Drei Schwestern (Drama) und Der Kirschgarten: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Three Sisters cover 1901.jpg|mini|rechts|Olga (Sawizkaja), Mascha ([[Olga Knipper|Knipper]]), Irina (Andrejewa), Moskau 1901]]
'''Der Kirschgarten''' ({{RuS|Вишнёвый сад}}/''Wischnjowy sad''; wiss. Transliteration ''Višnëvyj sad'') ist eine tragische, gesellschaftskritische [[Komödie]] in vier [[Akt (Theater)|Akten]] von [[Anton Pawlowitsch Tschechow]]. Sie entstand im Jahr 1903 und wurde zu Tschechows 44. Geburtstag am 30. Januar (nach dem alten Kalender am 17. Januar) 1904 in [[Moskau]] uraufgeführt. Es war das letzte Stück des Schriftstellers, der ein halbes Jahr nach der Uraufführung an [[Tuberkulose]] starb.


'''Drei Schwestern''' ({{RuS|Три сестры}}) ist ein am 31. Januar 1901 am [[Moskauer Künstlertheater]] uraufgeführtes [[Drama]] von [[Anton Pawlowitsch Tschechow|Anton Tschechow]]. [[Regie]] führte [[Konstantin Stanislawski]], der führende russische Regisseur dieser Zeit. Die Rolle der Mascha spielte in der [[Uraufführung]] Tschechows spätere Frau, die Schauspielerin [[Olga Knipper]].
== Die Handlung ==
Das Stück spielt um 1900 auf einem russischen Landgut mit einem Herrenhaus, das von einem wunderschönen Kirschgarten umgeben ist. ''Anja'', die Tochter der ''Gutsbesitzerin Ranjewskaja'', holt ihre Mutter aus [[Paris]] zurück, weil das Anwesen hoch verschuldet ist und versteigert werden muss. Die Mutter war vor fünf Jahren mit ihrem Geliebten nach Frankreich geflohen, nachdem ihr kleiner Sohn damals im nahe gelegenen Fluss ertrunken war. Der Bruder von Ranjewskaja, ''Gajew'', war unfähig, mit Geld umzugehen und genoss das Leben. Auch Ranjewskaja verbraucht ihr Geld in Paris.


== Inhalt ==
Eine Rettung könnte der ehemalige Leibeigene der Familie, der ''Kaufmann Lopachin'', bedeuten, der zu einem Vermögen gekommen ist. Er schlägt vor, [[Datsche]]n (Ferienhäuser) auf dem Grundstück zu errichten und sie an Sommergäste zu vermieten. Die Voraussetzung dafür wäre das Abholzen des wunderschönen, aber nutzlos gewordenen Kirschgartens, der gerade in voller Blüte ist. Eine andere Lösung wäre, wenn ''Warja, die Pflegetochter'' der Gutsbesitzerin, Lopachin heiraten würde, aber ihr Traum geht nicht in Erfüllung. Es entfaltet sich hingegen eine Liebe zwischen dem ehemaligen Erzieher des ertrunkenen Sohnes, dem ewigen ''Studenten Trofimov'', und Anja, der Tochter der Gutsbesitzerin.
1. Akt: Der erste Akt spielt am [[Namenstag]] der jüngsten Schwester, Irina. Etliche [[Offizier]]e sind gekommen, um zu gratulieren. Seit elf Jahren leben Irina, Mascha, Olga und ihr Bruder Andrej Prosorow in der provinziellen [[Gouvernement]]sstadt. Wegen ihres Vaters, eines Brigadegenerals, waren sie einst hierher verschlagen worden. Doch der Vater ist seit einem Jahr tot. Die Sehnsucht, bald nach [[Moskau]] zurückzukehren, woher sie stammen, bewegt besonders Irina. „Nach Moskau!“ ist für sie zu einer Art [[Mantra]] der Hoffnung geworden. Sie sehnt sich nach der großen Liebe und nach einem erfüllten Leben durch Arbeit. Mascha, die mittlere der Schwestern (24 Jahre alt), hat mit 18 Jahren ihren ehemaligen Lehrer Fjodor Iljitsch Kulygin geheiratet, den sie bewunderte. Mittlerweile ist sie vollkommen desillusioniert und hält ihn für einen geschwätzigen Besserwisser. Olga, die Älteste, arbeitet im Schuldienst, sehnt sich aber nach einem ruhigen Dasein als Hausfrau. Der Bruder Andrej strebt eine [[Karriere]] als [[Professor]] an einer Moskauer [[Universität]] an. Er verliebt sich in Natascha, ein kleinbürgerliches Mädchen, das von den Schwestern mit Geringschätzung und Ironie behandelt wird.


2. Akt: Etwa ein Jahr ist vergangen. Andrej hat Natascha geheiratet. Bobik, das erste Kind, ist geboren. Irina hat eine Arbeit auf dem Telegrafenamt angenommen, die sie jedoch nicht glücklich macht. Sowohl der junge Baron Tusenbach als auch der Offizier Soljony sind in sie verliebt. Irina erwidert weder die Gefühle des einen noch die des anderen. Mascha beginnt eine Affäre mit dem verheirateten Offizier Werschinin. Andrej begräbt seinen Traum von der Universitätskarriere. Stattdessen übt er eine [[subaltern]]e Tätigkeit in der Landverwaltung aus und verspielt aus Langeweile das gemeinsame Erbe der Geschwister. Natascha erobert sich immer mehr Macht über das Haus und drängt die Geschwister zunehmend an den Rand. Vermutlich beginnt sie eine [[Affäre]] mit dem Vorgesetzten Andrejs.
Die Gutsbesitzerin zieht zurück nach Paris, alle verlassen das Haus, nur der alte ''Diener Firs'', der die alte Zeit vor der Abschaffung der Leibeigenschaft symbolisiert, wird aus Versehen eingeschlossen und bleibt regungslos liegen.


