Paul Grice und Scheinproblem: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Herbert Paul Grice''' (* 15. März 1913 in Birmingham, England; † 28. August 1988 in Berkeley, USA) war ein englischer Philosoph. Er ist vor allem bekannt geworden für seine Arbeiten in der [[Sprachphilosophie]], insbesondere für seine Analyse der [[Wikipedia:Sprachbedeutung|Sprecherbedeutung]] und die Entwicklung der Begriffe der konversationellen [[Wikipedia:Implikatur|Implikatur]]<ref>{{Literatur|Autor=Snježana Kordić |Titel=Konverzacijske implikature |Sammelwerk=Suvremena lingvistika |Band=17 |Nummer=31-32 |Verlag= |Ort=Zagreb |Jahr=1991 | Seiten=87| ISSN=0586-0296 | Online=[http://bib.irb.hr/datoteka/446883.KONVERZACIJSKE_IMPLIKATURE.PDF PDF-Datei; 857 kB] | Zugriff=2013-07-02}}</ref> (siehe hierzu den Artikel [[Wikipedia:Konversationsmaximen|Konversationsmaximen]]) und des [[Wikipedia:Kooperationsprinzip (Sprache)|Kooperationsprinzips]]. Grice gehört neben [[John Langshaw Austin|Austin]], [[Gilbert Ryle|Ryle]] und [[Peter Strawson|Strawson]] zu den bedeutendsten Vertretern der sogenannten [[Philosophie der normalen Sprache]] (''ordinary language philosophy'').
Als '''Scheinprobleme''' wurden von den [[Neopositivismus|neopositivistischen]] Denkern des [[Wiener Kreis|Wiener Kreises]] Probleme bezeichnet, die auf einer unklaren, verworrenen [[Begriff]]sbildung beruhen und daher schwer bis gar nicht lösbar erscheinen, tatsächlich aber nicht der Mühe wert scheinen, sich damit zu beschäftigen. Insbesondere werden alle [[Metaphysik|metaphysischen]] Aussagen als inhaltsleer und folglich für die [[Wissenschaft]] [[bedeutung]]slos angesehen. Dieser Denktradition folgen auch viele Vertreter der [[Analytische Philosophie|Analytischen Philosophie]].


== Leben ==
Schon [[Ludwig Wittgenstein]] betonte in seinem 1918 vollendeten [[Wikipedia:Tractatus Logico-Philosophicus|Tractatus Logico-Philosophicus]]: „''Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.''“<ref>Ludwig Wittgenstein: ''[[Wikipedia:Tractatus Logico-Philosophicus|Tractatus Logico-Philosophicus]]'', Vorwort</ref> Weiter heißt es:
Grice war der erste Sohn von Herbert und Mabel Grice, die der gehobenen Mittelklasse entstammten. Er wuchs in Harborne auf, einem wohlhabenden Vorort von Birmingham. Im Alter von 13 Jahren ging er an das [[Clifton College]] in [[Bristol]]. Im Jahre 1931 verließ er die Schule mit einem Stipendium für das
[[Corpus Christi College (Oxford)|Corpus Christi College]] in Oxford. Grice studierte dort klassische Literatur und Philosophie. Im Jahre 1935 schloss er seine Undergraduate-Studien ab und  ging für ein Jahr als Lehrer an eine öffentliche Schule in Rossall ([[Lancashire]]). Danach kehrte er an das Corpus Christi College in Oxford zurück und beendete im Jahre 1939 sein Studium mit dem Masterabschluss. Im gleichen Jahr erhielt er eine Anstellung als Dozent am [[St John’s College (Oxford)|St John’s College]] in Oxford, wo er bis 1967 lehrte. Seine Lehrtätigkeit wurde durch den [[Zweiter Weltkrieg |Zweiten Weltkrieg]] unterbrochen, in dem er als [[Leutnant]] in der [[Royal Navy]] diente. Nach dem Krieg erlangte Grice in England und den Vereinigten Staaten schnell große Bekanntheit. 1966 wurde er zum Mitglied der [[British Academy]] gewählt. Im Jahre 1967 hielt er die bekannten ''[[William James Lectures]]'' an der [[Harvard University]] und wechselte noch im selben Jahr an die [[University of California, Berkeley]]. Im Jahre 1975 wurde er dort ordentlicher Professor; 1979 trat er in den Ruhestand, hielt aber bis 1986 weiterhin Vorlesungen. Grice war von 1974 bis 1975 Präsident der Pazifik-Division der [[American Philosophical Association]]. Gastprofessuren führten ihn an die Harvard University, [[Brandeis University]], [[Stanford University]], [[Cornell University]] und an die [[University of Washington]]. 1983 wurde er in die [[American Academy of Arts and Sciences]] gewählt.


