Stendhal und Jan Hendrik Oort: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:JanOort.jpg|thumb|250px|right|Jan Oort im Jahr 1961]]
[[Datei:Oort-birthplace-Franeker.jpg|thumb|Gedenktafel am Oorts Geburtshaus in Franeker]]
'''Jan Hendrik Oort''' (* [[28. April]] [[1900]] in Franeker; † [[5. November]] [[1992]] in Leiden) war ein [[w:Niederlande|niederländischer]] [[Astronom]].


'''Marie-Henri Beyle''', besser bekannt unter seinem Pseudonym '''Stendhal'''&nbsp;[{{IPA|stɛ̃dal}}] (* 23. Januar 1783 in Grenoble; † 23. März 1842 in Paris), war ein [[Frankreich|französischer]] [[Schriftsteller]], Militär und Politiker. Zu seiner Zeit eher als Journalist, Kritiker und Essayist bekannt, gilt er heute aufgrund der analytischen Charakterbilder seiner Romane als einer der frühesten Vertreter des [[Realismus (Literatur)|literarischen Realismus]].
== Leben ==
Oort studierte an der [[Universität Groningen]]. Dort war er Schüler von [[Jacobus C. Kapteyn]]. Seit 1924 arbeitete er am [[Sternwarte|Observatorium]] Leiden. Von 1945 bis 1970 war er Professor an der [[Universität Leiden]]. Zur gleichen Zeit war er auch Direktor der [[Sternwarte Leiden]].


== Herkunft des Pseudonyms ==
Im Jahre 1927 bestätigten Oort und seine Kollegen mit den [[Oortsche Rotationsformeln|Oortschen Rotationsformeln]] die Hypothese von [[Bertil Lindblad]] über die Rotation unserer [[Galaxis]] ([[Milchstraße]]), die zuerst [[Immanuel Kant]] 1755 vorgeschlagen hatte. Oort lokalisierte das Milchstraßenzentrum 30.000 [[Lichtjahr]]e von der Erde entfernt im [[Sternbild]] ''Sagittarius'' ([[Schütze (Sternbild)|Schütze]]). Er zeigte, dass die Milchstraße eine Masse von 100 Milliarden [[Sonnenmasse]]n hat.
[[Datei:Anton Raphael Mengs - Portrait of Johann Joachim Winckelmann - WGA15042.jpg||mini|hochkant|Winckelmann, um 1775 porträtiert von Anton Raphael Mengs]]


Beyles [[Pseudonym]] ''Stendhal'' leitet sich nach allgemeiner Auffassung von der Stadt [[Stendal]] her, die in der [[Altmark]] im heutigen Bundesland [[Sachsen-Anhalt]] liegt. Die Motivation des französischen Literaten für seine Wahl war die Verehrung für den Kunsthistoriker und Archäologen [[Johann Joachim Winckelmann]], dessen Heimatstadt Stendal war. Der Schriftsteller wohnte von 1807 bis 1808 in der Nähe von Stendal und unterhielt in dieser Zeit eine intime Beziehung zu Wilhelmine [[Griesheim (Adelsgeschlecht)|von Griesheim]] (1786–1861).
In den 1950er-Jahren postulierte Oort einen als [[Oortsche Wolke]] bekannt gewordenen Bereich am Rande des [[Sonnensystem]]s, aus dem die [[Komet]]en stammen. Oorts Theorien dazu sind bisher nicht bestätigt worden, werden aber allgemein anerkannt.


Umstritten ist, wie er selbst diesen Namen aussprach, ob (wie heute die meisten gebildeten Franzosen) mit e-[[Nasalvokal|Nasal]] (als wäre die Schreibung ''Stindal'' oder ''Steindal'') oder mit a-Nasal (wie ''Standal''), was einige Experten für plausibler halten.
Oort zeigte die [[Polarisiertes Licht|Polarisierung]] der Strahlung vom [[Krebsnebel]] und erkannte sie als [[Synchrotronstrahlung]].


