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'''Kontrapunkt''' bezeichnet ursprünglich
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* eine Lehre, mehrstimmige Musik zu organisieren, die ab dem 14. Jahrhundert ausgehend von Frankreich und Italien überliefert und weiterentwickelt worden ist,
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* die Anwendung dieser Lehre in [[Improvisation]] und [[Komposition (Musik)|Komposition]] und
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* deren Ergebnis (also eine Stimme oder einen mehrstimmigen Satz, die im Sinne der Lehre gemacht worden sind).
! Name
Das Wort entstammt dem lateinischen Ausdruck „punctum contra punctum ponere“:
! Beginn<br />[[w:mya (Einheit)|mya]]  
{{Zitat|lang=la|Text=Contrapunctus non est nisi punctum contra punctum ponere vel notam contra notam ponere vel facere, et est fundamentum discantus.|Autor=Anon.|Quelle=''Cum notum sit'', um 1350.|Übersetzung=Kontrapunkt ist nichts anderes, als einen Punkt [sprich: eine Note] gegen einen Punkt zu setzen oder zu machen, und er ist das Fundament des Discantus.}}
! Dauer<br />[[w:mya (Einheit)|mya]]  
Ab der zweiten Hälfte des 17.&nbsp;Jahrhunderts wird der Begriff auch in einem weiteren Sinne als Stilbegriff verwendet. Dies hat u.&nbsp;a. dazu geführt, dass ‚Kontrapunkt‘ häufig mit ‚[[Polyphonie]]‘ gleichgesetzt wird.
! [[w:Äon (Geologie)|Äon]]
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[[Kategorie:Vorlage:Eiszeitalter|Eiszeitalter]]
== Prinzipien ==
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=== Note-gegen-Note-Satz ===
Die praktische Frage, der sich die Kontrapunktlehre zunächst widmet, lautet: Wie soll zu einer vorhandenen Tonfolge (dem sogenannten [[Cantus firmus]] oder ''Cantus prius factus'', z.&nbsp;B. einem [[Gregorianischer Choral|gregorianischen Choral]]) eine Gegenstimme improvisiert oder komponiert werden?
 
Grundlegend ist dabei eine Unterteilung der Intervalle in drei Kategorien: [[Konsonanz und Dissonanz#Kontrapunktlehre|vollkommene Konsonanzen, unvollkommene Konsonanzen und Dissonanzen]]. Gemäß dem Ausdruck „''punctum contra punctum ponere''“ konzentrieren sich die ältesten Kontrapunkttraktate darüber hinaus ausschließlich auf den Note-gegen-Note-Satz und schließen Dissonanzen dabei aus. Für die beiden anderen Kategorien gelten jeweils bestimmte Gebote und Verbote. So schreibt der einflussreiche Traktat ''Quilibet affectans'' (um 1330, [[Johannes de Muris]] zugeschrieben) vor:<ref>Sachs 1984, S.&nbsp;180.</ref>
* Abschnitte müssen mit einer vollkommenen Konsonanz beginnen und schließen.
* Vollkommene Konsonanzen dürfen nicht parallel geführt werden.
* Wird eine vollkommene Konsonanz in gerader Bewegung erreicht (also durch eine später so genannte [[verdeckte Parallele]]), muss eine Stimme dabei per Sekundschritt fortschreiten.
* Unvollkommene Konsonanzen sollten nicht mehr als viermal direkt nacheinander parallel geführt werden.
Besonders empfohlen werden außerdem Fortschreitungen zur nächstgelegenen Konsonanz, durch [[Gegenbewegung]] und mit [[Sekunde (Musik)|Sekundschritten]] in beiden Stimmen. Zwecks Abwechslung kann freilich häufig mindestens eine dieser Empfehlungen nicht berücksichtigt werden.
 
