Aktualismus (Geologie) und Wiener Klassik: Unterschied zwischen den Seiten

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Der '''Aktualismus''' (von [[lat.]] ''actualis'' „tätig, wirkend, wirklich“), auch '''Aktualitätsprinzip''' genannt, ist ein Grundprinzip der gegenwärtigen [[wissenschaft]]lichen [[Geologie]] und besagt, dass man aus der nach dem [[Einfachheitsprinzip]] postulierten ''Gleichförmigkeit der geologischen Prozesse'' auf die Entwicklung in der Vergangenheit schließen könne. Darüber hinaus wird auch eine ''Gleichförmigkeit der Gesetze'' angenommen, wonach die [[Naturgesetz]]e zu jeder [[Zeit]] und an jedem Ort dieselben gewesen seien.
[[Datei:1808PerformanceOfHaydnCreation.jpg|mini|300px|Aufführung von [[Joseph Haydn]]s ''Schöpfung'' (unter Leitung von Antonio Salieri) in der Alten Universität Wien im Jahr 1808 (Der bereits sehr gebrechliche Komponist ist in der Mitte vorne sitzend zu sehen)]]
Als '''Wiener Klassik''' (ca. 1770 – ca. 1825) bezeichnet man eine besondere Ausprägung der musikalischen Epoche der Klassik, als deren Hauptvertreter die u.&nbsp;a. in [[Wien]] wirkenden Komponisten [[Joseph Haydn]], [[Wolfgang Amadeus Mozart]] und [[Ludwig van Beethoven]] gelten. In einem weiteren Sinn ist mit diesem Begriff auch manchmal die „Zeit der Wiener Klassik“ gemeint, und es werden oft auch andere Wiener oder österreichische Komponisten wie [[Wikipedia:Antonio Salieri|Antonio Salieri]], [[Wikipedia:Muchael Haydn|Michael Haydn]] oder [[Wikipedia:Carl Ditters von Dittersdorf|Carl Ditters von Dittersdorf]] und teilweise auch [[Franz Schubert]] hinzugerechnet.<ref>[https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-476-03481-6_9 springer.com: Haydn, Mozart und Beethoven — und Franz Schubert: 1755/1781 bis 1828]</ref><ref>[https://rp-online.de/kultur/musik/sinfonien-von-franz-schubert_aid-35052847 rp-online.de: Wiener Klassik: Franz Schubert und die Brandstifter]</ref>


Erste Ansätze zum Aktualismus finden sich bereits bei [[Wikipedia:Georg Christian Füchsel|Georg Christian Füchsel]] (1722-1773) und [[Wikipedia:Georges-Louis Leclerc de Buffon|Georges-Louis Leclerc de Buffon]] (1707-1788). Klar ausformuliert wurde der Aktualismus dann erstmals [[Wikipedia:1785|1785]] von dem schottischen Geologen [[Wikipedia:James Hutton|James Hutton]] (1726–1797) in seinem Werk ''Theory of the Earth''. Auch die [[Plutonismus]]-Theorie, wonach die wesentlichen Gestaltungskräfte der Erde vom dem „Zentralfeuer“ im Erdinnern stammen sollten, wurde hauptsächlich von ihm entwickelt. Hutton stand damit im schroffen Gegensatz zur [[Neptunismus]]-Theorie des deutschen Geologen [[Wikipedia:Abraham Gottlob Werner|Abraham Gottlob Werner]] (1749–1817), der den Ursprung der Gesteinsentstehung – ausgehend von einem hypothetischen „Urmeer“ – im Wasser sah.
Der (Wiener) Klassik entspricht in [[Kunst]] und [[Architektur]] die Epoche des [[Klassizismus]].


[[Wikipedia:Charles Lyell|Charles Lyell]] (1797-1875) entwickelte in seinem Hauptwerk ''Principles of Geology'' (1830) Huttons Ideen zum Aktualismus weiter, vermengte sie aber geschickt und wissenschaftlich nicht ganz sauber mit seiner Vorstellung des [[Wikipedia:Gradualismus|Gradualismus]], wonach geologische Veränderungen weitgehend stetig und gleichförmig ablaufen. Er drängte damit den damals noch vorherrschenden [[Wikipedia:Katastrophismus|Katastrophismus]] zurück, der die Umgestaltung der Erde vornehmlich auf eine Folge von [[Naturkatastrophen]] zurückführte. Lyells Arbeiten beeinflussten [[Charles Darwin]] (1809-1882) nachhaltig bei der Entwicklung seiner [[Evolution]]stheorie. [[Rudolf Steiner]] hat die Arbeiten Lyells und Darwins nachdrücklich gewürdigt und sich entschieden gegen ein ''falsch verstandenen'' [[Kreationismus]] gewendet, wonach die natürliche Entwicklung durch unmittelbare und nicht weiter hinterfragbare [[wunder]]same Eingriffe [[Gott]]es bedingt sei.
== Eigenschaften der Musik ==
[[Datei:Joseph Haydn.jpg|miniatur|hochkant=0.6|Joseph Haydn 1791, Ölgemälde von Thomas Hardy]]


{{GZ|Einen neuen Charakter hat Lyell dem Denken über die Bildung
Die drei großen Meister der Wiener Klassik gelten als führende Komponisten ihrer Zeit, die musikalische Meisterwerke schufen, die an formaler und [[Ästhetik|ästhetischer]] Qualität, an Gehalt und Ausdruckskraft die Werke vieler anderer Zeitgenossen übertrafen. Ihre Werke gelten als besonders formvollendet und vereinen die Beherrschung, Perfektionierung und Sublimierung der unterschiedlichsten Musikarten und Kompositionsweisen vom [[Lied]] bis zu [[Fuge (Musik)|imitativen]] Techniken des [[Kontrapunkt]]s. Stilistisch vereinen sie Eigenschaften des [[Galante Musik|galanten]] und des [[Empfindsamer Stil|empfindsamen Stils]] und führen verschiedene deutsche, französische und italienische Einflüsse in einer Vielfalt von Gattungen zusammen. Zu den wichtigsten Vorgängern der Wiener Klassiker zählen die Komponisten der [[Mannheimer Schule]].
der Erde gegeben. Vor ihm beherrschten dieses Denken Vorstellungen,
[[Datei:Martini bologna mozart 1777.jpg|miniatur|hochkant=0.6|links|W. A. Mozart im Alter von 21 mit dem Orden vom Goldenen Sporn]]
die uns heute kindlich vorkommen. Wir sehen nicht ein,
warum die gewaltigen Gebirgsbildungen durch andere Kräfte hervorgebracht
sein sollen, als diejenigen sind, die heute noch herrschen.
Lyell sah, daß im Laufe nachweisbarer Zeiträume das fließende
Wasser die Steinmassen von den Gebirgen loslöst und sie
an anderer Stelle wieder absetzt. Es verschwinden dadurch Bildungen
an einem Orte und andere entstehen an einem andern wieder.
Das geht langsam vor sich. Aber man denke sich solche Wirkungen
durch unermeßliche Zeiträume fortgesetzt, so wird man sich
vorstellen können, daß durch diese noch heute herrschenden Kräfte
die ganze Erdoberfläche diejenige Gestalt angenommen hat, die
sie gegenwärtig hat. Dazu kommen die Umgestaltungen, welche
heute die Erdoberfläche durch schwimmende Eisberge, durch wandelnde
Gletscher, die Schutt und Gerolle mit sich führen, erhält.
Man denke ferner an Erdbeben und an vulkanische Erscheinungen,
die den Boden heben und senken, man denke an den Wind,
der Dünen aufwirft, und an das langsame allmähliche Verwittern
der Gesteine. Alles, was zur Bildung der Erde bis jetzt geschehen
ist, kann so geschehen sein, daß im Laufe langer Zeiträume jene
genannten Wirkungen vorhanden waren. Wir zweifeln heute nicht,
daß sich die Sache so verhält. Aber vor Lyell dachten die Menschen
anders. Sie glaubten, daß die mächtigen Gebirgsbildungen
durch augenblicklich wirksame, außerordentliche Kräfte bewirkt
worden seien. Wenn eine Gestalt der Erdoberfläche reif war, zugrunde
zu gehen, so griff die Schöpferkraft von neuem ein, um
unserem Planeten ein neues Antlitz zu geben; so dachten unsere
Vorfahren. Wir erkennen, wenn wir die Erdrinde untersuchen,
daß eine Anzahl von Erdepochen da war und wieder untergegangen
ist. Die untergegangenen Erdepochen finden wir als übereinandergetürmte
Schichten der Erdrinde. In jeder Schicht entdecken
wir versteinerte Tier- und Pflanzenformen. Unsere Vorfahren
nahmen an, daß immer und immer wieder die Schöpferkraft
das Leben einer Epoche habe zugrunde gehen lassen und ein
neues an die Stelle gesetzt habe. Lyell zeigte, daß dies nicht der
Fall ist. Durch allmähliches Wirken der Kräfte, die heute noch
tätig sind, hat sich eine Epoche aus der andern entwickelt; und in
jeder folgenden Epoche lebten diejenigen Lebewesen, die sich aus
der vorigen erhalten haben und die sich den neuen Lebensbedingungen
anpassen konnten. Die Geschöpfe der jüngeren Erdperioden
sind die Nachkommen derjenigen, die in älteren gelebt haben.


