Weltenmitternachtsstunde und Irrlichter: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Odyssee
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
imported>Odyssee
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
Zeile 1: Zeile 1:
Die '''Weltenmitternachtsstunde''' durchschreitet der [[Mensch]] in der Mitte seines [[Leben zwischen Tod und neuer Geburt|Lebens zwischen Tod und neuer Geburt]]. Zur Veranschaulichung der Bedeutung dieser ''Weltenmitternachtsstunde'' zitiert [[Rudolf Steiner]] (in [[GA 153]]) jeweils eine Sequenz aus dem bekannten [[Rosenkreuzerspruch]]: EX DEO NASCIMUR  - Aus [[Gott]] werden wir geboren, IN CHRISTO MORIMUR - In [[Christus]] sterben wir, PER SPIRITUM SANCTUM REVIVISCIMUS - Durch den [[Heiliger Geist|Heiligen Geist]] werden wir (zur ''Weltenmitternachtsstunde'') wiedererweckt.  
[[Bild:Goethes_Maerchen_01.jpg|thumb|200px|Der Fährmann und die zwei Irrlichter; Illustration zu Goethes Märchen von Gustav Wolf (1922)]]
'''Irrlichter''' oder '''Irrwische''' ([[Latein|lat.]] ''ignis fatum'', von ''ignis'', „Feuer“ und ''fatum'', „Schicksal,Verhängnis“), auch '''Sumpflichter''' genannt, sind seltsam anmutende, flackernd-bewegliche Lichterscheinungen, die nachts gelegentlich insbesondere in [[Wikipedia:Sumpf|Sümpfen]] und [[Wikipedia:Moor|Moor]]en zu sehen sind. Um sie ranken sich viele [[Sagen]] und [[Legenden]]. Sie gelten als [[Elementarwesen]], die Wanderer in die Irre und oft auch in den [[Tod]] führen. Es gibt aber auch natürliche Erklärungsversuche für diese Lichterscheinungen, wie etwa [[Wikipedia:Biolumineszenz|Biolumineszenz]]-Effekte durch [[Pilze]] oder leuchtende [[Insekten]] oder selbstentzündende [[Wikipedia:Faulgas|Faulgas]]e.
 
[[Goethe]] verwendet die Irrlichter in seinem [[Faust]] und in seinem [[Goethes Märchen|Märchen]] als [[Bild]] für den herumirrenden, nicht in die Tiefe des [[Sein]]s vordringenden [[abstrakt]]en [[Verstand]]. Dennoch ist auch dieses Wissen von Wert, wenn es, wie in Goethes Märchen geschildert, von der [[Grüne Schlange|grünen Schlange]] verdaut und zum lebendigen [[Weisheit]]slicht verwandelt wird.