'''Beispiel:''' [[Ludovico Zacconi]]: ''Prattica di musica''. Bd.&nbsp;2. Venedig 1622, S.&nbsp;69 (Cantus firmus in der Unterstimme):
 
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=== Dissonanzen ===
Indem nun in der Gegenstimme mittels kürzerer Notenwerte und überwiegend schrittweiser Bewegung Sprünge ausgefüllt und Schritte umspielt werden, ergibt sich eine vielfältigere Satzart, die auch Dissonanzen enthält. Diese werden aber zunächst kaum näher thematisiert, sondern geraten erst durch [[Johannes Tinctoris]] (1477) ausdrücklich ins Blickfeld der Lehre. Dieser erweitert die Bedeutung des Worts ''contrapunctus'', indem er die Satzart Note gegen Note, also den ‚Kontrapunkt‘ im ursprünglichen Sinne, als ''contrapunctus simplex'' (einfacher Kontrapunkt) bezeichnet, und ihm den ''contrapunctus diminutus'' (verkleinerter Kontrapunkt) gegenüberstellt.
 
Tinctoris fordert, dass Dissonanzen „maßvoll“ (''cum ratione moderata'') verwendet werden,<ref>Tinctoris 1477, Buch&nbsp;2, Kap.&nbsp;23.</ref> indem sie entweder auf unbetonter Taktposition stehen und schrittweise erreicht und verlassen werden (also als [[Durchgangsnote|Durchgangs-]] oder [[Wechselnote]]n gelten können), oder aber als [[Synkopendissonanz]], bevorzugt unmittelbar vor Kadenzen, verwendet werden. Abspringende Nebennoten sollen von einem Terzsprung gefolgt (die später so genannten [[Wechselnote#Fuxsche Wechselnote|Fuxschen Wechselnoten]]) und sparsam verwendet werden.<ref>Tinctoris 1477, Buch&nbsp;2, Kap.&nbsp;32.</ref>
 
In seiner Lehre der Dissonanzbehandlung orientiert sich Tinctoris an Kompositionen von u.&nbsp;a. [[John Dunstable]], [[Guillaume Dufay]], [[Gilles Binchois]] und [[Johannes Ockeghem]], die für ihn eine neue Epoche eingeläutet haben.<ref>Siehe Tinctoris: ''Proportionale musices'', um 1472–1475 ([http://www.chmtl.indiana.edu/tml/15th/TINPRO online]).</ref>
 
== Kontrapunkt als Synonym von Satzlehre ==
Die Lehre des zweistimmigen ''contrapunctus diminutus'' wird von Tinctoris und späteren Autoren auf den mehr als zweistimmigen Satz übertragen. Bis ins 18.&nbsp;Jahrhundert wird Kontrapunkt somit gleichbedeutend mit Satzlehre. Erweitert werden die Traktate, indem sie neben den kontrapunktischen Grundprinzipien auch Satztechniken wie [[Imitation (Musik)|Imitation]], [[Fuge (Musik)|Fuge]] und [[Kanon (Musik)|Kanon]], sowie doppelten und mehrfachen Kontrapunkt behandeln. Der ''contrapunctus simplex'' bleibt dabei jedoch die systematische und didaktische Vorstufe der gesamten Kompositionslehre. Eine besonders prominente Kontrapunktlehre, die noch im 17. und 18.&nbsp;Jahrhundert eine zentrale Rolle spielt, ist der dritte Teil der ''Istitutioni armoniche'' von [[Gioseffo Zarlino]] (1558).
 
Gewisse Veränderungen erfährt die Lehre angesichts stilistischer Entwicklungen, u.&nbsp;a. im Bereich der Dissonanzbehandlung. Mit der Entstehung der [[Dur-Moll-Tonalität]] werden Intervallfortschreitungen über die überlieferten kontrapunktischen Prinzipien hinaus außerdem so organisiert, dass sie eine Dur- oder Molltonart zum Ausdruck bringen.
 
