John Locke und Walter Eucken: Unterschied zwischen den Seiten

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'''John Locke''' [{{IPA|dʒɒn lɒk}}] (* [[Wikipedia:29. August|29. August]] [[Wikipedia:1632|1632]] in Wrington bei [[Wikipedia:Bristol|Bristol]]; † [[Wikipedia:28. Oktober|28. Oktober]] [[Wikipedia:1704|1704]] in Oates, [[Wikipedia:Epping Forest (District)|Epping Forest]], [[Wikipedia:Essex|Essex]]) war ein einflussreicher [[England|englischer]] [[Philosoph]] und Vordenker der [[Aufklärung]].


Locke gilt allgemein als ''Vater des [[Liberalismus]]''.<ref>Locke, John. A Letter Concerning Toleration Routledge, New York, 1991. p. 5 (Introduction)</ref><ref>Delaney, Tim. The march of unreason: science, democracy, and the new fundamentalism Oxford University Press, New York, 2005. p. 18</ref><ref>Godwin, Kenneth et al. School choice tradeoffs: liberty, equity, and diversity University of Texas Press, Austin, 2002. p. 12</ref> Er ist zusammen mit [[Isaac Newton]] und [[David Hume]] der Hauptvertreter des britischen [[Empirismus]]. Des Weiteren ist er neben [[Thomas Hobbes]] (1588–1679) und [[Jean-Jacques Rousseau]] (1712–1778) einer der bedeutendsten [[w:Vertragstheorie|Vertragstheoretiker]] im frühen Zeitalter der [[Aufklärung]].
'''Walter Eucken''' (* [[Wikipedia:17. Januar|17. Januar]] [[Wikipedia:1891|1891]] in [[Wikipedia:Jena|Jena]]; † [[Wikipedia:20. März|20. März]] [[Wikipedia:1950|1950]] in [[Wikipedia:London|London]]) war ein deutscher [[Ökonom]]. Er war Vordenker der [[Wikipedia:Soziale Marktwirtschaft|Sozialen Marktwirtschaft]] und begründete die Freiburger Schule des [[Ordoliberalismus]].
 
Seine [[politische Philosophie]] beeinflusste die [[w:Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten|Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten]], die [[w:Verfassung der Vereinigten Staaten|Verfassung der Vereinigten Staaten]], die Verfassung des [[Französische Revolution|revolutionären Frankreichs]] und über diesen Weg die meisten Verfassungen liberaler Staaten maßgeblich. In seinem Werk ''[[w:Zwei Abhandlungen über die Regierung|Two Treatises of Government]]'' argumentiert Locke, dass eine Regierung nur legitim ist, wenn sie die Zustimmung der Regierten besitzt und die Naturrechte Leben, Freiheit und Eigentum beschützt. Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind, haben die Untertanen ein Recht auf Widerstand gegen die Regierenden.


== Leben ==
== Leben ==
[[Datei:John Locke by John Greenhill.jpg|miniatur|John Locke (Porträt von John Greenhill, vor 1676)]]
[[Datei:Villa Eucken Jena 2014.jpg|miniatur|Die Villa der Familie Eucken in Jena]]
 
[[File:Grab von Walter Eucken, Ökonom in Freiburg-Günterstal.jpg|thumb|Grab in Freiburg-Günterstal]]
Locke wurde als Sohn eines Gerichtsbeamten in der [[w:Grafschaft (England)|Grafschaft]] [[w:Somerset|Somerset]] geboren. Er entstammte einer relativ wohlhabenden Familie. Sein Großvater Nicholas Locke hatte als [[w:Verlagssystem|Tuchverleger]] ein kleineres Vermögen und Landbesitz angesammelt, von dem die Familie leben konnte. Sein Vater stand im [[w:Englischer Bürgerkrieg|Englischen Bürgerkrieg]] als Offizier auf der Seite des Parlaments. Die Lockes genossen Protektion durch die Familie der Pophams, die mit [[w:John Popham|John Popham]] (1531–1602) einen Speaker des [[w:House of Commons (England)|House of Commons]] und mit [[w:Alexander Popham|Alexander Popham]] (1595–1669) ein langjähriges Mitglied des Unterhauses hervorgebracht hatten. So war es John Locke 1647 möglich, die ehemals königliche [[Westminster School]] in der Londoner Innenstadt zu besuchen. Er konnte von dort die versammelte Menge hören, als die Puritaner König [[w:Karl I. (England)|Karl&nbsp;I.]] am 30. Januar 1649 hinrichteten.
 
Locke erlangte ein Stipendium, das es ihm erlaubte, ab 1652 am College [[w:Christ Church (Oxford)|Christ Church]] der [[w:University of Oxford|University of Oxford]] „klassische Wissenschaften“ zu studieren, was eine Schulung an [[Aristoteles]] und der [[Scholastik]] (Logik und Metaphysik) sowie die alten Sprachen Griechisch und Latein und die klassischen Autoren umfasste. 1656 verlieh ihm die Universität den [[w:Bachelor of Arts|Bachelor of Arts]]. Überlegungen, sein Studium abzubrechen und in eine Anwaltskanzlei einzutreten, gab er auf. Stattdessen legte er die Prüfung zum [[w:Master|Master of Arts]] bereits zwei Trimester vor Ablauf der planmäßigen Studienzeit im Jahr 1658 ab. Danach wurde er als ''senior student'' Mitglied des Lehrkörpers und nahm seine Tätigkeit als Dozent auf. Er war ab 1660 Lecturer für Griechisch, dann [[Rhetorik]] (1662) und [[Ethik]] (1663 „Censor of Moral Philosophy“). Seine Karriere war damit für Oxford-Verhältnisse durchaus typisch.
 
Nachdem sein jüngerer Bruder schon in der Kindheit gestorben war, erbte John Locke nach dem frühen Tod seines Vaters 1661 etwas Land und einige [[w:Cottage (Wohngebäude)|Cottages]], wodurch er finanziell unabhängig wurde. In der statusbasierten englischen Gesellschaft hatte er so den Rang eines Landbesitzers inne.
 
Bereits als Student hatte Locke, wie sich aus seinen Aufzeichnungen ergibt, Interesse an medizinischen Fragen und den neu aufkommenden empirischen Methoden gezeigt. So befasste er sich mit den Naturwissenschaften und hörte bei [[w:Richard Lower|Richard Lower]] inoffiziell medizinische Vorlesungen. In dieser Zeit hatte er engeren Kontakt zu [[Robert Boyle]] und den experimentellen empirischen Methoden der Naturwissenschaften. Er interessierte sich besonders für die botanischen Aspekte der Medizin und erarbeitete sich einen Abschluss als [[w:Bachelor|Bachelor]] in Medizin in [[w:Oxford|Oxford]]. Während der folgenden Jahre verfasste Locke einige Abhandlungen, die durchaus royalistisch gefärbt sind, jedoch auch den Standpunkt des klassischen Naturrechts vertreten. Diese wurden jedoch zu seinen Lebzeiten nie veröffentlicht. Seine Karriere stagnierte, sowohl akademisch als auch politisch konnte er zunächst keinen Gönner finden.
 
Im Jahr 1665 begleitete Locke als Sekretär den Gesandten Sir [[w:Walter Vane|Walter Vane]] zu Verhandlungen mit dem brandenburgischen Kurfürsten [[w:Friedrich Wilhelm (Brandenburg)|Friedrich Wilhelm]] in [[w:Kleve|Kleve]]. Allerdings kehrte er im folgenden Jahr bereits nach Oxford zurück und wandte sich erneut der Medizin zu. Im selben Jahr traf er Sir [[w:Anthony Ashley-Cooper, 1. Earl of Shaftesbury|Anthony Ashley-Cooper]], den späteren 1st Earl of Shaftesbury. Ashley-Cooper war nach Oxford gekommen, um sich einer Therapie wegen einer Lebererkrankung zu unterziehen. Er war von Locke sehr beeindruckt und überredete ihn, sich bei ihm als Leibarzt anstellen zu lassen, obwohl er keine Approbation als Doktor der Medizin besaß: eine offizielle Erlaubnis, als Mediziner zu praktizieren, verlieh ihm die Universität erst 1675. Locke zog im Jahre 1667 in Shaftesburys Domizil am Exeter House in London und diente ihm als Leibarzt. In London vertiefte Locke seine medizinischen Studien, zu denen auch die exakte Beobachtung am Krankenbett gehörte, unter der Leitung von [[w:Thomas Sydenham|Thomas Sydenham]]. Bereits 1668 führte Locke einen gewagten medizinischen Eingriff durch, der Ashley-Cooper unter Umständen das Leben gerettet haben mag.
 
Dieser protegierte Locke seitdem nachhaltig; Locke hatte an seinem politischen Aufstieg zu einem Führer der [[w:Gentry|Gentry]] und schließlich an die Regierung teil. Dass Locke keine große politische Karriere machte, liegt wahrscheinlich an Lockes eigener Skepsis gegenüber diesen Aufgaben, nicht an mangelnder Unterstützung durch den Earl. Durch die enge Verbindung zur regierenden Klasse in der bewegten Zeit des Konflikts zwischen parlamentarischer und absoluter Monarchie, Merkantilismus und Handelsstaat erwarb Locke Kenntnisse und Meinungen, die auch auf seine philosophischen Werke Einfluss nahmen. 1672 erhielt er durch Shaftesbury einen der unwichtigeren Regierungsposten, der ihm jedoch Ansehen und Reichtum verschaffte. Wichtiger aber war der geistige Austausch, der durch Shaftesbury gepflegt und gefördert wurde. Locke wurde 1668 Mitglied der [[Royal Society]].
 
Als Shaftesbury im Verlauf von Machtkämpfen in der Regierung in Haft kam, unternahm Locke von 1675 bis 1679 eine Reise durch Frankreich, die er nutzte, um sich mit dortigen Naturforschern auszutauschen. Shaftesbury ging nach seiner Freilassung zunächst in die Opposition, wurde aber wegen des Konflikts mit dem König, er war Gegner der Nachfolge [[w:Jakob II. (England)|Jakobs&nbsp;II.]] auf den Thron [[w:Karl II. (England)|Karls&nbsp;II.]], 1681 erneut inhaftiert. In diese Zeit fällt die erste Abfassung Lockes ''Zwei Abhandlungen über die Regierung''. Shaftesbury, mittlerweile der Führer der Gruppierungen, die später die Partei der [[Whigs]] bilden sollten, versuchte nach der Freilassung 1682 einen Staatsstreich, den [[w:Rye House Plot|Rye House Plot]], bei dem Jakob&nbsp;II. und Karl&nbsp;II. ermordet werden sollten, der scheiterte, und ging ins holländische Exil, wo er 1683 starb. Locke blieb zwar zunächst im Verborgenen in England, ging dann aber auch von 1683 bis 1688 nach Holland.
 
Locke wurde beauftragt, die Enkel des Earl, darunter auch [[w:Anthony Ashley-Cooper, 3. Earl of Shaftesbury|Anthony Ashley-Cooper]], der selbst ein berühmter Moralphilosoph werden sollte, zu besorgen.
1684 befahl der englische König, ihn in Abwesenheit aus dem Christ-Church-College auszuschließen. Locke, der Zeit seines Lebens überzeugtes Mitglied der Universität war, wehrte sich gegen diesen Beschluss. Die Zuneigung Lockes zu Oxford beruhte durchaus nicht auf Gegenseitigkeit: bereits 1683 fand im Hof die letzte öffentliche [[w:Bücherverbrennung|Bücherverbrennung]] Englands statt, wobei auch viele Werke vernichtet wurden, die Locke schätzte. 1684 beschuldigten diverse Professoren der Universität Locke, den Stuarts feindlich gesinnt zu sein. Noch 1703, nachdem seine Werke in der europäischen Geisteswelt Furore machten, weigerte sich die Universität, die Bücher ihres Sohnes in den Lehrplan aufzunehmen.
 
Erst mit dem Machtantritt [[w:Wilhelm III. (Oranien)|Wilhelms von Oranien]] wurde ihm 1689 wieder ein Regierungsamt angeboten, das er aus gesundheitlichen Gründen ablehnte. Ab 1690 zog er sich auf das Gut eines befreundeten Adligen zurück. Während er sich persönlich zurückzog, wuchs sein Ansehen. Mit Wilhelm III. und der [[w:Bill of Rights (England)|Bill of Rights]] hatte sich die protestantisch-bürgerliche Partei im englischen Machtkonflikt durchgesetzt. Lockes 1690 veröffentlichtes ''[[An Essay Concerning Humane Understanding]]'' (Versuch über den menschlichen Verstand) machte seinen Namen in den gelehrten Kreisen Europas bekannt und berühmt, sodass spätere Veröffentlichungen auf große Aufmerksamkeit stießen und intensive Auseinandersetzungen zur Folge hatten. Im House of Commons bildete sich eine Gruppe um [[w:John Somers, 1st Baron Somers|John Somers]], die stark von Lockes Ideen beeinflusst war und sich mit ihm traf, wenn er in London war. Somers selbst wurde später wichtigster Berater von Wilhelm&nbsp;III.
 
Locke starb am 28. Oktober 1704 in seinem Arbeitszimmer.
 
== Philosophie ==
=== Veröffentlichungen ===
Lockes erste Veröffentlichung war ein 1653 publiziertes Lobgedicht auf [[Oliver Cromwell]], nachdem dieser eine Schlacht im [[w:Englisch-Niederländischer Krieg (1652–1654)|Englisch-Niederländischen Krieg]] gewonnen hatte. Während seiner Zeit in Christ Church befasste sich Locke in seinen Schriften nicht mit Philosophie im engeren Sinne, er bereitete aber einige Texte zur Politik Englands und zum [[Naturrecht]] vor. Eine Abhandlung über den ''civil magistrate'' bereitete er 1664 zum Druck vor, sie wurde aber nie veröffentlicht. Zusammen mit seinen universitätsinternen Schriften zeigt der Text, dass Locke zu dieser Zeit weit autoritärer war als zu späterer Zeit. Er verteidigt die absolute Macht des Magistrats über die Mitglieder der Gesellschaft; die Entscheidungen binden selbst das Gewissen der einzelnen Mitglieder. Die Freiheit des Individuums beginnt erst dort, wo es keine bindende Entscheidung gibt. Im Gegensatz zu Verfechtern eines monarchischen [[Absolutismus]] legt Locke aber bereits in dieser Phase eine Art [[Rechtsstaat]] zugrunde: die höchste legitime Gewalt war nicht die Person des Herrschers, sondern die Gesamtheit der Gesetze, die er repräsentierte.
 