<div style="margin-left:20px">
<div style="margin-left:20px">
"Und hat uns der Christus-Impuls bis in die [[Weltenmitternacht]] gebracht, und ist die Weltenmitternacht in geistiger Einsamkeit von der Seele erlebt worden, weil das Seelenlicht jetzt nicht erstrahlen kann von uns selber aus, ist Weltenfinsternis eingetreten, hat uns der Christus bis dahin geführt, so tritt jetzt aus der [[Weltenmitternacht]], aus unserer Sehnsucht, ein Geistiges heraus, erschaffend ein neues Weltenlicht, über unsere
"Naturkräfte haben den Menschen
eigene Wesenheit hin ein Leuchten verbreitend, durch das wir uns neu ergreifen im Weltendasein, durch das wir neu erwachen im Weltendasein. Den Geist der geistigen Welt, der uns erweckt, wir lernen ihn kennen, indem aus der Weltenmitternacht ein neues Licht hervorleuchtet, über unsere verflossene Menschheit erstrahlend. In dem Christus sind wir gestorben  - durch den Geist, durch den leiblosen Geist, der mit einem technischen Wort der Heilige Geist genannt wird, das heißt, der ohne den Leib Lebende, denn das ist mit dem Wort «heilig» gemeint, ohne die Schwächen eines im Leibe lebenden Geistes, durch diesen Geist werden wir in unserer Wesenheit wiedererweckt aus der [[Weltenmitternacht]] heraus.
hineingebracht durch die Geburt in die physische
Welt. Will der Mensch während des Lebens zurück in die
höheren Welten, so muß er das selber tun. Es gibt einen Weg
zurück. Das Ich vermag Erkenntnisse zu sammeln. Erkenntnis
hat immer als Sinnbild im Okkultismus das Gold. Gold
und Weisheit - Erkenntnis - entsprechen sich. Das Gold der
Erkenntnis, das was durch die Irrlichter repräsentiert wird,
hat auch die niedere Menschlichkeit, die ein Irrlicht wird,
wenn sie nicht den rechten Weg findet. Es gibt eine niedere
Weisheit, die der Mensch sich erwirbt innerhalb der Sinneswelt,
indem er die Dinge und die Wesenheiten dieser Sinneswelt
beobachtet, sich Vorstellungen davon macht und sie
durch sein Denken kombiniert. Das ist aber eine bloße
Verstandes Weisheit. Die Irrlichter wollen den Fährmann
bezahlen mit diesem Gold, das sie leicht aufnehmen und
leicht wieder von sich schleudern. Aber der Fährmann weist
es zurück. Verstandesweisheit befriedigt nicht die Natur,
nur diejenige Gabe kann in der Natur wirken, die verbunden
ist mit den lebendigen Kräften der Natur. Unreif empfangene
Weisheit läßt den Fluß des Astralen aufschäumen, er
nimmt sie nicht an, er weist sie zurück. Der Fährmann
verlangt Früchte der Erde als Lohn. Die haben die Irrlichter
noch nie genossen; die haben sie nicht. Sie haben nie danach
gestrebt, in die Tiefen der Natur einzudringen, aber sie
müssen dennoch der Natur ihren Tribut abzahlen. Sie müssen
versprechen, die Forderung des Fährmanns demnächst
zu befriedigen. Diese Forderung besteht in Früchten der  
Erde: drei Kohlhäupter, drei Artischocken und drei große
Zwiebeln. Was sind diese Erdenfrüchte? Goethe nimmt
diese Früchte, welche Schalen haben, die die menschlichen
Hüllen vorstellen.


Durch den [[Heiliger Geist|Heiligen Geist]] werden wir also in der [[Weltenmitternacht]] erweckt.
Der Mensch hat seine drei Hüllen, seine drei Körper: den
Per spiritum sanctum reviviscimus." {{Lit|{{G|153|161f}}}}
physischen Körper, den ätherischen Körper und den astralischen
Körper. Innerhalb dieser Hüllen lebt der Wesenskern
des Menschen, sein Selbst. In diesen Körpern, die es wie
Schalen umgeben, hat das Selbst zu sammeln die Früchte
einer Inkarnation nach der anderen. Erdenfrüchte sind es,
die es sammeln muß. Nicht bestehen diese Früchte aus
Verstandeswissen. Der Fährmann verlangt diese drei schalenförmigen
Körper als Abgabe an die Natur. Goethe hat
diese Lehre in feiner Weise in sein Märchen hineingeheimnißt." {{Lit|{{G|053|342f}}}}
</div>
</div>