3. Akt: Wiederum ist etwa ein Jahr vergangen. Ein Brand schreckt die Stadt auf. Sophie, das zweite Kind Nataschas und Andrejs, ist geboren. Natascha spitzt den [[Konflikt]] mit Olga zu und drängt sie aus dem Haus. Mascha eröffnet ihren Schwestern, dass sie Werschinin liebt. Olga, die sich auch Hoffnungen auf Werschinin gemacht hat, weist das Geständnis brüsk zurück. Wegen seiner enormen Spielschulden hat Andrej – ohne die Schwestern zu fragen – eine [[Hypothek]] auf das Haus aufgenommen. Irina begreift, dass sie nie nach Moskau zurückkehren werden.
„Erster Akt: Der Kirschgarten muss vielleicht verkauft werden. Zweiter Akt: Der Kirschgarten wird verkauft werden. Dritter Akt: Der Kirschgarten ist verkauft. Vierter Akt: Der Kirschgarten ist verkauft worden. Der Rest: Das Leben.“ ([[Jean-Louis Barrault]])
 
4. Akt: Die Batterie wird aus der Stadt abgezogen. Irina hat sich entschlossen, Tusenbach zu heiraten, obwohl sie ihn nicht liebt. Sie hat eine Ausbildung zur Lehrerin absolviert. Sie wollen gemeinsam weggehen. Am Vortag hat der eifersüchtige Soljony Tusenbach provoziert und zum [[Duell]] gefordert. Werschinin verabschiedet sich von der verzweifelten Mascha. Kulygin, ihr Mann, liebt sie dennoch und will die Ehe fortsetzen, als sei nichts gewesen. Andrej hat jeden Ehrgeiz aufgegeben und wird mit Natascha, die das Haus nun vollkommen beherrscht, weiterleben. Olga ist Schuldirektorin geworden. Tusenbach wird im Duell von Soljony getötet. Irina entschließt sich, trotzdem fortzugehen und ihre Arbeit als Lehrerin aufzunehmen.
 
== Dramaturgie ==
 
Tschechow führt in '„Drei Schwestern“ formale Elemente ein, die zur Entstehungszeit des Dramas neuartig und ungewöhnlich waren: So gibt es keinen Handlungsschwerpunkt, sondern eine Reihe sich kreuzender Nebenhandlungen. Das Stück weist auch keine zentrale „Heldenfigur“ auf, sondern eher eine Ansammlung gleichwertiger „Nicht-Helden“.<ref name="Balme Vorlesung">Aus der Vorlesung „Grundformen des Dramas&nbsp;I“ von Prof. Christopher Balme an der Ludwig-Maximilians-Universität München am 23. Januar 2007.</ref>  Eine Besonderheit des Stückes ist auch das diffizile Beziehungsgeflecht zwischen anwesenden und abwesenden Figuren: so ist der seit einem Jahr tote Vater äußerst bedeutsam für die gegenwärtige Situation der Geschwister.<ref>Erika Fischer-Lichte: ''Geschichte des Dramas von der Romantik bis zur Gegenwart''. Wilhelm Finck Verlag München 1990. S. 110 ff, ISBN 3-7720-1760-6</ref> Ebenso Protopopow, der Vorsitzende der Landverwaltung, der im Stück nicht auftritt: zunächst gilt er als der zukünftige Ehemann Nataschas, dann ist er der Vorgesetzte Andrejs, später wird er überdies zu Andrejs Nebenbuhler, da er vermutlich ein Verhältnis mit Natascha hat.
 
Tschechow entwickelt eine [[Dialog]]technik, die am Beginn des 20. Jahrhunderts nahezu revolutionär war: Anstelle eines die Handlung voran treibenden Dialogs führen die Gespräche der Figuren häufig „nirgendwo hin“. Die für das Stück typische Dialogsituation besteht aus mehreren [[Monolog]]en, die sich überschneiden. Das erzeugt den Eindruck des Aneinander-vorbei-Redens. Auch bei der Nutzung des Raums ergeben sich Besonderheiten: Die Handlung entwickelt sich zur Breite und zur Fläche hin. Statt eines Fluchtpunkts gibt es „Aktionsinseln“.
 
Das Stück hat keinen Handlungsbogen im [[Aristoteles|aristotelischen]] Sinne, der mit Spannung aufgebaut werden könnte, also auch keine [[Peripetie]]. Der zeitliche Rahmen erscheint gedehnt; er erstreckt sich insgesamt über drei Jahre hinweg. Das Element der Zeit wird jedoch nicht zur Spannungserzeugung eingesetzt, sondern es ist selbst ein Thema des Stücks. Die Zeit verfließt – sie ist kein Gestaltungsraum für menschliche Tätigkeit, für Handeln und für Konflikte. Nahezu alle Veränderungen dringen von außen in das Leben der Figuren ein: so zerstört im dritten Akt  ein Brand die halbe Stadt, im letzten Akt wird die Brigade verlegt usw. Tschechows Figuren verändern mit ihrem Handeln nicht mehr die Welt, sondern die Welt dreht sich unabhängig von ihnen weiter. Tschechow wird deshalb gemeinhin als ein Vorläufer des irischen [[Dramatiker]]s [[Samuel Beckett]] angesehen. Beckett vollendete in seinen Dramen („[[Warten auf Godot]]', „[[Endspiel (Beckett)|Endspiel]]“), was bei Tschechow als dramaturgisches Experiment begann: Stücke ohne nennenswerte Handlung und ohne zentralen [[Konflikt]] zu schreiben und Dialoge nicht aktional – das heißt als „[[Sprechakt]]“ – zu behandeln, sondern als (häufig folgenloses) Reden um des Redens willen. Tschechow löst damit die klassische aristotelische Dramenstruktur auf und entwickelt stattdessen ein Modell, in dem der Mensch der [[Moderne]] nicht mehr als handlungsmächtiges [[Individuum]] beschrieben wird, das gestaltend auf die Welt einwirken könnte.
 
Diese Handlungsohnmacht korrespondiert mit der Unlust der Figuren, in der Gegenwart zu leben. Die Erinnerung an die Vergangenheit im fernen Moskau beziehungsweise das Philosophieren über das Leben in einer fernen Zukunft beherrschen ihr Denken und Fühlen. Für das [[Drama]] – das im Gegensatz zur [[Epik]] die [[Gattung (Literatur)|literarische Gattung]] ist, die von der Vergegenwärtigung des Geschehens lebt – ist dies nahezu [[paradox]].


== Interpretation ==
== Interpretation ==
Wie alle Tschechow-Stücke entzieht sich „Drei Schwestern“ einer eindimensionalen [[Interpretation]]. Obwohl das Werk geradezu [[kammermusik]]alisch durchstrukturiert ist, erlauben die [[Komplexität]] der angesprochenen Themen und die Genauigkeit der Figurenporträts vielfältige Akzentuierungen und Deutungen. Die im Folgenden beschriebenen Aspekte sind deshalb lediglich Ansätze zur Interpretation. Tschechow selbst hat sich immer geweigert, sein Stück zu erläutern. Wenn er gefragt wurde, was er mit einer bestimmten Stelle „gemeint“ habe, antwortete er stets, das stehe doch alles im Text.<ref>Wladimir Iwanowitsch Nemirowitsch-Dantschenko: ''Tschechow oder die Geburt des modernen Theaters''. Berlin, Köln 2011</ref>


