Echte Feige

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Feigenbaum im Frühjahr

Der Feigenbaum (hebr. תְּאֵנָה teenâh), genauer die Echte Feige (Ficus carica), ist die bekannteste Art aus der Gattung der Feigenund gehört zur Familie der Maulbeergewächse aus der Ordnung der Rosenartigen.

Die Echte Feige wächst als sommergrüner, laubabwerfender Strauch oder auch als kleiner Baum mit wechselständig angeordneten, drei- bis fünflappigen, an den Rändern unregelmäßig gezähnten Laubblättern, den Feigenblättern. Die Rinde ist hellgrau und glatt, der Stamm meist knorrig gedreht und gebogen. Die ganze Pflanze ist von Milchsaft durchzogen. Jährlich bilden sich drei Generationen von Blütenständen; die erste im Februar oder März, dann im Mai und Juni und die letzte im August und September. Die Echte Feige ist einhäusig, d.h. jede Pflanze trägt sowohl weibliche als auch männliche Blüten. Innerhalb von drei bis fünf Monaten nach der Bestäubung, die durch die Feigenwespen erfolgt, reifen die grün bis dunkelviolett gefärbten, kugel- oder birnenförmigen Feigen heran. Die Feige ist eine Scheinfrucht, die aus einem ganzen Steinfruchtverband besteht. Die Steinfrüchte machen sich als kleine harte linsenförmige Kerne in der Feige bemerkbar. Die Echte Feige wird im ganzen Mittelmeerraum angebaut und zählt zu den ältesten domestizierten Pflanzen und ist auch die erste Pflanze, die in der Bibel - im Zusammenhang mit dem Sündenfall - namentlich genannt wird: Nachdem Adam und Eva, von Luzifer verführt, vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen gegessen hatten, erkannten sie, dass sie nackt waren und bedeckten ihre Blöße mit einem Feigenblatt (1 Mos 3,7 LUT).

Veredlung der wilden Feigen

Echter Feigenbaum mit Blättern und Früchten
Adam und Eva, Albrecht Dürer, 1507
Typisches Laubblatt der Echten Feige
Feige bicolor
Die reife Scheinfrucht im Längsschnitt

"In südlicheren Gegenden, namentlich in Griechenland, spielt die Feigenzucht eine große Rolle. Nun gibt es sogenannte wilde Feigen, die zwar etwas süß sind, aber sie sind so, daß manche Menschen eine noch leckerere Zunge haben und noch süßere Feigen haben möchten, als die wilden Feigen eben Süßigkeit haben. Was tun nun diese Leute?

Feigenbaum
Feigenbaum

Nun denken Sie sich, da wäre ein wilder Feigenbaum. Dieser wilde Feigenbaum, der wird ganz besonders geliebt von einer bestimmten Wespenart, die da ihre Eier drinnen ablegt (siehe Zeichnung). Stellen wir uns also vor: Da wäre der wilde Feigenbaum, auf dem Ast eine solche wilde Feige, in die die Wespe ihr Ei ablegt.

Nun, der Feigenzüchter, der ist eigentlich in seiner Art ein ganz schlauer Kerl. Er läßt diese Wespen in den wilden Feigenbäumen, die er besonders dazu anzüchtet, ihre Eier ablegen. Nachher nimmt der Bursche zwei solche Feigen zunächst herunter in dem Zeitpunkte, wo die Wespenlarven drinnen noch nicht bis zu Ende sind, so daß die Wespen also noch lange nicht reif zum Ausschlüpfen sind, aber eine Zeit ihrer Entwickelung schon durchgemacht haben. Nun, was tut er weiter? Er nimmt einen Binsenhalm und bindet diese zwei Feigen, in denen er diese Wespenlarven nicht ganz zur Reife hat kommen lassen, mit diesem Binsenhalm zusammen, so daß sie halten. Jetzt geht er an einen Feigenbaum, bei dem er die Feigen veredeln will und hängt die zwei Feigen, die er mit dem Binsenhalm verbunden hat und worin die Wespen genistet haben, ihre Eier abgelegt haben, an den Feigenbaum an, den er veredeln will. Was geschieht nun?