Von unendlicher Fruchtbarkeit war dieser Gedanke für Darwin.
Typisch für den Zeitstil der Klassik (auch außerhalb Wiens und Österreichs) ist eine Vorliebe für helle [[Dur]]<nowiki/>tonarten und für eine in der Grundtendenz eher heiter beschwingte Musik, die streckenweise zu dramatisch-monumentalen Ausbrüchen tendiert und von starken Kontrasten lebt. Ein im Vergleich zu [[Barockmusik|Barock]] oder [[Romantik]] eher rationaler Grundton entspricht den Idealen der [[Aufklärung]] und dem Klassizismus in der Kunst. Besonders die Musik von Haydn und Mozart zeichnet sich oft durch einen gewissen [[Witz]] und [[Humor]] aus, die zur großen Popularität ihrer Werke beitrugen und -tragen.<ref>Für Haydn siehe: H. C. Robbins Landon: ''Joseph Haydn - sein Leben in Bildern und Dokumenten'', Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 12</ref> Hinzu kommt ein auffällig fantasievoller Umgang mit [[Harmonik]], [[Wikipedia:Modulation (Musik)|Modulation]] und [[Chromatik]], sowie eine relativ starke Einbeziehung von [[Moll]]-tonarten, wodurch ausdrucksmäßig tiefere Bereiche erreicht werden, als dies in der zeitgenössischen Musik oft üblich war. Dies gilt vor allem für die Zeit vor 1800.
Er hat erkannt, daß im Laufe der Zeiten sich die tierischen Arten
[[Datei:Beethoven.jpg|miniatur|hochkant=0.6|Ludwig van Beethoven (1770–1827), Gemälde von Joseph Karl Stieler, 1820]]
verändern können. Daß die Tierarten nicht jede für sich geschaffen
Insgesamt werden das Heitere und das Ernste, das Leichte und das [[Intellektuell]]e in einer charakteristischen Weise durchmischt, wodurch die Musik im Sprachgebrauch der Epoche sowohl „für Kenner und für Liebhaber“<ref>''"Für Kenner und Liebhaber"'' ist der Titel einer sechsbändigen Sammlung von Clavierwerken, die der einflussreiche Carl Philipp Emanuel Bach zwischen 1779 und 1787 herausgab, also zeitgleich mit Mozart und Haydn, die ihn sehr schätzten (Neuausgabe bei Breitkopf und Härtel). </ref> ansprechend wird.<ref>Ähnlich Landon über Haydns Musik: H. C. Robbins Landon: ''Joseph Haydn – sein Leben in Bildern und Dokumenten'', Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 12</ref> Dabei muss betont werden, dass einige typisch klassische Gattungen wie [[Divertimento]] oder [[Serenade]] mehr der Unterhaltung dienen, während das noch ganz neue [[Streichquartett]], als dessen eigentlicher Vater und größter Meister Joseph Haydn gilt, die intellektuellste Gattung der Zeit ist; Sinfonien oder Konzerte liegen im Anspruch etwa in der Mitte.
sind, sondern daß sie miteinander verwandt sind, daß sie auseinander
hervorgegangen sind. Nimmt man diese Erkenntnis mit
Lyells Gedanken zusammen, so wird klar, daß alles Leben auf der
Erde, das vergangene und das zukünftige, eine große natürliche
Einheit bildet. Die Vorgänge, die wir heute mit Augen sehen und
mk unseren Geisteskräften verstehen, haben immer stattgefunden.
Keine anderen waren je da. Was heute geschieht, geht ohne Wunder
und ohne überirdische Einwirkungen vor sich. Darwin und
Lyell haben gezeigt, daß es so wunderlos immer auf der Erde zugegangen
ist. Dadurch sind sie die Schöpfer einer ganz neuen Weltanschauung,
eines ganz neuen Empfindens, einer neuen Lebensführung.|30|361f}}


Ebenso entschieden hat Rudolf Steiner aber auch gefordert, die geistigen Hintergründe des Naturgeschehens durch eine konkrete, nicht-[[Spekulation|spekulative]] [[empirisch]]e [[Geistesforschung]] zu enthüllen. Wesentliche Ansätze dazu finden sich schon bei [[Goethe]], auf den Steiner wiederholt Bezug nahm. Goethe fasste nach seiner [[Entwickelnde Methode|entwickelnden Methode]] die [[Gesteinsbildung]] und [[Gesteinsmetamorphose]] in einem anderen und tieferen Sinn auf als die nur auf das [[Physisch]]e blickende zeitgenössische [[Geologie]]. Er suchte die allen Gesteinsbildungen zugrunde liegende [[Idee]], die [[Urbild|ideele Urform]], aus der sich die einzelnen Gesteinsarten ''ideell'' entwickeln und dadurch in ihrem inneren Zusammenhang verstehen lassen.
Typisch für die Kompositionsweise der Wiener Klassik sind drei Verfahren: [[Wikipedia:Begleitung (Musik)#Obligates Akkompagnement|obligates Accompagnement]], [[durchbrochener Stil]] und besonders [[motivisch-thematische Arbeit]]. Diese Kompositionsverfahren werden in den meisten Gattungen angewandt, nachdem sie hauptsächlich in der [[Kammermusik]] (Streichquartett, [[Sonate]] u.&nbsp;a.) und in der Orchestermusik ([[Sinfonie]]) vornehmlich von Joseph Haydn entwickelt worden sind. Auch in der geistlichen Musik und z. T. selbst in der [[Oper]] bestimmen sie die Faktur des Komponierten. Ein entscheidendes Merkmal im Gegensatz zur vorangehenden galanten Epoche und der Musik der Vorklassik ist die Einbeziehung kontrapunktischer und [[Polyphonie|polyphoner]] Techniken, die zuvor (außer in kirchlicher Musik) völlig aus der Mode waren und oft als Rückgriff auf den Barock verstanden werden.


{{GZ|Sein Streben ging dahin, sich zu einer solchen Anschauung
Besonders die [[Instrumentalmusik]] erfuhr durch die Wiener Klassiker eine Aufwertung zur autonomen Kunst. Formal war für [[Instrumentalkonzert|Konzerte]] nach wie vor die seit dem Barock bekannte Dreisätzigkeit typisch, in der Reihenfolge: schnell - langsam - schnell. Für Sinfonien und Quartette wurde ab den 1760er Jahren die Viersätzigkeit typisch, meist mit der Abfolge: schnell - langsam - [[Menuett]] - schnell. Haydn verwendete schon seit den 1770er Jahren gelegentlich eine langsame Einleitung (z.&nbsp;B. in Sinfonien Nr. [[50. Sinfonie (Haydn)|50]], [[57. Sinfonie (Haydn)|57]] u.a). Die beiden Mittelsätze können auch umgekehrt erscheinen und das Menuett entwickelte sich unter Haydn inhaltlich und vom Tempo her immer mehr in Richtung [[Scherzo]], das er in den Quartetten op. 30 (1781) zum ersten Mal namentlich verwendet (später aber wieder Menuette). Als ein besonders typisches Merkmal der Wiener Klassik gilt die [[Sonatenhauptsatzform]] vieler [[Kopfsatz|Kopfsätze]]. Sie wurde jedoch keinesfalls schematisch, sondern phantasievoll und individuell angewendet, als Rahmen für eine dialektische, thematisch bestimmte Kompositionsweise. Der [[Finale|Final]]<nowiki/>satz ist sehr häufig ein [[Rondo (Musik)|Rondo]] oder eine Mischung aus Sonatensatz und Rondo. Beliebt waren auch [[Variation (Musik)|Variation]]<nowiki/>ssätze, sowohl beim langsamen Satz (v.&nbsp;a. bei Haydn, oder in Mozarts Klavierkonzerten Nr. [[15. Klavierkonzert (Mozart)|15]] und [[18. Klavierkonzert (Mozart)|18]]), als auch im Finale (z. B. Mozart, Klavierkonzerte Nr. [[17. Klavierkonzert (Mozart)|17]] oder [[24. Klavierkonzert (Mozart)|24]]).
emporzuarbeiten, daß ihm das, was er getrennt sah, im inneren,
notwendigen Zusammenhang erscheine. Seine Methode
war «die entwickelnde, entfaltende, keineswegs die
zusammenstellende, ordnende». Ihm genügte es nicht, da
den Granit, dort den Porphyr usw. zu sehen, und sie einfach
nach äußerlichen Merkmalen aneinanderzureihen, er
strebte nach einem Gesetze, das aller Gesteinsbildung zugrunde
lag und das er sich nur im Geiste vorzuhalten
brauchte, um zu verstehen, wie da Granit, dort Porphyr
entstehen mußte. Er ging von dem Unterscheidenden auf
das Gemeinsame zurück. Am 12. Juni 1784 schrieb er an
Frau v. Stein: «Der einfache Faden, den ich mir gesponnen
habe, führt mich durch alle diese unterirdischen Labyrinthe
gar schön durch und gibt mir Übersicht selbst in der Verwirrung.» [WA 6, 297 u. 298] Er sucht das gemeinsame
Prinzip, das je nach den verschiedenen Umständen, unter
denen es zur Geltung kommt, einmal ''diese'', das andere Mal
jene Gesteinsart hervorbringt. Nichts in der Erfahrung ist
ihm ein Festes, bei dem man stehenbleiben könne; nur das
''Prinzip'', das allem zugrunde liegt, ist ein solches. Er ist daher
auch immer bestrebt, die ''Übergänge'' von Gestein zu
Gestein zu finden. Aus ihnen ist ja die Absicht, die Entstehungstendenz
viel besser zu erkennen, als aus dem in bestimmter
Weise ausgebildeten Produkt, wo ja die Natur nur
in einseitiger Weise ihr Wesen offenbart, ja gar oft bei
«ihren Spezifikationen sich in eine Sackgasse verirrt».


Es ist ein Irrtum, wenn man diese Methode Goethes damit
Auf dem Gebiet der Oper leistete vor allem Mozart Herausragendes, der Schwerpunkt der beiden anderen liegt deutlicher auf Instrumental- und geistlicher Musik.
widerlegt zu haben glaubt, daß man darauf hinweist,
die heutige Geologie kenne ein solches Übergehen eines
Gesteines in ein anderes nicht. Goethe hat ja nie behauptet,
daß Granit tatsächlich in etwas anderes übergehe. Was einmal
Granit ist, ist fertiges, abgeschlossenes Produkt und
hat nicht mehr die innere Triebkraft, aus sich selbst heraus
ein anderes zu werden. Was aber Goethe suchte, das fehlt
der heutigen Geologie eben, das ist die ''Idee'', das Prinzip,
das den Granit konstituiert, bevor er Granit geworden ist,
und ''diese'' Idee ist dieselbe, die auch allen anderen Bildungen
zugrunde liegt. Wenn also Goethe von einem Übergehen
eines Gesteins in ein anderes spricht, so meint er damit
nicht ein ''tatsächliches'' Umwandeln, sondern eine Entwicklung
der objektiven Idee, die sich zu den einzelnen
Gebilden ausgestaltet, jetzt diese Form festhält und Granit
wird, dann wieder eine andere Möglichkeit aus sich herausbildet
und Schiefer wird usw. Nicht eine wüste Metamorphosenlehre,
sondern ''konkreter Idealismus'' ist Goethes
Ansicht auch auf diesem Gebiete. Zur vollen Geltung mit
allem, was in ihr liegt, kann aber jenes gesteinsbildende
Prinzip nur im ganzen Erdkörper kommen. Daher wird
die Bildungsgeschichte des Erdkörpers für Goethe die
Hauptsache, und jedes Einzelne hat sich derselben einzureihen.
Es kommt ihm darauf an, welche Stelle ein Gestein
im Erdganzen einnimmt; das Einzelne interessiert ihn nur
mehr als Teil des Ganzen. Es erscheint ihm schließlich dasjenige
mineralogisch-geologische System als das richtige,
das die Vorgänge in der Erde nachschafft, das zeigt, warum
an dieser Stelle gerade das, an jener das andere entstehen
mußte. Das Vorkommen wird ihm ausschlaggebend. Er tadelt
es daher an Werners Lehre, die er sonst so hoch verehrt,
daß sie die Mineralien nicht nach dem Vorkommen, das
uns über ihr Entstehen Aufschluß gibt, als vielmehr nach
zufälligen äußeren Kennzeichen anordnet. '' Das vollkommene System macht nicht der Forscher, sondern das hat die Natur selbst gemacht.''|1|244ff}}