<div style="margin-left:20px">
<div style="margin-left:20px">
"Geendet haben wir bei dem, was ich mir zu benennen erlaubte «die große Weltenmitternachtsstunde des geistigen Daseins zwischen dem Tod und einer neuen Geburt», jene Mitternachtsstunde, wo das menschliche innere Erleben am intensivsten wird und das, was wir geistige Geselligkeit nennen können, das Zusammenhängen mit der geistigen Außenwelt, den niedrigsten Grad erreicht hat, so dass in gewisser Beziehung während dieser [[Mitternachtsstunde des geistigen Daseins]] geistige Finsternis um uns ist. Aber gesagt worden ist, dass die Sehnsucht nach Außenwelt wiederum in uns wirkt und dass diese Sehnsucht durch den Geist, der in geistigen Welten wirkt, aktiv wird und dass diese Sehnsucht ein neues Seelenlicht aus uns erzeugt, so dass es uns möglich wird, jetzt eine Außenwelt von ganz besonderer Art zu erblicken. Diese Außenwelt, die wir dann erblicken, ist unsere eigene Vergangenheit, wie sie durch frühere Inkarnationen und die Zwischenzeiten zwischen
"Diese Seelenverfassung, die durch Unproduktivität und
den Toden und den neuen Geburten sich vollzogen hat, und die wir jetzt als eine äußere Welt überschauen, indem wir zurückblicken auf das, was wir aus dem Weltendasein gehabt haben,  
Abstraktheit gekennzeichnet ist, wird uns in den Irrlichtern
genossen haben, und auf das, was wir diesem Weltendasein schuldig geblieben sind." {{Lit|{{G|153|163}}}}
repräsentiert. Sie nehmen das Gold auf, wo sie es finden;
sie sind frei von aller Erfindungsgabe, sind unproduktiv,
können keine Ideen fassen. Diesen Ideen stehen sie fremd
gegenüber. Sie haben nicht den Willen, sich selbstlos den
Dingen hinzugeben, an die Tatsachen sich zu halten und
Begriffe nur soweit zu benutzen, als sie Dolmetscher für die
Tatsachen sind. Ihnen kommt es darauf an, ihren Verstand
mit Begriffen vollzupfropfen und diese dann wieder in verschwenderischer
Weise fortzugeben. Sie gleichen einem Menschen,
der sich in Bibliotheken setzt, die Weisheit da sammelt,
in sich aufnimmt und wieder in entsprechender Weise
von sich gibt. Diese Irrlichter sind charakteristisch für dasjenige
Seelenvermögen, das niemals imstande ist, einen einzigen
literarischen Gedanken oder Empfindungsgehalt zu
fassen, das aber sehr wohl das, was einmal da ist als Literaturgeschichte,
das, was produktive Geister geleistet haben,
in schöne Formen zu fassen vermag. Es soll hier nichts gegen
dieses Seelenvermögen gesprochen werden. Hätte der Mensch
dieses Seelenvermögen nicht oder pflegte er es nicht, wenn
es ihm m zu geringem Maße zuteil geworden ist, so würde
ihm etwas fehlen, was in bezug auf die wirkliche Erkenntnisfähigkeit
notwendig vorhanden sein muß. Goethe stellt durch das Bild der Irrlichter, durch die ganzen Verhältnisse,
in denen er sie auftreten und wirken läßt, die Art
und Weise dar, wie ein solches Seelenvermögen im Verhältnis
zu den anderen Seelenvermögen arbeitet, wie es schadet
und nützt. Wahrhaftig, wenn jemand dieses Seelenvermögen
nicht hätte und zu höheren Stufen der Erkenntnis aufsteigen
wollte, dann würde nichts da sein, was ihm den Tempel
aufschließen könnte. Goethe stellt ebenso die Vorzüge wie
auf der anderen Seite die Nachteile dieses Seelenvermögens
hin. Das, was in den Irrlichtern gegeben ist, stellt eben ein
Seelenelement dar. In dem Augenblick, wo es nach der einen
oder andern Seite hin ein selbständiges Leben führen will,
wird es schädlich. Es wird aus dieser Abstraktheit ein kritisches
Vermögen, das die Menschen so gestaltet, daß sie zwar
alles lernen, sich aber nicht weiterentwickeln können, weil
ihnen das produktive Element fehlt. Goethe zeigt aber ganz
klar, inwiefern auch ein Wertvolles in dem ist, was in den
Irrlichtern dargestellt wird. Das, was sie in sich haben,
kann auch etwas Wertvolles werden: in der Schlange wird
das Gold der Irrlichter zu etwas Wertvollem, insofern es
die Gegenstände, welche um die Schlange herum sind, beleuchtet." {{Lit|{{G|057|69f}}}}
</div>
</div>
== Irrlichtelieren ==
Als '''Irrlichtelieren''' bezeichnet [[Rudolf Steiner]] häufig das ungelenkte, nicht [[wille]]ntlich geführte schwärmerische Schweifenlassen der [[Gedanke]]n, das von jeder verlässlichen [[Geistige Erkenntnis|geistigen Erkenntnis]] abführt. Für den [[Geistesschüler]] ist daher eine strenge [[Gedankenkontrolle]] unerlässlich.
{{GZ|Kontrolle
der Gedankenwelt erreicht man, wenn man sich
bemüht, dem Irrlichtelieren der Gedanken und Emp-
findungen, die beim gewöhnlichen Menschen immer
auf- und abwogen, entgegenzuarbeiten. Im alltäglichen
Leben ist der Mensch nicht der Führer seiner Gedanken;
sondern er wird von ihnen getrieben. Das kann natürlich
auch gar nicht anders sein. Denn das Leben treibt den
Menschen. Und er muß als ein Wirkender sich diesem
Treiben des Lebens überlassen. Während des gewöhnlichen
Lebens wird das gar nicht anders sein können.
Will man aber in eine höhere Welt aufsteigen, so muß
man sich wenigstens ganz kurze Zeiten aussondern, in
denen man sich zum Herrn seiner Gedanken- und Empfindungswelt
macht. Man stellt da einen Gedanken aus
völliger innerer Freiheit in den Mittelpunkt seiner Seele,
während sich sonst die Vorstellungen von außen aufdrängen.
Dann versucht man alle aufsteigenden Gedanken
und Gefühle fernzuhalten und nur das mit dem
ersten Gedanken zu verbinden, von dem man selbst will,
daß es dazu gehöre. Eine solche Übung wirkt wohltätig
auf die Seele und dadurch auch auf den Leib. Sie bringt
den letzteren in eine solche harmonische Verfassung, daß
er sich schädlichen Einflüssen entzieht, wenn die Seele
auch nicht unmittelbar auf ihn wirkt.|12|30f}}


