Rüdiger Nehberg

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Rüdiger Nehberg, 2014 Unterschrift von Rüdiger Nehberg
The Tree im Technik-Museum Speyer (2004)

Rüdiger Nehberg (auch „Sir Vival“ genannt, von englisch survival „Überleben“; * 4. Mai 1935 in Bielefeld; † 1. April 2020[1][2] in Rausdorf (Holstein)) war ein deutscher Survival-Experte und Aktivist für Menschenrechte. Seine anfänglich aus Abenteuerlust unternommenen entbehrungsreichen Expeditionen nutzte er später, um auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam zu machen. Zu seinem Lebenswerk zählen unter anderem sein Engagement für das südamerikanische Volk der Yanomami und sein Kampf gegen die weibliche Genitalverstümmelung.

Leben

Schon im Alter von drei Jahren startete Rüdiger Nehberg nach seinen Schilderungen seine erste „Expedition“. Er wollte zu seiner Oma, die am anderen Ende seiner Heimatstadt Bielefeld wohnte. Acht Stunden später wurde er allerdings von der Polizei aufgegriffen. Von 1951 bis 1960 unternahm Nehberg Radtouren um die halbe Welt. Ab 1965 arbeitete er als selbstständiger Konditor in Hamburg. Seine Konditorei mit bis zu 50 Mitarbeitern führte er 25 Jahre.

Inspiriert durch das Buch Zu den Goldquellen der Pharaonen: Allein auf dem reißenden Nil von Kuno S. Steuben, der 1959 den Fluss mit einem Floß befahren hatte,[3] befuhr er zusammen mit Hinrich Finck, den er über eine Zeitungsanzeige kennengelernt hatte, erstmals Anfang 1971 den Blauen Nil. Nach 12 Tagen auf dem Wasser und rund 200 km blieb das Boot in einem Affenbrotbaum hängen und konnte von ihnen nicht mehr befreit werden.[4] 1972 starteten sie zusammen mit Kameramann Michael Teichmann den zweiten Versuch: In einem selbst konstruierten stabileren Boot bezwangen sie nun den Fluss, wobei sie auch von feindseligen Einheimischen beschossen wurden. Der Versuch, einen dreieinhalb Meter langen Felsenpython, den er nach langem Kampf im Wasser überwältigen konnte, lebend mit nach Hause zu nehmen und in sein Schlangenterrarium im Keller einzugliedern, misslang. Der Python starb nach wenigen Tagen. Eine dritte Überfahrt unternahm Nehberg im Januar 1975 zusammen mit seinem Freund Andreas Scholtz, erneut begleitet von Michael Teichmann als Fotograf und Kameramann. Am 12. Januar wurde die Gruppe von einheimischen Räubern überfallen, wobei es zu einer Schießerei kam. Teichmann wurde dabei von hinten tödlich in den Kopf getroffen. Die Täter konnten ausfindig gemacht und wegen Mordes angeklagt werden .

Seit 1980 setzte Nehberg sich für das Indianervolk der Yanomami in Südamerika ein. Als Test für künftige Aktionen im Urwald legte er 1981 auf einem „Deutschlandmarsch“ von Hamburg nach Oberstdorf rund 1000 Kilometer zurück und lebte nur von dem, was er abseits der Zivilisation in der Natur fand. Die 23-tägige Aktion wurde von einem Team des ZDF dokumentiert und im Fernsehen ausgestrahlt. Im Jahre 1983 unternahm Nehberg seine erste Reise nach Südafrika. Nur mit einem Tagebuch ausgestattet durchwanderte er eine Strecke von fast 400 Kilometern, von De Aar bis East London. Seinen Tagebucheinträgen – die später in Auszügen in einem seiner Bücher veröffentlicht wurden – ist zu entnehmen, dass Nehberg zwei Tage ohne Flüssigkeit lebte. 1987 überquerte Rüdiger Nehberg mit einem Tretboot den Atlantik. Dafür trainierte er bei den Kampfschwimmern in Eckernförde. 1989 trat Nehberg täglich als Studio-Experte in der vom Schweizer Fernsehen und 3sat ausgestrahlten Schweizer TV-Sendung Eins zu Eins – Steinzeit-Survival auf, bei der mehrere Personen während zwei Wochen ohne moderne Hilfsmittel in der Natur gefilmt wurden.

1992 überquerte Nehberg gemeinsam mit der Menschenrechtsaktivistin Christina Haverkamp auf einem Bambusfloß nochmals den Atlantischen Ozean. Damit trug er dazu bei, dass den Yanomami-Indianern ein geschütztes Reservat zugestanden wurde. Bei seiner Aktion The Tree überquerte er im Jahre 2001 den Atlantik auf einem auf einer 350 Jahre alten Weiß-Tanne basierenden Trimaran.[5]

Am 31. Juli 2003 ließ er sich von einem Hubschrauber aus 50 Metern und nahezu ohne jegliche Ausrüstung (er führte lediglich ein Messer bei sich) in den brasilianischen Urwald abseilen, um den Regenwald mit all seinen Gefahren, wie z. B. den giftigen Pflanzen und Tieren, zu bezwingen. Zwischenzeitlich galt er als verschollen. In 25 Tagen durchquerte er jedoch den Urwald.