Man kann Tschechows Drama in gewisser Weise als „Endzeitstück“ verstehen. Die Geschichte der Geschwister Prosorow, die von einem besseren Leben träumen, aber nicht in der Lage sind, sich aus der Atmosphäre müder Antriebslosigkeit herauszureißen, steht [[paradigma]]tisch für den Zustand der russischen [[Intelligenzija]] am Anbruch des neuen Jahrhunderts. Obwohl die Geschwister gebildet und mit vielen Talenten ausgestattet sind, verharren sie in einem unproduktiven Warte-Zustand und klagen darüber, dass ihre vielfältigen Begabungen für sie nur "Ballast" seien. Irina setzt sich im 1. Akt kritisch mit dieser Lebensweise auseinander und beschließt, arbeiten zu gehen. Doch die ersehnte Befriedigung stellt sich nicht ein. Irina wie auch Olga empfinden ihre Tätigkeit nur als auszehrend und ermüdend.
Der Historiker [[Orlando Figes]] beurteilt das Stück mit Blick auf die Weltanschauung seines Autors: Tschechow selbst war liberal eingestellt und – als Arzt und Naturwissenschafter – überzeugt, dass technischer Fortschritt und gesellschaftliche Veränderungen eine positive Wirkung für die Menschen hätten. Seine Intention im ''Kirschgarten'' war es demnach, den Mythos von der ''guten alten Zeit'' satirisch zu demontieren: So hält etwa Madame Ranjewskaja lange, sentimentale Elogen voller Klischees über ihre glückliche Kindheit auf dem Gut, das sie allerdings schon vor Jahren verlassen hat, um sich in Paris zu amüsieren. Als das Gut verkauft wird, vergisst sie ihre oberflächliche Nostalgie sehr schnell und reist ab. Ihr Bruder Gajew ist ein verantwortungsloser Verschwender. Der Gutsbesitzer Simeonow-Pischtschik preist die Verwurzelung des Adels mit dem Land und verkauft dieses trotzdem bei erster Gelegenheit an englische Bergbau-Ingenieure. Der Diener Firs, der als einziger noch an die innere Verbundenheit von Herrschaft und Dienern glaubt, wird von den Ranjewskis einfach zurückgelassen. Dagegen hat Tschechow die Figur des Lopachin als positives Gegenbild des aufrichtigen Kaufmanns entworfen, der durch eigenen Fleiß aus bescheidenen Verhältnissen aufgestiegen ist. Es ist zu vermuten, dass Tschechows eigener Vater, ein ehemaliger Leibeigener und später wohlhabender Kaufmann, als Vorbild für Lopachin gedient hat.<ref>Orlando Figes: ''Natasha's Dance. A cultural History of Russia''. Picador, New York 2002 ISBN 0-312-42195-8 S. 208ff.</ref>


Die einst produktiven Konzepte des [[Bürgertum]]s scheinen an einen Endpunkt gekommen zu sein: sie können dem Menschen keine Ziele mehr setzen und keine Bestimmung geben. „Fortschritt, Aufklärung, Wissenschaft, Arbeit, Wohlsein der Menschheit, allgemeiner Nutzen, soziale Gerechtigkeit, Humanität - die ganze Rhetorik, mit der die tschechowschen Helden, deren Kinder- und Jugendjahre in die Zeit der liberalen Reformen und der Entwicklung von linksradikalen Bewegungen in Russland fallen, groß geworden sind, taugt nichts mehr.“<ref>Peter Rezvykh: „Anmerkungen zu Tschechow'“. Originalbeitrag für das Programmheft der Münchner Kammerspiele zu „Drei Schwestern“. Spielzeit 2006/07</ref> Die Versatzstücke der großen Ideologien dienen Figuren wie Werschinin und Tusenbach nur noch zum folgenlosen [[Schwadronieren]].
Der Kirschgarten, der keine Ernte mehr abwirft, symbolisiert den russischen Adel, der für die russische Gesellschaft keinerlei Nutzen mehr erbringt. Er hat nur noch eine dekorative Funktion, er symbolisiert das Schöne. Am Ende wird er abgeholzt.


Tschechow zeichnet in den Figuren des Stückes ein [[Porträt]] seiner eigenen Gesellschaftsschicht, die er für unfähig hält, der gesellschaftlichen Entwicklung noch Impulse zu verleihen. „Das Feuer, das im dritten Akt die halbe Stadt vernichtet, ist ein Vorschein der Revolutionen, in denen diese Schicht endgültig untergehen wird. Die Zukunft gehört Menschen wie Natascha – der pragmatischen Schwägerin der drei Schwestern, die ohne Skrupel allein nach Nützlichkeit und Effizienz fragt. Andrej und die Schwestern sind passive Zuschauer in einem Theater, das die Geschichte ihres Untergangs spielt.“<ref>Dagmar Borrmann: „Tschechows 'Drei Schwestern'. Geschichte eines Missverständnisses“. Originalbeitrag für das Programmheft des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden. Spielzeit 2012/13</ref>
== Ausgaben ==
=== Deutschsprachige Ausgaben ===
* Anton Tschechow: ''Der Kirschgarten. Tragikomödie in vier Aufzügen'', Georg Müller, München 1912 (Nach der Einrichtung des Moskauer künstlerischen Theaters übersetzt und eingeleitet von Siegfried Aschkinasy und Lion Feuchtwanger), {{DNB|580816079}}.
* Wolf Düwel: ''Anton Tschechow, Dramen, „Der Kirschgarten“'' (= ''Anton Pavlovič Čechov: Gesammelte Werke in Einzelbänden''), Rütten & Loening, Berlin (Ost) 1964 (Übersetzt von Gudrun Düwel), {{DNB|450760898}}.
* Anton P. Čechov: ''Der Kirschgarten'', Insel-Taschenbuchverlag, Frankfurt am Main u.&nbsp;a. 1991 (Übersetzt und bearbeitet von Thomas Brasch), ISBN 3-458-33041-0.
* Anton Tschechow: ''Der Kirschgarten'', Reclam, Stuttgart 1984 (übersetzt von Hans Walter Poll 1984), ISBN 3-15-007690-0.
* Anton Tschechow: ''Der Kirschgarten''. dtv, München 2009 (Aus dem Russisch neu übersetzt von Vera Bischitzky, mit einem Nachwort von Andreas Ebbinghaus, einem Glossar und einer Zeittafel), ISBN 978-3-423-13835-2.
* Anton Tschechow: ''Der Kirschgarten: Komödie in 4 Akten''. Holzschnitte von Werner Hofmann, Diogenes, Zürich 1964 (Übertragen und mit einem Nachwort von Sigismund von Radecki). {{DNB|450760901}}.
* Anton Čechov: ''Der Kirschgarten'', Komödie in vier Akten. Übersetzt und herausgegeben von Peter Urban (= ''Diogenes-Taschenbuch,'' Band 20083: detebe-Klassiker), Diogenes, Zürich 1999, ISBN 3-257-20083-8 (Erstausgabe dieser Übersetzung 1973, als Diogenes Taschenbuch, ISBN 3-257-20083-8).


