Sozialdarwinismus und Selektion (Evolution): Unterschied zwischen den Seiten

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'''Sozialdarwinismus''' ist eine sozialwissenschaftliche [[Theorie]]<ref name="Lenzen 2003 137">Lenzen 2003, S.&nbsp;137.</ref>, die einen [[Biologismus|biologistischen]] [[Determinismus]] als [[Weltbild]] vertritt. Sie war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und bis zum [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] sehr populär.<ref>A.J. Mayer: ''Adelsmacht und Bürgertum, 1848 bis 1914'', 1986</ref> Sie wendet Teilaspekte des [[Darwinismus]] auf menschliche [[Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaften]] an und fasst deren Entwicklung als Folge [[Selektion (Evolution)|natürlicher Selektion]] beim „Kampf ums [[Dasein]]“ auf.<ref>Peter Emil Becker: ''Zur Geschichte der Rassenhygiene: Wege ins dritte Reich''. Thieme Verlag 1988, S.&nbsp;9.</ref><ref>Dieter Kreft: ''Wörterbuch soziale Arbeit''. Juventa Verlag 2005, S.&nbsp;759.</ref> Die unterschiedlichen Spielarten des Sozialdarwinismus stimmen nach [[Wikipedia:Franz M. Wuketits|Franz M. Wuketits]] in drei Kernaussagen überein:<ref>Franz M. Wuketits: ''Eine kurze Kulturgeschichte der Biologie: Mythen, Darwinismus, Gentechnik.'' Primus, 1998, S. 115, zitiert nach [[Wikipedia:Norbert Walz|Norbert Walz]]: ''Kritische Ethik der Natur: ein pathozentrisch-existenzphilosophischer Beitrag zu den normativen Grundlagen der kritischen Theorie.'' Königshausen & Neumann, 2006, S. 57.</ref>
'''Selektion''' ({{laS|''selectio''}} ‚Auswahl‘/‚Auslese‘) ist ein grundlegender Begriff der [[Evolution]]s&shy;theorie. Sie besteht
* Darwins Theorie der [[Selektion (Evolution)|Auslese]] ist in sozialer, ökonomischer und auch moralischer Hinsicht maßgeblich für die menschliche Entwicklung.
# als '''natürliche Selektion''' (früher auch '''natürliche Auslese'''<ref>[[Wikipedia:Otto Ammon (Anthropologe)|Otto Ammon]]: ''Die natürliche Auslese beim Menschen. Auf Grund der Ergebnisse der anthropologischen Untersuchungen der Wehrpflichtigen in Baden und anderer Materialien.'' Jena 1893.</ref>) in der Reduzierung des Fortpflanzungserfolgs bestimmter Individuen einer [[Population (Biologie)|Population]] mit der Folge, dass andere Individuen, die im Rückblick als „überlebenstüchtiger“ erkennbar sind, sich stärker vermehren. Die entscheidenden Einflüsse üben ''äußere Faktoren'' der [[Umwelt]], sog. '''Selektionsfaktoren''', aus. „Überlebenstüchtigkeit“ (Fitness) bedeutet nicht das „Überleben der Stärksten“. Sie kann auch [[Kooperation]] und [[Altruismus]] einschließen. Entscheidend ist, dass die Erbanlagen von Individuen nicht mit der gleichen Wahrscheinlichkeit weitergegeben werden.
* Es gibt gutes und schlechtes [[Genom|Erbmaterial]].
# als '''sexuelle Selektion''' in der Auswahl von Individuen durch die Sexualpartner. Entscheidend ist, dass Erbanlagen derjenigen Merkmale weitergegeben werden, die von den Sexualpartnern bevorzugt werden.
* Gute Erbanlagen sollen gefördert, schlechte ausgelöscht werden.
# als '''künstliche Selektion''' in einer vom Menschen gesteuerten '''Zuchtwahl'''. Sie steigert den [[Fortpflanzung]]s&shy;erfolg jener Individuen, die die vom Züchter geförderten Eigenschaften besitzen.
Kritisiert wird am Sozialdarwinismus unter anderem eine unkritische Übertragung von biologischen Gesetzmäßigkeiten auf menschliche Gesellschaften.<ref>Vgl. Heinz Schott: ''Zur Biologisierung des Menschen.'' In: Rüdiger Vom Bruch, Brigitte Kaderas (Hrsg.): ''Wissenschaften und Wissenschaftspolitik: Bestandsaufnahmen zu Formationen, Brüchen und Kontinuitäten im Deutschland des 20. Jahrhunderts.'' Franz Steiner Verlag, 2002, S. 99.</ref> Zudem sind mehrere seiner naturwissenschaftlichen Grundannahmen nicht von Darwins Theorie gedeckt und werden von der modernen Wissenschaft als überholt angesehen.
 
Die Bezeichnung ''natürliche Selektion'' wurde von [[Charles Darwin]] geprägt. Die Selektionstheorie ist ein Aspekt seiner Evolutionstheorie und wurde als wesentlicher Teil der [[Synthetische Evolutionstheorie|Synthetischen Evolutionstheorie]] in die moderne [[Evolutionsbiologie]] übernommen. Selektion ist einer der [[Evolutionsfaktor]]en.


