Stimmung

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Die Stimmung ist - im Gegensatz zu Affekten oder Emotionen - ein länger anhaltender, mit verschiedenen positiven oder negativen Gefühlen verbundener Gemütszustand, der einerseits von der leiblichen und seelischen Gesamtverfassung, andererseits aber auch von äußeren Gegebenheiten abhängt und in diesem Sinn auch objektivierbar ist. In letzterem Fall spricht man auch von Anmutung. Die subjektiven und objektiven Anteile der Stimmung voneinander zu klar zu trennen, erfordert allerdings einige Übung in seelischer Beobachtung. Insbesondere muss man dazu von der eigenen Befindlichkeit und von jeder persönlichen Sympathie und Antipathie, die sich oft sehr stark geltend machen, absehen können. Jede Landschaft, jede Stadt, jede Wohnung, jedes Zimmer, jede Menschenversammlung hat, objektiv betrachtet, eine charakteristische Stimmung, die dem aufmerksamen Beobachter nicht entgehen wird. Aber auch jede einzelne Form, jede Farbe, jeder Laut usw. ist mit einer typischen Stimmung verbunden, wie es etwa schon Goethe in seiner Farbenlehre als „sinnlich-sittliche Wirkung der Farbe“ beschrieben hat.

Das Erleben objektiver Stimmungen als Ausgangspunkt für übersinnliche Erfahrungen

Objektiv erlebte Stimmungen sind bereits ein Hinweis auf real vorhandene ätherische und astrale Kräfte und Wesenheiten. Durch entsprechende geistige Schulung können diese Erlebnisse zu Imaginationen und Inspirationen verdichtet werden.

„Weder Goethe noch Herder hatten in ihrer Zeit schon die Möglichkeit, hineinzuschauen in die geistige Welt, wie das heute durch Geisteswissenschaft geschehen soll; aber wie ein Vorahnen dieser Geisteswissenschaft war in ihnen die Stimmung vorhanden, die in besonderer Verstärkung, in besonderer Intensität beim Inspirieren und Imaginieren auftritt. Herder und Goethe fühlten sich in Inspirationsstimmung, indem sie Spinoza lasen, und Goethe fühlte sich in Imaginationsstimmung, als er sich durch die italienischen Kunstwerke zu einer Naturanschauung hindurcharbeitete. Goethe empfand aus der Inspirationsstimmung des Spinozismus heraus die Sehnsucht nach der Imaginationsstimmung, und was Goethe als Urbilder der Pflanze, des Tieres fand, es war noch nicht wirkliche Imagination. Die Methode, wirkliche Imagination zu erwerben, hatte Goethe nicht. Aber dasjenige, was er hatte, war die Stimmung, die man beim Imaginieren hat. Diese Stimmung konnte er in sich anfachen, indem er zwar nicht zu wirklichen, reinen, frei innerlich geschaffenen Imaginationen aufrückte, sondern indem er, sich anlehnend an dasjenige, was Pflanze, Tier, was die Wolkenwelt darleben, in sich sinnlich-übersinnliche Bilder erlebte. Er konnte sich in die beim Imaginieren verlaufende Stimmung finden, wie er sich beim Lesen des Spinoza gefunden hat in die Stimmung des Inspiriertwerdens. Er kannte den Seelenzustand, in dem der Mensch, was er ausspricht, so erlebt, daß er sich der Worte nur als Mittel bedient, um gewissermaßen die Geheimnisse des Weltenalls von der Welt selber aussprechen zu lassen.“ (Lit.:GA 325, S. 87)

Korrespondenz verschiedener Sinnesqualitäten

Dass im Erleben einer Gesamtstimmung auch verschiedene Sinnesqualitäten gesetzmäßig miteinander korrespondieren können, hat Rudolf Steiner etwa in seinen Ausführungen zur Eurythmie am Beispiel von Lauten und Farben gezeigt. Daraus ergeben sich auch Hinweise für die Farben der Bekleidung, die etwa zur Gesamtstimmung eines bestimmten Gedichtes passen. Die Farbe erscheint hier als „der an der Außenwelt fixierte Gemütsinhalt“.

„Denn die Sache ist schon so, daß man in den Laut so recht nur dann hineinkommt, wenn man ihn auch farbig empfindet.