{{GZ|Goethe ist,
Die Grenzen zu vorhergehenden und nachfolgenden Epochen bzw. Stilen sind eher verschwommen. Als ein Meilenstein, wo alle Merkmale der Wiener Klassik voll und idealtypisch ausgeprägt sind, gelten u.&nbsp;a. Haydns Quartette op. 20 von 1772, doch schließt dies nicht aus, dass er auch in den 1760er Jahren bereits vollausgereifte Werke schrieb.<br>
wenn man das von den Gegenwärtigen arg mißbrauchte Wort
Die Musik der Wiener Klassiker ist selbst bei jedem einzelnen Komponisten stilistisch nicht völlig einheitlich oder statisch, sondern lässt eine Entwicklung erkennen, die von frühklassischen und sogenannten „Sturm und Drang“-Tendenzen (1770er Jahre) bis hin zu einer Art monumentalem musikalischem [[Empire (Stilrichtung)|Empire]] (um und nach 1800) und [[Frühromantik|frühromantischen]] Anklängen vor allem bei Beethoven führen. Die reifsten Werke von Schubert zählen bereits zur Frühromantik.
noch anwenden will: Naturalist, Er wollte die Natur in ihrer
Reinheit erkennen und in seinen Werken wiedergeben. Alles, was
zur Naturerklärung zu Dingen Zuflucht nahm, die nicht in der
Natur selbst zu finden sind, war seiner Vorstellungsart zuwider.
Jenseitige, transzendente, göttliche Gewalten lehnte er in jeder
Form ab. Ein Gott, der nur von außen wirkt, nicht die Welt im
Innersten bewegt, geht ihn nichts an. Jede Art von Offenbarung
und Metaphysik war ihm ein Greuel. Wer den Blick unbefangen
auf die wirklichen, die natürlichen Dinge richtet, dem müssen sie
aus sich selbst ihre tiefsten Geheimnisse enthüllen. Aber er war
nicht so wie unsere modernen Tatsachenfanatiker, die nur die
Oberfläche der Dinge sehen können und «natürlich nur dasjenige
nennen, was sich mit Augen sehen, mit Händen greifen und mit
der Waage wägen läßt». Diese oberflächliche Wirklichkeit ist ihm
nur die eine Seite, die Außenseite der Natur. Er will tiefer in das
Getriebe sehen; er sucht die höhere Natur in der Natur.|29|136}}


Der heute in der Geologie vertretene [[dynamisch]]e Aktualismus gibt nur einseitig ein Bild der toten anorganischen Vorgänge, wie sie gegenwärtig vorherrschen, und wäre entsprechend, wie [[Dankmar Bosse]] im Anschluss an Goethe und Steiner betont, durch einen ''organisch erweiterten Aktualismus'' zu ergänzen, der auch die [[Lebensprozesse]] der [[Erdensphäre]] berücksichtigt und dann ''„zu einem menschlichen Aktualismus führen kann, bei dem Menschenerkenntnis und Welterkenntnis einander beleuchten würden.'' {{Lit|Bosse 2002, S. 33}} Darüber hinaus wären auch die Ergebnisse der [[Anthroposophie|übersinnlichen Forschung]] einzubeziehen.
== Wien als Musikstadt ==
[[Datei:Hoftheater naechst der Burg.jpg|mini|hochkant|das „Hoftheater naechst der Burg“ in Wien]]
 
Raum und Hintergrund für diese Entwicklungen gab Wien als Haupt- und kaiserliche Residenzstadt der [[Habsburgermonarchie|Habsburger]], die selber schon seit dem 17. Jahrhundert als besondere Liebhaber und Kenner der Musik galten.<ref>Ferdinand III., Leopold I., Josef I. und Karl VI. gelten als "Musikkaiser" und komponierten gelegentlich. Auch Maria Theresia und ihre Kinder hatten eine musikalische Ausbildung und traten in höfischen Theateraufführungen auf. Elisabeth Hilscher: ''Mit Leier und Schwert - Die Habsburger und die Musik'', Styria, Graz/Wien/Köln 2000, S. 111–184</ref> Kaiser [[Joseph II.]] spielte Cello und Tasteninstrumente, machte täglich mit ausgewählten Musikern Kammermusik und soll eine Vorliebe für [[Fuge (Musik)|Fugen]] und polyphone Musik gehabt haben (wie sein Großvater [[Karl VI. (HRR)|Karl VI.]]).<ref>Elisabeth Hilscher: ''Mit Leier und Schwert - Die Habsburger und die Musik'', Styria, Graz/Wien/Köln 2000, S. 170</ref> Zu Beethovens Schülern und größten Förderern gehörte der musikalische [[Rudolph von Österreich (Kardinal)|Erzherzog Rudolf]].<ref>Elisabeth Hilscher: ''Mit Leier und Schwert - Die Habsburger und die Musik'', Styria, Graz/Wien/Köln 2000, S. 199–203</ref> Verschiedene Adlige des Kaiserhofs hielten sich eine eigene Hofkapelle, darunter auch Haydns Arbeitgeber, die Fürsten [[Esterházy|Eszterházy]].
 
Wien blickte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts besonders im Bereich der Oper auf eine lange Tradition zurück<ref>Elisabeth Hilscher: ''Mit Leier und Schwert - Die Habsburger und die Musik'', Styria, Graz/Wien/Köln 2000, S. 92 f, S. 115–164</ref> und verfügte auch sonst über eine vielschichtige Musikkultur. Es gehörte neben [[Neapel]], [[Paris]] und [[London]] (öffentliches Konzert) zu den tonangebenden Musikstädten Europas und war ein bedeutender Anziehungspunkt, vor allem für Musiker und Komponisten aus den von den Habsburgern regierten Gebieten, zu denen damals ganz besonders auch weite Teile [[Oberitalien|Norditaliens]] ([[Herzog von Mailand|Mailand]], [[Großherzogtum Toskana|Toskana]]) und [[Böhmen]] gehörten.
 
[[Datei:Antonio Salieri 2.jpg|mini|hochkant=0.5|Antonio Salieri]]
Zu den direkten Wegbereitern der Wiener Klassik gehörten [[Georg Christoph Wagenseil]] und [[Georg Matthias Monn]] (siehe auch: [[Wiener Schule (Vorklassik)]]), die stilistisch noch zur Frühklassik zählen, so wie auch die Musik Joseph Haydns in seinem Frühwerk noch frühklassische Züge aufweist. Zu Haydns und Mozarts wichtigsten Wiener Kollegen gehörten auch einige böhmische Komponisten, wie [[Johann Baptist Vanhal]] oder [[Leopold Koželuh]]. Der Organist und Domkapellmeister [[Johann Georg Albrechtsberger]] war ein Lehrer von Beethoven. Etwa mit dem Beginn der Wiener Klassik fällt die 1771 erfolgte Gründung der [[Wiener Tonkünstler-Orchester|Tonkünstler-Sozietät]] zusammen, die „öffentliche“ Konzerte veranstaltete, die freilich in erster Linie von der aristokratischen und gehobenen bürgerlichen Gesellschaft Wiens besucht wurden.
 
[[Datei:Joseph II of Habsburg Lorraine and sisters.jpg|mini|140px|Joseph II. am Cembalo oder Pianoforte mit zwei Schwestern, 1778]]
Am Kaiserhof wirkten im Zeitraum von 1760 bis 1790 die bedeutenden Opernkomponisten [[Christoph Willibald Gluck]], [[Florian Leopold Gassmann]] und [[Antonio Salieri]] (die beiden letzteren gehörten auch zum privaten Quartettzirkel Josephs II.)<ref>Elisabeth Hilscher: ''Mit Leier und Schwert - Die Habsburger und die Musik'', Styria, Graz/Wien/Köln 2000, S. 170, 174 f</ref>. Zur gleichen Zeit wirkte auch [[Vincenzo Righini]] in Wien. Überhaupt hatte die italienische Oper in Wien einen ungewöhnlich hohen Stellenwert im Vergleich zu den meisten anderen Regionen in Deutschland und auf dem Programm der Wiener Hofoper wurden regelmäßig Werke der international bekanntesten Komponisten gespielt, von denen einige, wie [[Giovanni Paisiello]], [[Domenico Cimarosa]] oder [[Vicente Martín y Soler]]<ref>„Mozart und das Theater seiner Zeit – Die Oper in Wien in den 1780er Jahren“, in: H.C. Robbins Landon: ''Das Mozart Kompendium'', Droemer Knaur, München 1991, S. 425–430, besonders 428 ff (Aufstellung der beliebtesten Komponisten und Opern in Wien 1781–1791)</ref> auch vorübergehend in Wien wirkten – der letztere arbeitete in den 1780er Jahren mit Mozarts Librettist [[Lorenzo Da Ponte|Lorenzo da Ponte]] zusammen, genau wie auch Salieri. Einen besonderen Erfolg hatte zu dieser Zeit die [[Opera buffa]], die mit ihrem Witz und Esprit auch auf die Instrumentalmusik besonders von Haydn und Mozart einen nicht zu unterschätzenden Einfluss ausübte. Haydn kannte das Buffa-Repertoire sehr gut, da er an der Hofoper in [[Schloss Esterházy (Fertőd)|Eszterháza]] in den 1770er und 1780er Jahren nicht nur seine eigenen Opern aufführte, sondern auch zahlreiche Werke der italienischen Starkomponisten.<ref>H. C. Robbins Landon: ''Joseph Haydn – sein Leben in  Bildern und Dokumenten'', Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 73–74</ref> In Wien selber förderte Kaiser Joseph II. ab 1776 das [[Singspiel|Deutsche Nationalsingspiel]], für das u.&nbsp;a. Mozart seine ''[[Die Entführung aus dem Serail|Entführung aus dem Serail]]'' schrieb; das kaiserliche Singspielprojekt hatte jedoch nicht den erhofften Erfolg beim Publikum und musste nach einigen Jahren schließen.<ref>Elisabeth Hilscher: ''Mit Leier und Schwert - Die Habsburger und die Musik'', Styria, Graz/Wien/Köln 2000, S. 175</ref>
 