Lockes erste weiter verbreitete Publikationen sind wahrscheinlich in enger Zusammenarbeit mit dem 1. Earl of Shaftesbury entstanden. ''The Fundamental Constitutions of Carolina'' (Die grundlegende Verfassung Carolinas) erschien 1669, der ''Letter from a Person of Quality'' (Brief eines Vornehmen) 1675, beide wurden anonym veröffentlicht.
 
In seinen späten Jahren fernab des politischen Tagesgeschehens veröffentlichte er seine Hauptwerke; die Entwürfe und Skizzen dazu waren aber weit älter. Sie sind in ihren Grundzügen bereits entstanden, als Locke noch eng mit dem Earl of Shaftesbury zusammenarbeitete. Sein erster Entwurf zum ''Versuch über den menschlichen Verstand'' datiert von 1671.
 
1686 erschienen die anonym veröffentlichten ''Briefe über Toleranz'', die teilweise wahrscheinlich auch aus der Feder Shaftesburys stammen. 1690 folgten ebenfalls anonym ''[[w:Zwei Abhandlungen über die Regierung|Zwei Abhandlungen über die Regierung]]'', im selben Jahr erschien der ''Versuch über den menschlichen Verstand'', in dem zumindest sein Name unter dem Vorwort stand; 1692 wurden die bereits 1668 geschriebenen ''Betrachtungen über die Senkung des Zinssatzes und die Erhöhung des Geldwertes'' publiziert, in denen er sich für eine frühe Form des [[w:Freihandel|Freihandel]]s einsetzte, 1694 schließlich die ''Thoughts Concerning Education'' (Gedanken zur Erziehung).
 
Eine Ausnahme in seinem Werk bilden die zwei Abhandlungen über die Regierung ''(Two Treatises on Government)'', über die es keine Skizzen, Manuskripte oder andere Aufzeichnungen Lockes gibt. Das Buch entstand im Wesentlichen wahrscheinlich Mitte der 1680er vor der Bill of Rights. Da es erst nach dieser veröffentlicht wurde, konnte er aber Einleitung und bestimmte Teile so umschreiben, dass es als Begründung dieser gelesen werden konnte. Er ließ die Arbeit nicht nur anonym verlegen, sondern beseitigte auch alle Spuren, die ihn als Verfasser mit dem Werk in Zusammenhang bringen konnten. Unter anderem vernichtete er das Manuskript. Obwohl bereits zu Lebzeiten viele Zeitgenossen ihm die Abhandlung öffentlich zuschrieben und sie lobten, reagierte Locke nicht darauf. Selbst in seinem eigenen alphabetisch geordneten Bücherregal war es bei den unbekannten Autoren eingeordnet. Erst in seinem Testament bekannte er sich zur Autorenschaft.
 
=== Erkenntnistheorie ===
[[Datei:Locke Essay 1690.jpg|miniatur|250px|''An Essay concerning Humane Understanding'' (London: T. Basset/E. Mory, 1690)]]
Locke lieferte einen bedeutenden Beitrag zur [[Erkenntnistheorie]]. Er befürwortet zwar die [[rational]]e [[Theologie]] und die Wende der [[Philosophie des Mittelalters]] zur [[Philosophie der Neuzeit]], die die [[Rationalismus|rationalistische]] Philosophie vor allem [[René Descartes]] verdankt. Locke wandte sich aber gegen die Rechtfertigung der Naturwissenschaften aus dem bloßen Denken und suchte ihr Fundament stattdessen in der [[Erfahrung]].
 
Dennoch nahm er wie Descartes als Ausgangspunkt der philosophischen Überlegungen den [[Zweifel]] an der gegenständlichen Wirklichkeit, an der [[Existenz]] der Außenwelt. Die Aufhebung dieses Zweifels wurde von ihm nun nicht mehr über den [[Gott]]esbegriff vollzogen, sondern [[Empirismus|empiristisch]], angeregt durch [[Pierre Gassendi]]. In seinem aus vier Büchern bestehenden Hauptwerk ''[[An Essay concerning Humane Understanding]]'' (Ein Versuch über den menschlichen Verstand) untersuchte Locke den Ursprung, die Gewissheit und den Umfang menschlichen Wissens in Abgrenzung zu [[Glauben]], Meinen und Vermuten. Ausgangspunkt war einerseits Lockes [[scholastisch]]e Ausbildung in Oxford auf Basis des in England vorherrschenden [[Universalienproblem|Nominalismus]]. Andererseits hatte er sich in seinem vierjährigen Frankreichaufenthalt intensiv mit Descartes und dessen Vorstellung eingeborener Ideen auseinandergesetzt.
 
Entsprechend untersuchte Locke im ersten Buch zunächst den Ursprung der Ideen und entwickelte eine Vielzahl pragmatischer Argumente gegen die Existenz eingeborener Ideen. Seine Grundthese ist die bereits weit vor ihm formulierte Aussage: ''Nihil est in intellectu quod non (prius) fuerit in sensibus'' („Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen gewesen wäre“). Das zweite Buch befasst sich mit dem Zusammenhang von Ideen und Erfahrung. Das menschliche Bewusstsein ist bei der Geburt wie ein weißes Blatt Papier ([[Tabula rasa]]), auf das die Erfahrung erst schreibt. Ausgangspunkt der Erkenntnis ist die sinnliche Wahrnehmung. Er unterschied äußere Wahrnehmungen ''(sensations)'' und innere Wahrnehmungen ''([[Reflexion (Philosophie)|reflections]])''. Der nächste Schritt ist im dritten Buch die Untersuchung der Rolle der [[Sprachphilosophie|Sprache]], ihres Zusammenhangs mit den Ideen und ihrer Bedeutung für das Wissen. Buch vier handelt schließlich von den komplexen (zusammengefassten) Ideen, von den Grenzen des Wissens und dem Verhältnis von Begründung und Glauben.
 
==== Ideen ====
Lockes Kritik der Vorstellung der eingeborenen Ideen ''(ideae innatae)'' hat einen aufklärerischen Charakter. Durch die Untersuchung der Dinge selbst soll den [[Dogma|Dogmen]], Vorurteilen und den von Autoritäten vorgegebenen Prinzipien, wie sie zu seiner Zeit an der Tagesordnung waren, der Boden entzogen werden. Nachdrücklich wandte er sich gegen Descartes' Annahme, dass auch die Gottesidee angeboren sei: denn in vielen Gegenden der Welt gebe es keine entsprechende Gottesvorstellung.
 
Wenn es angeborene Ideen gäbe, müssten diese auch bei geistig zurückgebliebenen Menschen vorhanden sein.
 
{{Zitat|Erstens nämlich ist es offensichtlich, daß alle Kinder und Idioten nicht im geringsten eine Vorstellung oder einen Gedanken von diesen Sätzen haben. Schon dieser Mangel genügt, um jene allgemeine Zustimmung zunichte zu machen, die notwendig und unbedingt die Begleiterin aller angeborenen Wahrheiten sein müßte.|Buch I, Kapitel 1, Abschnitt 3}}
 
Eingeborene Ideen würden auch die Vernunft überflüssig machen, da man nicht erst zu entdecken braucht, was man schon besitzt. Prinzipien wie das vom [[Satz vom Widerspruch|ausgeschlossenen Widerspruch]] („Nichts kann zugleich und in derselben Hinsicht sein und nicht sein“) oder von der Identität („Alles, was ist, das ist“) sind evident, müssten aber erst durch die Vernunft erschlossen werden. Es gibt keine Kriterien zur Unterscheidung eingeborener von erworbenen Ideen. Auch das Kriterium der [[Evidenz]] kann aus Sicht Lockes nicht eingeborene Ideen kennzeichnen, denn es gebe so viele evidente Aussagen, dass diese unmöglich angeboren sein könnten. Aus den gleichen Gründen gebe es auch keine eingeborenen moralischen Prinzipien. Grundsätze wie [[Gerechtigkeit]] oder das Einhalten von Verträgen müssten durch die Vernunft begründet werden, damit sie Allgemeingültigkeit erhalten.
[[Datei:John Locke Ideen.png|miniatur|300px|Übersicht über die Darstellung der Ideen bei John Locke]]
Als wesentliches Argument gegen den [[Innatismus]] sah Locke an, dass seine eigene, für ihn schlüssige Erkenntnistheorie ohne die Vorstellung der eingeborenen Ideen auskam.
 
Das Material der Erkenntnis sind einfache Ideen. Deren Ursprung liegt in der Erfahrung. Locke unterschied dabei ''sensations'' (äußere Eindrücke) und ''reflections'' (innere Eindrücke), die erst im Verstand zu komplexen Ideen verbunden und geformt werden. Die inneren Eindrücke umfassen geistige Tätigkeiten wie Wahrnehmen, Zweifeln, Glauben, Schließen, Erkennen oder Wollen. Komplexe Ideen entstehen durch Vergleichen, Zusammensetzen, Abstrahieren und andere entsprechende Tätigkeiten des Verstandes. Damit war Locke nicht – wie so oft zu lesen ist – [[Sensualismus|Sensualist]]. Für ihn gab es sehr wohl einen aktiven Verstand (vgl. [[intellectus agens]]), der im Erkenntnisprozess eine wesentliche Rolle spielt. So weit besteht kein Unterschied zu [[Immanuel Kant|Kant]]. Für Locke gab es lediglich keine Ideen [[a priori]], sondern nur das [[Vermögen (Fähigkeit)|Vermögen]], Wahrnehmungen zu verarbeiten zu Abbildern, komplexen Ideen und Begriffen. Bei komplexen Ideen unterschied er Substanzen, Relationen und Modi. [[Substanz]]en sind Dinge, die eigenständig existieren, einschließlich der [[Engel]], Gott und anderer „konstruierter“ Gegenstände. In ''Relationen'' drückt sich das Verhältnis verschiedener Ideen aus. ''Modi'' sind Ideen, die nicht die Wirklichkeit abbilden, sondern geistige Konstrukte, beispielsweise „Dreieck“, „Staat“ oder „Dankbarkeit“.
 
Bei der Erfassung der Substanzen, die für Locke jeweils komplexen Ideen entsprechen, unterschied er ''primäre und sekundäre Qualitäten''. Primär sind solche Eigenschaften, die den Substanzen unmittelbar innewohnen wie Ausdehnung, Festigkeit oder Gestalt. Sekundäre Qualitäten sind Eigenschaften, die nicht tatsächlich im Körper des Gegenstandes vorzufinden sind, sondern in der Idee der jeweiligen Substanz von unserer Wahrnehmung hinzugefügt werden.
 
{{Zitat|Was in der Idee von Süß, Blau oder Warm ist, ist nur eine gewisse Größe, Gestalt und Bewegung der sinnlich nicht wahrnehmbaren Teilchen in den Körpern selbst, die wir so benennen.|II, 8,15}}
 
Locke fand in der Unterscheidung der sekundären Qualitäten ein Problem, das noch in der Philosophie der Gegenwart unter dem Stichwort [[Qualia]] intensiv diskutiert wird. Sekundäre Qualitäten sind für Locke Produkte des [[Geist]]es. Sie „sind nichts weiter als die Vermögen verschiedener Kombinationen der primären Qualitäten.“ (II,8,22). Primäre Qualitäten sind Eigenschaften fester Körper, deren [[Abbild]]er Ideen im menschlichen Geist hervorrufen. Dies setzt einen nicht näher bestimmbaren Träger voraus (II,22,2), eine Substanz, deren Erkenntnis angenommen werden muss, ein Ding von dem wir offensichtlich keine klare Idee haben. Diese Substanz beschrieb Locke in Anlehnung an Gassendi und in Übereinstimmung mit dem von Boyle vertretenen [[Atomismus]] als nicht wahrnehmbare kleinste Teilchen. Seine Vorstellung kennzeichnete er als [[Hypothese]]. Die Welt ist so, wie sie uns erscheint, auch wenn sie mit der realen Welt nicht übereinstimmen muss. Aber am Konzept einer realen Welt muss man festhalten. Als Konsequenz ergibt sich ein [[Dualismus (Ontologie)|Dualismus]] von Geist und Materie. Die Annahme sowohl einer geistigen Welt als auch einer realen Welt war Ansatzpunkt der Kritik sowohl durch Berkeleys [[Idealismus (Philosophie)|Idealismus]] als auch Humes [[Skeptizismus]].
 
==== Erkenntnis ====
[[Datei:John Locke Erkenntnis.png|miniatur|300px|Konzept der Erkenntnis bei John Locke]]
Erkenntnis ist Locke zufolge die Perzeption (Wahrnehmung) der Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung von Ideen. Zur Erkenntnis bedarf es also des Urteils, ob eine Aussage gültig ist. Locke unterschied drei Elemente der Erkenntnis, die ''intuitive'', die ''demonstrative'' und die ''sensitive'' Erkenntnis. Intuitiv erkennt man Ideen als solche, wenn sie im Geist als Einheit vorhanden sind (Identität) und sie sich von anderen Ideen unterscheiden (Distinktheit). Das intuitive Erfassen einer Idee ist notwendig für die weiteren Erkenntnisschritte. Intuitive Wahrheit ergibt sich, wenn die Ideen nicht mehr weiter analysierbar sind (Evidenz).
 
Demonstrative Erkenntnis findet nur mittelbar statt. Der Verstand hat das Vermögen, mit Hilfe der Ideen einen Zusammenhang zwischen zwei Ideen herzustellen. Dieses Vermögen ist nach Locke die Vernunft. Diese Art der Erkenntnis nannte er die rationale. Die Verknüpfung der Ideen erfolgt dabei in Einzelschritten, wobei jeder Schritt durch intuitive Erkenntnis bestätigt wird. Die scholastischen [[Syllogismus|Syllogismen]] waren für Locke nur deduktiv, also nicht geeignet, tatsächlich neue Erkenntnis zu erzeugen. Sie hatten nur eine didaktische Funktion.
 