== Werk ==
{{Zitat|Die richtige Methode der Philosophie wäre eigentlich die: Nichts zu sagen, als was sich sagen lässt, also Sätze der [[Naturwissenschaft]] — also etwas, was mit Philosophie nichts zu tun hat —, und dann immer, wenn ein anderer etwas [[Metaphysik|Metaphysisches]] sagen wollte, ihm nachzuweisen, dass er gewissen [[Zeichen]] in seinen Sätzen keine Bedeutung gegeben hat. Diese Methode wäre für den anderen unbefriedigend — er hätte nicht das Gefühl, dass wir ihn Philosophie lehrten — aber sie wäre die einzig streng richtige.|Ludwig Wittgenstein|''Tractatus Logico-Philosophicus'' 6.53}}
Grice hat nur wenige Arbeiten veröffentlicht, die meisten darunter sind der Sprachphilosophie zuzurechnen. Die Aufsatzsammlung ''Studies in the Way of Words'', seine einzige Buchveröffentlichung, enthält die wichtigsten Arbeiten zur Bedeutungstheorie, darunter insbesondere die William James-Vorlesungen aus dem Jahre 1967.
=== Analyse der Sprecherbedeutung ===
Grices Ansatz besteht in einer intentionsbasierten Theorie der [[Bedeutung (Sprachphilosophie)|Bedeutung]] von Sprache. Er erklärt sprachliche Bedeutung – entgegen einer unter Linguisten weit verbreiteten Ansicht – ohne Rekurs auf einen [[Code (Semiotik)|Code]] oder [[Konvention]]en.
 
Als ein Ergebnis unter anderem dieser Ideen bewegte sich in den 1970er und 1980er Jahren der Fokus der philosophischen Debatte über die Natur der Bedeutung von einer linguistischen Repräsentation hin zu einer [[Mentale Repräsentation|mentalen Repräsentation]].
 
=== Implikaturtheorie ===
Für die [[Sprachwissenschaft]], insbesondere für die linguistische [[Pragmatik (Linguistik)|Pragmatik]], war Grice bahnbrechend. Seine Unterscheidung zwischen [[Implikatur]] und wörtlicher Bedeutung wurde von der Pragmatik aufgenommen. Grices Arbeit und im Besonderen der Begriff der Sprecherbedeutung wurde zur Basis für eine Trennung von [[Semantik]] und Pragmatik.
 
Seine Beiträge zur Bedeutungstheorie wurden nach seinem Tod in ''Studies in the Way of Words'' (1989) gesammelt veröffentlicht, dabei wurden teilweise auch bereits zuvor einzeln erschienene Aufsätze in die Sammlung aufgenommen.
 
== Werke ==
'''Zentrale Aufsätze'''
* mit [[Peter Strawson]]: [http://www.hist-analytic.org/Gricestrawson.pdf ''In Defense of a Dogma''], in: Philosophical Review 1956
* [http://semantics.uchicago.edu/kennedy/classes/f09/semprag1/grice57.pdf "Meaning"], in: The Philosophical Review 66, 1957, pp. 377-388 (PDF-Datei; 0,22 MB).
* ''Utterer's Meaning, Sentence-Meaning and Word-Meaning'', in: Foundations of Language 4, 1968, pp. 225-242.
* ''Utterer's Meaning and Intentions'', in: Philosophical Review 78, 1969, pp. 147-177.
* ''Vacuous Names'', in: D. Davidson and J. Hintikka (Hgg.), Words and Objections, 1969, pp. 118-145.
* ''Logic and Conversation'', in: P. Cole and J. Morgan (Hgg.), Syntax and Semantics, Bd. 3, 1975, pp. 41-58.
* ''Meaning Revisited'', in: N. V. Smith (Hg.), Mutual Knowledge, 1982, pp. 223-243.
* [http://www.hist-analytic.org/GRICE.pdf "The Causal Theory of Perception"], in: Proceedings of the Aristotelian Society 1961 (PDF-Datei; 2,02 MB)
 
'''Sammelband'''
* Studies in the Way of Words, Cambridge: Harvard University Press, 1989.
 