== Kontrapunkt als Stilbegriff ==
Angesichts seines Ursprungs als Lehre des Note-gegen-Note-Satzes schließt Kontrapunkt [[Homophonie (Musik)|Homophonie]] keineswegs aus. Die heute verbreitete Verwendung von ‚kontrapunktisch‘ im Sinne von ‚[[Polyphonie|polyphon]]‘ stammt aus dem 19.&nbsp;Jahrhundert:<ref>Sachs 1982, S.&nbsp;32&nbsp;f.</ref>
 
{{Zitat| Kontrapunkt, eine aus dem Lateinischen […] hergenommene Benennung für polyphone Schreibart, d.&nbsp;h. solche, die zwei oder mehr melodisch ausgebildete Stimmen gleichzeitig mit einander verbindet und fortführt, wie z.&nbsp;B. in der Fuge und anderen Kunstformen. […]. Bestimmter verstehen wir darunter […] den Satz, welcher zwei oder mehr wahrhaft selbständige (nach den Grundsätzen der Melodik ausgebildete) Stimmen mit einander verbindet.|Autor=[[Adolf Bernhard Marx]]|Quelle=''Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften oder Universal-Lexicon der Tonkunst'' Bd.&nbsp;4. Stuttgart 1837, S.&nbsp;188&nbsp;f.}}
 
Allerdings wurde das Wort schon ab der zweiten Hälfte des 17.&nbsp;Jahrhunderts als Stilbegriff verwendet, im Hinblick auf die Kirchenmusik des späten 16.&nbsp;Jahrhunderts und insbesondere auf die Musik von [[Giovanni Pierluigi da Palestrina]].<ref>Sachs 1982, S.&nbsp;30.</ref> Entscheidend verstärkt wurde diese Tendenz durch das Lehrwerk ''[[Gradus ad Parnassum]]'' von [[Johann Joseph Fux]] (1725), das die Pflege dieses Stils bezweckt.
 
Im 19.&nbsp;Jahrhundert wurde außer dem Palestrina-Stil auch die Musik von [[Johann Sebastian Bach]] zu einem Gipfelpunkt von ‚Kontrapunkt‘ stilisiert. In ihr sah [[Ernst Kurth (Musikwissenschaftler)|Ernst Kurth]] die Idee eines „linearen Kontrapunkts“ optimal verwirklicht, bei dem „der Wille zur Linienstruktur, der horizontale Entwurf […] immer das Primäre und der tragende Grundzug“ sei.<ref>Kurth 1917, S.&nbsp;98.</ref>
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Kontrapunkt}}
* {{WikipediaDE|Kontrapunkt}}
 