== Entstehungsgeschichte ==
=== Russischsprachige Ausgaben ===
Anton Tschechow schrieb „Drei Schwestern“ in [[Jalta]] auf der Halbinsel [[Krim]]. Dorthin musste er sich 1898 wegen seiner [[Tuberkulose]]-Erkrankung zurückziehen. Tschechow fühlte sich abgeschnitten vom Kunstleben der [[Metropole]]n und versuchte die Verbindung – vor allem zu seiner späteren (ab Mai 1901) Frau Olga Knipper – durch regen Briefwechsel aufrechtzuerhalten. In diesen Briefen ist der Entstehungsprozess der ''Drei Schwestern'' dokumentiert.
* Anton Čechov: ''Вишнёвый сад / Visnëvyj sad'', herausgegeben von Wolfgang Schriek. Reclam, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-15-019797-4 (= ''Reclams Universal-Bibliothek'', Band 19797, ''Fremdsprachentexte: Russisch'').
*  Alexander Lehrman (Hrsg.): ''Anton Čechov's Višnevyj sad, a critical edition of the original Russian text with an introduction, a new translation and supplementary materials'', Sagner, München / Berlin 2009, ISBN 978-3-86688-057-3 (= ''Slavistische Beiträge'', Band 467).


Im November 1899 schreibt er in einem Brief an den [[Regisseur]] und Mitbegründer des Künstlertheaters [[Wladimir Iwanowitsch Nemirowitsch-Dantschenko]] erstmals, dass er ein [[Sujet]] für ein neues Stück habe. Er nennt auch bereits den Titel ''Drei Schwestern''.<ref name="Tschechow Briefe">Anton Tschechow: ''Briefe 1897-1901''. Hrsg. und übersetzt von Peter Urban. Zürich 1979</ref> An Olga Knipper schreibt er am 10.&nbsp;August 1900: „Das Stück ist angefangen, wie mir scheint, ist der Anfang ganz gut, aber er lässt mich auf einmal kalt, er ist mir zu banal – und jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll.“<ref name="Tschechow Briefe" /> Tschechows Zweifel, ob das Sujet und die Schreibweise spannend genug für ein Drama sein würden, durchziehen den Briefwechsel der folgenden Wochen. Am 5.&nbsp;September schreibt er an Olga Knipper: „[...] ich fürchte, es wird unklar oder blass, und deshalb wäre es meiner Meinung nach besser, es auf nächste Saison zu verschieben.“<ref name="Tschechow Briefe" /> Am 13.&nbsp;November 1900 meldet er jedoch: „Die ''Drei Schwestern'' sind bereits fertig, aber das Stück ist langweilig geworden, zäh, unangenehm; ich sage - unangenehm, denn es hat zum Beispiel vier [[Held]]innen [...]. Das Stück ist kompliziert wie ein [[Roman]], und die Stimmung, angeblich, mörderisch.“<ref name="Tschechow Briefe" /> Bei den ersten Proben im Moskauer Künstlertheater ist er anwesend. Dann lässt er sich von Olga Knipper brieflich über den Fortgang der Proben informieren. Seine Befürchtung, das Stück könne beim Publikum und bei der Kritik nicht erfolgreich sein, wächst. Die Nervosität veranlasst ihn, kreuz und quer durch Europa zu reisen: von [[Nizza]] nach [[Algier]], von dort nach [[Italien]]. Nur halb scherzhaft schreibt er am 20.&nbsp;Januar aus Nizza an Olga Knipper: „Wenn das Stück durchfällt, dann fahre ich nach [[Monte Carlo]] und verspiele dort Kopf und Kragen.“<ref name="Tschechow Briefe" /> Die Nachricht von der erfolgreichen Uraufführung erreicht ihn per Telegramm.
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Der Kirschgarten}}


== Rezeptions- und Aufführungsgeschichte ==
== Literatur ==
Tschechows späte Dramen, zu denen auch ''Drei Schwestern'' gehört, wurden am Moskauer Künstlertheater in der Regie von Konstantin Stanislawski uraufgeführt. Stanislawski war nicht nur ein bedeutender Regisseur jener Zeit – er reformierte auch die [[Schauspielkunst]]. Statt [[Deklamation]] und effektvollem Star-Theater führte er eine streng realistisch-psychologische Spielweise ein, die auf der Einfühlung des Schauspielers in die Figur beruhte und auf Wahrhaftigkeit des Ausdrucks zielte. Entsprechend waren die Bühnenbilder realistisch ausdeklinierte Lebensräume der Figuren. Stanislawski machte Tschechows Stücke international bekannt. Das westeuropäische Publikum wurde auf den Dramatiker überhaupt erst durch die Gastspielreisen des Künstlertheaters aufmerksam.
* Herta Schmid: ''Strukturalistische Dramentheorie: semantische Analyse von Čechows „Ivanov“ und „Der Kirschgarten“'' (= ''Scripten'', Band 3). Scriptor, Kronberg (Taunus) 1973, ISBN 3-589-00032-5 (Dissertation Universität Konstanz, Philosophische Fakultät 1972, 518 Seiten, unter dem Titel: ''Der Bedeutungsaufbau des Dramas als Anzeichen der Gattung'').