== Leben und Schaffen ==
Von 1958 bis 1961 war Oort Präsident der [[Internationale Astronomische Union|Internationalen Astronomischen Union]].
=== Jugend ===
Stendhal war das älteste von drei Kindern von Chérubin Beyle, einem bürgerlichen, aber Adelsambitionen hegenden Anwalt am Obersten Gerichtshof ([[Parlement]]) der Provinz [[Dauphiné]]. Mit sechs verlor er seine Mutter bei der Geburt der jüngsten Schwester. Auch aufgrund des resultierenden Traumas verargte er es seinem Vater zutiefst, als dieser sich mit der Schwester der Mutter liierte und den Sohn der „Tyrannei“ eines ungeliebten Hauslehrers, eines ehemaligen Geistlichen, aussetzte. Allerdings wurde der Knabe in dieser Zeit zugleich sehr gefördert von seinem Großvater mütterlicherseits, dem schöngeistig interessierten Arzt und [[Voltaire]]-Verehrer Gagnon, sowie dessen unverheiratet gebliebener Schwester. Während der Zeit der [[Terrorherrschaft|Schreckensherrschaft]] ''(la Terreur)'' der Jahre 1793 und 1794 sympathisierte er aus Trotz gegen seinen royalistisch eingestellten Vater mit den revolutionären [[Jakobiner]]n und freute sich geradezu, als jener verhaftet wurde und Gefahr lief, [[Guillotine|guillotiniert]] zu werden.
 
Von 1796 bis 1799 besuchte er die nach einer Schulreform neu eingerichtete Grenobler École centrale&nbsp;– an der er in Mathematik brillierte&nbsp;– und ging dann aus der ihm verhassten engen Provinzstadt nach Paris, um an der neuen [[École polytechnique]] zu studieren. Er meldete sich aber nicht zur Aufnahmeprüfung ''(concours)'', sondern fing an, Theaterstücke und anderes zu schreiben. Bald danach erkrankte er in seinem kargen und kalten möblierten Zimmer und wurde daraufhin von entfernten Cousins, den etwas älteren Brüdern [[Pierre Daru|Daru]], in ihr Haus aufgenommen.
 
=== Militärzeit ===
[[Datei:Pierre Daru.jpg|mini|hochkant|Pierre Daru, Minister unter Napoleon]]
Die Darus gehörten zur näheren Umgebung [[Napoleon Bonaparte]]s und partizipierten an dessen fulminantem Aufstieg zum Herrscher von ganz Mitteleuropa. Als ihr Verwandter und Protégé profitierte auch Stendhal von dieser Nähe. Er nahm zunächst als blutjunger [[Leutnant]] 1799–1800 im [[6e régiment de dragons|6.&nbsp;Dragonerregiment]] an Napoleons siegreichem Italienfeldzug teil. Dabei lernte er als [[Adjutant]] eines Generals das Land, insbesondere die Stadt Mailand, von der besten Seite kennen und entwickelte sich zum Liebhaber italienischer Kunst, Musik und Lebensart. Allerdings infizierte er sich zugleich in einem [[Bordell]] mit [[Syphilis]], deren akutes Stadium ihn 1802 zum Quittieren des Militärdienstes zwang.
 
Vorübergehend halbwegs gesundet, verbrachte er einige Jahre mit befruchtender Lektüre sowie allerlei fruchtlosen literarischen, geschäftlichen und amourösen Experimenten in Grenoble, Marseille und Paris. 1806, inzwischen war wieder Krieg, schloss er sich erneut den Darus an und avancierte zum Kaiserlichen [[Kriegskommissar]] und anschließend zum Verwalter der kaiserlichen [[Staatsdomäne|Domänen]] im [[Département Oker]] des 1807 gegründeten Königreichs Westfalen, eines kurzlebigen französischen Satellitenstaats, der von Napoleons jüngerem Bruder [[Jérôme Bonaparte]] regiert wurde. In seinen ''Zeugnissen aus und über Braunschweig (1806–1808)'', das Briefe, Tagebücher und Reisebeschreibungen enthält, lieferte er eine amüsante Beschreibung der [[Braunschweig]]er Gesellschaft.<ref>Hans Mattauch (Hrsg.): ''Stendhal: Zeugnisse aus und über Braunschweig (1806–1808).'' Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 1999.</ref>
 