== Literatur (chronologische Reihenfolge) ==
* Johannes Tinctoris: ''Liber de arte contrapuncti'' (Hs.) 1477.
* Johann Joseph Fux: ''Gradus ad Parnassum'' […]. Wien 1725.
* Johann Joseph Fux: ''Gradus ad Parnassum'' […]'' ins Teutsche übersetzt'' […]'' von Lorenz Christoph Mizler.'' Leipzig 1742, Reprint Hildesheim 1984.
* Friedrich Wilhelm Marpurg: ''Abhandlung von der Fuge'' […]. Bd.&nbsp;1. Berlin 1753 ([http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/goToPage/bsb10527403.html?pageNo=194 Digitalisat]).
* Adolf Bernhard Marx: ''Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften oder Universal-Lexicon der Tonkunst'' Bd.&nbsp;4. Stuttgart 1837 ([http://opacplus.bsb-muenchen.de/title/BV010653758/ft/bsb10600492?page=190 Digitalisat]).
* Heinrich Bellermann: ''Der Contrapunkt.'' Berlin 1862.
* Ernst Kurth: ''Grundlagen des linearen Kontrapunkts. Einführung in Stil und Technik von Bachʼs melodischer Polyphonie''. Dreschel, Bern 1917 ({{Digitalisat|IA=romantischeharmo00kurt}}).
* Knud Jeppesen: ''Kontrapunkt. Lehrbuch der klassischen Vokalpolyphonie.'' Leipzig 1956.
* Klaus-Jürgen Sachs: ''Der Contrapunctus im 14. und 15.&nbsp;Jahrhundert. Untersuchungen zum Terminus, zur Lehre und zu den Quellen.'' Franz Steiner, Stuttgart 1974, ISBN 3-515-01952-9.
* Diether de la Motte ''Kontrapunkt. Ein Lese- und Arbeitsbuch.'' Kassel und München 1981, ISBN 3-423-30146-5.
* Klaus-Jürgen Sachs: ''Contrapunctus&nbsp;/ Kontrapunkt''. In: ''Handwörterbuch der musikalischen Terminologie''. Bd.&nbsp;2, hrsg. von Hans Heinrich Eggebrecht und Albrecht Riethmüller, Schriftleitung Markus Bandur, Steiner, Stuttgart 1982 ([http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0007/bsb00070510/images/index.html?fip=193.174.98.30&seite=163&pdfseitex= Digitalisat]).
* Klaus-Jürgen Sachs: ''Die Contrapunctus-Lehre im 14. und 15. Jahrhundert''. In: Hans Heinrich Eggebrecht&nbsp;/ F. Alberto Gallo&nbsp;/ Max Haas&nbsp;/ Klaus-Jürgen Sachs: ''Die mittelalterliche Lehre von der Mehrstimmigkeit''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1984, S.&nbsp;161–256.
* Claus Ganter: ''Kontrapunkt für Musiker. Die Gestaltungsprinzipien der Vokal und Instrumentalpolyphonie'' […]. München und Salzburg 1994.
* Christoph Hohlfeld, Reinhard Bahr: ''Schule des musikalischen Denkens. Der Cantus-firmus-Satz bei Palestrina.'' Wilhelmshaven 1994.
* Thomas Daniel: ''Kontrapunkt. Eine Satzlehre zur Vokalpolyphonie des 16.&nbsp;Jahrhunderts.'' Köln 1997, ISBN 3-925366-43-1.
* Ian Bent: ''Steps to Parnassus: Contrapuntal theory in 1725, precursors and successors''. In: Thomas Christensen (Hrsg.): ''The Cambridge History of Western Music Theory''. Cambridge University Press, Cambridge 2002, ISBN 978-0-521-62371-1, S.&nbsp;554–602.
* Peter Schubert, Christoph Neidhöfer: ''Baroque counterpoint''. Pearson Prentice Hall, Upper Saddle River 2006, ISBN 978-0-13-183442-2.
* Peter Schubert: ''Modal Counterpoint, Renaissance Style''. 2.&nbsp;Auflage. Oxford University Press, New York&nbsp;/ Oxford 2008, ISBN 978-0-19-533194-3.
* Johannes Menke: ''Kontrapunkt&nbsp;I: Die Musik der Renaissance''. Laaber-Verlag, Laaber 2015, ISBN 978-3-89007-825-0.
* Johannes Menke: ''Kontrapunkt&nbsp;II: Die Musik des Barock''. Laaber-Verlag, Laaber 2017, ISBN 978-3-89007-826-7.
 
== Weblinks ==
{{Wiktionary}}
* {{Internetquelle| autor=Belkin, Alan| url=http://alanbelkinmusic.com/site/en/index.php/counterpoint/| titel=Principles of Counterpoint| datum=2000| zugriff=2018-07-19| sprache=en| offline=false }}
* [http://musikanalyse.net/tutorials/kontrapunkt-einfuehrung/ Kontrapunkt (16. Jahrhundert) - Eine Einführung] auf [http://musikanalyse.net musikanalyse.net]
* [https://www.youtube.com/watch?v=XwsjzUWYBVE Kontrapunkt, kurz erklärt] YouTube
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{Normdaten|TYP=s|GND=4032307-9}}
 
[[Kategorie:Musiktheorie|L]]
[[Kategorie:Kontrapunkt|!]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 5. Juli 2019, 17:41 Uhr

Kontrapunkt bezeichnet ursprünglich

  • eine Lehre, mehrstimmige Musik zu organisieren, die ab dem 14. Jahrhundert ausgehend von Frankreich und Italien überliefert und weiterentwickelt worden ist,
  • die Anwendung dieser Lehre in Improvisation und Komposition und
  • deren Ergebnis (also eine Stimme oder einen mehrstimmigen Satz, die im Sinne der Lehre gemacht worden sind).