Nehberg war außerdem der Initiator der Nachforschungen über den vermeintlichen Häuptling Tatunca Nara, einen ausgewanderten Deutschen namens Günther Hauck. Nara gilt seitdem als Hochstapler und Betrüger. Mehrere Menschen starben auf Touren durch den brasilianischen Urwald auf mysteriöse Weise. Naras angeblicher Stamm der Ugha Mongulala, der in der unterirdischen Stadt Akakor wohnhaft sein soll, weckte das Interesse mehrerer Abenteuerlustiger, die sich vom „selbstgemachten Häuptling“ (Nehbergs gleichnamiges Buch) dorthin führen lassen wollten, aber nie zurückkamen. Die Tode der Begleiter konnten nie aufgeklärt werden.

Im September 2000 gründete er die Menschenrechtsorganisation TARGET, die Erfolge im Kampf gegen die Verstümmelung weiblicher Genitalien erzielt. Im November 2006 organisierte und finanzierte TARGET eine Konferenz unter der Schirmherrschaft des ägyptischen Großmuftis Ali Gomaa an der al-Azhar-Universität in Kairo. Als Ergebnis dieser Konferenz verurteilten führende islamische Rechtsgelehrte die Praxis der Genitalverstümmelung. Im März 2009 besuchte Nehberg gemeinsam mit Tarafa Baghajati den in Katar lebenden islamischen Rechtsgelehrten und Publizisten Yusuf al-Qaradawi. In einer ausgefertigten Fatwa des anerkannten Rechtsgelehrten wird die genitale Verstümmelung von Mädchen als „Teufelswerk“ bezeichnet und unter allen Umständen verboten, da sie gegen die Ethik des Islam gerichtet sei.[6][7]

Am 25. August 2009 heiratete Nehberg in zweiter Ehe seine langjährige Lebensgefährtin Annette Weber (* 1959). Das Paar hatte sich 1996 bei einem Vortrag Nehbergs in Offenburg kennengelernt.[8] Es lebte in Rausdorf in Schleswig-Holstein.

Rüdiger Nehberg starb am 1. April 2020 im Alter von 84 Jahren.[9]

Bücher

Filme

  • Bootsfahrt ins Ungewisse – 1000 km bis zum Rudolfsee. 1976, Dokumentarfilm, ca. 45 Minuten,
  • Der Deutschlandmarsch. 1981, Dokumentarfilm, 38 Minuten, ISBN 978-3-8312-9352-0.
  • Das Sperrmüllfloß. 1986, Dokumentarfilm, 34 Minuten, ISBN 978-3-8312-9352-0.
  • Mit dem Tretboot nach Brasilien. 1988, Dokumentarfilm, 42 Minuten
  • Goldrausch in Amazonien. 1989, Dokumentarfilm, 42 Minuten
  • Wüste des Todes – Wettlauf durch den australischen Busch. 1996, Dokumentarfilm, 45 Minuten
  • Atlantikfahrt im Tannenbaum. 2000, Dokumentarfilm, 30 Minuten
  • Die Sache – Feldzug gegen ein Tabu. 2006, Dokumentarfilm, 60 Minuten
  • Der Dschungelläufer. 2007, Dokumentarfilm, 43 Minuten
  • Karawane der Hoffnung. 2009, Adolf-Grimme-Preis 2010

Weblinks

Commons: Rüdiger Nehberg - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. „Sir Vival“: Survival-Experte Rüdiger Nehberg ist tot. In: Welt Online. Axel Springer SE, 2. April 2020, abgerufen am 2. April 2020.
  2. Rüdiger Nehberg: Survival – Abenteuer – Menschenrechte. In: ruediger-nehberg.de. 2. April 2020, archiviert vom Original am 2. April 2020; abgerufen am 2. April 2020.
  3. Abenteuer am Blauen Nil und Omo-Fluß. In: Webseite von Rüdiger Nehberg. Abgerufen am 25. Juli 2011; vgl. auch Rüdiger Nehberg: Abenteuer Abenteuer: Blauer Nil und Rudolfsee. Kabel, Hamburg 1982, ISBN 3-921909-61-9.
  4. Rüdiger Nehberg: Abenteuer Abenteuer: Blauer Nil und Rudolfsee. Kabel, Hamburg 1982, ISBN 3-921909-61-9.
  5. Rüdiger Nehberg – The Tree. In: speyer.technik-museum.de. Technik Museum Speyer, abgerufen am 25. Juni 2019.
  6. Wird die Genitalverstümmelung je aufhören? – In Kairo beschliessen islamische Gelehrte ein Verbot. In: nzz.ch. Neue Zürcher Zeitung, 23. November 2006, abgerufen am 24. November 2006.
  7. Amira El Ahl: „In schönstem Ebenmaß“. (PDF; 418 KiB) In: amiraelahl.com. Der Spiegel, 4. Dezember 2006, S. 138–140, abgerufen am 25. Juni 2019.
  8. Abenteurer Rüdiger Nehberg heiratet Lebensgefährtin. 28. August 2009, abgerufen am 3. April 2020.
  9. Großer Überlebenskünstler Rüdiger Nehberg im Alter von 84 Jahren gestorben. In: express.de. DuMont.next GmbH, 2. April 2020, abgerufen am 2. April 2020.


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