Mit der sensitiven Erkenntnis schließlich erfasst der Mensch die Existenz realer Gegenstände; denn „niemand kann im Ernst so skeptisch sein, dass er über die Existenz der Dinge, die er sieht oder fühlt, ungewiss wäre“ (IV, 11, 3). Allerdings sind die Sinne gegenüber der Evidenz und der Ableitbarkeit mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, so dass Locke am Ende die Erkenntnis im engeren Sinne als intuitive und demonstrative Erkenntnis bestimmt.
 
{{Zitat|Diese beiden, Intuition und Demonstration, sind die Grade unserer Erkenntnis. Alles, was nicht einer diesen beiden entspricht, ist – wie zuversichtlich man es auch annehmen mag – bloßer Glaube oder Meinung, aber nicht Erkenntnis.|IV,2,14}}


Wie sicher ist aber das Wissen um das Erkannte? Lockes Empirismus begrenzt die Erkenntnis auf die Erfahrung. Was jenseits der sinnlichen Erfahrung liegt, die Essenz (das Wesen) der Dinge, kann nicht erkannt werden. Der Verstand gibt dem Erkannten Einheit, indem er den „Begriff von der reinen Substanz im allgemeinen“ (II,4,18) bildet. Über die Natur lässt sich nichts Endgültiges sagen. Mit Hilfe der Vernunft kann der Mensch die Sinne nicht übersteigen. Er kann nur [[Hypothese]]n aufstellen als Leitfaden für Forschung und Experiment. Absolute Gewissheit ist auf empirischem Wege nicht möglich. Im Bereich der Hypothesen arbeitet der Verstand mit abstrakten Begriffen wie Art und Gattung, indem er von der Erfahrung abgeleitete, aber abstrahierte komplexe Ideen wie Relationen und Modi verwendet. Solche Ideen wie die des Dreieckes haben nicht nur [[Universalienproblem|nominale]], sondern auch reale Essenz. Deshalb ist es in den abstrakten Wissenschaften wie der Mathematik möglich, unanfechtbare Wahrheiten zu finden.
Walter Eucken wuchs in Jena im Haus seiner Eltern, des Philosophen und Literaturnobelpreisträgers [[Wikipedia:Rudolf Eucken|Rudolf Eucken]] und der Malerin ''Irene Eucken'' auf. Ein Bruder war der Physikochemiker [[Wikipedia:Arnold Eucken|Arnold Eucken]].


{{Zitat|Allgemeine und sichere Wahrheiten sind lediglich in den Beziehungen und Verhältnissen der abstrakten Ideen begründet.|IV,12,7}}
An der [[Wikipedia:Christian-Albrechts-Universität zu KielChristian-Albrechts-Universität zu Kiel]], der [[Wikipedia:Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn|Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn]] und der [[Wikipedia:Friedrich-Schiller-Universität Jena|Universität Jena]] studierte Eucken [[Geschichte]], [[Staatswissenschaft]], [[Volkswirtschaftslehre|Nationalökonomie]] und [[Rechtswissenschaft]]. Ab 1910 war er Mitglied des Corps Saxonia Kiel.<ref>Kösener Corpslisten 1930, '''82''', 181</ref> Sein Studium schloss er 1913 mit einer [[Dissertation]] bei [[Wikipedia:Hermann Schumacher (Nationalökonom)|Hermann Schumacher]] (1868–1952) ab. Nach dem [[Wikipedia:Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] wurde er Schumachers Assistent an der [[Wikipedia:Humboldt-Universität zu Berlin|Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin]]. Gleichzeitig war er als Redaktionssekretär von [[Schmollers Jahrbuch]] tätig. 1920 heiratete er [[Wikipedia:Edith_Eucken-Erdsiek|Edith Erdsiek]]. Ihr Vater stammte aus Westfalen, ihre Mutter war assimilierte Jüdin; in [[Smolensk]] geboren, wuchs sie in Berlin auf und wurde nach ihrer Heirat Schriftstellerin.


Da er z.&nbsp;B. Gerechtigkeit, Dankbarkeit oder Diebstahl gleichzeitig als Modi einstufte, zählte Locke die Moral zu den abstrakten Wissenschaften, für die man diese allgemeinen und sicheren Wahrheiten mit Hilfe der Vernunft herleiten kann.
1921 [[Wikipedia:Habilitation|habilitierte]] er sich in Berlin.<ref>Habilitationsschrift: ''Die Stickstoffversorgung der Welt''</ref> Bis 1925 [[Wikipedia:Privatdozent|Privatdozent]], folgte er 1925 dem [[Wikipedia:Berufung (Amt)|Ruf]] der [[Wikipedia:Eberhard Karls Universität Tübingen|Eberhard Karls Universität Tübingen]] auf einen [[Lehrstuhl]]. 1927 wechselte er als [[Lehrstuhl|o.&nbsp;Professor]] an die [[Albert-Ludwigs-Universität Freiburg]], an der er bis zu seinem Tode tätig war. Er starb kurz vor Vollendung der ''Grundsätze der Wirtschaftspolitik'', als er an der [[London School of Economics]] eine Vortragsreihe unter dem Titel ''This Unsuccessful Age'' hielt (publiziert 1952).


==== Rezeption der Erkenntnistheorie ====
== Wirken ==
Erste Reaktionen auf den Essay gab es bereits zu Lockes Lebzeiten, wobei sich sowohl [[René Descartes|Cartesianer]] (John Norris) als auch [[Thomismus|Thomisten]] (John Sergeant) ablehnend äußerten. Von den bekannten Philosophen reagierten sowohl [[Gottfried Wilhelm Leibniz|Leibniz]] mit ''Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand'' (1704, gedruckt 1759) als auch [[George Berkeley|Berkeley]] mit der ''Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis'' (1709) unmittelbar kritisch auf das Werk Lockes. Dieses kann daher als Anstoß für eine neue Gattung von Abhandlungen in der Philosophie angesehen werden, die sich ausschließlich auf die erkenntnistheoretische Frage konzentriert.
Anfang der 1930er-Jahre gründete Walter Eucken mit den Juristen [[Franz Böhm]] und [[Hans Großmann-Doerth]] die ''[[Ordoliberalismus|Freiburger Schule]]''. Als nach 1933 in Freiburg unter dem Rektor [[Martin Heidegger]] eine nationalsozialistische Universitätsverfassung eingeführt wurde und die Judenverfolgung im Wissenschaftsbetrieb begann, bezog Eucken offen Stellung. Eucken wurde, wie der Historiker [[Bernd Martin (Historiker)|Bernd Martin]] feststellt, „zum eigentlichen Widerpart und Herausforderer des die nationalsozialistische Hochschulpolitik vorantreibenden Rektors“. <ref>Bernd Martin: Martin Heidegger und der Nationalsozialismus -- der historische Rahmen. In: ''Martin Heidegger und das 'Dritte Reich'. Ein Kompendium''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1989, S. 14–50, hier S. 26.</ref>


In diesem Sinn stehen auch Humes ''[[Untersuchung über den menschlichen Verstand]]'' und Kants ''[[Kritik der reinen Vernunft]]'' in einer Linie der Diskussion über die Erkenntnistheorie. Während Locke, Berkeley und Hume jeweils die empiristische Position vertraten, sind Leibniz und Kant Vertreter des [[Apriorismus]] – ein Gegensatz, der seit Descartes und Locke die philosophische Auseinandersetzung über den [[Positivismus]] ([[John Stuart Mill]]) und [[Neopositivismus]] einerseits sowie den deutschen Idealismus einschließlich [[Arthur Schopenhauer]], der Locke als seicht kritisierte, und dem [[Neukantianismus]] andererseits bis in die Gegenwart bestimmte. Lockes Theorie der Erfahrung fand in [[Prozess und Realität]] bei [[Alfred North Whitehead]] eine positive Aufnahme, wohingegen er kritisierte, dass Locke die Trennung von [[Subjekt (Philosophie)|Subjekt]] und [[Substanz]] ebenso wie viele andere Philosophen seiner Zeit zumindest implizit übernommen habe.
1936 hielt Eucken eine Vorlesungsreihe für die Freiheit des Denkens mit dem Titel ''Kampf der Wissenschaft''. Nach dem missglückten Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Walter Eucken, der mit dem Goerdeler-Kreis in Verbindung gestanden hatte, von der Gestapo mehrfach verhört, aber nicht verhaftet. Drei Freunde Euckens aus dem „[[Freiburger Kreis (NS-Zeit)|Freiburger Kreis]], die Ökonomen [[Adolf Lampe]] und [[Constantin von Dietze]] sowie der Historiker [[Gerhard Ritter]] wurden vom [[NS-Regime]] inhaftiert und zum Tode verurteilt. Nur das Kriegsende bewahrte sie vor der Hinrichtung.  


=== Religion, Toleranzidee und Erziehungsgedanken ===
Eucken gehörte zu den Beratern der französischen und amerikanischen Militärregierung; die später als [[Ordoliberalismus]] bezeichneten wirtschaftspolitischen Grundgedanken der sogenannten „Freiburger Schule“ lagen den Reformen zugrunde, mit welchen [[Ludwig Erhard]] und [[Alfred Müller-Armack]] die zunächst [[Planwirtschaft|planwirtschaftliche]] Wirtschaftsverwaltung der ersten Nachkriegsjahre ablösten.


Von Lockes theologischen Schriften ist besonders ''The Reasonableness of Christianity as Deliver’d in the Scriptures'' (Vernünftigkeit des Christentums wie in der Heiligen Schrift dargestellt, 1695) wichtig. Locke verband rationalistisches Gedankengut mit dem überkommenen [[Supranaturalismus]]. Er wollte darlegen, dass das in der Bibel Bezeugte der Vernunft entspricht, ja von ihr als logisch anerkannt werden muss. Die Wunder seien eine Beglaubigung des Wahrheitsanspruchs der Bibel. Locke hielt an der wörtlichen Eingebung der biblischen Texte ([[Verbalinspiration]]) fest, ebenso am kosmologischen [[Gottesbeweis]]. [[Jesus]] war für ihn sowohl Lehrer des göttlichen Willens ([[Heiland]]) als auch Erlöser ([[Christologie|Christus]]) und Inhalt der göttlichen Selbstbekundung (Gottes Sohn).<ref>D. Henrich: Locke, John. – In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Band IV (1960), Sp. 425 f. – Karl Heussi: Kompendium der Kirchengeschichte. 11. Aufl. (1956), S. 398</ref> Ähnlich wie [[Martin Luther|Luther]] beschäftigte sich Locke intensiv mit den [[Paulusbriefe|Briefen des Apostels Paulus]]. Posthum erschien ''A Paraphrase and Notes on the Epistles of St. Paul'' (Eine [[Paraphrase (Sprache)|Paraphrase]] und Anmerkungen zu den Paulusbriefen).
Eucken beschäftigte sich nicht nur mit Ökonomie, sondern interessierte sich auch sehr für Philosophie und Geschichte. Zu den Menschen, mit denen er sich geistig austauschte, gehörten Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen und Künstler wie z.&nbsp;B. [[Friedrich August von Hayek]], [[Joseph Schumpeter]], [[Werner Heisenberg]], [[August Macke]], [[Ernst Ludwig Kirchner]], [[Max Reger]], [[Hermann Staudinger]]. Als er 1947 an der Gründung der [[Mont Pelerin Society|Mont Pelerin Gesellschaft]] teilnahm, kamen neue Kontakte zum Beispiel mit dem Philosophen [[Karl Popper]] hinzu.


Die Eltern Lockes waren [[Puritanismus|Puritaner]].<ref>[http://plato.stanford.edu/entries/locke/#LocLifUpHisMeeLorAsh166 Uzgalis, William, „John Locke“, The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2010 Edition)]</ref> Deshalb waren ihm von klein auf reformatorische [[Frömmigkeit]], Lebensführung und [[Theologie]] vertraut. Dazu gehörten ganz wesentlich die demokratischen Strukturen im Leben der Kirchengemeinden bei [[Kongregationalisten]], [[Presbyterianer]]n, [[Baptisten]] und [[Quäker]]n (z.&nbsp;B. Wahl der Kirchenältesten (Presbyter) und der in die regionalen und nationalen [[Synode (Gremium)|Synoden]] entsandten Vertreter durch die Gemeindeglieder, Gleichstellung von Geistlichen und Laien). Dieser demokratische Ansatz geht zurück auf Anschauungen Luthers („allgemeines Priestertum aller Gläubigen“, Wahl und gegebenenfalls Abwahl von Pfarrern durch die Gemeindeglieder), [[Calvinismus|Calvin]]s Kirchenordnung (1541; gewählte Kirchenälteste usw.) und die Schaffung von Synoden auf regionaler und nationaler Ebene durch die [[Hugenotten]] (Trennung von Kirche und Staat).<ref>Karl Heussi: Kompendium der Kirchengeschichte. 11. Aufl. (1956), S. 316; 325</ref>
Von besonderer Bedeutung war für ihn seine Freundschaft mit [[Edmund Husserl]], der ihn wissenschaftstheoretisch stark beeinflusste. Kritisch setzte er sich nicht nur mit den Ideologien in der Ökonomie auseinander, sondern generell mit den Ideologien der Macht. Zu den Traditionen des freiheitsfeindlichen [[Irrationalismus]] rechnete er nicht nur die Philosophen [[Friedrich Nietzsche]] und Martin Heidegger, sondern auch den [[Voluntarismus]] [[Martin Luther]]s, die ''[[Volonté générale]]'' [[Jean-Jacques Rousseau]]s und die Fortschrittsideologie [[Henri de Saint-Simon]]s.


