Strafrecht und Totales Differential: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''Strafrecht''', auch als '''Kriminalrecht''' bezeichnet, umfasst im [[Rechtssystem (Soziologie)|Rechtssystem]] eines Landes diejenigen [[Rechtsnorm]]en, durch die bestimmte Verhaltensweisen verboten und mit einer [[Strafe]] als [[Rechtsfolge]] verknüpft werden. Als Ziel des Strafrechts gilt vor allem der Schutz bestimmter [[Rechtsgut|Rechtsgüter]] wie beispielsweise [[Leben]], [[Gesundheit]] und [[Eigentum]] von Personen, Sicherheit und Integrität des [[Staat]]es sowie elementarer Werte des Gemeinschaftslebens. Mögliche Strafen, die jedoch nicht in allen Ländern praktiziert werden, sind unter anderem die [[Geldstrafe]], die [[Freiheitsstrafe]], die [[Körperstrafe]] sowie als schwerwiegendste Form die [[Todesstrafe]].
#WEITERLEITUNG [[Analysis#Differentialrechnung]]
 
Das Strafrecht ist in den meisten Ländern in Form eines eigenen [[Strafgesetzbuch]]es und gegebenenfalls weiterer [[Nebengesetz]]e definiert. Teil des Strafrechts sind insbesondere [[Rechtssatz|Rechtssätze]], durch welche die strafbaren Handlungen und ihre Merkmale, die Art und Schwere der damit verbundenen Strafmaßnahmen sowie die für die Durchsetzung des Strafrechts zuständigen Institutionen und ihre Arbeitsweise festgelegt sind. Hinsichtlich dieser Aspekte, der zulässigen Strafen, der Bewertung des [[Strafzwecktheorien|Strafzwecks]], Art und Umfang der zugrundeliegenden Rechtsgrundlagen sowie der Einordnung des Strafrechts in die Rechtssystematik gibt es jedoch zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen den Rechtssystemen einzelner Länder, die Gegenstand der [[Vergleichende Rechtswissenschaft|vergleichenden Rechtswissenschaft]] sind.
<!--== Geschichte ==
{{Hauptartikel|Geschichte des Strafrechts}}-->
 
== Aufbau der Straftat ==
=== Deutscher Rechtskreis ===
{{Hauptartikel|Strafrecht (Deutschland)|Strafrecht (Österreich)|Strafrecht (Schweiz)}}
 
Die deutsche Strafrechtswissenschaft und ihre Allgemeine Lehre vom Strafrecht gehört zu den weltweit einflussreichsten. Die führenden deutschen Lehrbücher werden oftmals ins Spanische, Portugiesische, Chinesische, Japanische und Koreanische übersetzt. Deutsche Strafrechtswissenschaft ist besonders in Spanien, Lateinamerika, Japan, Südkorea, Taiwan sowie in Polen, Griechenland und der Türkei umfassend rezipiert worden:<ref name="dubber1296_1299">{{Literatur |Autor=Markus Dirk Dubber |Hrsg=Mathias Reimann, [[Reinhard Zimmermann]] |Titel=Comparative Criminal Law |Sammelwerk=Oxford Handbook of Comparative Law |Verlag=Oxford University Press |Ort=Oxford |Datum=2008 |Seiten=1296–1299}}</ref>
 
Nach dieser Lehre ist eine Straftat aus drei Bestandteilen aufgebaut:
# [[Tatbestand]],
# [[Rechtswidrigkeit]] und
# [[Schuld (Strafrecht)|Schuld]].
 
=== Romanischer Rechtskreis ===
Der französische ''Code pénal'' enthält keine Angaben zum Aufbau der Strafbarkeit; diese Lücke wurde von der Rechtslehre durch verschiedene Ansätze gefüllt. Der früheste Ansatz unterschied allein nach den Kriterien ''strafbare Tat'' und ''strafbarer Täter.'' Das Kriterium ''strafbarer Täter'' enthielt dabei etwa die Zurechnungsfähigkeit, die Schuld sowie die Notwehr ''(légitime défense).'' Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts setzten sich Ansätze durch, die erstmals die Straftat als solche gliederten. Diese klassische Lehre ''(doctrine classique)'' beschreibt einen dreiteiligen Tataufbau:
# gesetzliches Element ''([[élément légal]])''
# materielles Element ''([[élément matériel]])''
# subjektives Element ''(élément subjectif'' auch ''élément psychologique, intellectuel'' oder ''[[élément moral]]).''
Die persönliche Verantwortlichkeit des Täters war nicht Bestandteil des Aufbaus der Straftat. Später kamen einige Versuche auf, die persönliche Verantwortlichkeit, wie Strafmündigkeit oder Zurechnungsfähigkeit, dem subjektiven Element zuzuordnen; andererseits wurde zum Teil die Existenz eines vierten Elementes, des ''élément injuste'' erwogen, das etwa die Notwehr erfassen sollte.<ref>{{Literatur |Autor=Juliette Lelieur, Peggy Pfützner, Sabine Volz |Hrsg=Ulrich Sieber, Karin Cornils |Titel=Begriff und Systematisierung der Straftat – Frankreich |Sammelwerk=Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung |Band=II. Allgemeiner Teil, Teilband 2 |Verlag=Duncker & Humblot |Ort=Berlin |Datum=2008 |ISBN=}}</ref>
 
