Peter Strawson und Stereochemie: Unterschied zwischen den Seiten

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Sir '''Peter Frederick Strawson''' (* [[Wikipedia:23. November|23. November]] [[1919]] in [[Wikipedia:London|London]]; † [[Wikipedia:13. Februar|13. Februar]] [[Wikipedia:2006|2006]] in [[Wikipedia:Oxford|Oxford]]) war ein [[Vereinigtes Königreich|britischer]] [[Philosoph]], der der [[Analytische Philosophie|analytischen Philosophie]] zugeordnet wird und vielbeachtete Beiträge zur [[Sprachphilosophie]], [[Metaphysik]], [[Logik]], [[Epistemologie]] und zu Klassikern und Argumenten der Philosophiegeschichte, insb. zu [[Kant]], vorgelegt hat. Für die Entwicklung der analytischen Philosophie seit den 1960ern hin zu einem Wiedererstarken metaphysischer Theorieansätze war Strawsons Studie zu Einzeldingen von 1959 mit maßgebend.
Die '''Stereochemie''' (von {{ELSalt|στερεός}} ''stereós'' „fest, hart, starr, räumlich“) beschäftigt sich mit dem [[Raum|räumlichen]] Aufbau und dem räumlichen Ablauf [[Chemische Reaktion|chemischer Reaktionen]] von [[stereoisomere]]n [[Molekül]]en, die sich bei gleicher [[Summenformel]] und [[Konstitution (Chemie)|Konstitution]] durch die [[dreidimensional]]e räumliche Anordnung ihrer [[Atom]]e unterscheiden.  


== Biografie ==
== Contergan-Skandal ==
Strawson war [[Wikipedia:Waynflete Professor of Metaphysical Philosophy|Waynflete Professor of Metaphysical Philosophy]] an der Universität von [[Wikipedia:Oxford|Oxford]] von 1968 bis 1987.
[[Datei:Thalidomide-structures.png|mini|300px|Die beiden Stereoisomere des Thalidomids:<br />Links: (''S'')-Thalidomid<br />Rechts: (''R'')-Thalidomid]]
 
Der genaue räumliche Bau der Moleküle ist insbesondere für biologisch aktive Moleküle von entscheidender Bedeutung. Ein tragisches Beispiel dafür ist der in den Jahren 1961-1962 aufgedeckte [[w:Contergan-Skandal|Contergan-Skandal]]. [[w:Contergan|Contergan]], das den [[Wirkstoff]] [[w:Thalidomid|Thalidomid]] enthielt, wurde seit 1957 als nebenwirkungsfreies mildes Beruhigungs- und Schlafmittel rezeptfrei verkauft und führte bei schwangeren Frauen häufig zu schweren Fehlbildungen des [[Fötus]], die in schweren Fällen sogar zu fehlenden Gliedmaßen und Organen bei Neugeborenen führten. Der ursächliche Zusammenhang mit dem Wirkstoff Thalidomid wurde erst nach und nach entdeckt. Anfangs vermutete man die Ursache vielmehr in den weltweiten Atomwaffentests, die damals noch oberirdisch audgeführt wurden. Thalidomid existiert in zwei spiegelbildlichen stereoisomeren Formen, von denen heute dem (R)-Thalidomid die [[sedativ]]e und dem (S)-Thalidomid die fruchtschädigende Wirkung zugeschrieben wird. Da sich die beiden [[Stereoisomere]] in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften kaum unterscheiden, sind sie nur sehr schwer voneinander zu trennen und wurden daher als Gemisch verkauft und dadurch das Unglück heraufbeschworen.
Strawson wurde 1977 zum Ritter geschlagen. 1960 wurde er zum [[Wikipedia:Fellow|Fellow]] der [[Wikipedia:British Academy|British Academy]] und 1971 Foreign Honorary Member der [[Wikipedia:American Academy of Arts and Sciences|American Academy of Arts and Sciences]].
 
Strawsons Sohn, [[Wikipedia:Galen Strawson|Galen Strawson]], ist auch Philosoph.
 
Peter Strawson verstarb am 13. Februar 2006 in Oxford.
 