Zwischen 1810 und 1811 setzte er seine Karriere in Paris fort und wurde für kurze Zeit Chef der Verwaltung der kaiserlichen [[Liegenschaft]]en, vor allem der Schlösser samt ihren Kunstschätzen. 1812 nahm er an Napoleons [[Russlandfeldzug 1812|Russlandfeldzug]] teil und kam mit der Grande Armée im September bis Moskau. Den anschließenden, äußerst verlustreichen Rückzug überstand er unbeschadet. 1813 war er für kurze Zeit [[Intendantur|kaiserlicher Intendant]] in [[Schlesien]].
 
Danach erlitt er einen weiteren Syphilis-Anfall und nahm in den Jahren 1813 und 1814 einen längeren Urlaub, den er zum Teil in Italien verbrachte, vor allem in Mailand, der Stadt, die er als jugendlicher Offizier lieben gelernt hatte. Den Zusammenbruch des napoleonischen Kaiserreichs erlebte er im heimatlichen Grenoble. Ob tatsächlich sein Adelsbrief fertig zur Unterschrift auf Napoleons Schreibtisch lag, als jener 1814 besiegt wurde und abdankte, ist ungewiss. Immerhin schmückte er später sein meistgebrauchtes und bekanntestes Pseudonym „Stendhal“&nbsp;– wie so manch anderer Literat jener Zeit&nbsp;– mit einem adeligen „de“.
 
=== Mailand ===
Wie so viele hohe napoleonische Beamte fand auch Stendhal 1814 keinen Platz in der naturgemäß stark verkleinerten Beamtenschaft des „[[Restauration (Frankreich)|Restaurationsregimes]]“ unter König [[Ludwig XVIII.]] und wurde daraufhin Napoleon-Nostalgiker und Liberaler, d.&nbsp;h. Oppositioneller. Er ging einmal mehr nach Mailand und wurde hier endgültig zum Literaten mit Biographien, kunsthistorischen Werken und Reisebüchern, die er zunächst unter wechselnden Pseudonymen und schließlich unter dem dauerhaft werdenden Namen „M[onsieur]. de Stendhal“ publizierte. So erschienen 1815 die ''Lettres écrites de Vienne en Autriche sur le célèbre compositeur Joseph Haydn, suivies d’une vie de Mozart et de considérations sur [[Pietro Metastasio|Métastase]], et l’état présent de la musique en Italie'' (1817 neu aufgelegt als ''Vies de Haydn, Mozart et Métastase''). 1817 kam neben der ''Histoire de la peinture en Italie'' auch seine ''Promenades dans Rome, Naples et Florence en 1817'' heraus. Eine ''Vie de Napoléon'', an der er zwischen 1817 und 1818 arbeitete, blieb Fragment und wurde erst postum 1929 gedruckt.
 
=== Matilde ===
[[Datei:Matilde Viscontini Dembowski.jpg|mini|hochkant|Matilde Dembowski]]
 
Im März 1818 begegnete Stendhal in Mailand mit Matilde (Métilde) Viscontini Dembowski (1790–1825) der großen, leidenschaftlichen und doch letztlich unerfüllten Liebe seines Lebens. Matilde, eine geborene Visconti, stammte aus einer lombardischen Bankiersfamilie und war mit dem ehemals in napoleonischen, nun in österreichischen Diensten stehenden polnisch-italienischen General Jan Dembowski (1773–1823) verheiratet. Die Liebesbeziehung zu dieser selbstbewussten und unabhängigen, seit 1814 von ihrem Ehemann getrennt lebenden Frau absorbierte ihn bis 1824 und „war die große Tragik, die ihn aber für den Rest seines Lebens befruchten, aus dem [[Wikipedia:Kompilation (Literatur)|Kompilator]] […] endgültig den Romancier Stendhal machen sollte“.<ref>Johannes Willms: ''Stendhal''. Hanser, München 2010, S. 181.</ref>
 