Die 1620 von Kongregationalisten („[[Pilgerväter]]“) in Nordamerika gegründete [[Plymouth Colony]] wurde ebenso demokratisch verwaltet wie die benachbarte [[Massachusetts Bay Colony]].<ref>[http://www.histarch.uiuc.edu/plymouth/index2.html The Plymouth Colony Archive Project] und [http://www.quaqua.org/pilgrim.htm Massachusetts Bay Colony]</ref> Der Baptist [[Roger Williams]] gründete 1636 die Kolonie [[Rhode Island]]s, die demokratische Grundsätze mit Glaubens- und Gewissensfreiheit für alle christlichen Bekenntnisse verband. Dasselbe verwirklichte [[William Penn]] 1682 in der Kolonie [[Pennsylvania]], die eine Zufluchtsstätte für in Europa verfolgte religiöse Minderheiten wurde (Quäker, Hugenotten, [[Mennoniten]], [[Böhmische Brüder]] und viele andere).<ref>M. Schmidt: Pilgerväter. – In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Band V (1961), Sp. 384</ref> Die englische Öffentlichkeit erfuhr von diesen für das 17. Jahrhundert umwälzenden Ereignissen durch Schriften, die Führungspersönlichkeiten dieser Kolonien veröffentlichten (z.&nbsp;B. [[Edward Winslow]], [[William Bradford (1590–1657)|William Bradford]], [[John Cotton]]). Die Kolonien kannten bereits ansatzweise das Prinzip der [[Gewaltenteilung]].
== Wissenschaftliches Werk ==
[[Datei:DBP 1991 1494-R.JPG|miniatur|''Walter Eucken'' auf einer bundesdeutschen Briefmarke zu seinem 100. Geburtstag (1991)]]


Im Zusammenhang mit der Reformation war die [[Täuferbewegung]] entstanden. Als vielfach verfolgte Minderheit bestanden die Täufer auf Glaubens- und Gewissensfreiheit. Anfang des 17. Jahrhunderts bildeten sich aus dem englischen Täufertum Baptistenkirchen (General Baptists und Particular Baptists). Führende Baptisten wie [[John Smyth]], [[Thomas Helwys]] und [[John Murton]] forderten in einer Reihe von Schriften das Recht auf [[Religionsfreiheit|freie Religionsausübung]].<ref>Karl Heussi: Kompendium der Kirchengeschichte. 11. Aufl. (1956), S. 382</ref> Auch Roger Williams schrieb ein leidenschaftliches Plädoyer für die Freiheit von Glauben und Gewissen.
=== Grundgedanken ===
Im Mittelpunkt von Euckens Arbeit stand die Frage des Zusammenhangs von [[Macht]], Unfreiheit und [[Armut]]. Auf Basis dieser Analyse könnten die Rahmenbedingungen für eine [[Wirtschaftsordnung]] bestimmt werden, die zugleich die größtmögliche Freiheit und eine rationale Steuerung der Wirtschaft ermöglicht. Er war davon überzeugt, dass die wirtschaftspolitische Tätigkeit des Staates auf die [[Ordnungspolitik|Gestaltung der Wirtschaftsordnung]] gerichtet sein sollte und nicht auf die Lenkung der [[Prozesspolitik|Wirtschaftsprozesse]]. Mit dieser These gilt Eucken als Begründer des Ordoliberalismus und als einer der Väter der Sozialen Marktwirtschaft.


Locke war von diesen Schriften beeinflusst.<ref name="Karl Heussi 1956">Karl Heussi, Kompendium der Kirchengeschichte. 11. Aufl. (1956), S. 398</ref> Zu diesen Einflüssen gehörte zudem der Verfassungsentwurf der Independenten (Kongregationalisten) unter ihrem Führer Oliver Cromwell (Agreement of the People, 1647), der als Folge demokratischer Tendenzen die Gleichheit aller Menschen betonte.<ref>W. Wertenbruch: ''Menschenrechte. Geschichtlich''. In:`''Die Religion in Geschichte und Gegenwart'', 3. Aufl., Band IV (1960), Sp. 869</ref> Der „positiv-gläubigen Stellung Lockes zur Religion“ (Karl Heussi) entsprach es, dass er religiöse Toleranz nicht bzw. nicht nur philosophisch begründet (siehe unten), sondern wie etwa auch Roger Williams biblisch-theologisch.<ref name="Heinrich Bornkamm 1962 p. 943">Heinrich Bornkamm: ''Toleranz. In der Geschichte des Christentums''. In: ''Die Religion in Geschichte und Gegenwart'', 3. Aufl., Band VI (1962), Sp. 943</ref> Schon im frühen 16. Jahrhundert hatte Luther die „unerzwingbare Freiheit des Glaubens“ betont.<ref name="Heinrich Bornkamm 1962 p. 943" /> Locke nahm von der Tolerierung durch den Staat den Atheismus und den Katholizismus aus.<ref name="Karl Heussi 1956" /> Damit sind auch alle atheistischen Formen der Aufklärung abgelehnt. Die katholische Kirche verhindert nach Lockes Ansicht die Verwirklichung seines zentralen Anliegens, des Rechts des Einzelnen, über sein Denken, Glauben und Handeln selbst bestimmen zu können.<ref>D. Henrich Locke, John. – In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Band IV (1960), Sp. 425</ref> Locke unterstützte die Kräfte, die sich gegen die absolutistischen Ansprüche Karls I., Karls II. und Jakobs II. sowie ihre Anstrengungen wandten, in England und Schottland gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit des Volkes den Katholizismus als Staatsreligion wieder einzuführen. Damit wäre auch die [[Inquisition]] zurückgekehrt. Deshalb begrüßte Locke die [[Glorious Revolution]] (1688) und den Beschluss des Parlaments, dass jeder englische Monarch Mitglied der [[Church of England|anglikanischen Kirche]] sein muss.
Sein wohl wichtigstes Werk ''Grundlagen der Nationalökonomie'' veröffentlichte Eucken 1939. Hier formulierte er seine Hypothese von der ''[[Interdependenz der Ordnungen]]'': ''Marktwirtschaft'' (Eucken bevorzugte den Begriff ''Verkehrswirtschaft'') bedingt den freiheitlichen Rechtsstaat. ''Zentralverwaltungswirtschaft'', wie sie die Nationalsozialisten seinerzeit in Deutschland eingeführt hatten und wie sie in der [[Sowjetunion]] und später in den osteuropäischen Staaten des [[Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe|Rates für gegenseitige wirtschaftliche Zusammenarbeit]] praktiziert wurde, braucht zu ihrer Durchsetzung die Diktatur. Kaum weniger
bedeutend sind seine 1952 [[postum]] von seiner Frau [[Edith Eucken-Erdsiek]] und seinem Assistenten [[Karl Paul Hensel]] herausgegebenen ''Grundsätze der Wirtschaftspolitik''.
Zum Standard des Lehrbuchwissens gehört heute Euckens Unterscheidung moderner Wirtschaftsordnungen in [[Zentralverwaltungswirtschaft]]  und [[Marktwirtschaft|Verkehrswirtschaft]]. Kriterium zur Unterscheidung war für Eucken jedoch nicht, wie heute oft üblich, die wirtschaftliche Aktivität des Staates (siehe [[Staatsquote]]), sondern die Verteilung wirtschaftlicher Macht. So ist für Eucken der Gegenpol zur Zentralverwaltungswirtschaft, in der eine Zentrale über die größtmögliche Macht verfügt und der Einzelne maximal entrechtet ist, nicht etwa die „freie Marktwirtschaft“ des [[Laissez-faire]]. Der Gegenpol ist vielmehr der vollständige Wettbewerb, bei dem niemand über die Macht verfügt, einen anderen ökonomisch zu lenken. Zwischen diesen beiden Polen gibt es einen weiteren Ordnungstyp, die vermachtete Marktwirtschaft. Bei diesem Ordnungstyp können einzelne Machtgruppen, durch Preispolitik oder Lobbyismus, in die ökonomische Freiheit anderer Marktteilnehmer eingreifen.


In seinem ''Letter Concerning Toleration'' ([[Brief über die Toleranz]]) und den zwei Nachfolgebriefen ging Locke auf das Verhältnis zwischen Staat und [[Religion]] ein. Er fürchtete damals die Machtübernahme der [[Römisch-katholische Kirche|Römisch-katholischen Kirche]] und eine Verfolgung aller Andersgläubigen. Er sprach sich dafür aus, dass der Staat die Religion größtenteils seinen Bürgern überlasse. Locke griff dabei im Wesentlichen auf ein religiös-[[christlich]]es und drei im engeren Sinn philosophische Argumente zurück. Religiös argumentierte er, dass sich nirgendwo in der [[Bibel]] ein Hinweis darauf finde, dass Menschen mit Gewalt dazu gezwungen würden, ihre Religion zu wechseln. Innerhalb der philosophischen Argumentation nahm er einen Gedanken aus seinen ''Two Treatises'' auf: der Daseinszweck der Regierung sei es, Leben, Freiheit und Eigentum zu schützen; würde sie in das religiöse Leben ihrer Bürger eingreifen, würde sie ihre Kompetenzen überschreiten. Dies wäre auch nicht sinnvoll, da es beim Glauben auf eine innere Einkehr und Überzeugung ankäme, die mit Gewalt und Verfolgung nicht erzwungen werden könne. Die rein äußerliche Annahme einer anderen Religion würde keinen Schritt zum wahren Glauben hinführen, aber in die Naturrechte der Untertanen eingreifen. Und selbst angenommen, die Regierung könnte auf eine Art die innere Überzeugung der Untertanen ändern, so wäre es immer noch fraglich, ob dies der wahren Religion helfen würde, da Regierungen an sich genauso anfällig dafür seien, eine falsche Religion zu propagieren wie ihre Untertanen.
Eine gemäß dem Laissez-faire-Prinzip sich selbst überlassene Wirtschaft führt nach Euckens Überzeugung systematisch zu einer Wirtschaftslenkung durch Machtgruppen. So erklärt Eucken im Vorwort für den ersten Band des Jahrbuchs [[ORDO]]:  


In der [[Pädagogik|Erziehung]] wandte sich Locke, der nicht verheiratet war und keine Kinder hatte, gegen strenge Schulzucht. Stattdessen müsse die Erziehung die Individualität der Kinder und Jugendlichen fördern. Lockes Empfehlungen zu Bildung und Erziehung sind eng verknüpft mit seiner Lehre, dass jedes Kind in geistiger Hinsicht als Tabula rasa zur Welt kommt.<ref>D. Henrich: Locke, John. – In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Band IV (1960), Sp. 425–426</ref>
{{Zitat|Ob wenig oder mehr Staatstätigkeit&nbsp;– diese Frage geht am wesentlichen vorbei. Es handelt sich nicht um ein quantitatives, sondern um ein qualitatives Problem. Der Staat soll weder den Wirtschaftsprozess zu steuern versuchen, noch die Wirtschaft sich selbst überlassen: Staatliche Planung der Formen&nbsp;– ja; staatliche Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses&nbsp;– nein. Den Unterschied von Form und Prozess erkennen und danach handeln, das ist wesentlich. Nur so kann das Ziel erreicht werden, dass nicht eine kleine Minderheit, sondern alle Bürger über den Preismechanismus die Wirtschaft lenken können. Die einzige Wirtschaftsordnung, in der dies möglich ist, ist die des 'vollständigen Wettbewerbs'. Sie ist nur realisierbar, wenn allen Marktteilnehmern die Möglichkeit genommen wird, die Spielregeln des Marktes zu verändern. Der Staat muss deshalb durch einen entsprechenden Rechtsrahmen die Marktform&nbsp;d.&nbsp;h. die Spielregeln, in denen gewirtschaftet wird,&nbsp;– vorgeben.|Walter Eucken}}


=== Gesellschafts- und Staatstheorie ===
=== Sozialpolitik und Konjunkturpolitik ===
[[Datei:Locke treatises of government page.jpg|miniatur|Titelseite der Ausgabe von 1690, veröffentlicht 1689]]
Nach Ansicht von Karl Georg Zinn gab Alfred Müller-Armack „der Sozialpolitik und der staatlichen Konjunktur- und Strukturpolitik ein weit größeres Gewicht als Eucken, für den Sozialpolitik allenfalls „als Minimalprogramm gegen extreme Mißstände“ erforderlich erschien und der Konjunkturpolitik für schlichtweg überflüssig, ja schädlich hielt, weil eine ideale Marktwirtschaft, wie er sie in seiner Ordnungstheorie meinte entworfen zu haben, überhaupt keine zyklischen Konjunkturen und Krisen mehr aufweisen würde.“<ref>Karl Georg Zinn: [http://www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/vwl2/downloads/material/KarlGeorgZinn.pdf ''Soziale Marktwirtschaft. Idee, Entwicklung und Politik der bundesdeutschen Wirtschaftsordnung'' S. 25] (PDF; 364&nbsp;kB)</ref> Richtig verstandene Sozialpolitik war für Eucken identisch mit der „Politik zur Ordnung der Wirtschaft“.  
Locke schrieb seine Werke vor dem Hintergrund der Konflikte zwischen Parlament und Krone. Zu seiner Zeit waren es keine abstrakten Überlegungen, sondern argumentatorische Waffen im Konflikt um die neue Gesellschaftsordnung. Dabei stand das absolute Recht des Königs gegen die Ansprüche des Bürgertums auf Regierungsbeteiligung und eigene Rechte gegenüber dem König. Locke begründet, warum die Macht des Herrschenden eingeschränkt sein soll.


