-7887-2305-7.

Literatur

Calvins Biografie

  • Reiner Rohloff: Johannes Calvin: Leben – Werk – Wirkung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011. ISBN 978-3-8252-3456-0.
  • Christian Link: Johannes Calvin – Humanist, Reformator, Lehrer der Kirche. TVZ, Zürich 2009. ISBN 978-3-290-17510-8.
  • Wilhelm Heinrich Neuser: Johann Calvin: Leben und Werk in seiner Frühzeit 1509–1541. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009. ISBN 978-3-525-56915-3 (Rezension).
  • Peter Opitz: Leben und Werk Johannes Calvins. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009. ISBN 978-3-525-55000-7. (Rezension)
  • Thomas H. L. Parker: Johannes Calvin – Ein großer Reformator. SCM Hänssler, Holzgerlingen 2009, ISBN 978-3-7751-4830-6. Englische Originalausgabe: John Calvin. A biography (1975).
  • Volker Reinhardt : Die Tyrannei der Tugend. Calvin und die Reformation in Genf. Beck, München 2009. ISBN 978-3-406-57556-3 (Rezension).
  • Christoph Strohm: Johannes Calvin: Leben und Werk des Reformators. Beck, München 2009. ISBN 978-3-406-56269-3.
  • Willem van’t Spijker: Calvin – Biographie und Theologie (= Die Kirche in ihrer Geschichte. Band 3, Lieferung J,2). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001. ISBN 3-525-52338-6.
  • Bernard Cottret: Calvin. Eine Biographie. Quell, Stuttgart 1998, ISBN 3-7918-1730-2. Französische Originalausgabe: Calvin. Biographie, 1995.
  • Alister McGrath: Johann Calvin: Eine Biographie. Benziger, Zürich 1991. ISBN 3-545-34095-3. Englische Originalausgabe: A Life of John Calvin. A Study in the Shaping of Western Culture, 1990.

Calvins Theologie

  • Georg Plasger : Johannes Calvins Theologie – Eine Einführung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 978-3-525-56966-5.
  • Reiner Rohloff: Calvin kennen lernen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 978-3-525-56967-2.
  • Eberhard Busch: Gotteserkenntnis und Menschlichkeit. Einsichten in die Theologie Johannes Calvins. Theologischer Verlag, Zürich 2005, ISBN 3-290-17366-6.
  • Heiko A. Oberman: Zwei Reformationen. Luther und Calvin – alte und neue Welt. Siedler, Berlin 2003, ISBN 3-88680-793-2.
  • Eva-Maria Faber: Symphonie von Gott und Mensch. Die responsorische Struktur von Vermittlung in der Theologie Johannes Calvins. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1999, ISBN 3-7887-1722-X.
  • Peter Opitz: Calvins theologische Hermeneutik. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1994, ISBN 3-7887-1489-1.

Handbücher, Kompendien

  • André Birmelé, Wolfgang Thönissen (Hrsg.): Johannes Calvin ökumenisch gelesen. EVA, Leipzig 2012, ISBN 978-3-374-03019-4.
  • Irena Backus, Philip Benedict (Hrsg.): Calvin and His Influence, 1509–2009. Oxford University Press, New York 2011, ISBN 978-0-19-975185-3.
  • Herman Johan Selderhuis (Hrsg.): Calvin Handbuch. Mohr Siebeck, Tübingen 2008. ISBN 978-3-16-149229-7 (Rezension).
  • Peter Opitz (Hrsg.): Calvin im Kontext der Schweizer Reformation. Historische und theologische Beiträge zur Calvinforschung. TVZ, Zürich 2003. ISBN 3-290-17252-X (Rezension).
  • Donald K. McKim (Hrsg.): The Cambridge Companion to John Calvin. In: Cambridge Companions to Religion. Cambridge University Press, Cambridge 2004, ISBN 0-521-01672-X.

Fachlexika

Forschungsgeschichte

  • Christoph Strohm: 25 Jahre Calvin-Forschung (1985–2009). Teil I: Ausgaben, Übersetzungen, Hilfsmittel, Biographie, Theologie (allgemein). In: Theologische Rundschau, Neue Folge 74/4 (2009), S. 442–469, via JSTOR.

Einzelthemen

  • Achim Detmers : Reformation und Judentum. Israel-Lehren und Einstellungen zum Judentum von Luther bis zum frühen Calvin (= Judentum und Christentum. Band 7). Kohlhammer, Stuttgart u. a. 2001, ISBN 3-17-016968-8.
  • Marijn de Kroon: Martin Bucer und Johannes Calvin. Reformatorische Perspektiven. Einleitung und Texte. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1991, ISBN 3-525-55337-4.
  • Uwe Plath: Calvin und Basel in den Jahren 1552–1556 (= Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft. Band 133). Basel/Stuttgart 1974; Neuauflage mit neuem Vorwort, hrsg. von Wolfgang Stemmler. Alcorde, Essen 2014, ISBN 978-3-939973-63-8.
  • Hans Scholl (Hrsg.): Karl Barth und Johannes Calvin. Karl Barths Göttinger Calvin-Vorlesung von 1922. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1995, ISBN 3-7887-1551-0.
  • Wilhelm Schwendemann: Leib und Seele bei Calvin. Die erkenntnistheoretische und anthropologische Funktion des platonischen Leib-Seele-Dualismus in Calvins Theologie (= Arbeiten zur Theologie. Bd. 83). Calwer, Stuttgart 1996, ISBN 3-7668-3427-4.
  • Albrecht Thiel: In der Schule Gottes. Die Ethik Calvins im Spiegel seiner Predigten über das Deuteronomium. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1999, ISBN 3-7887-1735-1.

Belletristik

  • Stefan Zweig: Castellio gegen Calvin oder Ein Gewissen gegen die Gewalt. Frankfurt am Main 1936 und Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 1996, ISBN 3-596-22295-8.

Weblinks

Commons: Johannes Calvin - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Brian Albert Gerrish: Calvin, Johannes. In: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). 4. Auflage. Band 2, Mohr-Siebeck, Tübingen 1999, Sp. 16–36. Hier Sp. 23.
  2. Die französische Namensform ist zum Beispiel in einem juristischen Dokument vom 2. Juni 1536 bezeugt: Jehan Cauvin, licencié ès loix, natif de Noyon („Jehan Cauvin, Lizentiat der Rechte, gebürtig aus Noyon“). Vgl. Abel Lefranc: La jeunesse de Calvin. Librairie Fischbacher, Paris 1888, S. 205 (Digitalisat).
  3. Reiner Rohloff: Calvin kennen lernen. Vandenhoeck & Ruprecht, 2. Auflage Göttingen 2011, S. 11.
  4. Vgl. Hilmar Schmuck: Biographischer Index der Antike. Band 1, Saur, München 2001, S. 199 (abgerufen durch Verlag Walter de Gruyter).
  5. Arnold Huijgen: Calvinrezeption im 19. Jahrhundert. In: Herman J. Selderhuis (Hrsg.): Calvin Handbuch. Tübingen 2008, S. 480–490, hier S. 482.
  6. Matthias Freudenberg: Calvinrezeption im 20. Jahrhundert. In: Herman J. Selderhuis (Hrsg.): Calvin Handbuch. Tübingen 2008, S. 490–498, hier S. 491.
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