Ganz unmittelbar war Matilde für Stendhal, der von ihren Reizen hingerissen war,<ref>Stendhal sprach zum Beispiel von „Mme. M.&nbsp;V., die in ihrer Schönheit der bezaubernden Herodias von Leonardo da Vinci gleicht“. Zitiert nach dem Nachwort von Elisabeth Edl in Stendhal: ''Die Kartause von Parma'', Hanser, München 2007, S. 862, Anm. 15. Stendhal bezieht sich auf ein Gemälde, das man heute Bernardino Luini zuschreibt und als Darstellung der Salome interpretiert. Zum Gemälde siehe Bernardino Luini.</ref> ein Inspirationsquell zu dem essayistischen Werk ''De l’amour'' (erschienen 1822). Sie war zugleich das literarische Vorbild für weitere Frauenfiguren Stendhals, so für Mathilde de la Mole in ''Le Rouge et le Noir'', die sicher nicht zufällig den Vornamen der Geliebten trug, oder Bathilde de Chasteller in seinem unvollendeten Roman ''Lucien Leuwen''.
 
1819 erfuhr Stendhal nach dem Tod seines vermeintlich wohlhabenden Vaters, dass dieser nur ein unerwartet kleines Vermögen hinterlassen hatte, was ihn fortan zur unterhaltssichernden journalistischen Arbeit zwang, zumal auch seinem Essay ''De l’amour'' kein buchhändlerischer Erfolg beschieden war.
 
=== Paris ===
1821 wurde Stendhal wegen seiner Kontakte mit oppositionellen Intellektuellen wie [[Silvio Pellico]] oder [[Alessandro Manzoni]] von der österreichischen Obrigkeit in Mailand als Verschwörer verdächtigt. Er verließ die geliebte Stadt (in die er nicht wieder zurückkehren sollte) und verlebte einige unstete Jahre in Paris, London und wieder Italien, bis er sich 1824 in Paris niederließ, wo er sich als Journalist, unter anderem mit Kunst- und Musikkritiken, über Wasser hielt. Daneben bewegte er sich in den Kreisen der sogenannten „Ideologen“ um ihren Vordenker [[Antoine-Louis-Claude, Comte Destutt de Tracy|Destutt de Tracy]], aber auch der Romantiker, an deren Kampf gegen den noch vorherrschenden Klassizismus er mit der Streitschrift ''Racine et Shakespeare'' (1823) teilnahm. Ebenfalls 1823 erschien seine ''Vie de Rossini''. 1825 mischte er sich mit der Schrift ''Nouveau complot contre les industriels'' auf Seiten der oppositionellen [[Henri de Saint-Simon|Saint-Simoniens]] in politische Diskussionen ein.
 
Ab 1826 erschienen von ihm in ''The London Magazin'' unter dem Titel ''Sketches of Parisian Society, Politics and Literatur'' insgesamt 29&nbsp;gut honorierte Aufsätze, in denen er über französische Politik und Pariser Gesellschaft berichtete. 1827 publizierte Stendhal seinen ersten Roman, ''Armance'', die zarte, um 1820 in Paris spielende Liebesgeschichte der armen jungen Adeligen Armance und des reicheren, offenbar impotenten Octave, der sich nach ihrer Heirat auf einem Schiff in Richtung Griechenland das Leben nimmt.
 