Lockes politisches Denken geht von „protestantisch-christlichen“ Annahmen aus.<ref>„Protestant-Christian assumptions.“ John Dunn, ''Political Thought of John Locke: A Historical Account of the Argument of the ‘Two Treatises of Government’''. Cambridge University Press 1969, S. 99. Zustimmend zitiert in Jeremy Waldron, ''God, Locke, and Equality: Christian Foundations in Locke's Political Thought''. Cambridge University Press. Cambridge 2002, S. 12</ref> Als Theologe leitet er bestimmte zentrale Begriffe wie Gleichheit der Menschen aus biblischen Texten ab und untersucht dann als Philosoph mit Hilfe des Verstandes die Konsequenzen, die sich aus den Begriffen für Staat und Gesellschaft ergeben. Der [[Whig]] (Anhänger der [[Konstitutionelle Monarchie|konstitutionellen Monarchie]]) Locke geht 1689 in seinen politischen Hauptwerk ''[[Two Treatises of Government]]'' (Zwei Abhandlungen über die Regierung) von natürlich gegebenen Rechten der Menschen aus (siehe [[Naturrecht]]). Er setzt bestimmte Annahmen über den Zustand des Menschen in Abwesenheit des Staates und leitet von diesen ab, wie die Menschen im Naturzustand zusammenlebten. Über die Anhäufung von Eigentum bildeten sich Gesellschaften. Mithilfe seiner [[Vertragstheorie]] begründet Locke, wie diese sich Gesellschaftsverträge und somit Regierungen gaben. Da Regierungen nur geschaffen wurden, um bestimmten menschlichen Zwecken zu dienen, kann er im Folgenden legitime und illegitime Regierungen unterscheiden. Gegen illegitime Regierungen sieht er ein Recht auf [[Revolution]].
Die Wirtschaftspolitik schließt in der Vorstellung Euckens die Verantwortung für einen hohen Beschäftigungsstand mit ein. Für den traditionellen Bereich der sozialen Sicherung gegen Arbeitslosigkeit, sowie die Unfall-, Gesundheits- und Altersversicherung ergibt sich eine unstrittige sozialpolitische Begründung.<ref>Gerhard D. Kleinhenz, ''Sozialstaatlichkeit in der Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft'' in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Themenheft Sozialstaat Deutschland, Lucius und Lucius, ISBN 978-3828200487, Seite 406, 407</ref>


==== Naturrechtslehre ====
Doch über die Wettbewerbspolitik hinaus seien mit Hilfe einer ''speziellen Sozialpolitik'' „Vorkehrungen notwendig, um Lücken auszufüllen und Härten zu mildern.“<ref>Walter Eucken: ''Grundsätze der Wirtschaftspolitik''. Rowohlt, Reinbek 1965, S. 183.</ref> Insbesondere für die ''Arbeitsmarktverfassung'' sieht er zusätzlichen Handlungsbedarf des Staates, da die „Arbeit keine Ware“ sei und zwischen Sachgüter- und Arbeitsmärkten Unterschiede bestünden, „die zu beachten sind“.<ref>Walter Eucken: ''Grundsätze der Wirtschaftspolitik''. Rowohlt, Reinbek 1965, S. 185.</ref> So seien „Arbeiterschutzmaßnahmen“ notwendig, um Missstände zu beseitigen. Neben staatlichen Maßnahmen komme den Gewerkschaften große Verdienste „zur Verbesserung der Lage der Arbeiter“ zu. Obwohl monopolartige Organisationen, seien die Gewerkschaften „freilich durch monopolistische Übergewichte der Unternehmer auf den Plan gerufen“ worden.<ref>Walter Eucken: ''Grundsätze der Wirtschaftspolitik''. Rowohlt, Reinbek 1965, S. 185.</ref>
Was als „Naturrecht“ bezeichnet wird, ist notwendigerweise inhaltlich unbestimmt. Denn man kann aus der „Natur“ des Menschen, aus angeblichen Ur- oder Idealzuständen der menschlichen Gesellschaft als „Recht“ nur das herauslesen, was man zuvor in sie hineingetragen hat.<ref>Helmut Thielicke: Theologische Ethik, 1. Band, Tübingen (1956), S. 657</ref> Die protestantischen Naturrechtsphilosophen [[Wikipedia:Hugo Grotius|Hugo Grotius]], [[Wikipedia:Samuel Pufendorf|Samuel Pufendorf]] und John  Locke entgingen dem Dilemma der inhaltlichen Unbestimmtheit des Naturrechts, indem sie es mit der biblischen Offenbarung gleichsetzten, da beide ihrer Ansicht nach auf denselben Urheber, Gott, zurückgingen.<ref>H. Hohlwein: ''Pufendorf, Samuel Freiherr von''. In: ''Die Religion in Geschichte und Gegenwart'', Band V, Spalte 721. – Jeremy Waldron: ''God, Locke, and Equality: Christian Foundations in Locke’s Political Thought''. Cambridge University Press, Cambridge 2002, S. 208</ref> Locke war zeitlebens fest in einem calvinistisch gefärbten Protestantismus verwurzelt.<ref>Jeremy Waldron: ''God, Locke, and Equality: Christian Foundations in Locke’s Political Thought''. Cambridge University Press, Cambridge (2002), S. 13</ref> Er nimmt in allen seinen Schriften, die sich mit politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Fragen beschäftigen, ständig Bezug auf das [[Wikipedia:Altes Testament|Alte Testament]] und [[Wikipedia:Neues Testament|Neue Testament]]. Insbesondere aus der [[Wikipedia:Schöpfungsgeschcihte|Schöpfungsgeschichte]] (1. Mose 1 und 2), dem [[Wikipedia:Zehn Gebote|Dekalog]] (Zehn Gebote, 2. Mose 20), dem Verhalten und der Lehre Jesu (Barmherziger Samariter {{Bibel|Lukas|10|30-37}}, Liebesgebot {{Bibel|Matthäus|5,44}}; {{Bibel|Matthäus|19,19}}, [[Goldene Regel]] {{Bibel|Matthäus|7, 12}} u.&nbsp;a.) und den Ermahnungen der Briefe des Apostels [[Paulus von Tarsus]] leitete er entscheidende Punkte seiner politischen Theorie ab. Natur ist von Gott geschaffene Wirklichkeit. „Was den Inhalt des Naturrechts angeht, so ist Locke fest davon überzeugt, dass Gottes Gebote notwendigerweise vernunftgemäß sind: Gott gab dem  Menschen die Vernunft, und‚ mit ihr ein Gesetz, das nichts anderes enthalten konnte, als was die Vernunft vorschrieb.‘“ (“As for the content of natural law, Locke insists that God’s commands are necessarily reasonable: God gave man reason, and ‘with it a law: that could not be otherwise than what reason should dictate’.”)<ref>Jeremy Waldron: ''God, Locke, and Equality: Christian Foundations in Locke’s Political Thought''. Cambridge University Press, Cambridge (2002), S. 97, 41ff, 101, 155, 181, 192, 194, 196, 207f, 215, 217, 230</ref> Der Dekalog stellt unter anderem Leben, Eigentum und guten Ruf des Menschen, also seine Ehre und Würde, unter göttlichen Schutz. Der Vorspruch {{Bibel|Ex|20,2}} weist auf die Befreiung des Volkes Israel aus ägyptischer Sklaverei hin. Gottes Befreiungstat geht den Forderungen voraus und begründet sie.<ref>Vgl. Martin Noth: ''Das zweite Buch Mose. Exodus''. Göttingen (1959), S. 130</ref> Das Recht auf Leben, Freiheit, Würde und Eigentum – damit sind zentrale naturrechtliche Begriffe nicht nur des politischen Denkens Lockes, sondern auch anderer Aufklärungsphilosophen benannt und mit biblischem Gehalt gefüllt.


Das Recht ergibt sich für Locke zwingend aus seinem Verständnis der Naturrechte. Freiheit, Gleichheit und Unverletzlichkeit von Person und [[Eigentum]] erklärt er zu den höchsten [[Rechtsgut|Rechtsgütern]]. Er geht dabei von dem Gedanken aus, dass das höchste Ziel und Zweck des Menschen das Leben ist. Locke begründet dies noch explizit damit, dass der Mensch durch Gott geschaffen sei:
== Werke ==
* ''Die Verbandsbildung in der Seeschiffahrt'' (= ''Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen''. Heft 172). Altenburg S.-A. 1914, {{DNB|570150450}} (Dissertation Universität Bonn 1914, 118 Seiten).
* ''Die Stickstoffversorgung der Welt: Eine volkswirtschaftliche Untersuchung'', Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1921, (Habilitationsschrift Universität Berlin 1921, 158 Seiten).
* ''Staatliche Strukturwandlungen und die Krisis des Kapitalismus'', in: ''Weltwirtschaftliches Archiv'' 36 (1932), 297-321.
* ''Kapitaltheoretische Untersuchungen''. Fischer, Jena 1935, 2. Auflage Mohr, Tübingen 1954.
* ''Die Überwindung des Historismus'', in: ''Schmollers Jahrbuch'' 63 (1938), 63-86.
* ''Die Grundlagen der Nationalökonomie''. Jena 1939 u.ö.
* ''Nationalökonomie – Wozu?'' Bad Godesberg 1947 (zuerst als Beitrag, 1938); 5., um ein Nachwort von Walter Oswalt erweiterte Auflage, Klett-Cotta / Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2005, ISBN 3-608-94131-2 / ISBN 978-3-7910-3008-1 (Schäffer-Poeschel).
* ''Die Wettbewerbsordnung und ihre Verwirklichung'', in: ''Ordo'' 2 (1949), 1-99.
* ''Unser Zeitalter der Mißerfolge. Fünf Vorträge zur Wirtschaftspolitik''. Mohr, Tübingen 1951, wieder unter dem Titel: ''Wirtschaftsmacht und Wirtschaftsordnung''. Londoner Vorträge zur Wirtschaftspolitik und zwei Beiträge zur Antimonopolpolitik. Mit einem Nachwort von [Euckens Enkel] Walter Oswalt. Lit, Münster 2001, 2. Auflage 2009.
* ''Grundsätze der Wirtschaftspolitik''. Hrsg. von Edith Eucken-Erdsiek und Karl Paul Hensel. Mit einem Nachwort von Edgar Salin. Francke, Bern und Mohr, Tübingen 1952 u.ö.


{{Zitat-en|''…by his [God’s] order and about his business, they are his property whose workmanship they are, made to last during his, not one another’s pleasure: … [human being] has no liberty to destroy himself, or so much as any creature in his possession, yet when some nobler use than its bare possession calls for it.''|Übersetzung=Sie sind sein Eigentum, denn sie sind sein Werk, von ihm geschaffen, dass sie so lange bestehen wie es ihm gefällt, nicht aber wie es ihnen untereinander gefällt. … [Der Mensch] hat nicht die Freiheit, sich selbst oder irgendein ihm unterworfenes Lebewesen zu zerstören, es sei denn, ein edlerer Zweck als bloße Erhaltung fordere es.|Two Treatises of Government, II. ii. 5}}
== Herausgeber ==
 
* mit Franz Böhm und Hans Großmann-Doerth: ''Ordnung der Wirtschaft.'' (Einzelpublikationen) 1937 ff.
Aber er stellt auch fest, dass Gottes Wille durch reines Nachdenken und Weltbeobachtung erkennbar ist (vgl. [[Natürliche Theologie]]). Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass die Argumentation auch ohne Gott funktioniert. Dieser Umkehrschluss lässt aber außer Acht, dass der Verweis auf den biblischen Gott von Locke bewusst gesetzt wurde. Lockes Gedankengänge lassen sich nicht von ihrer Verankerung im biblischen Denken ablösen.<ref>Jeremy Waldron: ''God, Locke, and Equality: Christian Foundations in Locke’s Political Thought''. Cambridge University Press, Cambridge (2002), p. 6</ref> Denn damit werden die Rechte inhaltlich definiert. Um das Überleben zu sichern, sind die Rechte auf Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum ''(Life, Health, Liberty, Property)'' notwendig.
* mit Franz Böhm: ''ORDO. Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft'', Bd. 1.   Godesberg 1948, bis heute fortgeführt.
 
Im Gegensatz zur Konzeption [[Thomas Hobbes]]' sind die Naturrechte bei Locke durch die Rechte anderer begrenzt. Während bei Hobbes im Prinzip jeder ein Recht auf Alles hat, werden die Rechte auf Freiheit und Eigentum bei Locke durch die Freiheits- und Eigentumsrechte anderer eingeschränkt. Niemand soll einem anderen an seinem Leben, seiner Gesundheit, seiner Freiheit oder seinem Besitz Schaden zufügen: “No one ought to harm another in his Life, Health, Liberty, or Possessions” (II, 6; 9–10). Aus dieser Einschränkung leitet er selbst Rechte ab, diejenigen zu bestrafen und Ausgleich gegenüber denen zu fordern, die sie verletzten. Während Hobbes von individuellen Rechten ausgeht, ist Lockes ''Law of Nature'' überindividuell angesiedelt: “the state of nature has a law of nature to govern it, which obliges every one” (II, 6, II, 6–7), deutsch: „Im Naturzustand herrscht ein natürliches Gesetz, das für alle verbindlich ist.“ Damit greift er auf ältere naturrechtliche Konzeptionen zurück.
 
==== Leben ====
Locke begründet als erstes das Recht eines Menschen, die Annehmlichkeiten des Lebens zu genießen und zu erhalten: “to subsist and enjoy the conveniences of life” (I 97, II, 2–3). Wichtig ist hier, dass dieses Recht nicht nur die reine Selbsterhaltung einschließt, sondern auch die Freude am eigenen Leben. Folgend seiner Konzeption der Naturrechte und des daraus resultierenden Naturzustandes bedeutet es auch, dass das Leben der Menschen bereits im Naturzustand gesichert ist. Anders als bei Hobbes kann die Aufgabe der Regierung nicht nur sein, das Leben der Menschen zu schützen.
 
==== Gleichheit ====
 
Es ist bezeichnend für Lockes Denken, dass er die Gleichheit der Menschen, einschließlich der Gleichheit von Mann und Frau, nicht aus philosophischen Prämissen herleitet, sondern aus der Bibel {{Bibel|Gen|1|27}}, der Grundlage der theologischen [[Gottebenbildlichkeit|Imago-Dei]]-Lehre. Gleichheit ist für Locke die Voraussetzung dafür, dass eine Regierung Macht nur mit Einverständnis der Regierten ausüben darf.<ref>Jeremy Waldron, ''God, Locke, and Equality: Christian Foundations in Locke’s Political Thought''. Cambridge University Press, Cambridge (2002), pp. 21-43</ref> Insofern ist sie auch Voraussetzung von Freiheit und die unabdingbare Grundlage jeder rechtsstaatlichen Demokratie.
 