== Literatur ==
== Literatur ==


* Rudolf Steiner: ''Inneres Wesen des Menschen und Leben zwischen Tod und neuer Geburt'', GA 153, Dornach 1997
*Rudolf Steiner: ''Die Stufen der höheren Erkenntnis'', [[GA 12]] (1993), ISBN 3-7274-0120-6 {{Schriften|012}}
*Rudolf Steiner: ''Ursprung und Ziel des Menschen'', [[GA 53]] (1981), ISBN 3-7274-0532-5 {{Vorträge|053}}
*Rudolf Steiner: ''Wo und wie findet man den Geist?'', [[GA 57]] (1984), ISBN 3-7274-0570-8 {{Vorträge|057}}


{{GA}}
{{GA}}
[[Kategorie:Geistige Wesen]] [[Kategorie:Elementarwesen]] [[Kategorie:Das Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie]]

Version vom 31. Juli 2019, 09:06 Uhr

Der Fährmann und die zwei Irrlichter; Illustration zu Goethes Märchen von Gustav Wolf (1922)

Irrlichter oder Irrwische (lat. ignis fatum, von ignis, „Feuer“ und fatum, „Schicksal,Verhängnis“), auch Sumpflichter genannt, sind seltsam anmutende, flackernd-bewegliche Lichterscheinungen, die nachts gelegentlich insbesondere in Sümpfen und Mooren zu sehen sind. Um sie ranken sich viele Sagen und Legenden. Sie gelten als Elementarwesen, die Wanderer in die Irre und oft auch in den Tod führen. Es gibt aber auch natürliche Erklärungsversuche für diese Lichterscheinungen, wie etwa Biolumineszenz-Effekte durch Pilze oder leuchtende Insekten oder selbstentzündende Faulgase.