Seinem novellistischen Debüt ließ Stendhal ein neues Reisebuch folgen (''Promenades dans Rome'', 1829) und versuchte sich, wie sein jüngerer Freund [[Prosper Mérimée]] und andere Autoren, in der neuen Modegattung der [[Novelle]], mit ''Vanina Vanini'' (1829), ''Le Coffre et le revenant'' und ''Le Philtre'' (beide 1830). Im Oktober 1829 hatte er, während einer Reise, in Marseille die Idee zu einem Roman, den er sofort begann und der sein Meisterwerk werden sollte: ''Le Rouge et le Noir''.
 
Nach der [[Julirevolution von 1830]] schöpfte er wieder Hoffnung auf einen höheren Posten im Staatsdienst, z.&nbsp;B. als Präfekt. Allerdings erhielt er nur den eines [[Konsul]]s im damals österreichischen [[Triest]], wo man ihn jedoch bei seiner Ankunft Ende des Jahres als einstigen Verschwörer einstufte und ihm die Zulassung verweigerte. 1831 wurde er schließlich nur Konsul in der kleinen Hafenstadt [[Civitavecchia]] im [[Kirchenstaat]], sein häufigster Aufenthaltsort war jedoch das nur wenige Wegstunden von Civitavecchia entfernte [[Rom]].
 
[[Datei:Stendhal Le-Rouge.jpg|mini|hochkant=0.7|''Le Rouge et le Noir'', Titelblatt von 1854]]
Ende 1830, einige Monate nach der Julirevolution und durch sie eigentlich obsolet geworden, kam ''Le Rouge et Le Noir'' ''([[Rot und Schwarz]])'' heraus. Es ist die tragische Geschichte eines tüchtigen und ehrgeizigen Handwerkersohns. Im von reaktionären Adeligen, intriganten Geistlichen und opportunistischen Bourgeois beherrschten Restaurationsregime gelingt es dem jungen Provinzler Julien Sorel letztlich trotz seiner Begabungen und Verdienste und entgegen einigen beachtlichen Teilerfolgen nicht, General oder Bischof zu werden (gemäß einer verbreiteten Deutung stehen die beiden Farben des seinerzeit als ebenso rätselhaft wie prätentiös angesehenen<ref>Vgl. das Vorwort von Marie Parmentier in der französischen Ausgabe: Stendhal, ''Le Rouge et le Noir'', Paris (Flammarion) 2013, besonders S.&nbsp;7–12.</ref> Romantitels für die militärische und die klerikale Laufbahn). Er bringt es nur zum Geliebten einer älteren Frau und danach zum Verlobten einer jüngeren Adeligen. Schließlich erleidet er einen heroisch akzeptierten Tod auf dem Schafott.
 
Nach einigen weiteren Erzählungen verfasste Stendhal 1832 die autobiografischen ''[[Erinnerungen eines Egotisten|Souvenirs d’égotisme]]'' (erst postum publiziert) und begann 1834 den Roman ''Lucien Leuwen'', der, obwohl weit fortgeschritten, unvollendet blieb. Dieser erzählt die Geschichte eines Pariser Bankierssohns, der gewissermaßen die Julien Sorel nicht mögliche Offizierskarriere verwirklichen sollte, unter der Hand jedoch ganz unzeitgemäße Sympathien für den nach 1830 entmachteten Adel entwickelt, sich in eine adelige junge Witwe verliebt, sie aber verlässt, als er sich betrogen glaubt, und danach in Paris als Adlatus eines Ministers die Politik von ihrer schmutzigen Innenseite kennenlernt, worauf er seinem Autor quasi entgleitet.
 
=== Auf Reisen ===
[[Datei:Stendhal par Ducis.jpg|mini|Porträt von Louis Ducis, 1835]]
Hierauf nahm Stendhal erneut sich selbst ins Visier und schrieb 1835 und 1836 an einer wiederum unvollendet gebliebenen Geschichte seiner Jugend ''(Vie de Henry Brulard)''. Eine insgesamt dreijährige Beurlaubung nutzte er zu Reisen, aber auch zu ausgiebigen Aufenthalten in Paris, wo er 1835 zum Ritter der [[Ehrenlegion]] ernannt wurde. Im selben Zeitraum verfasste er eine Serie von historischen Novellen, deren Handlung er in die italienische [[Renaissance]] verlegte, als seiner Meinung nach die Menschen noch Leidenschaft und Energie besaßen (''Chroniques italiennes'', 1837–39).
 