Joseph Haydn lebte zwar in Kindheit und Jugend in Wien, war jedoch von 1761 bis 1790 eigentlich fast ständig in den Residenzen der Esterházy in [[Eisenstadt]] und [[Fertőd|Fertöd]],<ref>H. C. Robbins Landon: ''Joseph Haydn – sein Leben in Bildern und Dokumenten'', Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 73</ref> und zwischen 1791 und 1795 war er die meiste Zeit in London.<ref>H. C. Robbins Landon: ''Joseph Haydn – sein Leben in Bildern und Dokumenten'', Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 95–146</ref> Er gehörte also zu dieser Zeit eigentlich nur am Rande zum Wiener Musikleben. Aufgrund zahlreicher Kopien und Drucke waren seine Werke (besonders Quartette und Sinfonien) jedoch nicht nur in Wien und Deutschland, sondern in ganz Europa bekannt, und Haydn war aufgrund der außergewöhnlichen Qualität seiner geistsprühenden Musik spätestens ab den 1770er Jahren eine internationale musikalische Berühmtheit. Schon ab Anfang der 1780er Jahre wollte man ihn nach London holen<ref>H. C. Robbins Landon: ''Joseph Haydn – sein Leben in Bildern und Dokumenten'', Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 87</ref> und er bekam Kompositionsaufträge aus Paris ''([[Pariser Sinfonien]])'' und Spanien ''([[Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze]]).'' Seine perfekt durchorganisierte und dabei ästhetisch ansprechende und unterhaltsame Instrumentalmusik war Vorbild für viele Komponisten auch außerhalb österreichischer Lande, darunter neben Mozart und Beethoven junge Musiker wie [[Joseph Martin Kraus]], dessen Sinfonien Haydn selber in [[Schloss Esterházy (Fertőd)|Eszterháza]] aufführte, [[Antonio Rosetti]] oder [[Adalbert Gyrowetz]], von dem eine Sinfonie unter Haydns Namen veröffentlicht wurde.<ref>H. C. Robbins Landon: ''Joseph Haydn – sein Leben in Bildern und Dokumenten'', Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 84–85</ref> [[Ignaz Pleyel]] war ein Schüler Haydns und wurde sogar von Mozart geschätzt. Selbst der aus einem ganz anderen musikalischen Milieu stammende [[Luigi Boccherini]] – einer der bedeutendsten Kammermusikkomponisten der Zeit, der zwar in seiner Jugend einige Jahre in Wien verbracht hatte,<ref>Remigio Coli: ''Luigi Boccherini'' (Italienisch), Maria Pacini Fazzi editore, Lucca 2005, S. 28–35 (Aufenthalte von Boccherini in Wien 1758 und 1760–1761)</ref> aber seinen sehr persönlichen Stil mehr aus italienischen, französischen und spanischen Inspirationsquellen kreierte – nahm Anregungen aus Haydns Werken an.<ref>Remigio Coli: ''Luigi Boccherini'' (Italienisch), Maria Pacini Fazzi editore, Lucca 2005, S. 119 u. v. a. (Einfluss Haydns auf Werke Boccherinis), S. 122–124 (Briefwechsel)</ref>
 
Mozart erreichte während seines kurzen Lebens trotz seiner Reisen in Jugendjahren nicht annähernd eine solch internationale Berühmtheit als Komponist, sondern war nach seinem Umzug nach Wien 1781 eher eine lokale Größe. Erst nach seinem frühen Tode fanden seine Werke eine weitere Verbreitung und es setzte nach und nach eine Glorifizierung seiner Person ein. Als entscheidend für die Konstitution einer „Wiener Klassik“ werden vor allem die Jahre nach Mozarts Übersiedelung nach Wien angesehen, obwohl er (wie Haydn) schon vorher Werke komponiert hatte, die dem entsprechenden Maßstab gerecht wurden. Doch bildete sich nach 1781 bis zu einem gewissen Grad eine kompositorische Interaktion zwischen Joseph Haydn und Mozart heraus, unter anderem mit der Anregung, die von Haydns neuartigen [[Liste der Streichquartette Haydns|Streichquartetten]] (op. 33, 1781) und seinen Symphonien vor allem auf den jüngeren Komponisten ausging, dann aber auch inspirierend auf Haydn zurückwirkte.
 
[[Datei:Johann Nepomuk Hummel - Schabblatt Franz Wrenk nach Zeichnung Escherich2.jpg|mini|hochkant=0.5|rechts|Johann Nepomuk Hummel]]
Der junge Beethoven gehörte bereits in Bonn zu den Hofmusikern von Erzherzog [[Maximilian Franz von Österreich|Maximilian Franz]] (ein Bruder Josephs II.) und kam dadurch schon früh mit einem typisch wienerischen Repertoire in Kontakt. Er reiste zuerst kurzfristig 1787 nach Wien; wieder zurück in Bonn wurde er 1790 von dem durchreisenden Haydn persönlich ermuntert, zum Studium nach Wien zu kommen.<ref>Elisabeth Hilscher: ''Mit Leier und Schwert - Die Habsburger und die Musik'', Styria, Graz/Wien/Köln 2000, S. 179 f</ref> Beethoven vereinte in seinem Werk Einflüsse von Haydn und Mozart, wie es auch sein Gönner [[Ferdinand Ernst von Waldstein-Wartenberg|Graf Ferdinand Ernst Gabriel von Waldstein]] in einem (nicht ganz stimmigen) [[Bonmot]] formulierte: {{"|Durch ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie: Mozarts Geist aus Haydns Händen.}}
 
Komponisten, die zu Beethovens Zeit eine nicht ganz unwichtige Rolle im Wiener Musikleben spielten, waren (nach wie vor) sein Lehrer Salieri, der nach seiner Opernkarriere auf geistliche Musik umstieg, und der Klaviervirtuose und Komponist [[Johann Nepomuk Hummel]], der auch ein Schüler von Mozart war. Andere wichtige Klavierkomponisten (aber nicht nur) waren [[Anton Diabelli]] und [[Joseph Czerny]]. Einige Jahre lang gehörte auch der italienische Gitarrist [[Mauro Giuliani]] zum Wiener Musikleben der Beethovenzeit. Ein erfolgreicher Opernkomponist war [[Joseph Weigl]]. Auch [[Peter von Winter]] schrieb einige Werke für Wiener Bühnen, wo zu Beginn des 18. Jahrhunderts nach wie vor italienische Opern beliebt waren, unter anderem von [[Giovanni Simone Mayr]], der zwar in Italien wirkte, aber ein Verehrer der Wiener Klassiker war und in der Instrumentierung seiner Opern von ihnen beeinflusst war. Nach ca. 1815 wurden auch Werke von [[Gioachino Rossini|Rossini]] in Wien gespielt und waren beim Wiener Publikum sehr beliebt; der taube Beethoven hat sie jedoch nie gehört und Rossini hatte keinen nennenswerten Einfluss auf die Wiener Klassik (aber sehr wohl auf die Wiener Tanzmusik des Biedermeier von [[Joseph Lanner]] und [[Johann Strauss (Vater)|Johann Strauss Vater]]).
 
== Einflüsse von außerhalb Wiens ==
[[Datei:Carl Philipp Emanuel Bach.jpg|mini|hochkant=0.5|Carl Philipp Emanuel Bach]]
 
Neben den insgesamt bereits reichen Einflüssen des Wiener Musiklebens hatten alle drei Wiener Klassiker auch andere Vorbilder. So wies Haydn selber darauf hin, dass er in seinem eigenen Clavierstil stark von [[Carl Philipp Emanuel Bach]] beeinflusst wurde,<ref>H. C. Robbins Landon: ''Joseph Haydn - sein Leben in Bildern und Dokumenten'', Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 22 und 37</ref> und für seine kontrapunktischen Spielereien dürfte sein Studium des ''Gradus ad Parnassum'' von [[Johann Joseph Fux|Fux]]<ref>H. C. Robbins Landon: ''Joseph Haydn - sein Leben in Bildern und Dokumenten'', Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 36</ref> prägend gewirkt haben. Haydn scheint auch teilweise aus österreichisch-volkstümlichen Quellen zu schöpfen<ref>H. C. Robbins Landon: ''Joseph Haydn - sein Leben in Bildern und Dokumenten'', Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 12</ref> und vor allem in einigen Quartetten findet man gelegentlich Einflüsse ungarischer Volks- oder Zigeunermusik. Insgesamt war Haydn ein ungewöhnlich origineller und progressiver Komponist, der viel experimentierte und noch im Alter von über 60, in seiner Londoner Zeit, offen für neue Ideen und Anregungen war.
 
[[Datei:Michaelhaydn1.jpg|mini|links|hochkant=0.5|Michael Haydn]]
Wolfgang Amadeus Mozart erhielt seine Grundprägung durch sein Salzburger Umfeld, namentlich durch seinen Vater [[Leopold Mozart]]. In Salzburg wirkte auch Joseph Haydns Bruder [[Michael Haydn|Michael]], der ein bedeutender Komponist mit einem eigenen Stil war und besonders für seine Kammermusik und Geistliche Werke bekannt war – sein Bruder Joseph bezeichnete ihn als den größten Kirchenmusikkomponisten seiner Zeit.
Mozart lernte auf seinen Reisen aber schon früh viele Komponisten und deren Musik kennen und war daher völlig international geprägt. Schon [[Teodor de Wyzewa]] und [[Georges de Saint-Foix]] ergründeten in ihrem großen Mozart-Werk (1936–1946) die vielfältigen Spuren davon. Zu nennen sind etliche italienische Komponisten (u.&nbsp;a. [[Giovanni Battista Sammartini]] und [[Niccolò Piccinni]])<ref>H.C. Robbins Landon: ''Das Mozart Kompendium'', Droemer Knaur, München 1991, S. 109</ref>, der in Italien wirkende Böhme [[Josef Mysliveček]]<ref>H.C. Robbins Landon: ''Das Mozart Kompendium'', Droemer Knaur, München 1991, S. 59–60</ref> und die Meister der [[Mannheimer Schule]]. In der Mozartliteratur wird besonders Mozarts herzliches Verhältnis und der Einfluss des „Londoner“ [[Johann Christian Bach]] betont, der auch gelegentlich als „Vater und Erfinder“ der Wiener Klassik bezeichnet wurde.<ref>{{Literatur |Titel=Verkannte Genies: Schaut hin, sie leben! |Sammelwerk=ZEIT ONLINE |Online=https://www.zeit.de/2015/02/klassiker-verkannte-genies-kanon |Abruf=2018-10-05}}</ref>
 
[[Datei:Johann Christian Bach by Thomas Gainsborough.jpg|mini|hochkant=0.5|Johann Christian Bach]]
Schließlich sind auch die indirekten Einflüsse [[Georg Friedrich Händel]]s ([[Oratorium|Oratorien]] wie ''[[Messiah]]'') und [[Johann Sebastian Bach]]s (Fugen und Motetten) zu nennen, die Mozart jedoch erst in den 1780er Jahren in Wien kennenlernte.
 
All das übernahm Beethoven direkt oder indirekt durch Joseph Haydns und Mozarts Kompositionen. Einflüsse von außerhalb Wiens kamen neben der bereits erwähnten italienischen Oper auch aus Frankreich, zu Mozarts Zeit beispielsweise von einigen beliebten Opern [[André-Ernest-Modeste Grétry]]s, sowie von der französischen Orchestermusik (z.&nbsp;B. von [[François-Joseph Gossec]] oder [[Étienne-Nicolas Méhul]]). Beethoven war besonders von den dramatischen Tendenzen französischer [[Französische Revolution|Revolution]]<nowiki/>smusik und der sogenannten ''[[Schreckensoper]]'' beeinflusst und rühmte [[Luigi Cherubini]] als unmittelbares Vorbild (für Sinfonien und die Oper ''[[Fidelio]]''). Auch der Klaviervirtuose [[Muzio Clementi]], der während eines kurzen Wienaufenthaltes auf Veranlassung von Kaiser [[Joseph II.]] einen Klavierwettstreit mit Mozart austragen musste, übte später einen gewissen Einfluss auf Beethovens Klavierstil und -technik aus.
 