Goethe verwendet die Irrlichter in seinem Faust und in seinem Märchen als Bild für den herumirrenden, nicht in die Tiefe des Seins vordringenden abstrakten Verstand. Dennoch ist auch dieses Wissen von Wert, wenn es, wie in Goethes Märchen geschildert, von der grünen Schlange verdaut und zum lebendigen Weisheitslicht verwandelt wird.

"Naturkräfte haben den Menschen hineingebracht durch die Geburt in die physische Welt. Will der Mensch während des Lebens zurück in die höheren Welten, so muß er das selber tun. Es gibt einen Weg zurück. Das Ich vermag Erkenntnisse zu sammeln. Erkenntnis hat immer als Sinnbild im Okkultismus das Gold. Gold und Weisheit - Erkenntnis - entsprechen sich. Das Gold der Erkenntnis, das was durch die Irrlichter repräsentiert wird, hat auch die niedere Menschlichkeit, die ein Irrlicht wird, wenn sie nicht den rechten Weg findet. Es gibt eine niedere Weisheit, die der Mensch sich erwirbt innerhalb der Sinneswelt, indem er die Dinge und die Wesenheiten dieser Sinneswelt beobachtet, sich Vorstellungen davon macht und sie durch sein Denken kombiniert. Das ist aber eine bloße Verstandes Weisheit. Die Irrlichter wollen den Fährmann bezahlen mit diesem Gold, das sie leicht aufnehmen und leicht wieder von sich schleudern. Aber der Fährmann weist es zurück. Verstandesweisheit befriedigt nicht die Natur, nur diejenige Gabe kann in der Natur wirken, die verbunden ist mit den lebendigen Kräften der Natur. Unreif empfangene Weisheit läßt den Fluß des Astralen aufschäumen, er nimmt sie nicht an, er weist sie zurück. Der Fährmann verlangt Früchte der Erde als Lohn. Die haben die Irrlichter noch nie genossen; die haben sie nicht. Sie haben nie danach gestrebt, in die Tiefen der Natur einzudringen, aber sie müssen dennoch der Natur ihren Tribut abzahlen. Sie müssen versprechen, die Forderung des Fährmanns demnächst zu befriedigen. Diese Forderung besteht in Früchten der Erde: drei Kohlhäupter, drei Artischocken und drei große Zwiebeln. Was sind diese Erdenfrüchte? Goethe nimmt diese Früchte, welche Schalen haben, die die menschlichen Hüllen vorstellen.

Der Mensch hat seine drei Hüllen, seine drei Körper: den physischen Körper, den ätherischen Körper und den astralischen Körper. Innerhalb dieser Hüllen lebt der Wesenskern des Menschen, sein Selbst. In diesen Körpern, die es wie Schalen umgeben, hat das Selbst zu sammeln die Früchte einer Inkarnation nach der anderen. Erdenfrüchte sind es, die es sammeln muß. Nicht bestehen diese Früchte aus Verstandeswissen. Der Fährmann verlangt diese drei schalenförmigen Körper als Abgabe an die Natur. Goethe hat diese Lehre in feiner Weise in sein Märchen hineingeheimnißt." (Lit.: GA 053, S. 342f)