Dennoch war Stanislawskis Rolle für die Rezeption Tschechows zwiespältig. In gewisser Weise beruhten seine Interpretationen auf einem Missverständnis: Stanislawski inszenierte die Stücke als [[Melancholie|melancholische]] „Stimmungsdramen“. Die Figuren wurden auf diese Weise zu Opfern nicht näher definierter gesellschaftlicher Umstände und boten dem bürgerlichen Publikum Projektionsflächen für rückwärts gewandte Sehnsüchte. Es ist überliefert, dass das Publikum in Stanislawskis Inszenierung der ''Drei Schwestern'' in jeder Aufführung Tränen vergoss - sehr zum Ärger Tschechows.<ref>Erika Fischer-Lichte: ''Geschichte des Dramas von der Romantik bis zur Gegenwart''. Wilhelm Finck Verlag München 1990. ISBN 3-7720-1760-6. S. 120ff</ref> Er äußerte sich gegenüber Alexander Tichonow folgendermaßen: "Sie sagen, Sie hätten über meine Theaterstücke geweint. Sie sind nicht der einzige. Dazu habe ich sie aber nicht geschrieben. Stanislawski war es, der sie so rührselig gemacht hat. Ich wollte etwas ganz anderes. Ich wollte einfach und ehrlich sagen: schaut euch an, seht doch, wie schlecht und langweilig ihr euer Leben führt!"<ref>zitiert nach: Siegfried Melchinger: ''Tschechow''. Velber bei Hannover 1968</ref> Das heißt, es ging Tschechow um einen mitleidlosen Blick auf die eigene Klasse - nicht um [[Sentimentalität]] und rückwärts gewandte Sehnsüchte nach einer vermeintlich intakten alten Zeit.
== Bedeutende Inszenierungen ==
* 1995 von Peter Stein: mit Jutta Lampe, Dorothee Hartinger, Dörte Lyssewski, Peter Simonischek, Daniel Friedrich, Sven-Eric Bechtolf, Werner Rehm, Elke Petri, Götz Schubert, Annette Paulmann, Branko Samarovski, Roland Schäfer, Michael Mendl, Oliver Stern – Salzburger Festspiele
* 1996 von Peter Zadek; mit Angela Winkler, Josef Bierbichler, Ulrich Wildgruber, Theresa Hübchen, Eva Mattes, Sylvester Groth, Martin Schwab, Annemarie Düringer, Urs Hefti – Burgtheater Wien
* 2003 von Markus Zohner; mit Patrizia Barbuiani, Gabriele Grawe, Stefania Mariani, Kolumbina Vujanovic, Nathan Prentice, Markus Zohner – Markus Zohner Theater Compagnie / Lugano
* 2005 von Andrea Breth; mit Andrea Clausen, Sven-Eric Bechtolf, Pauline Knof, Teresa Weißbach, Udo Samel, Cornelius Obonya, Branko Samarovski, Elisabeth Orth, Michael Wittenborn, Heike Kretschmer, Ignaz Kirchner, Nicholas Ofczarek, Wolfgang Michael, Hans-Dieter Knebel – Burgtheater Wien
* 2006 von Barbara Frey; mit Meike Droste, Inka Friedrich, Dagmar Manzel, Christine Schorn, Isabel Schosnig, Gábor Biedermann, Michael Gerber, Michael Goldberg, Jürgen Huth, Horst Lebinsky, Dieter Mann, Ulrich Matthes, Frank Seppeler – Deutsches Theater Berlin
* 2006 von Lars-Ole Walburg; mit Hildegard Schmahl, Brigitte Hobmeier, Christin König, Stephan Bissmeier, Michael Neuenschwander, Matthias Bundschuh, Walter Hess, Theo Nabicht, René Dumont, Anna Böger, Martin Butzke, Willy Brummer, Helmut Gillhuber, Wolfgang de Haen, Münchner Kammerspiele
* 2009 von Sebastian Hartmann; mit Maximilian Brauer, Thomas Lawinky, Peter René Lüdicke, Jana Zöll u.&nbsp;a. – Schauspiel Leipzig
* 2010 von Ulrich Greb – Schlosstheater Moers
* 2011 von Karin Henkel – Schauspiel Köln; eingeladen zum Berliner Theatertreffen 2011
* 2012 von Thorsten Lensing und Jan Hein; mit Ursina Lardi, Aenne Schwarz / Lisa Hrdina, Anna Grisebach, Peter Kurth, Devid Striesow, Lars Rudolph, Rik van Uffelen, Horst Mendroch, Joachim Król, Maria Hofstätter, Valentin Jeker, Phillipp Richardt / Niels Bormann, Willi Kellers, Benjamin Eggers – Festspielhaus Hellerau – Europäisches Zentrum der Künste, Dresden, eine Produktion von Theater T1
* 2015 von Tamás Ascher - Schauspielhaus Bochum


Stanislawski erkannte die modernen Züge in Tschechows Dramen nicht - oder aber er konnte als Regisseur damit nichts anfangen: die Brüche zwischen Komik und Tragik, die zum Teil [[Surrealismus|surrealen]] und [[groteske]]n Momente, jene Figuren, die an [[Shakespeare]]sche Narren erinnern und eine „Perspektive von unten“ einbringen (in den ''Drei Schwestern'' sind dies die Kinderfrau Anfissa und der stocktaube Ferapont) und andere Elemente. Der Tschechow-Übersetzer [[Thomas Brasch]]<ref name="zeit-1986-08-01">{{Internetquelle | url=http://www.zeit.de/1986/32/tschechow-up-to-date | titel=Tschechow up to date  | autor= Ilma Rakusa | werk=zeit.de | datum=1.&nbsp;August 1986 |zugriff=9.&nbsp;Dezember 2014}}</ref> berichtet, Stanislawski habe Tschechow vor der Uraufführung des ''[[Der Kirschgarten|Kirschgartens]]'' regelrecht gezwungen, eine solche groteske Szene zu streichen, weil er keinen Zugang dazu hatte.<ref name="Rudolf Rach 1982">Rudolf Rach: ''Thomas Brasch. Die neuen Tschechow-Übersetzungen''. In: Suhrkamp Theaterblatt 4 (1982)</ref> Insofern ist es tragikomisch, dass Tschechows Stücke durch einen Regisseur weltweit bekannt wurden, der seine Absichten und seine Modernität im Grunde nicht vollständig erkannte.
== Künstlerische Rezeption ==
Der Roman ''Jöklaleikhúsið'' (2001; die deutsche Übersetzung unter dem Titel ''Gletschertheater'' erschien 2003) der isländischen Autorin Steinunn Sigurðardóttir handelt von einem Laienspielverein, der den ''Kirschgarten'' zur Aufführung bringt und dafür sogar ein neues Theater bauen lässt.  


Tschechow kämpfte zu Lebzeiten vergeblich gegen die Sentimentalisierung seiner Stücke an. So betonte er stets, seine Stücke seien [[Komödie]]n – oder zumindest [[Tragikomödie]]n. Stanislawskis enger Mitarbeiter Nemirowitsch-Dantschenko berichtet von der Leseprobe zu ''Drei Schwestern'': „Im Theater wurde das Stück in Tschechows Gegenwart vorgelesen. Er kämpfte gegen seine Verlegenheit und wiederholte etliche Male: 'Ich habe doch ein heiteres Stück geschrieben.'“<ref>Wladimir Iwanowitsch Nemirowitsch-Dantschenko: ''Tschechow oder die Geburt des modernen Theaters''. Berlin, Köln 2011</ref>
David Gieselmanns Komödie ''Die Plantage'' (2006) orientiert sich an der Handlung des ''Kirschgartens''.