== Andere Klassiker ==
 
Grundsätzlich war die Klassik ein Zeitstil, der auch von anderen Musikern in anderen Regionen gepflegt wurde, die nicht der Wiener Klassik zugeordnet werden können und/oder in keiner direkten Verbindung zu den „drei großen Wienern“ stehen. Auch wenn diese Komponisten nicht in der gleichen Weise mit einer Perfektionierung von musikalischer Form und Struktur beschäftigt waren, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass sie keine bedeutenden Komponisten gewesen wären. Viele waren nicht nur zu ihrer Zeit hochangesehen, sondern z.&nbsp;T. auch sehr einflussreich, wie man den obigen Ausführungen bereits entnehmen kann.
 
=== Oper ===
In besonderem Maße gilt dies für Italien, dem Lande des [[Belcanto]], wo man in der Epoche der Klassik bereits fast ausschließlich auf die Oper konzentriert war. Der italienische Opernstil legte zu dieser Zeit das Gewicht besonders auf den hochentwickelten Gesang, der in der [[Opera seria]] ausgesprochen virtuos war (ähnlich den Partien der Königin der Nacht in Mozarts [[Die Zauberflöte|''Zauberflöte'']] oder der Konstanze in der [[Die Entführung aus dem Serail|''Entführung'']]), in der [[Opera buffa]] dagegen deutlich schlichter. Die Instrumentation trat vergleichsweise zurück, um die Stimmen nicht zu überdecken. Bläser wurden traditionell sparsamer eingesetzt, das Gewicht lag auf dem Streichersatz. Allein darin liegt ein bedeutender Unterschied zu den Opern Mozarts, der zwar stark italienisch beeinflusst war und auch in seinen deutschen Singspielen nicht auf virtuosen Koloraturgesang verzichtete, aber dessen Instrumentierung viel reichhaltiger und komplexer war als die der Italiener. Der Gesamteindruck der italienischen Opern ist dadurch generell durchsichtiger, die Musik von einer gewissen Zartheit und Weichheit. Viele Italiener wirkten auch im Ausland, wobei sie dann z.&nbsp;T. andere Einflüsse aufnahmen. Die Zeit um 1800 bis 1810 (bis zum Auftreten Rossinis) gilt als eine Art Krise der italienischen Oper.
 
Neben den bereits genannten spätneapolitanischen Opernkomponisten Paisiello, Cimarosa und Piccini gehörten zu den erfolgreichsten Meistern der italienischen Oper der Klassik: [[Baldassare Galuppi]] (Spätwerk), [[Giuseppe Sarti]], [[Pasquale Anfossi]], [[Tommaso Traetta]], [[Antonio Sacchini]], [[Niccolò Zingarelli]], [[Giuseppe Nicolini (Komponist)|Giuseppe Nicolini]]. Der bereits erwähnte gebürtiger Bayer Giovanni Simone Mayr war ab etwa 1800 ebenfalls einer der erfolgreichsten Opernkomponisten Italiens und orientierte sich in der Instrumentierung an Mozart und Haydn. Auch Gioachino Rossini gehört mit seinem Frühwerk noch zur Spätklassik, und ebenso seine Epigonen [[Saverio Mercadante|Mercadante]], [[Giovanni Pacini|Pacini]] und [[Gaetano Donizetti|Donizetti]] und der Deutsche [[Giacomo Meyerbeer]] in seiner italienischen Phase. Rossini und die genannten Komponisten waren bereits alle mit Werken von Haydn und Mozart-Opern, teilweise auch mit Beethovensinfonien bekannt, und nahmen davon vor allem Anregungen für ihre Instrumentierung auf. Aus diesem Grunde warf man Rossini einen deutschen Einfluss vor.
 
Die Italiener [[Luigi Cherubini]] (den Beethoven verehrte), [[Ferdinando Paer]] und [[Gaspare Spontini]] wirkten in Frankreich (oder Deutschland) und waren von Gluck beeinflusst. Sie gehören zu den Hauptmeistern der französischen Oper der späten Klassik.
 
=== Instrumentalmusik ===
 
In der Instrumentalmusik war der bereits erwähnte [[Luigi Boccherini]] neben Haydn und Mozart der bedeutendste Komponist der Epoche, besonders in der Kammermusik. Er wirkte in Spanien und sein Stil ist von großer Weichheit, Klangschönheit und lyrischer Idylle geprägt, fließender und gefühlsbetonter als die Wiener Musik, aber dabei von hoher Qualität.
 
Bedeutende Violinvirtuosen der Epoche waren [[Gaetano Pugnani]], der auch Sinfonien schrieb, und [[Giovanni Battista Viotti]], dessen Konzerte einen ganz eigenen Stil aufweisen, und der formal andere Wege geht als die Wiener Klassiker. Viotti nahm an den Haydn-Konzerten in London teil und Mozart schrieb einige zusätzliche Bläserstimmen für Viottis e-moll-Konzert Nr. 16. Einige seiner späten Werke sind von hinreißender Schönheit und auch teilweise schon von frühromantischer Tragik durchzogen (vor allem Nr. 22 in a-moll). Viotti hatte großen Einfluss auf die französischen Violinkomponisten [[Pierre Rode]], [[Rodolphe Kreutzer]], [[Pierre Baillot]] und auf [[Nicolò Paganini]] – der letztere gehört jedoch bereits zur Romantik. Der deutsche Violinist [[Louis Spohr]] zählt zumindest in seinem Frühwerk noch zur Spätklassik.
 
Im Bereich der Klaviermusik gab es mehrere bedeutende und einflussreiche Meister, die zwar zur Klassik zählen, jedoch nicht wienerisch waren: [[Muzio Clementi]], der Böhme [[Johann Ladislaus Dussek]], [[John Field]]. Ihre Werke reichen von der Klassik zur Frühromantik und sie alle spielten neben Beethoven bei der Entwicklung eines frühromantischen Klavierstils eine wichtige Rolle. Der in Dänemark wirkende und für seine melodieschönen Sonatinen bekannte [[Friedrich Kuhlau]] war stark von Mozart und Haydn beeinflusst.
 
== Diskussion des Begriffes ==
Während die englischsprachige Musikwissenschaft den Begriff „Wiener Klassik“ eher vermeidet und einen umfassenderen Klassikbegriff pflegt, diskutiert ihn die deutsche Musikwissenschaft kontrovers. [[Ludwig Finscher]] möchte ihn, Gedanken [[Raphael Georg Kiesewetter]]s von 1834 folgend, auf die Werke Joseph Haydns und Mozarts zwischen 1781 und 1803 begrenzen. [[Hans Heinrich Eggebrecht]] belegte durch umfangreiche, ins musikalische Detail gehende Analysen seine Haydn, Mozart und Beethoven umfassende Definition. [[Carl Dahlhaus]] dagegen führte Friedrich Blumes Gedanken weiter, Klassik und [[Romantik]] bildeten eine gemeinsame klassisch-romantische Epoche. Diese dialektische Verbindung zwischen Wiener Klassik und [[Musik der Romantik|Romantik]] offenbart sich besonders deutlich im Vergleich Beethovens und [[Franz Schubert|Schuberts]]. [[Thrasybulos Georgiades]] ordnete Schubert in seinen Analysen von dessen Vokal- und Instrumentalmusik den drei Großen der „Wiener Klassik“ zu und zeigte Schuberts klassische Kompositionsverfahren besonders in dessen Liedern und der „[[Sinfonie in h-Moll (Schubert)|Unvollendeten]]“ auf – die allerdings vom Geiste her bereits frühromantisch geprägt sind.
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Wiener Klassik}}
* {{WikipediaDE|Wiener Klassik}}
* {{WikipediaDE|Vorklassik}}
* {{WikipediaDE|Mannheimer Schule}}
* {{WikipediaDE|Neapolitanische Schule (Musik)}}
* {{WikipediaDE|Wiener Schule (Vorklassik)}}
* {{WikipediaDE|Klassische Musik}}
* {{WikipediaDE|Burgtheater}} (Abschnitt über das Alte Burgtheater)
* {{WikipediaDE|Theater am Kärntnertor}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* Remigio Coli: ''Luigi Boccherini'', Maria Pacini Fazzi editore, Lucca 2005 (italienisch)
* Carl Dahlhaus: ''Klassische und romantische Musikästhetik.'' Laaber 1988
* Hans Heinrich Eggebrecht: ''Musik im Abendland, Prozesse und Stationen vom Mittelalter bis zur Gegenwart''. In ''Mn./Z'' 1991, S. 471–487
* Thrasybulos Georgiades: ''Schubert, Musik und Lyrik''. Göttingen 1967
* Raphael Georg Kiesewetter: ''Geschichte der europäisch- abendländischen oder unserer heutigen Musik''. Leipzig 1834
* H. C. Robbins Landon: ''Joseph Haydn – sein Leben in Bildern und Dokumenten'', Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981
* H. C. Robbins Landon: ''Das Mozart Kompendium'', Droemer Knaur, München 1991
* Charles Rosen: ''Der klassische Stil. Haydn, Mozart, Beethoven.'' Bärenreiter, Kassel etc. 1983, ISBN 978-3-7618-1235-8
* Teodor de Wyzewa, G. de Saint-Foix: ''W.-A. [!] Mozart. Sa vie musicale et son oeuvre de l'enfance à la pleine maturité […] Essai de biographie critique suivi d'un nouveau catalogue chronologique de l'oeuvre complète de maitre […]''. 5 Bände, Paris 1936–1946
== Weblinks ==
* {{Austriaforum|AEIOU/Wiener_Klassik}}


#[[Dankmar Bosse]]: ''Die gemeinsame Evolution von Erde und Mensch: Entwurf einer Geologie und Paläontologie der lebendigen Erde'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgat 2002, ISBN 978-3772515934
== Einzelnachweise ==
#Rudolf Steiner: ''Gesammelte Aufsätze zur Dramaturgie 1889 – 1900'', [[GA 29]] (2004), ISBN 3-7274-0290-3 {{Vorträge|029}}
<references />
#Rudolf Steiner: ''Methodische Grundlagen der Anthroposophie'', [[GA 30]] (1989), ISBN 3-7274-0300-4 {{Vorträge|030}}


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Aktuelle Version vom 28. Februar 2021, 00:28 Uhr

Aufführung von Joseph Haydns Schöpfung (unter Leitung von Antonio Salieri) in der Alten Universität Wien im Jahr 1808 (Der bereits sehr gebrechliche Komponist ist in der Mitte vorne sitzend zu sehen)

Als Wiener Klassik (ca. 1770 – ca. 1825) bezeichnet man eine besondere Ausprägung der musikalischen Epoche der Klassik, als deren Hauptvertreter die u. a. in Wien wirkenden Komponisten Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven gelten. In einem weiteren Sinn ist mit diesem Begriff auch manchmal die „Zeit der Wiener Klassik“ gemeint, und es werden oft auch andere Wiener oder österreichische Komponisten wie Antonio Salieri, Michael Haydn oder Carl Ditters von Dittersdorf und teilweise auch Franz Schubert hinzugerechnet.[1][2]

Der (Wiener) Klassik entspricht in Kunst und Architektur die Epoche des Klassizismus.