Das Wort entstammt dem lateinischen Ausdruck „punctum contra punctum ponere“:

„Contrapunctus non est nisi punctum contra punctum ponere vel notam contra notam ponere vel facere, et est fundamentum discantus.“

„Kontrapunkt ist nichts anderes, als einen Punkt [sprich: eine Note] gegen einen Punkt zu setzen oder zu machen, und er ist das Fundament des Discantus.“

Anon.: Cum notum sit, um 1350.

Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wird der Begriff auch in einem weiteren Sinne als Stilbegriff verwendet. Dies hat u. a. dazu geführt, dass ‚Kontrapunkt‘ häufig mit ‚Polyphonie‘ gleichgesetzt wird.

Prinzipien

Note-gegen-Note-Satz

Die praktische Frage, der sich die Kontrapunktlehre zunächst widmet, lautet: Wie soll zu einer vorhandenen Tonfolge (dem sogenannten Cantus firmus oder Cantus prius factus, z. B. einem gregorianischen Choral) eine Gegenstimme improvisiert oder komponiert werden?

Grundlegend ist dabei eine Unterteilung der Intervalle in drei Kategorien: vollkommene Konsonanzen, unvollkommene Konsonanzen und Dissonanzen. Gemäß dem Ausdruck „punctum contra punctum ponere“ konzentrieren sich die ältesten Kontrapunkttraktate darüber hinaus ausschließlich auf den Note-gegen-Note-Satz und schließen Dissonanzen dabei aus. Für die beiden anderen Kategorien gelten jeweils bestimmte Gebote und Verbote. So schreibt der einflussreiche Traktat Quilibet affectans (um 1330, Johannes de Muris zugeschrieben) vor:[1]

  • Abschnitte müssen mit einer vollkommenen Konsonanz beginnen und schließen.
  • Vollkommene Konsonanzen dürfen nicht parallel geführt werden.
  • Wird eine vollkommene Konsonanz in gerader Bewegung erreicht (also durch eine später so genannte verdeckte Parallele), muss eine Stimme dabei per Sekundschritt fortschreiten.
  • Unvollkommene Konsonanzen sollten nicht mehr als viermal direkt nacheinander parallel geführt werden.

Besonders empfohlen werden außerdem Fortschreitungen zur nächstgelegenen Konsonanz, durch Gegenbewegung und mit Sekundschritten in beiden Stimmen. Zwecks Abwechslung kann freilich häufig mindestens eine dieser Empfehlungen nicht berücksichtigt werden.

Beispiel: Ludovico Zacconi: Prattica di musica. Bd. 2. Venedig 1622, S. 69 (Cantus firmus in der Unterstimme):

<score raw="1" sound="1"> \version "2.14.2" \header {

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upper = \relative c' { \set Score.skipBars = ##t \autoBeamOff

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Dissonanzen

Indem nun in der Gegenstimme mittels kürzerer Notenwerte und überwiegend schrittweiser Bewegung Sprünge ausgefüllt und Schritte umspielt werden, ergibt sich eine vielfältigere Satzart, die auch Dissonanzen enthält. Diese werden aber zunächst kaum näher thematisiert, sondern geraten erst durch Johannes Tinctoris (1477) ausdrücklich ins Blickfeld der Lehre. Dieser erweitert die Bedeutung des Worts contrapunctus, indem er die Satzart Note gegen Note, also den ‚Kontrapunkt‘ im ursprünglichen Sinne, als contrapunctus simplex (einfacher Kontrapunkt) bezeichnet, und ihm den contrapunctus diminutus (verkleinerter Kontrapunkt) gegenüberstellt.