== Lehre ==
Strawson wurde bekannt durch seinen Artikel ''On Referring'' (1950), einer Kritik an [[Bertrand Russell]]s [[Wikipedia:Theory of Descriptions|Theory of Descriptions]], die aufzeigt, dass Russells Analyse nicht alle relevanten Verwendungen des bestimmten Artikels erklären kann, insb. Fälle, wenn das fragliche Objekt nicht existiert - Russell muss dann den Satz als falsch bewerten, was, so Strawson, in vielen Fällen kontraintuitiv ist. In der Theorie der [[Wikipedia:Kennzeichnung (Logik)|Kennzeichnung]] hat Strawsons Hinweis auf den Einfluss von [[Wikipedia:Präsupposition|Präsupposition]]en auf die [[Bedeutung (Sprachphilosophie)|Bedeutung]] von Aussagen zur Fortentwicklung beigetragen. Strawsons Vorschlag, von Regeln auszugehen, die eine korrekte Referenz unter bestimmten Bedingungen bestimmen, konvergiert außerdem u.&nbsp;a. mit Grundideen [[John Langshaw Austin|Austin]]s und anderer Vertreter einer [[Sprechakttheorie]].
 
Er geht davon aus, dass die Philosophie und innerhalb der Philosophie die Disziplin der [[Metaphysik]] die Aufgabe habe, „die tatsächliche Struktur unseres Denkens über die Welt zu beschreiben“, ein methodischer Ansatz, den er „deskriptive Metaphysik“ nennt und wovon er das Vorgehen unterscheidet, „eine bessere Struktur hervorzubringen“, das er als „revisionäre Metaphysik“ bezeichnet.<ref>Vgl. Strawson: ''Individuals.'' London/New York 1959, S. 9.</ref> Das Begriffssystem des [[Wikipedia:Common-Sense-Philosophie|common sense]] bzw. der Lebenswelt ist demnach unhintergehbar - wir hantieren je schon mit Begriffen wie „Person“, aber auch mit Konzepten wie Raum, Zeit, Kausalität, Wahrheit u.&nbsp;dgl. Diese Begriffe sind daher, so Strawson, nicht reduzierbar auf grundlegendere Begriffe oder Gegebenheiten, etwa Erfahrungsdaten oder naturwissenschaftliche Begriffe. Zeitgenössische Philosophen wie [[Bertrand Russell]] kritisierte Strawson für eine zu starke Orientierung an einer [[Philosophie der idealen Sprache|idealen Sprache]]. Strawson selbst wird daher, was seine sprachphilosophischen Stellungnahmen betrifft, der sog. [[Philosophie der normalen Sprache]] zugeordnet.
 
Strawsons Unterscheidung zwischen ''deskriptiver Metaphysik'' und ''revisionärer Metaphysik'' wird häufig übernommen, aber auch kritisiert, u.&nbsp;a. in der Anwendung auf Klassiker, u.&nbsp;a., weil sie nicht zureichend trennscharf sei.<ref>Detailliert Winfried Löffler: ''Über deskriptive und revisionäre Metaphysik.'' In: Matthias Lutz-Bachmann & Thomas M. Schmidt (Hrsg.): ''Metaphysik heute - Probleme und Perspektiven der Ontologie.'' Alber, Freiburg 2007, S. 114–131.</ref>
 
Hauptergebnis des Buchs ''Individuals'' ist, dass Personen und materielle Körper die grundlegenden Entitäten sind.<ref>Vgl. Winfried Löffler: ''Über deskriptive und revisionäre Metaphysik.'' In: Matthias Lutz-Bachmann & Thomas M. Schmidt (Hrsg.): ''Metaphysik heute - Probleme und Perspektiven der Ontologie.'' Alber, Freiburg 2007, S. 114 (116)</ref> Das Werk markiert nach verbreiteter Ansicht den wichtigsten Wendepunkt hin zum ''revival of metaphysics'' in den analytisch-philosophischen Traditionen.<ref>Winfried Löffler: ''Über deskriptive und revisionäre Metaphysik.'' In: Matthias Lutz-Bachmann & Thomas M. Schmidt (Hrsg.): ''Metaphysik heute - Probleme und Perspektiven der Ontologie.'' Alber, Freiburg 2007, S. 114</ref>
 
Strawson ist der Auffassung, dass [[Immanuel Kant|Kants]] [[Wikipedia:Kritik der reinen Vernunft|Kritik der reinen Vernunft]] im Wesentlichen das Ziel einer deskriptiven Metaphysik verfolgt. In seinem 1966 erschienenen Werk ''The bounds of sense'' vertritt Strawson eine Kantinterpretation, wonach zahlreiche Thesen Kants unhaltbar sind, darunter Kants Erklärung synthetisch-a priorischer Urteile, Kants transzendentaler Idealismus u.&nbsp;v.&nbsp;a.&nbsp;m. Andere Ideen Kants versucht Strawson allerdings zu verteidigen, u.&nbsp;a., indem er Kants Argumente rekonstruiert und argumentiert, dass ein zwar etwas schwächeres, aber plausibles Beweisziel erbracht werde. Gezeigt werden könne, dass menschliches Bewusstsein in der Lage ist, seine zur Einordnung von Erfahrungen herangezogenen Kategorien auf Objekte anzuwenden, die selbst erfahrungsunabhängig sind. Insbesondere sieht Strawson auf dieser Grundlage skeptische Argumente widerlegbar. Auch ''Bounds of Sense'' wurde sofort und breit rezipiert und Strawson trug damit nicht nur zu einer Kantrenaissance in der angelsächsischen Philosophie bei, sondern entfachte zudem eine neue Debatte in der [[Transzendentalphilosophie]] um die Möglichkeit [[transzendental]]er Argumente.
 