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Wikipedia:Hedwig Conrad-Martius|Hedwig Conrad-Martius]]: ''Utopien der Menschenzüchtung. Der Sozialdarwinismus und seine Folgen.'' Kösel, München 1955, {{DNB|450820599}}.
* [[Wikipedia:Douglas J. Futuyma|Douglas J. Futuyma]]: ''Evolutionsbiologie''. Springer Verlag, 1990, ISBN 3-7643-2200-4.
* [[Wikipedia:Peter Weingart|Peter Weingart]], Jürgen Kroll, Kurt Bayertz: ''Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland.'' (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, 1022). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-518-28622-6.
* [[Charles Darwin]]: ''[[Wikipedia:Die Entstehung der Arten|Die Entstehung der Arten]].''
* Manuela Lenzen: ''Der Sozialdarwinismus.'' In: Manuela Lenzen: ''Evolutionstheorien in den Natur- und Sozialwissenschaften.'' (= Campus Einführungen). Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-593-37206-1.
* [[Richard Dawkins]]: ''[[Wikipedia:Der blinde Uhrmacher|Der blinde Uhrmacher]].'' Kindler Verlag, 1992, ISBN 3-463-40078-2. (orig: (1986) ''The blind Watchmaker'')
* Stephan S. W. Müller: ''Theorien sozialer Evolution. Zur Plausibilität darwinistischer Erklärungen sozialen Wandels.'' transcript-Verlag, Bielefeld 2010, ISBN 978-3-8376-1342-1 (''Sozialtheorie''), (Zugleich: Hamburg, Univ., Diss., 2008).
* [[Wikipedia:Ernst Mayr|Ernst Mayr]]: ''...und Darwin hat doch recht'' Piper, München 1994. (orig. (1991): ''One Long Argument: Charles Darwin and the Genesis of Modern Evolutionary Thought'')
* Hendrik Wortmann: ''Zum Desiderat einer Evolutionstheorie des Sozialen. Darwinistische Konzepte in den Sozialwissenschaften.'' UVK Verlags-Gesellschaft, Konstanz 2010, ISBN 978-3-86764-264-4 (''Theorie und Methode. Sozialwissenschaften''), (Zugleich: Luzern, Univ., Diss., 2009).
* [[George C. Williams]]: ''Adaptation and natural selection''. Princeton University Press, 1996, ISBN 0-691-02615-7.
* Rainer Brömer: ''Sozialdarwinismus.'' In: [[Wikipedia:Werner E. Gerabek|Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Wikipedia:Gundolf Keil|Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1343 f.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* {{Biolib|1=hertwig/index.html|2=Oscar Hertwig: ''Zur Abwehr des ethischen, des sozialen, des politischen Darwinismus''}} Jena 1921.
* [http://www1.biologie.uni-hamburg.de/b-online/d40/40.htm Selektion und Fitness. Definitionen und theoretische Grundlagen]
* [http://www1.biologie.uni-hamburg.de/b-online/d40/40d.htm Arten biologischer Selektion]
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/natural-selection/|Natural Selection|Robert Brandon}}
* Link zu einem Artikel von Ulf Dieckmann, siehe auch „Rezente Beispiele für künstliche Selektion“ / „Unexpected Discontinuities in Life-History Evolution under Size-dependent Mortality“: [http://www.iiasa.ac.at/Publications/Documents/IR-03-004.pdf PDF]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


[[Kategorie:Rassismus]]
[[Kategorie:Biologie]] [[Kategorie:Evolution]]
[[Kategorie:Soziologie]]
[[Kategorie:Ideologie]]
[[Kategorie:Evolution]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 2. Mai 2018, 13:19 Uhr

Selektion (lat. selectio ‚Auswahl‘/‚Auslese‘) ist ein grundlegender Begriff der Evolutions­theorie. Sie besteht

  1. als natürliche Selektion (früher auch natürliche Auslese[1]) in der Reduzierung des Fortpflanzungserfolgs bestimmter Individuen einer Population mit der Folge, dass andere Individuen, die im Rückblick als „überlebenstüchtiger“ erkennbar sind, sich stärker vermehren. Die entscheidenden Einflüsse üben äußere Faktoren der Umwelt, sog. Selektionsfaktoren, aus. „Überlebenstüchtigkeit“ (Fitness) bedeutet nicht das „Überleben der Stärksten“. Sie kann auch Kooperation und Altruismus einschließen. Entscheidend ist, dass die Erbanlagen von Individuen nicht mit der gleichen Wahrscheinlichkeit weitergegeben werden.
  2. als sexuelle Selektion in der Auswahl von Individuen durch die Sexualpartner. Entscheidend ist, dass Erbanlagen derjenigen Merkmale weitergegeben werden, die von den Sexualpartnern bevorzugt werden.
  3. als künstliche Selektion in einer vom Menschen gesteuerten Zuchtwahl. Sie steigert den Fortpflanzungs­erfolg jener Individuen, die die vom Züchter geförderten Eigenschaften besitzen.

Die Bezeichnung natürliche Selektion wurde von Charles Darwin geprägt. Die Selektionstheorie ist ein Aspekt seiner Evolutionstheorie und wurde als wesentlicher Teil der Synthetischen Evolutionstheorie in die moderne Evolutionsbiologie übernommen. Selektion ist einer der Evolutionsfaktoren.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Otto Ammon: Die natürliche Auslese beim Menschen. Auf Grund der Ergebnisse der anthropologischen Untersuchungen der Wehrpflichtigen in Baden und anderer Materialien. Jena 1893.


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