'''Monographien'''
* The Conception of Value (1991)
* Aspects of Reason (2001)
 
== Ausgaben ==
* Georg Meggle (Hg.): ''Handlung, Kommunikation, Bedeutung''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1993. (Grices wichtigste Aufsätze in deutscher Übersetzung zusammen mit Aufsätzen von anderen Philosophen)
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Paul Grice}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* Siobhan Chapman: ''Paul Grice, Philosopher and Linguist''. Palgrave Macmillian, London 2007
* Andreas Kemmerling: ''H. Paul Grice''. In: Julian Nida-Rümelin (Hrsg.): ''Philosophie der Gegenwart in Einzeldarstellungen. Von Adorno bis v. Wright''. 3. Auflage, Kröner,  Stuttgart 2007, S. 234–240
* Stephen Neale: „Paul Grice and the Philosophy of Language“. In: ''Linguistics and Philosophy''. 15, 1992, S. 509–559. (Zusammenfassung von Grices Beitrag zur Sprachphilosophie)
* Eckard Rolf: ''Sagen und Meinen. Paul Grices Theorie der Konversations-Implikaturen''. Westdeutscher Verlag, Opladen 1994.
* Robert J. Stainton: Artikel ''GRICE, Herbert Paul (1913–88)'', in: John R. Shook: ''The Dictionary of Modern American Philosophers''. Thoemmes Continuum, Bristol 2005, ISBN 1-84371-037-4, S. 983–988


== Weblinks ==
* [[Rudolf Carnap]]: ''Scheinprobleme in der Philosophie und andere metaphysikkritische Schriften'', Hamburg, Meiner 2005, ISBN 3-7873-1728-7, eBook {{ASIN|B01AIFSKJ4}}
* {{DNB-Portal|118542117}}
* Ludwig Wittgenstein: ''Logisch-philosophische Abhandlung, Tractatus logico-philosophicus''. Kritische Edition. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1998 ISBN 3-518-28959-4
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/grice/||Richard E. Grandy und Richard Warner}}
* Ludwig Wittgenstein: ''Tractatus logico-philosophicus, Logisch-philosophische Abhandlung''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003. ISBN 3-518-10012-2
* Porträt in meaning.ch [http://www.meaning.ch/component/option,com_weblinks/Itemid,4/catid,42/]
* Ludwig Wittgenstein: ''Logisch-philosophische Abhandlung'', W. Ostwald (Hrsg.), ''Annalen der Naturphilosophie'', Band 14, 1921, S. 185–262 (http://digital.slub-dresden.de/sammlungen/titeldaten/15325484L/)
* Jonas Pfister: ''[http://www.information-philosophie.de/?a=1&t=859&n=2&y=1&c=49 Die Sprachphilosophie von Paul Grice]'', in: Information Philosophie


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


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[[Kategorie:Gestorben 1988]]
[[Kategorie:Mann]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 27. August 2018, 06:53 Uhr

Als Scheinprobleme wurden von den neopositivistischen Denkern des Wiener Kreises Probleme bezeichnet, die auf einer unklaren, verworrenen Begriffsbildung beruhen und daher schwer bis gar nicht lösbar erscheinen, tatsächlich aber nicht der Mühe wert scheinen, sich damit zu beschäftigen. Insbesondere werden alle metaphysischen Aussagen als inhaltsleer und folglich für die Wissenschaft bedeutungslos angesehen. Dieser Denktradition folgen auch viele Vertreter der Analytischen Philosophie.

Schon Ludwig Wittgenstein betonte in seinem 1918 vollendeten Tractatus Logico-Philosophicus: „Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.[1] Weiter heißt es:

„Die richtige Methode der Philosophie wäre eigentlich die: Nichts zu sagen, als was sich sagen lässt, also Sätze der Naturwissenschaft — also etwas, was mit Philosophie nichts zu tun hat —, und dann immer, wenn ein anderer etwas Metaphysisches sagen wollte, ihm nachzuweisen, dass er gewissen Zeichen in seinen Sätzen keine Bedeutung gegeben hat. Diese Methode wäre für den anderen unbefriedigend — er hätte nicht das Gefühl, dass wir ihn Philosophie lehrten — aber sie wäre die einzig streng richtige.“

Ludwig Wittgenstein: Tractatus Logico-Philosophicus 6.53

Literatur

Einzelnachweise

  1. Ludwig Wittgenstein: Tractatus Logico-Philosophicus, Vorwort