Noch [[Peter Stein]]s berühmt gewordene Inszenierung der ''Drei Schwestern'' von 1984 an der [[Schaubühne am Lehniner Platz]]<ref name="spiegel-13508117">{{Der Spiegel|ID=13508117 |Titel=Die Poesie des ungelebten Lebens |Autor=Hellmuth Karasek |Jahr=1984 |Nr=6 |Datum=6.&nbsp;Februar 1984 |Seiten=}}</ref> knüpfte an diese Aufführungstradition an und verlängerte damit im Grunde die einseitige Rezeption der Tschechowschen Texte in Deutschland. In den letzten Jahren hingegen gab es etliche gelungene Inszenierungen, die mit dem „Tschechow-Klischee“ Schluss machten, das Stück als Tragikomödie auffassten und seine absurden und grotesken Momente nicht unterschlugen (so etwa die bildstarke Inszenierung von [[Andreas Kriegenburg]] an den [[Münchner Kammerspiele]]n 2006<ref> {{Webarchiv|text=www.muenchner-kammerspiele.de |url=http://www.muenchner-kammerspiele.de/programm/drei-schwestern/pressestimmen/ |wayback=20141124134314 |archiv-bot=2018-04-07 06:43:37 InternetArchiveBot }}</ref> oder die Aufführung von Markus Dietz am [[Hessisches Staatstheater Wiesbaden|Hessischen Staatstheater Wiesbaden]] 2012<ref>[http://www.fnp.de/nachrichten/kultur/Glueck-ist-nicht-umsonst-zu-haben;art679,207371 www.fnp.de]</ref>).
In dem Film  Henry’s Crime (deutsch: Henry & Julie, USA 2010) spielen das Stück und im Besonderen die Rolle des Lopachin eine größere Rolle.


Einen wesentlichen Anteil an dieser neuen Sicht auf Tschechows Stücke haben auch die Übersetzer. Thomas Brasch beschreibt, dass in früheren Jahrzehnten Tschechow häufig im Duktus zu weich übersetzt wurde. Es sollte ein gewisses Klischee von „russischer Seele“ und „russischer Schwermut“ bedient werden, das beim Publikum beliebt war. Dabei wurden aber die Schärfe und die gelegentlichen „kalten intellektuellen Beitöne“ (Brasch) in Tschechows Stücken unterschlagen.<ref name="Rudolf Rach 1982"/> Die neueren Übersetzungen (Brasch, [[Ulrike Zemme|Zemme]], Clemen, [[Angela Schanelec|Schanelec]], Ruge) arbeiten den Realismus der Tschechowschen Sprache und die oft überraschende Direktheit der Dialoge bis hin zur verbalen Attacke klar heraus.
1999 wurde das Stück unter der Regie von Michael Cacoyannis mit Charlotte Rampling und Alan Bates in den Hauptrollen verfilmt.


== Zitate (Auswahl) ==
== Einzelnachweise ==
{{Zitat|Wir beschreiben das Leben, so wie es ist, und weiter weder piep noch pup … Wir haben weder Nah- noch Fernziele, unser Herz ist wie leergefegt. Wir haben keine Politik, an die Revolution glauben wir nicht, wir haben keinen Gott, haben keine Angst vor Gespenstern, ich persönlich habe nicht einmal Angst vor dem Tod oder dem Erblinden.| Anton Tschechow|''Tagebücher, Notizbücher'' <ref>Anton Tschechow: ''Tagebücher. Notizbücher''. Hrsg. und übersetzt von Peter Urban. Diogenes, Zürich 1983, ISBN 3-257-01634-4.</ref>}}
<references />
 
{{Zitat|Etwas Riesenhaftes rollt auf uns zu, etwas Ungeheuerliches, ein mächtiger Sturm wird unserer Gesellschaft die Trägheit aus den Knochen schütteln und sie aus allen Fugen krachen lassen.|Tusenbach| in: ''Drei Schwestern'' (Übersetzung von Thomas Brasch)}}
 
== Inszenierungen (Auswahl) ==
* 1977: Akademietheater Wien, mit: Elisabeth Orth, Gertraud Jesserer, Kurt Sowinetz, Klausjürgen Wussow uva. Regie: Otto Schenk
* 1979: Maxim-Gorki-Theater Berlin, Regie: Thomas Langhoff
* 1984: Schaubühne am Lehniner Platz Berlin, Regie: Peter Stein
* 1991: Theater an der Ruhr Mülheim, Regie: Roberto Ciulli
* 1993/94: Théâtre National de Bretagne Rennes (Frankreich), Regie: Matthias Langhoff
* 2003: Deutsches Theater Berlin, Regie: Michael Thalheimer
* 2006: Schaubühne am Lehniner Platz, Regie: Falk Richter
* 2006: Münchner Kammerspiele, Regie: Andreas Kriegenburg
* 2009: Schauspiel Frankfurt, Regie: Karin Henkel
* 2011: Theater in der Josefstadt, Regie: Torsten Fischer
* 2012: Hessisches Staatstheater Wiesbaden, Regie: Markus Dietz
* 2014: Schauspielhaus Zürich, Regie: Barbara Frey
* 2015: Residenztheater München, Regie: Tina Lanik
* 2015: Staatstheater Karlsruhe, Regie: Anna Bergmann
* 2015: Berliner Ensemble, Regie: Leander Haußmann
* 2016/17: Theater Basel, Regie: Simon Stone
 
== Verfilmungen ==
* 1984: Drei Schwestern
 
== Übersetzungen ins Deutsche (Auswahl) ==
* Thomas Brasch, Insel Verlag Frankfurt am Main, 1985
* Werner Buhss, Henschel Theaterverlag
* Andrea Clemen, S. Fischer Theaterverlag, 1995
* Eugen Ruge, Merlin Verlag
* Angela Schanelec, S. Fischer Theaterverlag, 2008
* Peter Urban, Diogenes 1974
* Ulrike Zemme, Rowohlt Theaterverlag 1994
 
== Textausgaben (Auswahl) ==
* Anton Čechov: ''Drei Schwestern: Drama in vier Akten'' (Originaltitel: ''Tri sestry''. Übersetzt und herausgegeben von Peter Urban), Diogenes, Zürich 1999, ISBN 3-257-20103-6.
* Anton Tschechow: ''Drei Schwestern und andere Dramen: Die Möwe / Onkel Wanja / Der Kirschgarten'' (Übersetzt von Andrea Clemen). 5. Auflage, Fischer-Taschenbuch 12925, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-596-12925-6
* Anton Tschechow: ''Die großen Dramen'' [enthält: ''Platonow oder Der Anarchist als Liebhaber''; ''Iwanow''; ''Die Möwe''; ''Onkel Wanja''; ''Die drei Schwestern''; ''Der Kirschgarten''] (Übersetzt von Thomas Brasch), 2. Auflage, Insel Taschenbuch 2989, Frankfurt am Main / Leipzig 2003, ISBN 978-3-458-34689-0
* Bodo Zelinsky: ''Tschechows Dramen'' [''Die Möwe, Onkel Wanja, Drei Schwestern, Der Kirschgarten'']. In: ''Reclams Universal-Bibliothek'' Nr. 17523, ''Interpretationen''. Reclam, Stuttgart 2003, ISBN 978-3-15-017523-1
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Die drei Schwestern (Dram)}}
 