Tinctoris fordert, dass Dissonanzen „maßvoll“ (cum ratione moderata) verwendet werden,[2] indem sie entweder auf unbetonter Taktposition stehen und schrittweise erreicht und verlassen werden (also als Durchgangs- oder Wechselnoten gelten können), oder aber als Synkopendissonanz, bevorzugt unmittelbar vor Kadenzen, verwendet werden. Abspringende Nebennoten sollen von einem Terzsprung gefolgt (die später so genannten Fuxschen Wechselnoten) und sparsam verwendet werden.[3]

In seiner Lehre der Dissonanzbehandlung orientiert sich Tinctoris an Kompositionen von u. a. John Dunstable, Guillaume Dufay, Gilles Binchois und Johannes Ockeghem, die für ihn eine neue Epoche eingeläutet haben.[4]

Kontrapunkt als Synonym von Satzlehre

Die Lehre des zweistimmigen contrapunctus diminutus wird von Tinctoris und späteren Autoren auf den mehr als zweistimmigen Satz übertragen. Bis ins 18. Jahrhundert wird Kontrapunkt somit gleichbedeutend mit Satzlehre. Erweitert werden die Traktate, indem sie neben den kontrapunktischen Grundprinzipien auch Satztechniken wie Imitation, Fuge und Kanon, sowie doppelten und mehrfachen Kontrapunkt behandeln. Der contrapunctus simplex bleibt dabei jedoch die systematische und didaktische Vorstufe der gesamten Kompositionslehre. Eine besonders prominente Kontrapunktlehre, die noch im 17. und 18. Jahrhundert eine zentrale Rolle spielt, ist der dritte Teil der Istitutioni armoniche von Gioseffo Zarlino (1558).

Gewisse Veränderungen erfährt die Lehre angesichts stilistischer Entwicklungen, u. a. im Bereich der Dissonanzbehandlung. Mit der Entstehung der Dur-Moll-Tonalität werden Intervallfortschreitungen über die überlieferten kontrapunktischen Prinzipien hinaus außerdem so organisiert, dass sie eine Dur- oder Molltonart zum Ausdruck bringen.

Kontrapunkt als Stilbegriff

Angesichts seines Ursprungs als Lehre des Note-gegen-Note-Satzes schließt Kontrapunkt Homophonie keineswegs aus. Die heute verbreitete Verwendung von ‚kontrapunktisch‘ im Sinne von ‚polyphon‘ stammt aus dem 19. Jahrhundert:[5]

„Kontrapunkt, eine aus dem Lateinischen […] hergenommene Benennung für polyphone Schreibart, d. h. solche, die zwei oder mehr melodisch ausgebildete Stimmen gleichzeitig mit einander verbindet und fortführt, wie z. B. in der Fuge und anderen Kunstformen. […]. Bestimmter verstehen wir darunter […] den Satz, welcher zwei oder mehr wahrhaft selbständige (nach den Grundsätzen der Melodik ausgebildete) Stimmen mit einander verbindet.“

Adolf Bernhard Marx: Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften oder Universal-Lexicon der Tonkunst Bd. 4. Stuttgart 1837, S. 188 f.

Allerdings wurde das Wort schon ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Stilbegriff verwendet, im Hinblick auf die Kirchenmusik des späten 16. Jahrhunderts und insbesondere auf die Musik von Giovanni Pierluigi da Palestrina.[6] Entscheidend verstärkt wurde diese Tendenz durch das Lehrwerk Gradus ad Parnassum von Johann Joseph Fux (1725), das die Pflege dieses Stils bezweckt.

Im 19. Jahrhundert wurde außer dem Palestrina-Stil auch die Musik von Johann Sebastian Bach zu einem Gipfelpunkt von ‚Kontrapunkt‘ stilisiert. In ihr sah Ernst Kurth die Idee eines „linearen Kontrapunkts“ optimal verwirklicht, bei dem „der Wille zur Linienstruktur, der horizontale Entwurf […] immer das Primäre und der tragende Grundzug“ sei.[7]

Siehe auch

Literatur (chronologische Reihenfolge)