Im November und Dezember 1838 diktierte er in nur 53&nbsp;Tagen in Civitavecchia den Roman [[Die Kartause von Parma|''La Chartreuse de Parme'']], die spannende Geschichte des jungen lombardischen Adeligen Fabrice del Dongo, der dem [[Herrschaft der Hundert Tage|Napoleon der hundert Tage]] zu Hilfe zu eilen versucht. Nach diesem kapitalen Fehler bringt er es im reaktionären Oberitalien der Restauration lediglich zu einer Karriere innerhalb der Kirche, und auch das nur dank der Intrigen seiner schönen und energischen jungen Tante. Er wird schließlich Bischof und  zugleich der Geliebte der schönen Generalstochter Clélia Conti. Der Roman endet&nbsp;– wie schon die beiden Bücher von ''Le Rouge et le Noir''&nbsp;– mit der später berühmt gewordenen englischen Widmung „To the happy few“. Er wurde von [[Honoré de Balzac|Balzac]] begeistert in der ''[[Revue parisienne]]'' besprochen (1840) und war der einzige Bucherfolg Stendhals zu seinen Lebzeiten.
 
Ende 1839 arbeitete Stendhal an einem neuen Roman, ''Lamiel'', der allerdings ebenfalls Fragment blieb. Nach einem ersten Schlaganfall im März 1841 starb er bei einer zweiten Attacke ein Jahr später in Paris während einer längeren Beurlaubung.
 
== Werke ==
[[Datei:Stendhal tombe cimetiere Montmartre.jpg|mini|hochkant|Grabstein auf dem Friedhof von Montmartre mit dem italienischen Grabspruch ''SCRISSE&nbsp;/ AMÒ&nbsp;/ VISSE''<br />(„Er schrieb, liebte, lebte“)]]
 
; Zu Lebzeiten veröffentlichte Werke
* ''Histoire de la Peinture en Italie'' (Paris 1817)
* ''Rome, Naples et Florence'' (Angoulême 1817)
* ''De l’Amour'' (Paris 1822, dt. ''[[Wikipedia:Von der Liebe (Stendhal)|Von der Liebe]]'')
* ''Racine et Shakespeare'' (Paris 1823)
* ''Vie de Rossini'' (Paris 1823)
* ''Racine et Shakespeare. II'' (Paris 1825)
* ''D’un nouveau complot contre les industriels'' (Paris 1825)
* ''Armance. Quelques scènes d’un salon de Paris en 1827'' (Paris 1827)
* ''Promenades dans Rome'' (Paris 1829)
* ''Le Rouge et le Noir'' (Paris 1830, dt. ''[[Wikipedia:Rot und Schwarz|Rot und Schwarz]]'')
* ''Mémoires d’un touriste'' (Paris 1838)
* ''La Chartreuse de Parme'' (Paris 1839, dt. ''[[Wikipedia:Die Kartause von Parma|Die Kartause von Parma]]''; verfilmt in der italienischen Fernsehserie ''[[Wikipedia:Die Kartause von Parma (Fernsehserie)|La Certosa di Parma]]'', 1982).
* ''Chroniques Italiennes. L’Abbesse de Castro (plus Vittoria Accoramboni et Les Cenci)'' (Paris 1839)
* ''Idées italiennes sur quelques tableaux célèbres'' (Paris 1840)
 