Eigenschaften der Musik

Joseph Haydn 1791, Ölgemälde von Thomas Hardy

Die drei großen Meister der Wiener Klassik gelten als führende Komponisten ihrer Zeit, die musikalische Meisterwerke schufen, die an formaler und ästhetischer Qualität, an Gehalt und Ausdruckskraft die Werke vieler anderer Zeitgenossen übertrafen. Ihre Werke gelten als besonders formvollendet und vereinen die Beherrschung, Perfektionierung und Sublimierung der unterschiedlichsten Musikarten und Kompositionsweisen vom Lied bis zu imitativen Techniken des Kontrapunkts. Stilistisch vereinen sie Eigenschaften des galanten und des empfindsamen Stils und führen verschiedene deutsche, französische und italienische Einflüsse in einer Vielfalt von Gattungen zusammen. Zu den wichtigsten Vorgängern der Wiener Klassiker zählen die Komponisten der Mannheimer Schule.

W. A. Mozart im Alter von 21 mit dem Orden vom Goldenen Sporn

Typisch für den Zeitstil der Klassik (auch außerhalb Wiens und Österreichs) ist eine Vorliebe für helle Durtonarten und für eine in der Grundtendenz eher heiter beschwingte Musik, die streckenweise zu dramatisch-monumentalen Ausbrüchen tendiert und von starken Kontrasten lebt. Ein im Vergleich zu Barock oder Romantik eher rationaler Grundton entspricht den Idealen der Aufklärung und dem Klassizismus in der Kunst. Besonders die Musik von Haydn und Mozart zeichnet sich oft durch einen gewissen Witz und Humor aus, die zur großen Popularität ihrer Werke beitrugen und -tragen.[3] Hinzu kommt ein auffällig fantasievoller Umgang mit Harmonik, Modulation und Chromatik, sowie eine relativ starke Einbeziehung von Moll-tonarten, wodurch ausdrucksmäßig tiefere Bereiche erreicht werden, als dies in der zeitgenössischen Musik oft üblich war. Dies gilt vor allem für die Zeit vor 1800.

Ludwig van Beethoven (1770–1827), Gemälde von Joseph Karl Stieler, 1820

Insgesamt werden das Heitere und das Ernste, das Leichte und das Intellektuelle in einer charakteristischen Weise durchmischt, wodurch die Musik im Sprachgebrauch der Epoche sowohl „für Kenner und für Liebhaber“[4] ansprechend wird.[5] Dabei muss betont werden, dass einige typisch klassische Gattungen wie Divertimento oder Serenade mehr der Unterhaltung dienen, während das noch ganz neue Streichquartett, als dessen eigentlicher Vater und größter Meister Joseph Haydn gilt, die intellektuellste Gattung der Zeit ist; Sinfonien oder Konzerte liegen im Anspruch etwa in der Mitte.

Typisch für die Kompositionsweise der Wiener Klassik sind drei Verfahren: obligates Accompagnement, durchbrochener Stil und besonders motivisch-thematische Arbeit. Diese Kompositionsverfahren werden in den meisten Gattungen angewandt, nachdem sie hauptsächlich in der Kammermusik (Streichquartett, Sonate u. a.) und in der Orchestermusik (Sinfonie) vornehmlich von Joseph Haydn entwickelt worden sind. Auch in der geistlichen Musik und z. T. selbst in der Oper bestimmen sie die Faktur des Komponierten. Ein entscheidendes Merkmal im Gegensatz zur vorangehenden galanten Epoche und der Musik der Vorklassik ist die Einbeziehung kontrapunktischer und polyphoner Techniken, die zuvor (außer in kirchlicher Musik) völlig aus der Mode waren und oft als Rückgriff auf den Barock verstanden werden.

Besonders die Instrumentalmusik erfuhr durch die Wiener Klassiker eine Aufwertung zur autonomen Kunst. Formal war für Konzerte nach wie vor die seit dem Barock bekannte Dreisätzigkeit typisch, in der Reihenfolge: schnell - langsam - schnell. Für Sinfonien und Quartette wurde ab den 1760er Jahren die Viersätzigkeit typisch, meist mit der Abfolge: schnell - langsam - Menuett - schnell. Haydn verwendete schon seit den 1770er Jahren gelegentlich eine langsame Einleitung (z. B. in Sinfonien Nr. 50, 57 u.a). Die beiden Mittelsätze können auch umgekehrt erscheinen und das Menuett entwickelte sich unter Haydn inhaltlich und vom Tempo her immer mehr in Richtung Scherzo, das er in den Quartetten op. 30 (1781) zum ersten Mal namentlich verwendet (später aber wieder Menuette). Als ein besonders typisches Merkmal der Wiener Klassik gilt die Sonatenhauptsatzform vieler Kopfsätze. Sie wurde jedoch keinesfalls schematisch, sondern phantasievoll und individuell angewendet, als Rahmen für eine dialektische, thematisch bestimmte Kompositionsweise. Der Finalsatz ist sehr häufig ein Rondo oder eine Mischung aus Sonatensatz und Rondo. Beliebt waren auch Variationssätze, sowohl beim langsamen Satz (v. a. bei Haydn, oder in Mozarts Klavierkonzerten Nr. 15 und 18), als auch im Finale (z. B. Mozart, Klavierkonzerte Nr. 17 oder 24).

Auf dem Gebiet der Oper leistete vor allem Mozart Herausragendes, der Schwerpunkt der beiden anderen liegt deutlicher auf Instrumental- und geistlicher Musik.

Die Grenzen zu vorhergehenden und nachfolgenden Epochen bzw. Stilen sind eher verschwommen. Als ein Meilenstein, wo alle Merkmale der Wiener Klassik voll und idealtypisch ausgeprägt sind, gelten u. a. Haydns Quartette op. 20 von 1772, doch schließt dies nicht aus, dass er auch in den 1760er Jahren bereits vollausgereifte Werke schrieb.
Die Musik der Wiener Klassiker ist selbst bei jedem einzelnen Komponisten stilistisch nicht völlig einheitlich oder statisch, sondern lässt eine Entwicklung erkennen, die von frühklassischen und sogenannten „Sturm und Drang“-Tendenzen (1770er Jahre) bis hin zu einer Art monumentalem musikalischem Empire (um und nach 1800) und frühromantischen Anklängen vor allem bei Beethoven führen. Die reifsten Werke von Schubert zählen bereits zur Frühromantik.

Wien als Musikstadt

das „Hoftheater naechst der Burg“ in Wien

Raum und Hintergrund für diese Entwicklungen gab Wien als Haupt- und kaiserliche Residenzstadt der Habsburger, die selber schon seit dem 17. Jahrhundert als besondere Liebhaber und Kenner der Musik galten.[6] Kaiser Joseph II. spielte Cello und Tasteninstrumente, machte täglich mit ausgewählten Musikern Kammermusik und soll eine Vorliebe für Fugen und polyphone Musik gehabt haben (wie sein Großvater Karl VI.).[7] Zu Beethovens Schülern und größten Förderern gehörte der musikalische Erzherzog Rudolf.[8] Verschiedene Adlige des Kaiserhofs hielten sich eine eigene Hofkapelle, darunter auch Haydns Arbeitgeber, die Fürsten Eszterházy.

Wien blickte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts besonders im Bereich der Oper auf eine lange Tradition zurück[9] und verfügte auch sonst über eine vielschichtige Musikkultur. Es gehörte neben Neapel, Paris und London (öffentliches Konzert) zu den tonangebenden Musikstädten Europas und war ein bedeutender Anziehungspunkt, vor allem für Musiker und Komponisten aus den von den Habsburgern regierten Gebieten, zu denen damals ganz besonders auch weite Teile Norditaliens (Mailand, Toskana) und Böhmen gehörten.

Antonio Salieri

Zu den direkten Wegbereitern der Wiener Klassik gehörten Georg Christoph Wagenseil und Georg Matthias Monn (siehe auch: Wiener Schule (Vorklassik)), die stilistisch noch zur Frühklassik zählen, so wie auch die Musik Joseph Haydns in seinem Frühwerk noch frühklassische Züge aufweist. Zu Haydns und Mozarts wichtigsten Wiener Kollegen gehörten auch einige böhmische Komponisten, wie Johann Baptist Vanhal oder Leopold Koželuh. Der Organist und Domkapellmeister Johann Georg Albrechtsberger war ein Lehrer von Beethoven. Etwa mit dem Beginn der Wiener Klassik fällt die 1771 erfolgte Gründung der Tonkünstler-Sozietät zusammen, die „öffentliche“ Konzerte veranstaltete, die freilich in erster Linie von der aristokratischen und gehobenen bürgerlichen Gesellschaft Wiens besucht wurden.