==== Freiheit ====
Die zweite Abhandlung beginnt mit dem Recht auf Freiheit:
{{Zitat-en|''Freedom to order their Actions, and dispose of their Possessions and Persons as they think fit, within the bounds of the Law of Nature, without asking leave, or depending upon the Will of any other man.''|Übersetzung=[Der Naturzustand] ist ein Zustand vollkommener Freiheit, innerhalb der Grenzen des Naturgesetzes seine Handlungen zu lenken und über seinen Besitz und seine Person zu verfügen, wie es einem am besten scheint – ohne jemandes Erlaubnis einzuholen und ohne von dem Willen eines anderen abhängig zu sein.|II, § 4|ref=<ref>[[s:en:Two Treatises of Government/The Second Treatise of Government: An Essay Concerning the True Origin, Extent, and End of Civil Government#Chap. II. Of the State of Nature.|Originaltext online]] auf wikisource</ref>}}
Locke definiert aber auch eine legitime totale Einschränkung der Freiheit: [[Sklaverei]]. Menschen können andere Menschen in dem Moment legitim versklaven, in dem letztere einen ungerechten Krieg beginnen und verlieren. Der Sieger hat, um den Krieg zu beenden, in diesem Moment nur die Wahl, seinen Gegner entweder zu töten oder zu versklaven. Bietet aber der Verlierer als Akt der Reue eine angemessene Wiedergutmachung für das von ihm verschuldete Unrecht an, so muss der Sieger der Vernunft des Naturgesetzes folgen und den Kriegszustand beenden. Beide Parteien verfügen nun wieder über die absolute Freiheit, die dem Naturzustand innewohnt.
 
Der Historiker [[David Brion Davis]] sieht in Locke den letzten großen Philosophen, der die absolute und immerwährende Sklaverei zu rechtfertigen versucht.<ref>Domenico Losurdo: ''Freiheit als Privileg – Eine Gegengeschichte des Liberalismus'', Papyrossa, 2010, S. 12.</ref>
 
==== Eigentum ====
===== Arbeitstheorie: Aneignung der Natur =====
Die Argumentation Lockes zum Eigentum verläuft zweistufig. In der ersten Stufe, der Arbeitstheorie, begründet er, wie Menschen überhaupt rechtmäßig Privateigentum erwerben können. Im ersten Schritt widerspricht er der [[Absolutismus|absolutistischen]] These, die nur dem König legitime Eigentumsrechte zubilligt. Sie lautet, dass die Welt [[Adam und Eva|Adam]], [[Noach]] und dann ihren Nachfahren, den Königen gegeben worden sei, um über sie zu herrschen. Nach Locke gab Gott die Natur allen Menschen gemeinsam (siehe [[1. Mose]]), begründungsbedürftig ist vielmehr, dass Einzelne sich Privateigentum aneignen können und damit den anderen Menschen Zugriff auf diesen Teil der Natur verwehren.
 
Das Eigentum rechtfertige sich aus dem [[Selbsterhaltungsrecht]]: Der Mensch sei folgend dem Freiheits- und Selbstbestimmungsrecht nicht nur Eigentümer seiner selbst und damit seiner [[Arbeit (Philosophie)|Arbeit]], sondern auch berechtigt, der Natur ein angemessenes Stück zu entnehmen, um sich selbst zu erhalten.
{{Zitat-en|''natural reason … tells us, that Men, being once born, have a right to their Preservation, and consequently to Meat and Drink, and such other things, as Nature affords for their subsistence''|Übersetzung=die natürliche Vernunft … sagt, dass die Menschen, nachdem sie einmal geboren sind, ein Recht haben auf ihre Erhaltung und somit auf Speise und Trank und alle anderen Dinge, die die Natur für ihren Unterhalt hervorbringt.|II, § 25 ([[s:en:Two Treatises of Government/The Second Treatise of Government: An Essay Concerning the True Origin, Extent, and End of Civil Government#Chap. V. Of Property.|online]])}}
 
Durch die Vermischung der Natur, die noch allen gehört, mit der eigenen Arbeit, die dem Individuum selbst gehört, ist der Mensch zur [[Aneignung (Philosophie)|Aneignung]] dieses Teils der Natur berechtigt. Er selbst gibt als Beispiel die Aneignung eines vom Baum gefallenen Stückes Obst: Es gehört dem, der es aufgehoben hat, weil er es durch das Aufheben mit seiner Arbeit vermischt hat:
 
{{Zitat-en|''The labour that was mine, removing them out of that common state they were in, hath fixed my Property in them.''|Übersetzung=Meine Arbeit, die sie dem gemeinen Zustand, in dem sie sich befanden, enthoben hat, hat mein Eigentum an ihnen bestimmt.|II, § 28 ([[s:en:Two Treatises of Government/The Second Treatise of Government: An Essay Concerning the True Origin, Extent, and End of Civil Government#Chap. V. Of Property.|online]])}}
 
An dieser Stelle der Argumentation greift Locke auf ältere Theoretiker des Privateigentums wie [[Hugo Grotius]] oder [[Samuel von Pufendorf]] zurück. Das Eigentum ist bei Locke zunächst durch mehrere Einschränkungen begrenzt: Man darf der Natur nicht mehr entnehmen, als man selbst verbrauchen kann. Andere Menschen müssen ebenfalls genug von der gemeinsam gegebenen Natur zurückbehalten, um selbst überleben zu können.
 
Vor allem der erstgenannte Punkt ist seines Erachtens wichtig. Es ist verboten, sich Früchte der Natur anzueignen und sie dann, im ursprünglichen Sinn des Wortes, verderben zu lassen:
{{Zitat-en|''As much as any one can make use of to any advantage of life before it spoils, so much he may by his labour fix a Property in: Whatever is beyond this, is more than his share, and belongs to others. Nothing was made by God for Man to spoil or destroy.''|Übersetzung=So viel, als ein jeder zu irgendwelchem Vorteil für sein Leben nutzen kann, bevor es verdirbt, darf er sich zu seinem Eigentum machen. Was darüber hinausgeht, ist mehr als ihm zusteht, und gehört den anderen. Nichts wurde von Gott geschaffen, um zerstört zu werden.|II, § 31 ([[s:en:Two Treatises of Government/The Second Treatise of Government: An Essay Concerning the True Origin, Extent, and End of Civil Government#Chap. V. Of Property.|online]])}}
 
===== Geldtheorie: Ansammlung von Eigentum =====
In der zweiten Stufe, seiner Geldtheorie, legt er dar, wie die ursprüngliche, auf [[Subsistenz]] beruhende Eigentumsordnung rechtmäßig in eine [[Kapitalismus|kapitalistisch]] geprägte Eigentumsordnung übergehen kann: Es ist erlaubt, verderbliche Gaben der Natur gegen weniger verderbliche einzutauschen, also beispielsweise Äpfel gegen Nüsse. Man darf mehr Nüsse besitzen, als man aktuell braucht, solange diese nicht verderben. Über diesen Zwischenschritt erlaubt er, Naturprodukte, die man sich angeeignet hat, gegen Geld, das heißt Gold oder Silber zu tauschen:
{{Zitat-en|''if he would give his nuts for a piece of metal, pleased with its color, or exchange his sheep for shells, or wool for a sparkling pebble or diamond, and keep those by him all his life, he invaded not the right of others, he might heap up as much of the durable things as he pleased; the exceeding of the bounds of his property not lying in the largeness of his possessions, but the perishing of any thing uselessly in it.''|Übersetzung=Gab er dann auch Nüsse für ein Stück Metall, dessen Farbe ihm gefiel, tauschte er seine Schafe gegen Muscheln ein oder Wolle gegen einen funkelnden Kiesel oder Diamanten, um sie sein ganzes Leben bei sich zu tragen zu können, so griff er nicht in die Rechte anderer ein, mochte er von diesen beständigen Dingen auch so viel anhäufen wie er wollte. Er überschritt die Grenzen rechtmäßigen Eigentums nicht durch Vergrößerung seines Besitzes, sondern dann, wenn irgend etwas ungenutzt umkam.|II, § 46 ([[s:en:Two Treatises of Government/The Second Treatise of Government: An Essay Concerning the True Origin, Extent, and End of Civil Government#Chap. V. Of Property.|online]])}}
 
Dies allerdings ist bei Locke kein Recht im eigentlichen Sinn, sondern entsteht durch menschliche Übereinkunft und Akzeptanz. Da Geld nicht verdirbt, darf man sich davon so viel aneignen, wie man will und kann. Damit umgeht Locke die im älteren Naturrecht entwickelte und aufrechterhaltene Schranke für das private Eigentum, ohne sie zu verletzen. Die naturrechtliche Beschränkung, dass nichts verderben darf, bleibt formal anerkannt, faktisch darf man sich aber „unendlichen“ Reichtum aufhäufen, da Geld nicht verdirbt.
 
==== Gesellschaftsvertrag und Regierung ====
Da Menschen Eigentumswerte ansammeln, nehmen auch die Ungleichheiten in der Gesellschaft zu. Im ersten Stadium sind Menschen an das gebunden, was sie persönlich produzieren und konsumieren können, die Eigentumsverhältnisse werden relativ gleich bleiben. In der fortgeschrittenen Geldwirtschaft werden die Eigentumsunterschiede beträchtlich, was zu Neid, Streitereien und häufigeren Verstößen gegen das Naturrecht führt. In der Theorie kann jeder jemanden bestrafen, der gegen das natürliche Recht verstößt. In der Praxis wird es jedoch meist das Opfer sein, das die Strafe vollstreckt. Da die Strafe aber im Verhältnis zur Tat stehen sollte und das Opfer oft die Schwere des Vergehens überschätzt, kann es hier häufig zu Überreaktionen kommen. Durch übertriebene Strafen und darauf folgende Vergeltung kommt es zu Auseinandersetzungen bis hin zum Krieg. Laut Locke schließen sich die Menschen in diesem Moment zusammen, um den Vorgang abzubrechen und die eigenen Eigentumsrechte zu beschützen.
 
Locke baut auf die von [[Thomas Hobbes]] aufgebrachte Theorie vom [[Vertragstheorie|Gesellschaftsvertrag]] auf, wonach die Beziehung zwischen Volk und Regierung als Verhältnis einer freien bürgerlichen Eigentümergesellschaft verstanden wird. Dabei weitet er das [[Widerstandsrecht]] gegen die Regierung erheblich aus. Anders als bei Hobbes können Menschen bei Locke ihre Rechte, auch das auf Leben, ganz verwirken durch eine Tat ''that deserves Death'' (die den Tod verdient) (II, 23, I, 10).
 
Ausgehend von der Entwicklung des Gesellschaftsvertrages entwickelt Locke Maßstäbe, nach denen sich die Legitimität einer Regierung entscheiden lässt: Legitim sind Regierungen, welche die natürlich gegebenen Rechte des Menschen beschützen; illegitim diejenigen, die sie verletzen. Da eine illegitime Regierung danach keine Existenzberechtigung hat, ist es wiederum rechtmäßig, gegen eine solche Regierung zu rebellieren.
 
==== Gewaltenteilung ====
Noch vor [[Charles de Secondat, Baron de Montesquieu|Charles de Montesquieu]] entwickelt Locke innerhalb der zweiten Abhandlung über die Regierung (und zwar im 12. bis 14. Kapitel) eine Theorie der [[Gewaltenteilung]]. Er sieht zwei bereits im Naturzustand dem Einzelnen zugeschriebene, durch den Gesellschaftsvertrag aber abgegebene Gewalten, und zwar die [[Exekutive]] und die [[Föderative]]. Im Staat kommen die [[Legislative]] und die [[Prärogative]] hinzu. Unter Föderative versteht Locke die Gewalt, die Entscheidungen über Bündnisse und damit über Krieg und Frieden trifft, unter Prärogative eine der Exekutive zugeordnete Gewalt, die auch außerhalb des Gesetzes nach eigener Entscheidung für das öffentliche Wohl handelt.
 
==== Entstehung und Rezeption der Zwei Abhandlungen ====
Zwar hatte Locke den ''[[Leviathan (Thomas Hobbes)|Leviathan]]'' Thomas Hobbes' wahrscheinlich gelesen – es lassen sich in den ''Zwei Abhandlungen'' implizite Hinweise darauf finden –, vor allem aber war sein Buch als Erwiderung auf [[Robert Filmer]]s ''Patriarcha, or the Natural Power of Kings'' konzipiert. Da die ersten Auflagen zahlreiche Druckfehler enthalten, die von Locke angemahnt wurden, ist es schwer, von einer Originalversion auszugehen. Allgemein wird heute die 4. Auflage als autorisierte Version angesehen.
 
Lockes [[Staatstheorie]] hat die [[Amerikanische Unabhängigkeitserklärung]] 1776, den [[Französische Verfassung (1791)|französischen Verfassungsentwurf von 1791]] sowie die gesamte Entwicklung des bürgerlich-liberalen Verfassungsstaates bis in die Gegenwart maßgeblich beeinflusst. Die Einleitung der Unabhängigkeitserklärung baut direkt auf Locke auf:
 
{{Zitat-en|''We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness. – That to secure these rights, Governments are instituted among Men, deriving their just powers from the consent of the governed, – That whenever any Form of Government becomes destructive of these ends, it is the Right of the People to alter or to abolish it''|Übersetzung=Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit. Dass zur Versicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingeführt worden sind, welche ihre gerechte Gewalt von der Einwilligung der Regierten herleiten; dass sobald eine Regierungsform diesen Endzwecken verderblich wird, es das Recht des Volkes ist, sie zu verändern oder abzuschaffen, und eine neue Regierung einzusetzen}}
 
Wie Locke leitet die Unabhängigkeitserklärung die allgemeinen Menschen- und demokratischen Bürgerrechte aus dem biblischen Schöpfungsglauben ab. Sie sind theonomes, d.&nbsp;h. Gottesrecht betreffendes Gedankengut.<ref>W.Wertenbruch: ''Menschenrechte''. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Band IV, Spalte 869</ref> Die Trias ''Life, Liberty and the pursuit of happiness'' ist eine literarisch adaptierte Version von Lockes Naturrechten auf ''Life, Health, Liberty and Property'', wobei in den ersten Entwürfen ''Property'' auch wörtlich im Text stand und Thomas Jefferson es erst später durch das weniger eindeutige ''Pursuit of Happiness'' ersetzte.
 