Strawson hat zudem sehr einflussreiche Arbeiten zum [[Wahrheit]]sbegriff, zum [[Skeptizismus]]problem und zum Begriff des [[Analytisches Urteil|Analytisch]]en verfasst.
 
== Bibliografie ==
=== Bücher ===
* ''Introduction to Logical Theory.'' Methuen, London 1952.
* ''Individuals: An Essay in Descriptive Metaphysics.'' Methuen, London 1959
** ''Einzelding und logisches Subjekt. Ein Beitrag zur deskriptiven Metaphysik.'' Übers. v. Freimut Scholz. Reclam, Stuttgart 1972, ISBN 3-15-009410-0
* ''The Bounds of Sense: An Essay on Kant’s Critique of Pure Reason.'' Methuen, London 1966
** ''Die Grenzen des Sinns. Ein Kommentar zu Kants „Kritik der reinen Vernunft“.'' Übers. v. Ernst Michael Lange. Hain, Königstein 1981, ISBN 3-445-12025-0; ebd. 1992, ISBN 3-445-07018-0
* ''Logico-Linguistic Papers.'' Methuen, London 1971
** ''Logik und Linguistik. Aufsätze zur Sprachphilosophie.'' List, München 1974, ISBN 3-471-61429-X
* ''Freedom and Resentment and other Essays.'' Methuen, London 1974
* ''Subject and Predicate in Logic and Grammar.'' Methuen, London 1974
* ''Skepticism and Naturalism: Some Varieties.'' Columbia University Press, New York 1985; Routledge, 2008 (mit [http://www2.warwick.ac.uk/fac/soc/philosophy/people/faculty/cassam/foreword.doc Vorwort] von Quassim Cassam; DOC; 67&nbsp;kB)
** ''Skeptizismus und Naturalismus.'' Übers. v. M. N. Istase & Renata Soskey. Athenäum, Frankfurt 1987, ISBN 3-610-09210-6; Philo, Berlin/Wien 2001, ISBN 3-8257-0118-2
* ''Analysis and Metaphysics: An Introduction to Philosophy.'' Oxford University Press, Oxford 1992
** ''Analyse und Metaphysik. Eine Einführung in die Philosophie.'' Übers. v. Charlotte Hochkeppel. dtv, München 1994, ISBN 3-423-04615-5
* ''Entity and Identity.'' Oxford University Press, Oxford 1997.
 
=== Artikel ===
* ''Truth.'' In: ''Analysis.'' 1949.
* ''On Referring.'' In: ''Mind.'' 59, 1950, S. 320–344
** ''Über Referenz.'' In: Ursula Wolf (Hrsg.): ''Eigennamen. Dokumentation einer Kontroverse.'' Suhrkamp, Frankfurt 1985, ISBN 3-518-28657-9, S. 94–126
* mit H. P. Grice: ''In Defense of a Dogma.'' In: ''Philosophical Review.'' 1956.
* ''Logical Subjects and Physical Objects.'' In: ''Philosophy and Phenomenological Research.'' 1957.
* ''[http://www.ucl.ac.uk/~uctytho/dfwstrawson1.htm Freedom and Resentment].'' In: ''Proceedings of the British Academy.'' Vol. 48, 1960.
* ''Singular Terms and Predication.'' In: ''Journal of Philosophy.'' 1961.
* ''Universals.'' In: ''Midwest Studies in Philosophy.'' 1979.
* ''Gesellschaftliche Moral und persönliche Ideale.'' In: Günther Grewendorf & [[Wikipedia:Georg Meggle|Georg Meggle]] (Hrsg.): ''Seminar Sprache und Ethik. Zur Entwicklung der Metaethik.'' Suhrkamp, Frankfurt 1974, ISBN , S. 317–341
* Weitere: siehe englische Seite


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Peter Strawson}}
* {{WikipediaDE|Kategorie:Stereochemie}}
 