Joseph II. am Cembalo oder Pianoforte mit zwei Schwestern, 1778

Am Kaiserhof wirkten im Zeitraum von 1760 bis 1790 die bedeutenden Opernkomponisten Christoph Willibald Gluck, Florian Leopold Gassmann und Antonio Salieri (die beiden letzteren gehörten auch zum privaten Quartettzirkel Josephs II.)[10]. Zur gleichen Zeit wirkte auch Vincenzo Righini in Wien. Überhaupt hatte die italienische Oper in Wien einen ungewöhnlich hohen Stellenwert im Vergleich zu den meisten anderen Regionen in Deutschland und auf dem Programm der Wiener Hofoper wurden regelmäßig Werke der international bekanntesten Komponisten gespielt, von denen einige, wie Giovanni Paisiello, Domenico Cimarosa oder Vicente Martín y Soler[11] auch vorübergehend in Wien wirkten – der letztere arbeitete in den 1780er Jahren mit Mozarts Librettist Lorenzo da Ponte zusammen, genau wie auch Salieri. Einen besonderen Erfolg hatte zu dieser Zeit die Opera buffa, die mit ihrem Witz und Esprit auch auf die Instrumentalmusik besonders von Haydn und Mozart einen nicht zu unterschätzenden Einfluss ausübte. Haydn kannte das Buffa-Repertoire sehr gut, da er an der Hofoper in Eszterháza in den 1770er und 1780er Jahren nicht nur seine eigenen Opern aufführte, sondern auch zahlreiche Werke der italienischen Starkomponisten.[12] In Wien selber förderte Kaiser Joseph II. ab 1776 das Deutsche Nationalsingspiel, für das u. a. Mozart seine Entführung aus dem Serail schrieb; das kaiserliche Singspielprojekt hatte jedoch nicht den erhofften Erfolg beim Publikum und musste nach einigen Jahren schließen.[13]

Joseph Haydn lebte zwar in Kindheit und Jugend in Wien, war jedoch von 1761 bis 1790 eigentlich fast ständig in den Residenzen der Esterházy in Eisenstadt und Fertöd,[14] und zwischen 1791 und 1795 war er die meiste Zeit in London.[15] Er gehörte also zu dieser Zeit eigentlich nur am Rande zum Wiener Musikleben. Aufgrund zahlreicher Kopien und Drucke waren seine Werke (besonders Quartette und Sinfonien) jedoch nicht nur in Wien und Deutschland, sondern in ganz Europa bekannt, und Haydn war aufgrund der außergewöhnlichen Qualität seiner geistsprühenden Musik spätestens ab den 1770er Jahren eine internationale musikalische Berühmtheit. Schon ab Anfang der 1780er Jahre wollte man ihn nach London holen[16] und er bekam Kompositionsaufträge aus Paris (Pariser Sinfonien) und Spanien (Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze). Seine perfekt durchorganisierte und dabei ästhetisch ansprechende und unterhaltsame Instrumentalmusik war Vorbild für viele Komponisten auch außerhalb österreichischer Lande, darunter neben Mozart und Beethoven junge Musiker wie Joseph Martin Kraus, dessen Sinfonien Haydn selber in Eszterháza aufführte, Antonio Rosetti oder Adalbert Gyrowetz, von dem eine Sinfonie unter Haydns Namen veröffentlicht wurde.[17] Ignaz Pleyel war ein Schüler Haydns und wurde sogar von Mozart geschätzt. Selbst der aus einem ganz anderen musikalischen Milieu stammende Luigi Boccherini – einer der bedeutendsten Kammermusikkomponisten der Zeit, der zwar in seiner Jugend einige Jahre in Wien verbracht hatte,[18] aber seinen sehr persönlichen Stil mehr aus italienischen, französischen und spanischen Inspirationsquellen kreierte – nahm Anregungen aus Haydns Werken an.[19]

Mozart erreichte während seines kurzen Lebens trotz seiner Reisen in Jugendjahren nicht annähernd eine solch internationale Berühmtheit als Komponist, sondern war nach seinem Umzug nach Wien 1781 eher eine lokale Größe. Erst nach seinem frühen Tode fanden seine Werke eine weitere Verbreitung und es setzte nach und nach eine Glorifizierung seiner Person ein. Als entscheidend für die Konstitution einer „Wiener Klassik“ werden vor allem die Jahre nach Mozarts Übersiedelung nach Wien angesehen, obwohl er (wie Haydn) schon vorher Werke komponiert hatte, die dem entsprechenden Maßstab gerecht wurden. Doch bildete sich nach 1781 bis zu einem gewissen Grad eine kompositorische Interaktion zwischen Joseph Haydn und Mozart heraus, unter anderem mit der Anregung, die von Haydns neuartigen Streichquartetten (op. 33, 1781) und seinen Symphonien vor allem auf den jüngeren Komponisten ausging, dann aber auch inspirierend auf Haydn zurückwirkte.

Johann Nepomuk Hummel

Der junge Beethoven gehörte bereits in Bonn zu den Hofmusikern von Erzherzog Maximilian Franz (ein Bruder Josephs II.) und kam dadurch schon früh mit einem typisch wienerischen Repertoire in Kontakt. Er reiste zuerst kurzfristig 1787 nach Wien; wieder zurück in Bonn wurde er 1790 von dem durchreisenden Haydn persönlich ermuntert, zum Studium nach Wien zu kommen.[20] Beethoven vereinte in seinem Werk Einflüsse von Haydn und Mozart, wie es auch sein Gönner Graf Ferdinand Ernst Gabriel von Waldstein in einem (nicht ganz stimmigen) Bonmot formulierte: „Durch ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie: Mozarts Geist aus Haydns Händen.“

Komponisten, die zu Beethovens Zeit eine nicht ganz unwichtige Rolle im Wiener Musikleben spielten, waren (nach wie vor) sein Lehrer Salieri, der nach seiner Opernkarriere auf geistliche Musik umstieg, und der Klaviervirtuose und Komponist Johann Nepomuk Hummel, der auch ein Schüler von Mozart war. Andere wichtige Klavierkomponisten (aber nicht nur) waren Anton Diabelli und Joseph Czerny. Einige Jahre lang gehörte auch der italienische Gitarrist Mauro Giuliani zum Wiener Musikleben der Beethovenzeit. Ein erfolgreicher Opernkomponist war Joseph Weigl. Auch Peter von Winter schrieb einige Werke für Wiener Bühnen, wo zu Beginn des 18. Jahrhunderts nach wie vor italienische Opern beliebt waren, unter anderem von Giovanni Simone Mayr, der zwar in Italien wirkte, aber ein Verehrer der Wiener Klassiker war und in der Instrumentierung seiner Opern von ihnen beeinflusst war. Nach ca. 1815 wurden auch Werke von Rossini in Wien gespielt und waren beim Wiener Publikum sehr beliebt; der taube Beethoven hat sie jedoch nie gehört und Rossini hatte keinen nennenswerten Einfluss auf die Wiener Klassik (aber sehr wohl auf die Wiener Tanzmusik des Biedermeier von Joseph Lanner und Johann Strauss Vater).

Einflüsse von außerhalb Wiens

Carl Philipp Emanuel Bach

Neben den insgesamt bereits reichen Einflüssen des Wiener Musiklebens hatten alle drei Wiener Klassiker auch andere Vorbilder. So wies Haydn selber darauf hin, dass er in seinem eigenen Clavierstil stark von Carl Philipp Emanuel Bach beeinflusst wurde,[21] und für seine kontrapunktischen Spielereien dürfte sein Studium des Gradus ad Parnassum von Fux[22] prägend gewirkt haben. Haydn scheint auch teilweise aus österreichisch-volkstümlichen Quellen zu schöpfen[23] und vor allem in einigen Quartetten findet man gelegentlich Einflüsse ungarischer Volks- oder Zigeunermusik. Insgesamt war Haydn ein ungewöhnlich origineller und progressiver Komponist, der viel experimentierte und noch im Alter von über 60, in seiner Londoner Zeit, offen für neue Ideen und Anregungen war.

Michael Haydn

Wolfgang Amadeus Mozart erhielt seine Grundprägung durch sein Salzburger Umfeld, namentlich durch seinen Vater Leopold Mozart. In Salzburg wirkte auch Joseph Haydns Bruder Michael, der ein bedeutender Komponist mit einem eigenen Stil war und besonders für seine Kammermusik und Geistliche Werke bekannt war – sein Bruder Joseph bezeichnete ihn als den größten Kirchenmusikkomponisten seiner Zeit. Mozart lernte auf seinen Reisen aber schon früh viele Komponisten und deren Musik kennen und war daher völlig international geprägt. Schon Teodor de Wyzewa und Georges de Saint-Foix ergründeten in ihrem großen Mozart-Werk (1936–1946) die vielfältigen Spuren davon. Zu nennen sind etliche italienische Komponisten (u. a. Giovanni Battista Sammartini und Niccolò Piccinni)[24], der in Italien wirkende Böhme Josef Mysliveček[25] und die Meister der Mannheimer Schule. In der Mozartliteratur wird besonders Mozarts herzliches Verhältnis und der Einfluss des „Londoner“ Johann Christian Bach betont, der auch gelegentlich als „Vater und Erfinder“ der Wiener Klassik bezeichnet wurde.[26]

Johann Christian Bach

Schließlich sind auch die indirekten Einflüsse Georg Friedrich Händels (Oratorien wie Messiah) und Johann Sebastian Bachs (Fugen und Motetten) zu nennen, die Mozart jedoch erst in den 1780er Jahren in Wien kennenlernte.

All das übernahm Beethoven direkt oder indirekt durch Joseph Haydns und Mozarts Kompositionen. Einflüsse von außerhalb Wiens kamen neben der bereits erwähnten italienischen Oper auch aus Frankreich, zu Mozarts Zeit beispielsweise von einigen beliebten Opern André-Ernest-Modeste Grétrys, sowie von der französischen Orchestermusik (z. B. von François-Joseph Gossec oder Étienne-Nicolas Méhul). Beethoven war besonders von den dramatischen Tendenzen französischer Revolutionsmusik und der sogenannten Schreckensoper beeinflusst und rühmte Luigi Cherubini als unmittelbares Vorbild (für Sinfonien und die Oper Fidelio). Auch der Klaviervirtuose Muzio Clementi, der während eines kurzen Wienaufenthaltes auf Veranlassung von Kaiser Joseph II. einen Klavierwettstreit mit Mozart austragen musste, übte später einen gewissen Einfluss auf Beethovens Klavierstil und -technik aus.

Andere Klassiker

Grundsätzlich war die Klassik ein Zeitstil, der auch von anderen Musikern in anderen Regionen gepflegt wurde, die nicht der Wiener Klassik zugeordnet werden können und/oder in keiner direkten Verbindung zu den „drei großen Wienern“ stehen. Auch wenn diese Komponisten nicht in der gleichen Weise mit einer Perfektionierung von musikalischer Form und Struktur beschäftigt waren, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass sie keine bedeutenden Komponisten gewesen wären. Viele waren nicht nur zu ihrer Zeit hochangesehen, sondern z. T. auch sehr einflussreich, wie man den obigen Ausführungen bereits entnehmen kann.

Oper

In besonderem Maße gilt dies für Italien, dem Lande des Belcanto, wo man in der Epoche der Klassik bereits fast ausschließlich auf die Oper konzentriert war. Der italienische Opernstil legte zu dieser Zeit das Gewicht besonders auf den hochentwickelten Gesang, der in der Opera seria ausgesprochen virtuos war (ähnlich den Partien der Königin der Nacht in Mozarts Zauberflöte oder der Konstanze in der Entführung), in der Opera buffa dagegen deutlich schlichter. Die Instrumentation trat vergleichsweise zurück, um die Stimmen nicht zu überdecken. Bläser wurden traditionell sparsamer eingesetzt, das Gewicht lag auf dem Streichersatz. Allein darin liegt ein bedeutender Unterschied zu den Opern Mozarts, der zwar stark italienisch beeinflusst war und auch in seinen deutschen Singspielen nicht auf virtuosen Koloraturgesang verzichtete, aber dessen Instrumentierung viel reichhaltiger und komplexer war als die der Italiener. Der Gesamteindruck der italienischen Opern ist dadurch generell durchsichtiger, die Musik von einer gewissen Zartheit und Weichheit. Viele Italiener wirkten auch im Ausland, wobei sie dann z. T. andere Einflüsse aufnahmen. Die Zeit um 1800 bis 1810 (bis zum Auftreten Rossinis) gilt als eine Art Krise der italienischen Oper.