== Literatur (Auswahl) ==
* Wladimir Iwanowitsch Nemirowitsch-Dantschenko: ''Tschechow oder die Geburt des modernen Theaters''. Alexander Verlag Berlin/ Köln, 2011, ISBN 978-3-89581-252-1
* Anton Tschechow: ''Briefe 1897-1901''. Hrsg. und übersetzt von Peter Urban. Diogenes Verlag Zürich 1979, ISBN 9783257015843
* ''Anton Čechov''. Hrsg. von Peter Urban. Diogenes Verlag Zürich. ISBN 9783257019339
 
== Hörbuch ==
* Anton Tschechow: ''Drei Schwestern.'' Christoph Merian Verlag, Basel 2010, ISBN 978-3-85616-438-6
 
== Vertonung ==
* Péter Eötvös: ''Drei Schwestern'' (Oper), 1998<ref>[http://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=7853:drei-schwestern-herbert-fritsch-macht-mit-peter-eoetvoes-auf-ganz-grosse-oper&catid=38:die-nachtkritik&Itemid=40 www.nachtkritik.de]</ref>


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Wikisource|lang=ru|Три сестры (Чехов)|Три сестры}}
{{Commonscat|The Cherry Orchard (Chekhov)|Der Kirschgarten}}
* [http://gutenberg.spiegel.de/buch/3978/1 Deutscher Text im Projekt Gutenberg]
{{Wikisource|lang=ru|Вишнёвый сад (Чехов)|Вишнёвый сад}}
* http://www.zeit.de/2010/03/A-Tschechow
* [http://gutenberg.spiegel.de/buch/3977/1 ''Der Kirschgarten''] als Online-Text im Projekt Gutenberg-DE


== Einzelnachweise ==
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Version vom 23. Juni 2018, 12:38 Uhr

Der Kirschgarten (russisch Вишнёвый сад/Wischnjowy sad; wiss. Transliteration Višnëvyj sad) ist eine tragische, gesellschaftskritische Komödie in vier Akten von Anton Pawlowitsch Tschechow. Sie entstand im Jahr 1903 und wurde zu Tschechows 44. Geburtstag am 30. Januar (nach dem alten Kalender am 17. Januar) 1904 in Moskau uraufgeführt. Es war das letzte Stück des Schriftstellers, der ein halbes Jahr nach der Uraufführung an Tuberkulose starb.

Die Handlung

Das Stück spielt um 1900 auf einem russischen Landgut mit einem Herrenhaus, das von einem wunderschönen Kirschgarten umgeben ist. Anja, die Tochter der Gutsbesitzerin Ranjewskaja, holt ihre Mutter aus Paris zurück, weil das Anwesen hoch verschuldet ist und versteigert werden muss. Die Mutter war vor fünf Jahren mit ihrem Geliebten nach Frankreich geflohen, nachdem ihr kleiner Sohn damals im nahe gelegenen Fluss ertrunken war. Der Bruder von Ranjewskaja, Gajew, war unfähig, mit Geld umzugehen und genoss das Leben. Auch Ranjewskaja verbraucht ihr Geld in Paris.

Eine Rettung könnte der ehemalige Leibeigene der Familie, der Kaufmann Lopachin, bedeuten, der zu einem Vermögen gekommen ist. Er schlägt vor, Datschen (Ferienhäuser) auf dem Grundstück zu errichten und sie an Sommergäste zu vermieten. Die Voraussetzung dafür wäre das Abholzen des wunderschönen, aber nutzlos gewordenen Kirschgartens, der gerade in voller Blüte ist. Eine andere Lösung wäre, wenn Warja, die Pflegetochter der Gutsbesitzerin, Lopachin heiraten würde, aber ihr Traum geht nicht in Erfüllung. Es entfaltet sich hingegen eine Liebe zwischen dem ehemaligen Erzieher des ertrunkenen Sohnes, dem ewigen Studenten Trofimov, und Anja, der Tochter der Gutsbesitzerin.

Die Gutsbesitzerin zieht zurück nach Paris, alle verlassen das Haus, nur der alte Diener Firs, der die alte Zeit vor der Abschaffung der Leibeigenschaft symbolisiert, wird aus Versehen eingeschlossen und bleibt regungslos liegen.

„Erster Akt: Der Kirschgarten muss vielleicht verkauft werden. Zweiter Akt: Der Kirschgarten wird verkauft werden. Dritter Akt: Der Kirschgarten ist verkauft. Vierter Akt: Der Kirschgarten ist verkauft worden. Der Rest: Das Leben.“ (Jean-Louis Barrault)

Interpretation

Der Historiker Orlando Figes beurteilt das Stück mit Blick auf die Weltanschauung seines Autors: Tschechow selbst war liberal eingestellt und – als Arzt und Naturwissenschafter – überzeugt, dass technischer Fortschritt und gesellschaftliche Veränderungen eine positive Wirkung für die Menschen hätten. Seine Intention im Kirschgarten war es demnach, den Mythos von der guten alten Zeit satirisch zu demontieren: So hält etwa Madame Ranjewskaja lange, sentimentale Elogen voller Klischees über ihre glückliche Kindheit auf dem Gut, das sie allerdings schon vor Jahren verlassen hat, um sich in Paris zu amüsieren. Als das Gut verkauft wird, vergisst sie ihre oberflächliche Nostalgie sehr schnell und reist ab. Ihr Bruder Gajew ist ein verantwortungsloser Verschwender. Der Gutsbesitzer Simeonow-Pischtschik preist die Verwurzelung des Adels mit dem Land und verkauft dieses trotzdem bei erster Gelegenheit an englische Bergbau-Ingenieure. Der Diener Firs, der als einziger noch an die innere Verbundenheit von Herrschaft und Dienern glaubt, wird von den Ranjewskis einfach zurückgelassen. Dagegen hat Tschechow die Figur des Lopachin als positives Gegenbild des aufrichtigen Kaufmanns entworfen, der durch eigenen Fleiß aus bescheidenen Verhältnissen aufgestiegen ist. Es ist zu vermuten, dass Tschechows eigener Vater, ein ehemaliger Leibeigener und später wohlhabender Kaufmann, als Vorbild für Lopachin gedient hat.[1]

Der Kirschgarten, der keine Ernte mehr abwirft, symbolisiert den russischen Adel, der für die russische Gesellschaft keinerlei Nutzen mehr erbringt. Er hat nur noch eine dekorative Funktion, er symbolisiert das Schöne. Am Ende wird er abgeholzt.