; Posthum erschienene Werke
* ''Correspondance'' (zwei Bände, 1855)
* ''Journal'' (1801–1823)
* ''Filosofia nova''
* ''Théâtre''
* ''Molière, Shakespeare, la Comédie et le Rire''
* ''Écoles italiennes de peinture''
* ''Pages d’Italie''
* ''Mélanges de politique et d’histoire''
* ''Courrier anglais''
* ''Mélanges d’art'' (1867)
* ''Romans et nouvelles''
* ''Lucien Leuwen'' (1894)
* ''Vie de Henri Brulard'' (Autobiographie, 1890)
* ''Voyage dans le Midi de la France''
* ''Lamiel'' (unvollendeter Roman)
* ''Mélanges intimes et Marginalia''
* ''Le Rose et le Vert'' (1937)
 
; Fragmente
* ''Vie de Napoléon'' (1875)
* ''Chroniques italiennes'', bestehend aus ''L’Abesse de Castro'', ''Les Cenci'', ''Vittoria Accoramboni'', ''Vanina Vanini'' und ''La Duchesse de Palliano'', teilweise auch separat erschienen (1885)
* ''Nouvelles indites'' (1855)
* ''Lettres intimes'' (1892)
* ''Souvenirs d’égotisme'' (1892, dt. ''[[Wikipedia:Erinnerungen eines Egotisten|Erinnerungen eines Egotisten]]'')
 
; Werkausgaben
* ''Œuvres complètes''. Éd. de Victor Del Litto. Genf, ISBN 2-05-100729-2.
* ''Œuvres romanesques complètes''. Édition établie par Yves Ansel et Philippe Berthier. Bibliothèque de la Pléiade. Gallimard, Paris 2005. Drei Bände (bis jetzt sind die Bände 1 und 2 erschienen).
 
; Neuübersetzungen
* ''Rot und Schwarz. Chronik aus dem 19. Jahrhundert.'' Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl, Hanser, München 2004.
* ''Die Kartause von Parma''. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl, Hanser, München 2007.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Stendhal}}
* {{WikipediaDE|Jan Hendrik Oort}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* Robert Alter: ''Stendhal. Eine Biographie''. Rowohlt, Reinbek 1992, ISBN 3-499-13024-6.
* Pieter C. van der Kruit: ''Jan Hendrik Oort. Master of the Galactic System''. Springer Nature, 2019. ISBN 978-3-030-17800-0
* H. Chobaut und L. Royer: ''La famille maternelle de Stendhal: Les Gagnon''. Arthaud, Grenoble 1938.
* J.K. Katgert-Merkelijn: ''The letters and papers of Jan Hendrik Oort, as archived in the University Library, Leiden''. Dordrecht, Kluwer Academic Publishers, 1997. ISBN 0-7923-4542-8
* Michel Crouzet: ''Stendhal ou Monsieur moi-même.'' Flammarion, Paris 1990, ISBN 2-08-067923-6.
* Béatrice Didier: ''Stendhal autobiographe''. PUF, Paris 1983, ISBN 2-13-038064-6.
* Klaus-Werner Haupt: ''Die zwei Federn des Johann Winckelmann. Oder: Wer sein Glück erkennt und nutzt, der ist es wert!'' Druckzone, Cottbus 2012, ISBN 978-3-00-038509-4.
* Paul Hazard: ''Stendhal, wie er lebte, schrieb und liebte''. Hoffmann & Campe, Hamburg 1950.
* Heinrich Mann: ''Stendhal.'' In: ''Geist und Tat. Franzosen von 1780 bis 1930.'' Essays, Berlin 1931. (Neue Ausgabe: Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-596-12860-9.)
* Hans Mattauch (Hrsg.): ''Stendhal: Zeugnisse aus und über Braunschweig (1806–1808).'' Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 1999, ISBN 3-89534-283-1.
* Michael Nerlich: ''Stendhal''. Rowohlt, Reinbek 1993, ISBN 3-499-50525-8.
* Johannes Willms: ''Stendhal''. Hanser, München 2010, ISBN 978-3-446-23419-2.
* Stefan Zweig: ''Drei Dichter ihres Lebens. [[Wikipedia:Giacomo Casanova|Casanova]] – Stendhal – [[Lew Nikolajewitsch Tolstoi|Tolstoi]].'' (= ''Die Baumeister der Welt.'' Band 3). Insel, Leipzig 1928. [http://gutenberg.spiegel.de/buch/6850/1 (Digitalisat)]
* Margit Ebersbach, Volker Ebersbach: ''Ich liebe, also bin ich: Stendhal. Ein biographischer Essay.'' Shaker Media, Aachen 2017, ISBN 978-3-95631-587-9.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Wikiquote}}
* [http://www.phys-astro.sonoma.edu/BruceMedalists/Oort/ Bruce Medalist: Jan Hendrik Oort (engl.)]
{{Commons}}
* [http://www.nytimes.com/1992/11/12/us/jan-h-oort-dutch-astronomer-in-forefront-of-field-dies-at-92.html Nachruf New York Times vom 12. November 1992]
{{Wikisource|Stendhal|Stendhal|lang=fr}}
* [http://hdl.handle.net/1887/77628 JAN OORT - ASTRONOMER, Ausstellung Universität Leiden 2000]
{{Wikisource}}
* {{DNB-Portal|118617648}}
* {{DDB|Person|118617648}}
* {{Zeno-Autor|Literatur/M/Stendhal}}
* [http://www.gert-pinkernell.de/romanistikstudium/Internet2.htm Artikel Stendhal] in Gert Pinkernell: ''Namen, Titel und Daten der französischen Literatur'' (Hauptquelle für den Abschnitt „Leben und Schaffen“)
* [http://stendhal.msh-alpes.fr/manuscrits/ Les manuscrits de Stendhal]
* [http://www.wgsebald.de/stendal/stendal.html W.G. Sebald und Stendhal]
 