Neben den revolutionären Politikern der damaligen Zeit beeinflusste Locke aber auch die Entwicklung der [[Politische Theorie|politischen Theorie]] maßgeblich: die von ihm zugrunde gelegten Naturrechte sind bis heute Kernbestand des [[Liberalismus]]. Ebenso lassen sich mit seinen Abhandlungen sämtliche Konzeptionen des Minimalstaats begründen, die Eingriffe der Regierung in das Leben der Menschen nur zu eng definierten Zwecken zulassen.
 
Die akademische Diskussion um seine Staatstheorie beeinflussten besonders [[Leo Strauss]] (1953) und [[C. B. Macpherson]] (1962). Für Strauss und seine Anhänger hat Lockes Theorie große Ähnlichkeiten mit der Thomas Hobbes. Locke habe lediglich seine Ansätze für die damalige Zeit sozial akzeptabler formuliert. Macpherson legt eine [[Marxismus|marxistisch]] geprägte Interpretation vor, die Locke als Apologeten des Kapitalismus sieht. Beide monieren, Lockes Werk legitimiere die unbegrenzte Eigentumsanhäufung des sich abzeichnenden Kapitalismus. Die Einschränkungen, die er macht, seien nur oberflächlich und letztlich bedeutungslos.
 
Andere wie [[James Tully (Politikwissenschaftler)|James Tully]] interpretieren das Werk fast gegenteilig: Demnach machten das Geld und die damit verbundene Anhäufung von Reichtum sowie die darauf beruhenden Ungleichheiten die Loslösung aus dem Naturzustand notwendig. Die Einführung einer Staatsgewalt auf der Grundlage eines Gesellschaftsvertrags verhinderte den Niedergang der Menschheit.
 
Während Locke in seiner Arbeit mit Hilfe der Geldtheorie die Verschwendungseinschränkung des Eigentums aushebelt, geht er darauf, dass jedem Menschen genug zum Überleben bleiben muss, nur knapp ein. Zu Lockes Zeiten handelte es sich dabei um kein gravierendes Problem, da mit dem neu entdeckten Amerika scheinbar unbegrenzte natürliche Schätze zur Verfügung standen. Heute, nachdem es kein Land mehr auf der Erde gibt, das nicht von jemand beansprucht wird, beschäftigt sich ein großer Teil der wissenschaftlichen Diskussion damit, wie diese Begrenzung der Ressourcen zu interpretieren ist und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|John Locke}}
 
== Werke und Ausgaben ==
=== Werke (Auswahl) ===
* ''Epistola de tolerantia (A Letter Concerning Toleration)'', 1689 ''(Brief über die Toleranz)''
* ''An Essay Concerning Humane Understanding'', 1690 ''(Ein Versuch über den menschlichen Verstand)''
* ''The Second Treatise of Civil Government'', 1690 ''([[Wikipedia:Zwei Abhandlungen über die Regierung|Zweite Abhandlung über die Regierung]])''
* ''Some Considerations of the Consequences of the Lowering of Interest, an the Raising of the Value of Money'', 1692, 5. Aufl. 1705
* ''Some Thoughts Concerning Education'', 1693 ''(Gedanken über Erziehung)''
* ''The Reasonableness of Christianity as Deliver’d in the Scriptures'', 1695
* ''Of the Conduct of the Understanding'', 1706
 
=== Werkausgabe ===
mit einer Reihe nachgelassener Manuskripte:
* ''The Works'', I–III, London 1704, I–X, 11. Aufl. 1812, (new ed. corrected) 1823 (Nachdruck Aalen 1963)
 
=== Deutsche Textausgaben ===
* ''A Letter concerning Toleration''
** ''Ein Brief über Toleranz'' (englisch-deutsch), übersetzt, eingeleitet und in Anmerkungen erläutert von Julius Ebbinghaus, Meiner, Hamburg 1996, ISBN 978-3-7873-1143-9.
* ''An Essay concerning Humane Understanding''
** ''Versuch über den menschlichen Verstand'' in vier Büchern, Bd. 1., Buch I und II, 5. Auflage, Meiner, Hamburg 2000, ISBN 978-3-7873-1555-0, Bd. 2., Buch III und IV, 3. Auflage, Meiner, Hamburg 1988. ISBN 978-3-7873-0931-3.
* ''The Second Treatise of Civil Government''
** ''Über die Regierung'' (The second treatise of government), übersetzt von Dorothee Tidow. Mit einem Nachwort hrsg. von Peter Cornelius Mayer-Tasch, Reclam, Stuttgart 1974, ISBN 3-15-009691-X.
** ''Zwei Abhandlungen über die Regierung'', übersetzt von Hans Jörn Hoffmann, hrsg. und eingeleitet von Walter Euchner, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-518-27813-4.
* ''Some Thoughts Concerning Education''
** ''Gedanken über Erziehung'', übersetzt, Anmerkungen und Nachwort von Heinz Wohlers, Reclam, Stuttgart 1990, ISBN 3-15-006147-4.
* ''Of the Conduct of the Understanding''
** ''Die Leitung des Verstandes'', übersetzt von Jürgen Bona Meyer, Hrsg. von Klaus H. Fischer, Wissenschaftlicher Verlag, Schutterwald, 1999, ISBN 978-3-928640-61-9.
** ''Über den richtigen Gebrauch des Verstandes'', übersetzt von Otto Martin, Meiner, Leipzig 1920; unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1920, Meiner, Hamburg 1978, ISBN 3-7873-0434-7.


== Literatur ==
== Literatur ==
* Peter R. Anstey (Hrsg.): ''The philosophy of John Locke. New perspectives''. Routledge, London 2003, ISBN 0-415-31446-1
* Franz Böhm: ''Die Idee des Ordo im Denken Walter Euckens'', in: ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Band 3, 1950, S. XV-LXVI.  
* Michael R. Ayers: ''Locke. Epistemology & Ontology''. Routledge, London 1991, ISBN 0-415-10030-5
* Lüder Gerken (Hrsg.): ''Walter Eucken und sein Werk. Rückblick auf den Vordenker der sozialen Marktwirtschaft'' (= ''Untersuchungen zur Ordnungstheorie und Ordnungspolitik'', Band 41). Mohr Siebeck, Tübingen 2000, ISBN 3-16-147503-8.
* Manfred Brocker: ''Die Grundlegung des liberalen Verfassungsstaates. Von den Levellern zu John Locke''. Alber, Freiburg im Breisgau / München 1995, ISBN 3-495-47807-8 (Dissertation Universität Köln, 1993, 327 Seiten, 21 cm).
* {{NDB|4|672|673|Eucken, Walter|Fritz W. Meyer|118682563}}
* Walter Euchner: ''Naturrecht und Politik bei John Locke''. Suhrkamp Taschenbücher Wissenschaft 280, Frankfurt am Main 1979, ISBN 3-518-07880-1 (Frankfurt am Main 1967; Dissertation Universität Frankfurt am Main 31. Mai 1967, 308 Seiten, 8 / Buchhandel: Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main, 1969, VIII, 316 Seiten
* Walter Oswalt: ''Liberale Opposition gegen den NS-Staat. Zur Entwicklung von Walter Euckens Sozialtheorie'', in: Nils Goldschmidt (Hrsg.): ''Wirtschaft, Politik und Freiheit. Freiburger Wirtschaftswissenschaftler und der Widerstand'' (= ''Untersuchungen zur Ordnungstheorie und Ordnungspolitik'', Band 48), Mohr Siebeck, Tübingen 2005, S. 315–353, ISBN 978-3-16-148520-6.
* Walter Euchner: ''John Locke zur Einführung''. 3., ergänzte Auflage. Junius, Hamburg 2011, ISBN 978-3-88506-600-2.
* Sebastian Sigler: ''Denken und Handeln für Wahrheit und Freiheit – das Lebenswerk Walter Euckens'', in: ders. (Hrsg.): ''Corpsstudenten im Widerstand gegen Hitler''. Duncker & Humblot, Berlin 2014. ISBN 978-3-428-14319-1, S. 249–265.
* Francesca Falk: ''Postkoloniale Perspektiven auf die politische Philosophie. Thomas Hobbes' horror vacui und John Lockes leeres Land'' (= ''Tierische (Ge)Fährten. Historische Anthropologie'', 2011. 19, 2 Seiten, 292–310; = ''Eine gestische Geschichte der Grenze. Wie der Liberalismus an der Grenze an seine Grenzen kommt'', Fink, Paderborn 2011 (17. August 2011), ISBN 978-3-7705-5202-3 (Dissertation [2009], 192 Seiten, 22 cm)).
* Eduard Fechtner: ''John Locke’s „Gedanken über Erziehung“'', Wissenschaftlicher Verlag, Schutterwald/Baden 2003, ISBN 978-3-928640-43-5.
* Susanne Held: ''Eigentum und Herrschaft bei John Locke und Immanuel Kant: ein ideengeschichtlicher Vergleich'' (= ''Politica et ars,'' Band 10), Lit, Berlin / Münster 2006, ISBN 978-3-8258-9611-9 (Dissertation Universität Halle 2006, 310 Seiten, 24 cm).
* Franz-Josef Illhardt: ''Locke, John.'' In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 860.
* Crawford B. Macpherson: ''Die politische Theorie des Besitzindividualismus. Von Hobbes zu Locke''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-518-27641-7.
* Leo Strauss: ''Naturrecht und Geschichte''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-518-27816-9.
* Udo Thiel: ''John Locke, mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten'', Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1990, ISBN 3-499-50450-2.
* James Tully: ''A discourse on property. John Locke and his adversaries''. Cambridge University Press, Cambridge 1982, ISBN 0-521-22830-1.
* Jeremy Waldron: ''God, Locke, and Equality. Christian foundations of John Locke’s political thought''. Cambridge University Press, Cambridge 2002, ISBN 0-521-89057-8.
* Roger Woolhouse: ''Locke: A Biography'',  Cambridge University Press, Cambridge [u.&nbsp;a.] 2009, ISBN 978-0-521-74880-3.
* Michael P. Zuckert: ''Launching liberalism. On Lockean political philosophy''. University Press of Kansas, Lawrence, Kansas 2002, ISBN 0-7006-1174-6
* ''Locke Studies. An annual journal of Locke research''. Lancaster University, Esrick, York 1. Jg. (2002) ff. [Vorgänger: ''The Locke newsletter'']
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/philosophie_locke.pdf John Locke: Leben und Werk] PDF


== Weblinks ==
== Weblinks ==
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{{Wikisource|en:Author:John Locke|John Locke (englisch)}}
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* [http://www.eucken.org/ Walter-Eucken-Archiv in Frankfurt/M.]
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* [http://www.eucken.de/ Walter-Eucken-Institut in Freiburg]
* [http://www.libraries.psu.edu/tas/locke/index.html#toc Bibliografie zu John Locke mit etwa 9.000 Titeln] (englisch)
* [http://www.ordnungspolitisches-portal.com/04_03_Eucken.htm Walter Eucken im Ordnungspolitischen Portal]
* [http://www.lonang.com/exlibris/locke/ ''Two Treatises of Government'']
* Heinz Grossekettler: [http://miami.uni-muenster.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-1450/DB347.pdf ''Walter Eucken''] (PDF; 195&nbsp;kB)
* [http://www.geist-oder-materie.de/Philosophie/englische_Phil_/Locke/locke.html Eintrag] in Geist oder Materie
* [http://oll.libertyfund.org/index.php?option=com_staticxt&staticfile=show.php&title=1725 The Works of John Locke in Nine Volumes (1824)] (engl. Primärtexte)
* {{Webarchiv|url=http://www.cne.org/pub_pdf/monatsmag/2004_11_00_monatsmag.pdf|wayback=20070928151834|text=Artikel im CNE-Monatsmagazin}} (PDF-Datei; 627 kB)
* [http://jobo72.wordpress.com/2013/03/08/john-locke-eine-einfuhrung-zu-leben-und-werk/ John Locke. Eine Einführung zu Leben und Werk] von Dr. J. Bordat (PDF)
* [http://www-neu.uni-trier.de/index.php?id=16424 Rechtshistorischer Podcast, Folge 8]
* [http://www.digitallockeproject.nl/ Digital Locke Project], Texte von John Locke
* „Zwei Abhandlungen über Regierung“ [http://www.welcker-online.de/Links/link_962.html online]
* Jürgen Court: [http://www.philosophie-woerterbuch.de/online-woerterbuch/?tx_gbwbphilosophie_main%5Bentry%5D=31&tx_gbwbphilosophie_main%5Baction%5D=show&tx_gbwbphilosophie_main%5Bcontroller%5D=Lexicon&no_cache=1 Artikel „John Locke“] im UTB-Online-Wörterbuch Philosophie


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Version vom 20. Juli 2018, 10:22 Uhr

Walter Eucken

Walter Eucken (* 17. Januar 1891 in Jena; † 20. März 1950 in London) war ein deutscher Ökonom. Er war Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft und begründete die Freiburger Schule des Ordoliberalismus.

Leben

Die Villa der Familie Eucken in Jena
Grab in Freiburg-Günterstal

Walter Eucken wuchs in Jena im Haus seiner Eltern, des Philosophen und Literaturnobelpreisträgers Rudolf Eucken und der Malerin Irene Eucken auf. Ein Bruder war der Physikochemiker Arnold Eucken.

An der Wikipedia:Christian-Albrechts-Universität zu KielChristian-Albrechts-Universität zu Kiel, der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Universität Jena studierte Eucken Geschichte, Staatswissenschaft, Nationalökonomie und Rechtswissenschaft. Ab 1910 war er Mitglied des Corps Saxonia Kiel.[1] Sein Studium schloss er 1913 mit einer Dissertation bei Hermann Schumacher (1868–1952) ab. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er Schumachers Assistent an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. Gleichzeitig war er als Redaktionssekretär von Schmollers Jahrbuch tätig. 1920 heiratete er Edith Erdsiek. Ihr Vater stammte aus Westfalen, ihre Mutter war assimilierte Jüdin; in Smolensk geboren, wuchs sie in Berlin auf und wurde nach ihrer Heirat Schriftstellerin.

1921 habilitierte er sich in Berlin.[2] Bis 1925 Privatdozent, folgte er 1925 dem Ruf der Eberhard Karls Universität Tübingen auf einen Lehrstuhl. 1927 wechselte er als o. Professor an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, an der er bis zu seinem Tode tätig war. Er starb kurz vor Vollendung der Grundsätze der Wirtschaftspolitik, als er an der London School of Economics eine Vortragsreihe unter dem Titel This Unsuccessful Age hielt (publiziert 1952).