Ausgaben

Deutschsprachige Ausgaben

  • Anton Tschechow: Der Kirschgarten. Tragikomödie in vier Aufzügen, Georg Müller, München 1912 (Nach der Einrichtung des Moskauer künstlerischen Theaters übersetzt und eingeleitet von Siegfried Aschkinasy und Lion Feuchtwanger), DNB 580816079.
  • Wolf Düwel: Anton Tschechow, Dramen, „Der Kirschgarten“ (= Anton Pavlovič Čechov: Gesammelte Werke in Einzelbänden), Rütten & Loening, Berlin (Ost) 1964 (Übersetzt von Gudrun Düwel), DNB 450760898.
  • Anton P. Čechov: Der Kirschgarten, Insel-Taschenbuchverlag, Frankfurt am Main u. a. 1991 (Übersetzt und bearbeitet von Thomas Brasch), ISBN 3-458-33041-0.
  • Anton Tschechow: Der Kirschgarten, Reclam, Stuttgart 1984 (übersetzt von Hans Walter Poll 1984), ISBN 3-15-007690-0.
  • Anton Tschechow: Der Kirschgarten. dtv, München 2009 (Aus dem Russisch neu übersetzt von Vera Bischitzky, mit einem Nachwort von Andreas Ebbinghaus, einem Glossar und einer Zeittafel), ISBN 978-3-423-13835-2.
  • Anton Tschechow: Der Kirschgarten: Komödie in 4 Akten. Holzschnitte von Werner Hofmann, Diogenes, Zürich 1964 (Übertragen und mit einem Nachwort von Sigismund von Radecki). DNB 450760901.
  • Anton Čechov: Der Kirschgarten, Komödie in vier Akten. Übersetzt und herausgegeben von Peter Urban (= Diogenes-Taschenbuch, Band 20083: detebe-Klassiker), Diogenes, Zürich 1999, ISBN 3-257-20083-8 (Erstausgabe dieser Übersetzung 1973, als Diogenes Taschenbuch, ISBN 3-257-20083-8).

Russischsprachige Ausgaben

  • Anton Čechov: Вишнёвый сад / Visnëvyj sad, herausgegeben von Wolfgang Schriek. Reclam, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-15-019797-4 (= Reclams Universal-Bibliothek, Band 19797, Fremdsprachentexte: Russisch).
  • Alexander Lehrman (Hrsg.): Anton Čechov's Višnevyj sad, a critical edition of the original Russian text with an introduction, a new translation and supplementary materials, Sagner, München / Berlin 2009, ISBN 978-3-86688-057-3 (= Slavistische Beiträge, Band 467).

Siehe auch

Literatur

  • Herta Schmid: Strukturalistische Dramentheorie: semantische Analyse von Čechows „Ivanov“ und „Der Kirschgarten“ (= Scripten, Band 3). Scriptor, Kronberg (Taunus) 1973, ISBN 3-589-00032-5 (Dissertation Universität Konstanz, Philosophische Fakultät 1972, 518 Seiten, unter dem Titel: Der Bedeutungsaufbau des Dramas als Anzeichen der Gattung).

Bedeutende Inszenierungen

  • 1995 von Peter Stein: mit Jutta Lampe, Dorothee Hartinger, Dörte Lyssewski, Peter Simonischek, Daniel Friedrich, Sven-Eric Bechtolf, Werner Rehm, Elke Petri, Götz Schubert, Annette Paulmann, Branko Samarovski, Roland Schäfer, Michael Mendl, Oliver Stern – Salzburger Festspiele
  • 1996 von Peter Zadek; mit Angela Winkler, Josef Bierbichler, Ulrich Wildgruber, Theresa Hübchen, Eva Mattes, Sylvester Groth, Martin Schwab, Annemarie Düringer, Urs Hefti – Burgtheater Wien
  • 2003 von Markus Zohner; mit Patrizia Barbuiani, Gabriele Grawe, Stefania Mariani, Kolumbina Vujanovic, Nathan Prentice, Markus Zohner – Markus Zohner Theater Compagnie / Lugano
  • 2005 von Andrea Breth; mit Andrea Clausen, Sven-Eric Bechtolf, Pauline Knof, Teresa Weißbach, Udo Samel, Cornelius Obonya, Branko Samarovski, Elisabeth Orth, Michael Wittenborn, Heike Kretschmer, Ignaz Kirchner, Nicholas Ofczarek, Wolfgang Michael, Hans-Dieter Knebel – Burgtheater Wien
  • 2006 von Barbara Frey; mit Meike Droste, Inka Friedrich, Dagmar Manzel, Christine Schorn, Isabel Schosnig, Gábor Biedermann, Michael Gerber, Michael Goldberg, Jürgen Huth, Horst Lebinsky, Dieter Mann, Ulrich Matthes, Frank Seppeler – Deutsches Theater Berlin
  • 2006 von Lars-Ole Walburg; mit Hildegard Schmahl, Brigitte Hobmeier, Christin König, Stephan Bissmeier, Michael Neuenschwander, Matthias Bundschuh, Walter Hess, Theo Nabicht, René Dumont, Anna Böger, Martin Butzke, Willy Brummer, Helmut Gillhuber, Wolfgang de Haen, Münchner Kammerspiele
  • 2009 von Sebastian Hartmann; mit Maximilian Brauer, Thomas Lawinky, Peter René Lüdicke, Jana Zöll u. a. – Schauspiel Leipzig
  • 2010 von Ulrich Greb – Schlosstheater Moers
  • 2011 von Karin Henkel – Schauspiel Köln; eingeladen zum Berliner Theatertreffen 2011
  • 2012 von Thorsten Lensing und Jan Hein; mit Ursina Lardi, Aenne Schwarz / Lisa Hrdina, Anna Grisebach, Peter Kurth, Devid Striesow, Lars Rudolph, Rik van Uffelen, Horst Mendroch, Joachim Król, Maria Hofstätter, Valentin Jeker, Phillipp Richardt / Niels Bormann, Willi Kellers, Benjamin Eggers – Festspielhaus Hellerau – Europäisches Zentrum der Künste, Dresden, eine Produktion von Theater T1
  • 2015 von Tamás Ascher - Schauspielhaus Bochum

Künstlerische Rezeption

Der Roman Jöklaleikhúsið (2001; die deutsche Übersetzung unter dem Titel Gletschertheater erschien 2003) der isländischen Autorin Steinunn Sigurðardóttir handelt von einem Laienspielverein, der den Kirschgarten zur Aufführung bringt und dafür sogar ein neues Theater bauen lässt.

David Gieselmanns Komödie Die Plantage (2006) orientiert sich an der Handlung des Kirschgartens.

In dem Film Henry’s Crime (deutsch: Henry & Julie, USA 2010) spielen das Stück und im Besonderen die Rolle des Lopachin eine größere Rolle.

1999 wurde das Stück unter der Regie von Michael Cacoyannis mit Charlotte Rampling und Alan Bates in den Hauptrollen verfilmt.

Einzelnachweise

  1. Orlando Figes: Natasha's Dance. A cultural History of Russia. Picador, New York 2002 ISBN 0-312-42195-8 S. 208ff.

Weblinks

Commons: Der Kirschgarten - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wikisource: Вишнёвый сад – Quellen und Volltexte (русский)


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