"Diese Seelenverfassung, die durch Unproduktivität und Abstraktheit gekennzeichnet ist, wird uns in den Irrlichtern repräsentiert. Sie nehmen das Gold auf, wo sie es finden; sie sind frei von aller Erfindungsgabe, sind unproduktiv, können keine Ideen fassen. Diesen Ideen stehen sie fremd gegenüber. Sie haben nicht den Willen, sich selbstlos den Dingen hinzugeben, an die Tatsachen sich zu halten und Begriffe nur soweit zu benutzen, als sie Dolmetscher für die Tatsachen sind. Ihnen kommt es darauf an, ihren Verstand mit Begriffen vollzupfropfen und diese dann wieder in verschwenderischer Weise fortzugeben. Sie gleichen einem Menschen, der sich in Bibliotheken setzt, die Weisheit da sammelt, in sich aufnimmt und wieder in entsprechender Weise von sich gibt. Diese Irrlichter sind charakteristisch für dasjenige Seelenvermögen, das niemals imstande ist, einen einzigen literarischen Gedanken oder Empfindungsgehalt zu fassen, das aber sehr wohl das, was einmal da ist als Literaturgeschichte, das, was produktive Geister geleistet haben, in schöne Formen zu fassen vermag. Es soll hier nichts gegen dieses Seelenvermögen gesprochen werden. Hätte der Mensch dieses Seelenvermögen nicht oder pflegte er es nicht, wenn es ihm m zu geringem Maße zuteil geworden ist, so würde ihm etwas fehlen, was in bezug auf die wirkliche Erkenntnisfähigkeit notwendig vorhanden sein muß. Goethe stellt durch das Bild der Irrlichter, durch die ganzen Verhältnisse, in denen er sie auftreten und wirken läßt, die Art und Weise dar, wie ein solches Seelenvermögen im Verhältnis zu den anderen Seelenvermögen arbeitet, wie es schadet und nützt. Wahrhaftig, wenn jemand dieses Seelenvermögen nicht hätte und zu höheren Stufen der Erkenntnis aufsteigen wollte, dann würde nichts da sein, was ihm den Tempel aufschließen könnte. Goethe stellt ebenso die Vorzüge wie auf der anderen Seite die Nachteile dieses Seelenvermögens hin. Das, was in den Irrlichtern gegeben ist, stellt eben ein Seelenelement dar. In dem Augenblick, wo es nach der einen oder andern Seite hin ein selbständiges Leben führen will, wird es schädlich. Es wird aus dieser Abstraktheit ein kritisches Vermögen, das die Menschen so gestaltet, daß sie zwar alles lernen, sich aber nicht weiterentwickeln können, weil ihnen das produktive Element fehlt. Goethe zeigt aber ganz klar, inwiefern auch ein Wertvolles in dem ist, was in den Irrlichtern dargestellt wird. Das, was sie in sich haben, kann auch etwas Wertvolles werden: in der Schlange wird das Gold der Irrlichter zu etwas Wertvollem, insofern es die Gegenstände, welche um die Schlange herum sind, beleuchtet." (Lit.: GA 057, S. 69f)

Irrlichtelieren

Als Irrlichtelieren bezeichnet Rudolf Steiner häufig das ungelenkte, nicht willentlich geführte schwärmerische Schweifenlassen der Gedanken, das von jeder verlässlichen geistigen Erkenntnis abführt. Für den Geistesschüler ist daher eine strenge Gedankenkontrolle unerlässlich.

„Kontrolle der Gedankenwelt erreicht man, wenn man sich bemüht, dem Irrlichtelieren der Gedanken und Emp- findungen, die beim gewöhnlichen Menschen immer auf- und abwogen, entgegenzuarbeiten. Im alltäglichen Leben ist der Mensch nicht der Führer seiner Gedanken; sondern er wird von ihnen getrieben. Das kann natürlich auch gar nicht anders sein. Denn das Leben treibt den Menschen. Und er muß als ein Wirkender sich diesem Treiben des Lebens überlassen. Während des gewöhnlichen Lebens wird das gar nicht anders sein können. Will man aber in eine höhere Welt aufsteigen, so muß man sich wenigstens ganz kurze Zeiten aussondern, in denen man sich zum Herrn seiner Gedanken- und Empfindungswelt macht. Man stellt da einen Gedanken aus völliger innerer Freiheit in den Mittelpunkt seiner Seele, während sich sonst die Vorstellungen von außen aufdrängen. Dann versucht man alle aufsteigenden Gedanken und Gefühle fernzuhalten und nur das mit dem ersten Gedanken zu verbinden, von dem man selbst will, daß es dazu gehöre. Eine solche Übung wirkt wohltätig auf die Seele und dadurch auch auf den Leib. Sie bringt den letzteren in eine solche harmonische Verfassung, daß er sich schädlichen Einflüssen entzieht, wenn die Seele auch nicht unmittelbar auf ihn wirkt.“ (Lit.:GA 12, S. 30f)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.