Neben den bereits genannten spätneapolitanischen Opernkomponisten Paisiello, Cimarosa und Piccini gehörten zu den erfolgreichsten Meistern der italienischen Oper der Klassik: Baldassare Galuppi (Spätwerk), Giuseppe Sarti, Pasquale Anfossi, Tommaso Traetta, Antonio Sacchini, Niccolò Zingarelli, Giuseppe Nicolini. Der bereits erwähnte gebürtiger Bayer Giovanni Simone Mayr war ab etwa 1800 ebenfalls einer der erfolgreichsten Opernkomponisten Italiens und orientierte sich in der Instrumentierung an Mozart und Haydn. Auch Gioachino Rossini gehört mit seinem Frühwerk noch zur Spätklassik, und ebenso seine Epigonen Mercadante, Pacini und Donizetti und der Deutsche Giacomo Meyerbeer in seiner italienischen Phase. Rossini und die genannten Komponisten waren bereits alle mit Werken von Haydn und Mozart-Opern, teilweise auch mit Beethovensinfonien bekannt, und nahmen davon vor allem Anregungen für ihre Instrumentierung auf. Aus diesem Grunde warf man Rossini einen deutschen Einfluss vor.

Die Italiener Luigi Cherubini (den Beethoven verehrte), Ferdinando Paer und Gaspare Spontini wirkten in Frankreich (oder Deutschland) und waren von Gluck beeinflusst. Sie gehören zu den Hauptmeistern der französischen Oper der späten Klassik.

Instrumentalmusik

In der Instrumentalmusik war der bereits erwähnte Luigi Boccherini neben Haydn und Mozart der bedeutendste Komponist der Epoche, besonders in der Kammermusik. Er wirkte in Spanien und sein Stil ist von großer Weichheit, Klangschönheit und lyrischer Idylle geprägt, fließender und gefühlsbetonter als die Wiener Musik, aber dabei von hoher Qualität.

Bedeutende Violinvirtuosen der Epoche waren Gaetano Pugnani, der auch Sinfonien schrieb, und Giovanni Battista Viotti, dessen Konzerte einen ganz eigenen Stil aufweisen, und der formal andere Wege geht als die Wiener Klassiker. Viotti nahm an den Haydn-Konzerten in London teil und Mozart schrieb einige zusätzliche Bläserstimmen für Viottis e-moll-Konzert Nr. 16. Einige seiner späten Werke sind von hinreißender Schönheit und auch teilweise schon von frühromantischer Tragik durchzogen (vor allem Nr. 22 in a-moll). Viotti hatte großen Einfluss auf die französischen Violinkomponisten Pierre Rode, Rodolphe Kreutzer, Pierre Baillot und auf Nicolò Paganini – der letztere gehört jedoch bereits zur Romantik. Der deutsche Violinist Louis Spohr zählt zumindest in seinem Frühwerk noch zur Spätklassik.

Im Bereich der Klaviermusik gab es mehrere bedeutende und einflussreiche Meister, die zwar zur Klassik zählen, jedoch nicht wienerisch waren: Muzio Clementi, der Böhme Johann Ladislaus Dussek, John Field. Ihre Werke reichen von der Klassik zur Frühromantik und sie alle spielten neben Beethoven bei der Entwicklung eines frühromantischen Klavierstils eine wichtige Rolle. Der in Dänemark wirkende und für seine melodieschönen Sonatinen bekannte Friedrich Kuhlau war stark von Mozart und Haydn beeinflusst.

Diskussion des Begriffes

Während die englischsprachige Musikwissenschaft den Begriff „Wiener Klassik“ eher vermeidet und einen umfassenderen Klassikbegriff pflegt, diskutiert ihn die deutsche Musikwissenschaft kontrovers. Ludwig Finscher möchte ihn, Gedanken Raphael Georg Kiesewetters von 1834 folgend, auf die Werke Joseph Haydns und Mozarts zwischen 1781 und 1803 begrenzen. Hans Heinrich Eggebrecht belegte durch umfangreiche, ins musikalische Detail gehende Analysen seine Haydn, Mozart und Beethoven umfassende Definition. Carl Dahlhaus dagegen führte Friedrich Blumes Gedanken weiter, Klassik und Romantik bildeten eine gemeinsame klassisch-romantische Epoche. Diese dialektische Verbindung zwischen Wiener Klassik und Romantik offenbart sich besonders deutlich im Vergleich Beethovens und Schuberts. Thrasybulos Georgiades ordnete Schubert in seinen Analysen von dessen Vokal- und Instrumentalmusik den drei Großen der „Wiener Klassik“ zu und zeigte Schuberts klassische Kompositionsverfahren besonders in dessen Liedern und der „Unvollendeten“ auf – die allerdings vom Geiste her bereits frühromantisch geprägt sind.

Siehe auch

Literatur

  • Remigio Coli: Luigi Boccherini, Maria Pacini Fazzi editore, Lucca 2005 (italienisch)
  • Carl Dahlhaus: Klassische und romantische Musikästhetik. Laaber 1988
  • Hans Heinrich Eggebrecht: Musik im Abendland, Prozesse und Stationen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. In Mn./Z 1991, S. 471–487
  • Thrasybulos Georgiades: Schubert, Musik und Lyrik. Göttingen 1967
  • Raphael Georg Kiesewetter: Geschichte der europäisch- abendländischen oder unserer heutigen Musik. Leipzig 1834
  • H. C. Robbins Landon: Joseph Haydn – sein Leben in Bildern und Dokumenten, Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981
  • H. C. Robbins Landon: Das Mozart Kompendium, Droemer Knaur, München 1991
  • Charles Rosen: Der klassische Stil. Haydn, Mozart, Beethoven. Bärenreiter, Kassel etc. 1983, ISBN 978-3-7618-1235-8
  • Teodor de Wyzewa, G. de Saint-Foix: W.-A. [!] Mozart. Sa vie musicale et son oeuvre de l'enfance à la pleine maturité […] Essai de biographie critique suivi d'un nouveau catalogue chronologique de l'oeuvre complète de maitre […]. 5 Bände, Paris 1936–1946

Weblinks

Einzelnachweise

  1. springer.com: Haydn, Mozart und Beethoven — und Franz Schubert: 1755/1781 bis 1828
  2. rp-online.de: Wiener Klassik: Franz Schubert und die Brandstifter
  3. Für Haydn siehe: H. C. Robbins Landon: Joseph Haydn - sein Leben in Bildern und Dokumenten, Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 12
  4. "Für Kenner und Liebhaber" ist der Titel einer sechsbändigen Sammlung von Clavierwerken, die der einflussreiche Carl Philipp Emanuel Bach zwischen 1779 und 1787 herausgab, also zeitgleich mit Mozart und Haydn, die ihn sehr schätzten (Neuausgabe bei Breitkopf und Härtel).
  5. Ähnlich Landon über Haydns Musik: H. C. Robbins Landon: Joseph Haydn – sein Leben in Bildern und Dokumenten, Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 12
  6. Ferdinand III., Leopold I., Josef I. und Karl VI. gelten als "Musikkaiser" und komponierten gelegentlich. Auch Maria Theresia und ihre Kinder hatten eine musikalische Ausbildung und traten in höfischen Theateraufführungen auf. Elisabeth Hilscher: Mit Leier und Schwert - Die Habsburger und die Musik, Styria, Graz/Wien/Köln 2000, S. 111–184
  7. Elisabeth Hilscher: Mit Leier und Schwert - Die Habsburger und die Musik, Styria, Graz/Wien/Köln 2000, S. 170
  8. Elisabeth Hilscher: Mit Leier und Schwert - Die Habsburger und die Musik, Styria, Graz/Wien/Köln 2000, S. 199–203
  9. Elisabeth Hilscher: Mit Leier und Schwert - Die Habsburger und die Musik, Styria, Graz/Wien/Köln 2000, S. 92 f, S. 115–164
  10. Elisabeth Hilscher: Mit Leier und Schwert - Die Habsburger und die Musik, Styria, Graz/Wien/Köln 2000, S. 170, 174 f
  11. „Mozart und das Theater seiner Zeit – Die Oper in Wien in den 1780er Jahren“, in: H.C. Robbins Landon: Das Mozart Kompendium, Droemer Knaur, München 1991, S. 425–430, besonders 428 ff (Aufstellung der beliebtesten Komponisten und Opern in Wien 1781–1791)
  12. H. C. Robbins Landon: Joseph Haydn – sein Leben in Bildern und Dokumenten, Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 73–74
  13. Elisabeth Hilscher: Mit Leier und Schwert - Die Habsburger und die Musik, Styria, Graz/Wien/Köln 2000, S. 175
  14. H. C. Robbins Landon: Joseph Haydn – sein Leben in Bildern und Dokumenten, Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 73
  15. H. C. Robbins Landon: Joseph Haydn – sein Leben in Bildern und Dokumenten, Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 95–146
  16. H. C. Robbins Landon: Joseph Haydn – sein Leben in Bildern und Dokumenten, Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 87
  17. H. C. Robbins Landon: Joseph Haydn – sein Leben in Bildern und Dokumenten, Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 84–85
  18. Remigio Coli: Luigi Boccherini (Italienisch), Maria Pacini Fazzi editore, Lucca 2005, S. 28–35 (Aufenthalte von Boccherini in Wien 1758 und 1760–1761)
  19. Remigio Coli: Luigi Boccherini (Italienisch), Maria Pacini Fazzi editore, Lucca 2005, S. 119 u. v. a. (Einfluss Haydns auf Werke Boccherinis), S. 122–124 (Briefwechsel)
  20. Elisabeth Hilscher: Mit Leier und Schwert - Die Habsburger und die Musik, Styria, Graz/Wien/Köln 2000, S. 179 f
  21. H. C. Robbins Landon: Joseph Haydn - sein Leben in Bildern und Dokumenten, Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 22 und 37
  22. H. C. Robbins Landon: Joseph Haydn - sein Leben in Bildern und Dokumenten, Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 36
  23. H. C. Robbins Landon: Joseph Haydn - sein Leben in Bildern und Dokumenten, Verlag Fritz Molden, Wien et. al., 1981, S. 12
  24. H.C. Robbins Landon: Das Mozart Kompendium, Droemer Knaur, München 1991, S. 109
  25. H.C. Robbins Landon: Das Mozart Kompendium, Droemer Knaur, München 1991, S. 59–60
  26.  Verkannte Genies: Schaut hin, sie leben!. In: ZEIT ONLINE. (https://www.zeit.de/2015/02/klassiker-verkannte-genies-kanon).
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