* {{WikipediaDE|Stereochemie}}
== Literatur ==
* Sarah-Jane Conrad & Silvan Imhof (Hrsg.): ''P. F. Strawson – Ding und Begriff.'' Ontos-Verlag, Frankfurt [u.&nbsp;a.] 2010, ISBN 978-3-86838-016-3
* Lewis Edwin Hahn (Hrsg.): ''The Philosophy of P. F. Strawson.'' Open Court, 1998, ISBN 0812693787
* John Heawood: ''[http://philosophynow.org/issues/57/Peter_Strawson_1919-2006_A_Sort_of_Obituary Peter Strawson (1919-2006): A Sort of Obituary].'' In: ''Philosophy Now.'' Issue 57, September/Oktober 2006
* Richard Kirkham: ''Theories of Truth.'' MIT Press, 1992 (Kapitel 10 enthält eine detaillierte Diskussion von Strawsons performativer Theorie der Wahrheit)
* Marcel Niquet: ''Transzendentale Argumente. Kant, Strawson und die Aporetik der Detranszendentalisierung.'' Suhrkamp, Frankfurt 1991, ISBN 3-518-58096-5
* Winfried Löffler: ''Über deskriptive und revisionäre Metaphysik.'' In: Matthias Lutz-Bachmann & Thomas M. Schmidt (Hrsg.): ''Metaphysik heute - Probleme und Perspektiven der Ontologie.'' Alber, Freiburg/München 2007, ISBN 978-3-495-48217-9, S. 114–131.
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/philosophie_strawson.pdf Peter Strawson:Leben und Werk] PDF
 
== Weblinks ==
* {{DNB-Portal|118619128}}
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/strawson/|Peter Frederick Strawson|Paul Snowdon}}
* ''[https://www.theguardian.com/news/2006/feb/15/guardianobituaries.booksobituaries Obituary: Sir Peter Strawson],'' Nachruf von Jane O’Grady im ''Guardian,'' 15. Februar 2006
* ''[http://www.telegraph.co.uk/news/1510498/Sir-Peter-Strawson.html Sir Peter Strawson],'' Nachruf im ''Daily Telegraph,'' 15. Februar 2006
 
== Einzelanchweise ==
<references/>
 
{{Normdaten|TYP=p|GND=118619128|LCCN=n/80/30830|VIAF=51696277}}
 
{{SORTIERUNG:Strawson, Peter}}
[[Kategorie:Philosoph]]
[[Kategorie:Analytischer Philosoph]]
[[Kategorie:Sprachphilosoph]]
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[[Kategorie:Vertreter der Linguistischen Analyse]]
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[[Kategorie:Mann]]


{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Stereochemie|!]]

Version vom 25. August 2019, 17:24 Uhr

Die Stereochemie (von griech. στερεός stereós „fest, hart, starr, räumlich“) beschäftigt sich mit dem räumlichen Aufbau und dem räumlichen Ablauf chemischer Reaktionen von stereoisomeren Molekülen, die sich bei gleicher Summenformel und Konstitution durch die dreidimensionale räumliche Anordnung ihrer Atome unterscheiden.

Contergan-Skandal

Die beiden Stereoisomere des Thalidomids:
Links: (S)-Thalidomid
Rechts: (R)-Thalidomid

Der genaue räumliche Bau der Moleküle ist insbesondere für biologisch aktive Moleküle von entscheidender Bedeutung. Ein tragisches Beispiel dafür ist der in den Jahren 1961-1962 aufgedeckte Contergan-Skandal. Contergan, das den Wirkstoff Thalidomid enthielt, wurde seit 1957 als nebenwirkungsfreies mildes Beruhigungs- und Schlafmittel rezeptfrei verkauft und führte bei schwangeren Frauen häufig zu schweren Fehlbildungen des Fötus, die in schweren Fällen sogar zu fehlenden Gliedmaßen und Organen bei Neugeborenen führten. Der ursächliche Zusammenhang mit dem Wirkstoff Thalidomid wurde erst nach und nach entdeckt. Anfangs vermutete man die Ursache vielmehr in den weltweiten Atomwaffentests, die damals noch oberirdisch audgeführt wurden. Thalidomid existiert in zwei spiegelbildlichen stereoisomeren Formen, von denen heute dem (R)-Thalidomid die sedative und dem (S)-Thalidomid die fruchtschädigende Wirkung zugeschrieben wird. Da sich die beiden Stereoisomere in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften kaum unterscheiden, sind sie nur sehr schwer voneinander zu trennen und wurden daher als Gemisch verkauft und dadurch das Unglück heraufbeschworen.

Siehe auch