=== Englischer Rechtskreis ===
Die Systematisierung der Straftat im ''[[common Law]]'' ist stark von prozessualen Gesichtspunkten geprägt. Auch wenn sich die Bezeichnungen oft leicht in grob entsprechende Merkmale nach kontinentaleuropäischer Systematik übertragen lassen, ist ihre Zielsetzung nicht, eine [[Ontologie]] oder [[Phänomenologie]] der Straftat zu erschaffen, sondern eine praxistaugliche Handhabe zu geben. Strafbares Verhalten besteht demnach zunächst aus einer ''offence,'' die der Staat ''„beyond reasonable doubt“'' („jeden begründeten Zweifel ausschließend“) beweisen muss. Eine ''offence'' besteht ihrerseits aus ''[[actus reus]]'' und ''[[mens rea]].'' Der Angeklagte ''(defendant)'' muss seinerseits den Beweis für eine ''[[defence]]'' erbringen.<ref name="dubber1318_1320">{{Literatur |Autor=Markus Dirk Dubber |Hrsg=Mathias Reimann, [[Reinhard Zimmermann]] |Titel=Comparative Criminal Law |Sammelwerk=Oxford Handbook of Comparative Law |Verlag=Oxford University Press |Ort=Oxford |Datum=2008 |Seiten=1318–1320}}</ref>
 
=== Sozialistischer Rechtskreis (China) ===
Mit der langen eigenen [[China|chinesischen]] Rechtstradition wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts zugunsten der [[Rezeption (Recht)|Rezeption]] des deutschen bzw. [[Japanisches Recht|japanischen Rechts]] gebrochen. Man übernahm den klassischen deutschen Aufbau der Straftat in Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld. 1949 verwarf die [[Kommunistische Partei]] alles bisher geltende Recht und die bisherige Lehre. Er wurde durch eine vom Recht der [[Sowjetunion]] geprägte Einteilung ersetzt, die auf der Grundlage des [[Marxismus-Leninismus]] aufbaute. Die vier Voraussetzungen der Strafbarkeit sind demnach:
# Schutzobjekt
# bestimmte objektive Umstände
# Subjekt
# subjektive Tatmerkmale (Vorsatz und Fahrlässigkeit)
In der Lehre blieb dieser Aufbau besonders in jüngerer Zeit nicht kritiklos; im Besonderen wird darauf hingewiesen, dass [[Strafausschließungstatbestand|Strafausschließungstatbestände]] sich in den deutschen dreiteiligen Aufbau besser einfügen. Dennoch stellt der vierteilige Aufbau das geltende Paradigma dar.
 
Die Rechtswissenschaft unterscheidet beim Objekt der Tat zwischen dem konkreten Objekt der Tatbegehung (Handlungs- oder Angriffsobjekt, 对象, ''duixiang'') und dem abstrakten Schutzobjekt (客体, ''keti''). Das Schutzobjekt ist ein eigenständiges Merkmal im Tatbestandsaufbau; das Handlungsobjekt zählt hingegen zu den objektiven Umständen. Die tradierte Auffassung beschreibt als Schutzobjekt, die „vom Strafrecht geschützten, durch die strafbare Handlung verletzten sozialistischen Gesellschaftsbeziehungen“ (社会主义社会关系, ''shehui zhuyi shehui guanxi'')<ref>Mingxuan Gao: ''Prinzip des Strafrechts''. Band 1. China Renmin University Press, Peking 1993, S.&nbsp;480–485</ref>
 