Denken Sie doch nur einmal, der a-Laut: die Verwunderung, das Erstaunen! Es ist ja eine Farbe im Grunde genommen nur dasjenige, was außer uns unseren Gemütsinhalt gibt. Eine Farbe gibt außerhalb unserer unseren Gemütsinhalt. Deshalb ist so viel Streit über das Wesen der Farben, weil man nicht beachtet, daß die Farbe eigentlich der an der Außenwelt fixierte Gemütsinhalt ist.

Nun, nehmen Sie das Erstaunen, die Verwunderung. Als Geste werden Sie Erstaunen, Verwunderung fühlen in der a-Geste. Nun müssen Sie sich fragen: Was kann mich denn veranlassen, im rein Farbigen diese Geste zu bilden? Und da werden Sie aus dem Gefühl heraus auf diese Farbenkombination eben kommen, diese Farbenkombination, die aus dem Blau und Violett, also aus den sogenannten dunklen Farben heraus arbeitet.

Nehmen Sie aber die o-Stimmung. Die o-Stimmung ist diejenige des Umfassens, des In-sich-Aufnehmens, des Mit-sich-Vereinigens. Sie brauchen dabei helle Farben. Sie haben sie hier (Eurythmiefigur o).

Nun können Sie diese Farben zunächst nicht so gebrauchen, wie sie hier dargestellt sind, aus dem vorhin angegebenen Grunde. Aber von größter Bedeutung wird es für Sie sein, wenn Sie dann übend die Empfindung davon haben, wie in der Farbe ein a oder ein o oder ein i ist, oder wiederum ein u, die Ängstlichkeit; denn Sie verwachsen dadurch intimer mit der Natur der Geste. So daß es geradezu beim Üben gut ist, die Sache so zu machen, daß man wirklich, wenn auch nur in der Vorstellung, sich in der Art bekleidet, wie das hier ist. Besonders gut ist es, wenn man sich eben in Gedanken bekleidet.

Denken Sie nur einmal die ganze e-Stimmung in diesem blassen Gelb mit etwas Grün in der Mitte, blasses Gelb mit etwas Grün. Man fühlt, wie das Rot und Blau sich im Grün verlieren. Während Sie beim Blau und Violett das Hingegebensein haben, a und u, haben Sie bei alledem, was Selbstbehauptung ist, oder was In-sich-Aufnehmen ist, die helle Farbe. Sie haben bei dem, was e ist, Berührtwerden und Sich-Behaupten nach dem Berührtwerden, eben Grün. Sie bekommen Grün, wenn Sie Gelb und Blau mischen, also Helles und Dunkles in der Farbe mischen. Da haben Sie direkt das e durch das Farbige selbst ausgedrückt. So wachsen Sie zusammen mit der Geste, wenn Sie diese Farbe wählen.

Nun, nehmen Sie aber an, man ist einmal dahintergekommen hinter solche Sachen - man kann nicht mit dem Verstande dahinterkommen, man kann nur mit dem Gemüte dahinterkommen -, nehmen wir an, man ist einmal dahintergekommen, daß irgendeine Stimmung, zum Beispiel die e-Stimmung dieses ist (Eurythmiefigur e). Man kommt dann auch wiederum von selber darauf, daß ganze Gedichte die e-Stimmung atmen. Da können die mannigfaltigsten Vokale drinnen sein, die Gedichte haben eben die e-Stimmung. Nehmen Sie zum Beispiel ein Gedicht oder irgend etwas, was zu eurythmisieren ist, wo wir, sagen wir, fortwährend unangenehm berührt werden und doch dieses unangenehme Berührtwerden in einer gewissen Weise nicht fortgehen lassen, das ist die e-Stimmung. Wenn das Gedicht diese Stimmung hat, dann werden wir gut tun, diese Bekleidung zu wählen für das ganze Gedicht. Es handelt sich darum, daß wir uns an den Lauten selber die Färbungen aneignen, dann können wir schon auch aufsteigen zu der Bekleidung ganzer Gedichte.“ (Lit.:GA 279, S. 126ff)

Siehe auch

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Eurythmie als sichtbare Sprache , GA 279 (1990), ISBN 3-7274-2790-6 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Die Naturwissenschaft und die weltgeschichtliche Entwickelung der Menschheit seit dem Altertum, GA 325 (1989), ISBN 3-7274-3250-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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