Wirken

Anfang der 1930er-Jahre gründete Walter Eucken mit den Juristen Franz Böhm und Hans Großmann-Doerth die Freiburger Schule. Als nach 1933 in Freiburg unter dem Rektor Martin Heidegger eine nationalsozialistische Universitätsverfassung eingeführt wurde und die Judenverfolgung im Wissenschaftsbetrieb begann, bezog Eucken offen Stellung. Eucken wurde, wie der Historiker Bernd Martin feststellt, „zum eigentlichen Widerpart und Herausforderer des die nationalsozialistische Hochschulpolitik vorantreibenden Rektors“. [3]

1936 hielt Eucken eine Vorlesungsreihe für die Freiheit des Denkens mit dem Titel Kampf der Wissenschaft. Nach dem missglückten Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Walter Eucken, der mit dem Goerdeler-Kreis in Verbindung gestanden hatte, von der Gestapo mehrfach verhört, aber nicht verhaftet. Drei Freunde Euckens aus dem „Freiburger Kreis“, die Ökonomen Adolf Lampe und Constantin von Dietze sowie der Historiker Gerhard Ritter wurden vom NS-Regime inhaftiert und zum Tode verurteilt. Nur das Kriegsende bewahrte sie vor der Hinrichtung.

Eucken gehörte zu den Beratern der französischen und amerikanischen Militärregierung; die später als Ordoliberalismus bezeichneten wirtschaftspolitischen Grundgedanken der sogenannten „Freiburger Schule“ lagen den Reformen zugrunde, mit welchen Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack die zunächst planwirtschaftliche Wirtschaftsverwaltung der ersten Nachkriegsjahre ablösten.

Eucken beschäftigte sich nicht nur mit Ökonomie, sondern interessierte sich auch sehr für Philosophie und Geschichte. Zu den Menschen, mit denen er sich geistig austauschte, gehörten Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen und Künstler wie z. B. Friedrich August von Hayek, Joseph Schumpeter, Werner Heisenberg, August Macke, Ernst Ludwig Kirchner, Max Reger, Hermann Staudinger. Als er 1947 an der Gründung der Mont Pelerin Gesellschaft teilnahm, kamen neue Kontakte zum Beispiel mit dem Philosophen Karl Popper hinzu.

Von besonderer Bedeutung war für ihn seine Freundschaft mit Edmund Husserl, der ihn wissenschaftstheoretisch stark beeinflusste. Kritisch setzte er sich nicht nur mit den Ideologien in der Ökonomie auseinander, sondern generell mit den Ideologien der Macht. Zu den Traditionen des freiheitsfeindlichen Irrationalismus rechnete er nicht nur die Philosophen Friedrich Nietzsche und Martin Heidegger, sondern auch den Voluntarismus Martin Luthers, die Volonté générale Jean-Jacques Rousseaus und die Fortschrittsideologie Henri de Saint-Simons.

Wissenschaftliches Werk

Walter Eucken auf einer bundesdeutschen Briefmarke zu seinem 100. Geburtstag (1991)

Grundgedanken

Im Mittelpunkt von Euckens Arbeit stand die Frage des Zusammenhangs von Macht, Unfreiheit und Armut. Auf Basis dieser Analyse könnten die Rahmenbedingungen für eine Wirtschaftsordnung bestimmt werden, die zugleich die größtmögliche Freiheit und eine rationale Steuerung der Wirtschaft ermöglicht. Er war davon überzeugt, dass die wirtschaftspolitische Tätigkeit des Staates auf die Gestaltung der Wirtschaftsordnung gerichtet sein sollte und nicht auf die Lenkung der Wirtschaftsprozesse. Mit dieser These gilt Eucken als Begründer des Ordoliberalismus und als einer der Väter der Sozialen Marktwirtschaft.

Sein wohl wichtigstes Werk Grundlagen der Nationalökonomie veröffentlichte Eucken 1939. Hier formulierte er seine Hypothese von der Interdependenz der Ordnungen: Marktwirtschaft (Eucken bevorzugte den Begriff Verkehrswirtschaft) bedingt den freiheitlichen Rechtsstaat. Zentralverwaltungswirtschaft, wie sie die Nationalsozialisten seinerzeit in Deutschland eingeführt hatten und wie sie in der Sowjetunion und später in den osteuropäischen Staaten des Rates für gegenseitige wirtschaftliche Zusammenarbeit praktiziert wurde, braucht zu ihrer Durchsetzung die Diktatur. Kaum weniger bedeutend sind seine 1952 postum von seiner Frau Edith Eucken-Erdsiek und seinem Assistenten Karl Paul Hensel herausgegebenen Grundsätze der Wirtschaftspolitik. Zum Standard des Lehrbuchwissens gehört heute Euckens Unterscheidung moderner Wirtschaftsordnungen in Zentralverwaltungswirtschaft und Verkehrswirtschaft. Kriterium zur Unterscheidung war für Eucken jedoch nicht, wie heute oft üblich, die wirtschaftliche Aktivität des Staates (siehe Staatsquote), sondern die Verteilung wirtschaftlicher Macht. So ist für Eucken der Gegenpol zur Zentralverwaltungswirtschaft, in der eine Zentrale über die größtmögliche Macht verfügt und der Einzelne maximal entrechtet ist, nicht etwa die „freie Marktwirtschaft“ des Laissez-faire. Der Gegenpol ist vielmehr der vollständige Wettbewerb, bei dem niemand über die Macht verfügt, einen anderen ökonomisch zu lenken. Zwischen diesen beiden Polen gibt es einen weiteren Ordnungstyp, die vermachtete Marktwirtschaft. Bei diesem Ordnungstyp können einzelne Machtgruppen, durch Preispolitik oder Lobbyismus, in die ökonomische Freiheit anderer Marktteilnehmer eingreifen.

Eine gemäß dem Laissez-faire-Prinzip sich selbst überlassene Wirtschaft führt nach Euckens Überzeugung systematisch zu einer Wirtschaftslenkung durch Machtgruppen. So erklärt Eucken im Vorwort für den ersten Band des Jahrbuchs ORDO:

„Ob wenig oder mehr Staatstätigkeit – diese Frage geht am wesentlichen vorbei. Es handelt sich nicht um ein quantitatives, sondern um ein qualitatives Problem. Der Staat soll weder den Wirtschaftsprozess zu steuern versuchen, noch die Wirtschaft sich selbst überlassen: Staatliche Planung der Formen – ja; staatliche Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses – nein. Den Unterschied von Form und Prozess erkennen und danach handeln, das ist wesentlich. Nur so kann das Ziel erreicht werden, dass nicht eine kleine Minderheit, sondern alle Bürger über den Preismechanismus die Wirtschaft lenken können. Die einzige Wirtschaftsordnung, in der dies möglich ist, ist die des 'vollständigen Wettbewerbs'. Sie ist nur realisierbar, wenn allen Marktteilnehmern die Möglichkeit genommen wird, die Spielregeln des Marktes zu verändern. Der Staat muss deshalb durch einen entsprechenden Rechtsrahmen die Marktform – d. h. die Spielregeln, in denen gewirtschaftet wird, – vorgeben.“

Walter Eucken

Sozialpolitik und Konjunkturpolitik

Nach Ansicht von Karl Georg Zinn gab Alfred Müller-Armack „der Sozialpolitik und der staatlichen Konjunktur- und Strukturpolitik ein weit größeres Gewicht als Eucken, für den Sozialpolitik allenfalls „als Minimalprogramm gegen extreme Mißstände“ erforderlich erschien und der Konjunkturpolitik für schlichtweg überflüssig, ja schädlich hielt, weil eine ideale Marktwirtschaft, wie er sie in seiner Ordnungstheorie meinte entworfen zu haben, überhaupt keine zyklischen Konjunkturen und Krisen mehr aufweisen würde.“[4] Richtig verstandene Sozialpolitik war für Eucken identisch mit der „Politik zur Ordnung der Wirtschaft“.

Die Wirtschaftspolitik schließt in der Vorstellung Euckens die Verantwortung für einen hohen Beschäftigungsstand mit ein. Für den traditionellen Bereich der sozialen Sicherung gegen Arbeitslosigkeit, sowie die Unfall-, Gesundheits- und Altersversicherung ergibt sich eine unstrittige sozialpolitische Begründung.[5]

Doch über die Wettbewerbspolitik hinaus seien mit Hilfe einer speziellen Sozialpolitik „Vorkehrungen notwendig, um Lücken auszufüllen und Härten zu mildern.“[6] Insbesondere für die Arbeitsmarktverfassung sieht er zusätzlichen Handlungsbedarf des Staates, da die „Arbeit keine Ware“ sei und zwischen Sachgüter- und Arbeitsmärkten Unterschiede bestünden, „die zu beachten sind“.[7] So seien „Arbeiterschutzmaßnahmen“ notwendig, um Missstände zu beseitigen. Neben staatlichen Maßnahmen komme den Gewerkschaften große Verdienste „zur Verbesserung der Lage der Arbeiter“ zu. Obwohl monopolartige Organisationen, seien die Gewerkschaften „freilich durch monopolistische Übergewichte der Unternehmer auf den Plan gerufen“ worden.[8]

Werke

  • Die Verbandsbildung in der Seeschiffahrt (= Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen. Heft 172). Altenburg S.-A. 1914, DNB 570150450 (Dissertation Universität Bonn 1914, 118 Seiten).
  • Die Stickstoffversorgung der Welt: Eine volkswirtschaftliche Untersuchung, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1921, (Habilitationsschrift Universität Berlin 1921, 158 Seiten).
  • Staatliche Strukturwandlungen und die Krisis des Kapitalismus, in: Weltwirtschaftliches Archiv 36 (1932), 297-321.
  • Kapitaltheoretische Untersuchungen. Fischer, Jena 1935, 2. Auflage Mohr, Tübingen 1954.
  • Die Überwindung des Historismus, in: Schmollers Jahrbuch 63 (1938), 63-86.
  • Die Grundlagen der Nationalökonomie. Jena 1939 u.ö.
  • Nationalökonomie – Wozu? Bad Godesberg 1947 (zuerst als Beitrag, 1938); 5., um ein Nachwort von Walter Oswalt erweiterte Auflage, Klett-Cotta / Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2005, ISBN 3-608-94131-2 / ISBN 978-3-7910-3008-1 (Schäffer-Poeschel).
  • Die Wettbewerbsordnung und ihre Verwirklichung, in: Ordo 2 (1949), 1-99.
  • Unser Zeitalter der Mißerfolge. Fünf Vorträge zur Wirtschaftspolitik. Mohr, Tübingen 1951, wieder unter dem Titel: Wirtschaftsmacht und Wirtschaftsordnung. Londoner Vorträge zur Wirtschaftspolitik und zwei Beiträge zur Antimonopolpolitik. Mit einem Nachwort von [Euckens Enkel] Walter Oswalt. Lit, Münster 2001, 2. Auflage 2009.
  • Grundsätze der Wirtschaftspolitik. Hrsg. von Edith Eucken-Erdsiek und Karl Paul Hensel. Mit einem Nachwort von Edgar Salin. Francke, Bern und Mohr, Tübingen 1952 u.ö.

Herausgeber

  • mit Franz Böhm und Hans Großmann-Doerth: Ordnung der Wirtschaft. (Einzelpublikationen) 1937 ff.
  • mit Franz Böhm: ORDO. Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Bd. 1. Godesberg 1948, bis heute fortgeführt.

Literatur

  • Franz Böhm: Die Idee des Ordo im Denken Walter Euckens, in: ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Band 3, 1950, S. XV-LXVI.
  • Lüder Gerken (Hrsg.): Walter Eucken und sein Werk. Rückblick auf den Vordenker der sozialen Marktwirtschaft (= Untersuchungen zur Ordnungstheorie und Ordnungspolitik, Band 41). Mohr Siebeck, Tübingen 2000, ISBN 3-16-147503-8.
  • Fritz W. Meyer: Eucken, Walter. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 4, Duncker & Humblot, Berlin 1959, S. 672 f. (Digitalisat).
  • Walter Oswalt: Liberale Opposition gegen den NS-Staat. Zur Entwicklung von Walter Euckens Sozialtheorie, in: Nils Goldschmidt (Hrsg.): Wirtschaft, Politik und Freiheit. Freiburger Wirtschaftswissenschaftler und der Widerstand (= Untersuchungen zur Ordnungstheorie und Ordnungspolitik, Band 48), Mohr Siebeck, Tübingen 2005, S. 315–353, ISBN 978-3-16-148520-6.
  • Sebastian Sigler: Denken und Handeln für Wahrheit und Freiheit – das Lebenswerk Walter Euckens, in: ders. (Hrsg.): Corpsstudenten im Widerstand gegen Hitler. Duncker & Humblot, Berlin 2014. ISBN 978-3-428-14319-1, S. 249–265.

Weblinks

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Einzelnachweise

  1. Kösener Corpslisten 1930, 82, 181
  2. Habilitationsschrift: Die Stickstoffversorgung der Welt
  3. Bernd Martin: Martin Heidegger und der Nationalsozialismus -- der historische Rahmen. In: Martin Heidegger und das 'Dritte Reich'. Ein Kompendium. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1989, S. 14–50, hier S. 26.
  4. Karl Georg Zinn: Soziale Marktwirtschaft. Idee, Entwicklung und Politik der bundesdeutschen Wirtschaftsordnung S. 25 (PDF; 364 kB)
  5. Gerhard D. Kleinhenz, Sozialstaatlichkeit in der Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Themenheft Sozialstaat Deutschland, Lucius und Lucius, ISBN 978-3828200487, Seite 406, 407
  6. Walter Eucken: Grundsätze der Wirtschaftspolitik. Rowohlt, Reinbek 1965, S. 183.
  7. Walter Eucken: Grundsätze der Wirtschaftspolitik. Rowohlt, Reinbek 1965, S. 185.
  8. Walter Eucken: Grundsätze der Wirtschaftspolitik. Rowohlt, Reinbek 1965, S. 185.


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