Liegen alle vier Bedingungen vor, kann von einer gesellschaftsschädlichen und mithin strafbaren Handlung ausgegangen werden. Ausnahmen hiervon lassen sich als Unterfälle fehlender Gesellschaftsschädlichkeit auffassen. Die deutsche Einteilung in Rechtswidrigkeit und Schuld ist nicht bekannt; die im deutschen Rechtskreis hiervon erfassten Fälle werden unter dem Begriff „Grund für den Ausschluss der Strafbarkeit“ ''(paichu fanzui de shiyou)'' abgehandelt.<ref>{{Literatur |Autor=Yang Zhao, Thomas Richter |Hrsg=Ulrich Sieber, Karin Cornils |Titel=Begriff und Systematisierung der Straftat – China |Sammelwerk=Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung |Band=II. Allgemeiner Teil, Teilband 2 |Verlag=Duncker & Humblot |Ort=Berlin |Datum=2008 |ISBN=}}</ref>
 
== Deliktsgruppen ==
Im kontinentaleuropäischen Rechtskreis grenzen sich die verschiedenen Deliktsgruppen über den Begriff des [[Rechtsgut]]s ''(bien jurídico, bene giuridico)'' voneinander ab. Gleichzeitig legitimieren sich Straftatbestände über das zu schützende Rechtsgut. Im Rechtskreis des ''[[common Law]]'' ist der Begriff unbekannt. An seiner statt stehen eher systematisch weniger stark prägende Begriffe wie ''invidual or public interest'' oder ''harm or evil.''<ref name="dubber1322_1323">{{Literatur |Autor=Markus Dirk Dubber |Hrsg=Mathias Reimann, [[Reinhard Zimmermann]] |Titel=Comparative Criminal Law |Sammelwerk=Oxford Handbook of Comparative Law |Verlag=Oxford University Press |Ort=Oxford |Datum=2008 |Seiten=1322–1323}}</ref>
 
Angesichts seiner zentralen Stellung mag es deshalb überraschen, dass über die genaue Definition von ''Rechtsgut'' bislang keine Einigkeit besteht, wie dieses zu definieren sei: als unverzichtbare und deshalb werthafte Funktionseinheiten,<ref>Rudolphi, FS Honig, 1970, S. 151 (163 f.)</ref> als rechtlich geschütztes Interesse,<ref>Maurach/Zipf AT/1 19/8.</ref> als strafrechtlich schutzbedürftiges Interesse<ref>NK/Hassemer/Neumann Vor § 1 Rn 144.</ref> oder als werthaften Zustand.<ref>Roxin JuS 1966, 377 (381).</ref> Entsprechend ist das Konzept als wenig fassbar oder zirkulär kritisiert worden: „Das Rechtsgut ist zu einem wahren [[Proteus (Mythologie)|Proteus]] geworden, der sich unter den Händen, die ihn festzuhalten glauben, sofort in etwas anderes verwandelt.“<ref>Welzel ZStW 58 (1939), 491 (509).</ref> Unklar ist deshalb etwa, ob das Fehlen eines Rechtsgutes einen Straftatbestand verfassungswidrig macht. Insgesamt kommt dem Rechtsgut deshalb seine hauptsächliche Rolle bei der Interpretation der Straftatbestände zu. Eine ähnliche Rolle nehmen im US-Recht die Bestimmungen und Wertungen der Verfassung ein.<ref name="dubber1322_1323" />
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Strafrecht}}
* {{WikipediaDE|Strafrecht}}
 
== Literatur ==
'''Einführungen'''
* {{Literatur
  |Autor=Markus Dirk Dubber
  |Hrsg=Mathias Reimann, Reinhard Zimmermann
  |Titel=Comparative Criminal Law
  |Sammelwerk=Oxford Handbook of Comparative Law
  |Verlag=Oxford University Press
  |Ort=Oxford
  |Datum=2008
  |ISBN=978-0-19-953545-3
  |Seiten=1287–1326}}
* {{Literatur
  |Autor=Thomas Weigend
  |Hrsg=Jan M. Smits
  |Titel=Criminal law and criminal procedure
  |Sammelwerk=Elgar Encyclopedia of Comparative Law
  |Verlag=Edward Elgar
  |Ort=Cheltenham/Northampton, M.A.
  |Datum=2006
  |ISBN=978-1-84542-013-0
  |Seiten=214–217}}
 