veredelter Feigenbaum
veredelter Feigenbaum

Da geschieht folgendes: Die Wespen, die spüren das, weil diese Feigen, die er abgerissen hat, die nicht mehr auf dem Feigenbaum darauf sind, jetzt trocken werden; die trocknen aus, die haben nicht mehr den Saft vom Baum. Das spürt innerlich schon die noch gar nicht entwickelte Wespe. Selbst das Ei spürt das. Und die Folge davon ist, daß sich die Wespe mit ihrem Auskriechen furchtbar beeilt. So daß also der Züchter im Frühling anfängt, diese Prozedur zu machen: Er läßt zuerst die Wespe ihre Eier ablegen. Flugs, wenn es so zum Mai kommt, nimmt er diese zwei Feigen herunter und macht damit diese Prozedur. Donnerwetter, denkt sich das Tier, das da drinnen ist, jetzt muß ich mich beeilen! Jetzt kommt ja schon die Zeit, wo die Feige wieder trocken wird! - Das Tier beeilt sich furchtbar, schlüpft viel früher aus, als es sonst ausgeschlüpft wäre. Wäre die Feige hängengeblieben, wäre es im Spätsommer ausgeschlüpft. So muß es im Frühsommer ausschlüpfen. Die Folge aber ist, daß das Tier, weil es im Frühsommer ausschlüpft, eine zweite Brut machen muß, und es legt noch im Sommer Eier, während es sonst erst im Frühjahr gelegt hätte.

Mit diesen Eiern geht die Wespe jetzt an die Feigen, die an dem Baume sind, der veredelt werden soll. Dahinein legt sie die Eier, Späteier, die nicht bis zu ihrer Reife kommen, sich nur bis zu einem gewissen Grade entwickeln. Und was geschieht dadurch? Diese Feigen, in die da die zweite Brut hineingelegt ist, die werden doppelt so süß als die anderen wilden Feigen! Das nennt man die Veredelung der Feigen, daß sie doppelt so süß werden." (Lit.: GA 351, S. 206ff)

Der Feigenbaum als Symbol für das alte naturhafte Hellsehen

Das alte naturhafte Hellsehen, über das der Mensch in alten Zeiten verfügte, wurde durch die selben reinen Ätherkräfte gespeist, die auch der Fortpflanzung zugrunde liegen. Diese Kräfte werden durch das Feigenblatt angedeutet. Durch die luziferische Versuchung wurden die Sinne geöffnet und die ursprünglich völlig bewusstlos erfolgende Fortpflanzung immer mehr von sinnlichen Begierden durchsetzt. Dadurch wurde auch das alte Hellsehen immer mehr korrumpiert und begann dahinzuschwinden. Dafür trat der Egoismus immer mehr hervor. Zur Zeitenwende, mit dem Erdenleben des Christus, hatte das alte Hellsehen seine ursprüngliche Berechtigung verloren - der Feigenbaum - als Symbol dieses atavistischen Hellsehens - sollte verdorren, wie es auch im Evangelium angedeutet wird:

„12 Und am nächsten Tag, als sie von Betanien weggingen, hungerte ihn. 13 Und er sah einen Feigenbaum von ferne, der Blätter hatte; da ging er hin, ob er etwas darauf fände. Und als er zu ihm kam, fand er nichts als Blätter; denn es war nicht die Zeit für Feigen. 14 Da fing Jesus an und sprach zu ihm: Nun esse niemand mehr eine Frucht von dir in Ewigkeit! Und seine Jünger hörten das.“

Markusevangelium: Mk 11,12-14 EU

Rudolf Steiner erläutert dazu in seinen Vorträgen über das Markus-Evangelium:

"Eine besondere Stelle, wobei man wieder das Methodisch-Künstlerische kennenlernen kann, was das Evangelium an okkulten Tatsachen der Menschheitsevolution birgt, ist die folgende, die wieder eine Art von Crux für die Erklärer ist. «Und am folgenden Tage, als sie von Bethanien ausgezogen, hungerte ihn. Und er sah von weitem einen Feigenbaum, der Blätter hatte, und trat herzu, ob er etwas auf demselben finde. Und wie er hinkam, fand er nichts als Blätter; denn es war nicht die Zeit der Feigen. Und er hob an und sprach zu ihm: Nie mehr in Ewigkeit soll jemand von dir Frucht essen! Und seine Jünger hörten es.» (11, 12-14.)