== Einzelnachweise ==
<references />


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[[Kategorie:Französische Literatur des 19. Jahrhunderts]]
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[[Kategorie:Gestorben 1992]]
[[Kategorie:Mann]]
[[Kategorie:Mann]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 30. Dezember 2020, 12:09 Uhr

Jan Oort im Jahr 1961
Gedenktafel am Oorts Geburtshaus in Franeker

Jan Hendrik Oort (* 28. April 1900 in Franeker; † 5. November 1992 in Leiden) war ein niederländischer Astronom.

Leben

Oort studierte an der Universität Groningen. Dort war er Schüler von Jacobus C. Kapteyn. Seit 1924 arbeitete er am Observatorium Leiden. Von 1945 bis 1970 war er Professor an der Universität Leiden. Zur gleichen Zeit war er auch Direktor der Sternwarte Leiden.

Im Jahre 1927 bestätigten Oort und seine Kollegen mit den Oortschen Rotationsformeln die Hypothese von Bertil Lindblad über die Rotation unserer Galaxis (Milchstraße), die zuerst Immanuel Kant 1755 vorgeschlagen hatte. Oort lokalisierte das Milchstraßenzentrum 30.000 Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Sagittarius (Schütze). Er zeigte, dass die Milchstraße eine Masse von 100 Milliarden Sonnenmassen hat.

In den 1950er-Jahren postulierte Oort einen als Oortsche Wolke bekannt gewordenen Bereich am Rande des Sonnensystems, aus dem die Kometen stammen. Oorts Theorien dazu sind bisher nicht bestätigt worden, werden aber allgemein anerkannt.

Oort zeigte die Polarisierung der Strahlung vom Krebsnebel und erkannte sie als Synchrotronstrahlung.

Von 1958 bis 1961 war Oort Präsident der Internationalen Astronomischen Union.

Siehe auch

Literatur

  • Pieter C. van der Kruit: Jan Hendrik Oort. Master of the Galactic System. Springer Nature, 2019. ISBN 978-3-030-17800-0
  • J.K. Katgert-Merkelijn: The letters and papers of Jan Hendrik Oort, as archived in the University Library, Leiden. Dordrecht, Kluwer Academic Publishers, 1997. ISBN 0-7923-4542-8

Weblinks


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