'''Umfassende Darstellungen, Enzyklopädien'''
* {{Literatur
  |Hrsg=Jon Heller, Markus D. Dubber
  |Titel=The Handbook of Comparative Criminal Law
  |Verlag=Stanford Law and Politics
  |Ort=Stanford
  |Datum=2010
  |ISBN=978-0-8047-5758-4}}
* Publikationen der Forschungsgruppe des Max-Planck-Instituts
** {{Literatur
  |Hrsg=Ulrich Sieber, Karin Cornils
  |Titel=Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung
  |Band=Allgemeiner Teil. Band 1: Grundlagen
  |Reihe=Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht
  |Verlag=Duncker & Humblot
  |Ort=Berlin
  |Datum=2009
  |ISBN=978-3-428-13300-0
  |Kommentar=Reihe S: Strafrechtliche Forschungsberichte}}
** {{Literatur
  |Hrsg=Ulrich Sieber, Karin Cornils
  |Titel=Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung
  |Band=Allgemeiner Teil. Band 2: Gesetzlichkeitsprinzip – Internationaler Geltungsbereich des Strafrechts – Begriff und Systematisierung der Straftat
  |Verlag=Duncker & Humblot
  |Ort=Berlin
  |Datum=2008
  |ISBN=978-3-428-12981-2
  |Kommentar=Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht. Reihe S: Strafrechtliche Forschungsberichte}}
** {{Literatur
  |Hrsg=Ulrich Sieber, Karin Cornils
  |Titel=Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung
  |Band=Allgemeiner Teil. Band 3: Objektive Tatseite – Subjektive Tatseite – Strafbares Verhalten im Vorfeld der Tatvollendung
  |Verlag=Duncker & Humblot
  |Ort=Berlin
  |Datum=2008
  |ISBN=978-3-428-12982-9
  |Kommentar=Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht. Reihe S: Strafrechtliche Forschungsberichte}}
* {{Literatur
  |Autor=Jean Pradel
  |Titel=Droit pénal comparé
  |Auflage=3.
  |Verlag=[[Dalloz]]
  |Ort=Paris
  |Datum=2008
  |ISBN=978-2-247-07151-7}}
* {{Literatur
  |Autor=Jean P. Spreutels
  |Titel=Droit pénal comparé
  |Verlag=Presses Univ.
  |Ort=Brüssel
  |Datum=
  |Kommentar=1992/1993}}
* {{Literatur
  |Hrsg=Frank Verbruggen
  |Titel=International Encyclopaedia Of Laws: Criminal Law
  |Verlag=Kluwer Law and Taxation
  |Ort=Deventer u.&nbsp;a.
  |ISBN=978-90-6544-937-5
  |Kommentar=Loseblattsammlung mit Länderberichten, seit 1991}}
 
'''Kriminologie und strafrechtliche Hilfswissenschaften'''
* {{Literatur
  |Hrsg=Alexander Elster [Begründer], Rudolf Sieverts
  |Titel=Handwörterbuch der Kriminologie
  |Band=5 Bände
  |Auflage=2.
  |Verlag=de Gruyter
  |Ort=Berlin
  |Datum=
  |Kapitel=1966–1998}}
* {{Literatur
  |Hrsg=Sanford H. Kadish [Begründer], Joshua Dressler
  |Titel=Encyclopedia of Crime and Justice
  |Band=4 Bände
  |Auflage=2.
  |Verlag=Collier Macmillan
  |Ort=London / New York
  |Datum=2002
  |ISBN=0-02-865320-3}}
 
'''Ökonomische Analyse des Strafrechts'''
* {{Literatur
  |Autor=Robert Cooter, Thomas Ulen
  |Titel=Law & Economics
  |Auflage=8.
  |Verlag=Addison Wesley
  |Ort=Boston
  |Datum=2008
  |ISBN=0-321-52290-7
  |Kapitel=10. An Economic Theory of Crime And Punishment 7. Topics in the Economics of Crime And Punishment}}
* {{Literatur
  |Autor=David D. Friedman
  |Titel=Law’s Order
  |Verlag=Princeton University Press
  |Ort=Princeton/Oxford
  |Datum=
  |ISBN=978-0-691-09009-2
  |Kapitel=15 – Criminal Law}}
 
== Weblinks ==
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/criminal-law/|Theories of Criminal Law|Antony Duff}}
* [http://infocrim.org/ Max-Planck-Informationssystem für Strafrechtsvergleichung] Berichte zum Strafrecht in 25 Ländern.
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{Rechtshinweis}}
{{Normdaten|TYP=s|GND=4057795-8}}
 
[[Kategorie:Strafrecht|!]]
[[Kategorie:Recht|!102]]
 
{{Wikipedia}}

Aktuelle Version vom 5. August 2019, 12:35 Uhr