Nun sollte doch jeder ehrlicherweise fragen: Ist es denn nach dem Evangelium nicht doch sonderbar von einem Gotte, daß er auf einen Feigenbaum losgeht, Feigen sucht, aber keine findet, daß man noch dazu den Grund angibt, warum er keine gefunden hat - denn es heißt ausdrücklich «es war nicht die Zeit der Feigen», das heißt also, daß er zur Zeit, da es keine Feigen gibt, zum Feigenbaume hingeht, Feigen sucht und keine findet -, und nachher sagt: «Nie mehr in Ewigkeit soll jemand von dir Frucht essen!»? Nun nehmen Sie die Erklärungen, die zu dieser Geschichte gewöhnlich gegeben werden, während trocken und nüchtern nichts anderes dasteht, als daß in sonderbarer Weise der Christus Jesus Hunger verspürt, zu einem Feigenbaume geht in einer Zeit, in welcher keine Feigen wachsen, keine Feigen findet und den Baum dann verflucht, daß in alle Ewigkeit keine Feigen mehr auf ihm wachsen sollen. Ja, was ist denn dann der Feigenbaum, und warum wird das Ganze hier erzählt? Wer okkulte Schriften lesen kann, wird in dem «Feigenbaume » - wie der Zusammenhang im Evangelium ist, werden wir noch sehen - zunächst dasselbe erkennen, wovon bei dem Buddha gesprochen wird, der unter dem «Bodhibaume» saß und die Erleuchtung zu der Predigt von Benares empfing. Unter dem «Bodhibaume» - das heißt auch: unter dem «Feigenbaume». Weltgeschichtlich war zur Zeit des Buddha in bezug auf das menschliche Hellsehen noch die « Zeit der Feigen », das heißt, man bekam, wie es bei Buddha der Fall war, unter dem Bodhibaume - unter dem Feigenbaume - die Erleuchtung. Jetzt war das nicht mehr so. Das sollten die Jünger lernen. Jetzt war die weltgeschichtliche Tatsache eingetreten, daß nicht mehr an jenem Baume, unter dem der Buddha die Erleuchtung empfangen hat, die Früchte da waren.

Und was in der ganzen Menschheit geschah, das spiegelte sich dazumal in der Seele des Christus. Sehen wir einen Repräsentanten der Menschheit in Empedokles von Sizilien, einen Repräsentanten für viele Menschen, die ähnlich hungerten, weil ihre Seele nicht mehr fand die Offenbarung, die ihr früher gegeben war und sich jetzt mit den Abstraktionen des Ich begnügen mußte, so kann man von dem hungernden Empedokles sprechen, kann sprechen von dem Hunger nach dem Geist, den alle Menschen der heranrückenden Zeit fühlten. Und der ganze Hunger der Menschheit lud sich ab in der Seele des Christus Jesus, bevor heranrückte das Mysterium von Golgatha.

Und die Jünger sollten teilnehmen an diesem Geheimnis und davon wissen. Der Christus führt sie hin zu dem Feigenbaum und sagt ihnen das Geheimnis von dem Bodhibaum. Er ließ aus, weil es bedeutungslos war, daß noch der Buddha die Früchte dieses Feigenbaumes gefunden hat. Aber jetzt war nicht mehr die Zeit der «Feigen», die Buddha zur Zeit der Predigt von Benares von dem Bodhibaume gehabt hat; sondern konstatieren mußte der Christus, daß bis in alle Ewigkeit an dem Baume, von dem heruntergeflossen ist das Licht von Benares, nicht mehr die Erkenntnisfrüchte reifen werden, sondern daß sie jetzt kommen werden von dem Mysterium von Golgatha.

Welche Tatsache haben wir vor uns? Die Tatsache, daß der Christus Jesus mit seinen Jüngern von Bethanien nach Jerusalem geht und daß bei dieser Gelegenheit in den Jüngern eine besonders starke Empfindung, eine besonders starke Kraft hervorgerufen wird, welche in den Seelen der Jünger hellseherische Kräfte hervorruft, so daß sie besonders zur Imagination geneigt sind. In den Jüngern werden hellseherische, imaginative Kräfte erweckt. Sie sehen hellseherisch den Bodhibaum, den Feigenbaum, und der Christus Jesus bewirkt in ihnen die Erkenntnis, daß von dem Bodhibaume nicht mehr die Früchte der Erkenntnis kommen können; denn es ist nicht mehr die Zeit der Feigen, das heißt der alten Erkenntnis. In alle Ewigkeit wird dieser Baum verdorrt sein, und ein neuer Baum muß erwachsen, der Baum, der aus dem toten Holze des Kreuzes besteht, und an dem nicht die Früchte reifen der alten Erkenntnis, sondern die Früchte, die der Menschheit aus dem Mysterium von Golgatha reifen können, das mit dem Kreuze von Golgatha als einem neuen Sinnbild verbunden ist. Hingestellt hat sich an die Stelle jener Szene der Weltgeschichte, die wir sehen in dem Sitzen des Buddha unter dem Bodhibaum, das Bild von Golgatha, wo ein anderer Baum, der Baum des Kreuzes, erhöht ist, an dem die lebendige Frucht des sich offenbarenden Menschengottes hing, damit von ihm ausstrahle die neue Erkenntnis des sich nun weiter ausbildenden Baumes, der in alle Ewigkeit die Früchte tragen soll." (Lit.: GA 139, S. 161ff)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Das Markus-Evangelium, GA 139 (1985), ISBN 3-7274-1390-5 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Mensch und Welt. Das Wirken des Geistes in der Natur. Über das Wesen der Bienen, GA 351 (1999), ISBN 3-7274-3510-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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