  • Johannes Tinctoris: Liber de arte contrapuncti (Hs.) 1477.
  • Johann Joseph Fux: Gradus ad Parnassum […]. Wien 1725.
  • Johann Joseph Fux: Gradus ad Parnassum […] ins Teutsche übersetzt […] von Lorenz Christoph Mizler. Leipzig 1742, Reprint Hildesheim 1984.
  • Friedrich Wilhelm Marpurg: Abhandlung von der Fuge […]. Bd. 1. Berlin 1753 (Digitalisat).
  • Adolf Bernhard Marx: Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften oder Universal-Lexicon der Tonkunst Bd. 4. Stuttgart 1837 (Digitalisat).
  • Heinrich Bellermann: Der Contrapunkt. Berlin 1862.
  • Ernst Kurth: Grundlagen des linearen Kontrapunkts. Einführung in Stil und Technik von Bachʼs melodischer Polyphonie. Dreschel, Bern 1917 (Digitalisat).
  • Knud Jeppesen: Kontrapunkt. Lehrbuch der klassischen Vokalpolyphonie. Leipzig 1956.
  • Klaus-Jürgen Sachs: Der Contrapunctus im 14. und 15. Jahrhundert. Untersuchungen zum Terminus, zur Lehre und zu den Quellen. Franz Steiner, Stuttgart 1974, ISBN 3-515-01952-9.
  • Diether de la Motte Kontrapunkt. Ein Lese- und Arbeitsbuch. Kassel und München 1981, ISBN 3-423-30146-5.
  • Klaus-Jürgen Sachs: Contrapunctus / Kontrapunkt. In: Handwörterbuch der musikalischen Terminologie. Bd. 2, hrsg. von Hans Heinrich Eggebrecht und Albrecht Riethmüller, Schriftleitung Markus Bandur, Steiner, Stuttgart 1982 (Digitalisat).
  • Klaus-Jürgen Sachs: Die Contrapunctus-Lehre im 14. und 15. Jahrhundert. In: Hans Heinrich Eggebrecht / F. Alberto Gallo / Max Haas / Klaus-Jürgen Sachs: Die mittelalterliche Lehre von der Mehrstimmigkeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1984, S. 161–256.
  • Claus Ganter: Kontrapunkt für Musiker. Die Gestaltungsprinzipien der Vokal und Instrumentalpolyphonie […]. München und Salzburg 1994.
  • Christoph Hohlfeld, Reinhard Bahr: Schule des musikalischen Denkens. Der Cantus-firmus-Satz bei Palestrina. Wilhelmshaven 1994.
  • Thomas Daniel: Kontrapunkt. Eine Satzlehre zur Vokalpolyphonie des 16. Jahrhunderts. Köln 1997, ISBN 3-925366-43-1.
  • Ian Bent: Steps to Parnassus: Contrapuntal theory in 1725, precursors and successors. In: Thomas Christensen (Hrsg.): The Cambridge History of Western Music Theory. Cambridge University Press, Cambridge 2002, ISBN 978-0-521-62371-1, S. 554–602.
  • Peter Schubert, Christoph Neidhöfer: Baroque counterpoint. Pearson Prentice Hall, Upper Saddle River 2006, ISBN 978-0-13-183442-2.
  • Peter Schubert: Modal Counterpoint, Renaissance Style. 2. Auflage. Oxford University Press, New York / Oxford 2008, ISBN 978-0-19-533194-3.
  • Johannes Menke: Kontrapunkt I: Die Musik der Renaissance. Laaber-Verlag, Laaber 2015, ISBN 978-3-89007-825-0.
  • Johannes Menke: Kontrapunkt II: Die Musik des Barock. Laaber-Verlag, Laaber 2017, ISBN 978-3-89007-826-7.

Weblinks

 Wiktionary: Kontrapunkt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Sachs 1984, S. 180.
  2. Tinctoris 1477, Buch 2, Kap. 23.
  3. Tinctoris 1477, Buch 2, Kap. 32.
  4. Siehe Tinctoris: Proportionale musices, um 1472–1475 (online).
  5. Sachs 1982, S. 32 f.
  6. Sachs 1982, S. 30.
  7. Kurth 1917, S. 98.


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