Temporallappen und Occipitallappen: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Gehirn, lateral - Lobi deu.svg|thumb|Unterteilung des Großhirns in Hirnlappen (Lobi), Seitenansicht.Der Temporallappen ist blau gefärbt.]]
[[Datei:Gehirn, lateral - Lobi deu.svg|mini|300px|Unterteilung des Großhirns in Hirnlappen (Lobi), Seitenansicht.]]
Der '''Temporallappen''' ({{laS|tempus|de=Schläfe}}) oder '''Schläfenlappen''' (lat. {{lang|la|''Lobus temporalis''}}<ref name="FCAT">{{Literatur |Hrsg=Federative Committee on Anatomical Terminology |Titel=Terminologia Anatomica |Verlag=Thieme |Ort=Stuttgart |Datum=1998 |Sprache=en}}</ref>) ist einer der vier Lappen des [[Großhirn]]s und macht dessen [[laterobasal]]en (seitlich und unten gelegenen) Anteil aus. Er wird nach oben und vorne vom ''Sulcus lateralis'' ([[Fissura Sylvii]]) gegen den Scheitellappen ([[Parietallappen]], ''Lobus parietalis'') und den Stirnlappen ([[Frontallappen]], ''Lobus frontalis'') abgegrenzt, nach hinten grenzt er an den Hinterhauptlappen ([[Occipitallappen]], ''Lobus occipitalis''). Der Temporallappen enthält den primären [[Auditiver Cortex|auditorischen Cortex]], das [[Wernicke-Zentrum|Wernicke-Sprachzentrum]] und wichtige Strukturen für das [[Gedächtnis]].
Der '''Occipitallappen''' (eingedeutschte Schreibweise: '''Okzipitallappen''') oder '''Hinterhauptlappen''' ([[Latein|lat.]] ''Lobus occipitalis'' <ref name="FCAT">Federative Committee on Anatomical Terminology (1998). ''Terminologia Anatomica''. Stuttgart: Thieme.</ref>) ist der hinterste Anteil des [[Großhirn]]s und der kleinste der vier Hirnlappen. Als Teil des [[Wikipedia:Visuelles System|visuellen Systems]] verarbeitet er die visuellen Impulse, weshalb er das Sehzentrum des Gehirns ist.


== Funktion und Lokalisation ==
== Anatomie ==
[[Datei:gyri temporales transversi.png|mini|Gehirn Aufsicht auf die Gyri temporales transversi]]
Der Occipitallappen liegt am [[Hinterhauptbein]] an. Er sitzt auf dem [[Kleinhirn]], von dem er durch das [[Tentorium cerebelli|Kleinhirnzelt]] getrennt ist. Nach vorn grenzt er an den Scheitellappen ([[Lobus parietalis]]), von dem er durch den ''[[Sulcus parietooccipitalis]]'' getrennt ist, sowie den Schläfenlappen ([[Lobus temporalis]]), zu dem keine klare Grenze erkennbar ist.


=== Primärer auditorischer Cortex ===
Der Occipitallappen wird unterteilt durch den ''Sulcus calcarinus'', oberhalb dessen der ''Cuneus'' liegt und unterhalb der ''Gyrus lingualis''. Der Occipitallappen enthält die primäre und sekundäre Sehrinde ([[visueller Cortex]]).
In der Tiefe des ''Sulcus lateralis'' liegen die ''[[Gyri temporales transversi]]'' (Heschl’sche Querwindungen, benannt nach dem österreichischen Anatom [[Richard Heschl]] (1824–1881)), die den primären [[Auditiver Cortex|auditorischen Cortex]] bilden ([[Brodmann-Areal]] 41). Die Nervenfasern aus dem Ohr ziehen nach der Kreuzung zur Gegenseite über den ''[[Lemniscus lateralis]]'' zu den ''[[Colliculi inferiores]]'' und von dort über den ''[[Pedunculus colliculi inferioris]]'' zum ''[[Corpus geniculatum mediale]]''. Durch die ''[[Capsula interna]]'' erreichen sie dann die primäre [[Hörrinde]]. Die Hörrinde zeigt analog dem sensorischen und motorischen Cortex eine tonotopische Gliederung nach Frequenzen. Die Hörbahn besitzt mehrere [[Kommissur]]ensysteme, die einen Faserwechsel ermöglichen. So gelangen auch einige Faserbündel zur gleichseitigen Hörrinde, was Bedeutung für das Richtungshören hat.


=== Wernicke-Sprachzentrum ===
== Blutversorgung ==
Im ''Gyrus temporalis superior'' befindet sich ein sensorisches [[Sprachzentrum]] (das sogenannte [[Wernicke-Zentrum]], Brodmann-Areal A22), das für das Sprachverständnis wichtig ist. An der Verarbeitung und dem Verständnis von Sprache sind noch eine ganze Reihe weiterer Areale beteiligt.
Der Occipitallappen wird überwiegend aus der [[Arteria cerebri posterior]] versorgt. Der [[Blutversorgung des Gehirns#Abflüsse|Blutabfluss]] erfolgt über die aufsteigenden (''Venae superficiales ascendentes cerebri'') und absteigenden (''Venae superficiales descendentes cerebri'') oberflächlichen Venen des Gehirns. Die aufsteigenden Venen führen das Blut in den ''[[Sinus durae matris|Sinus]] sagittalis superior'', die absteigenden in den ''Sinus transversus'', in den auch der ''Sinus sagittalis superior'' übergeht. Der ''Sinus transversus'' leitet das Blut schließlich in die [[Vena jugularis interna|innere Drosselvene]], die aus dem Schädel führt.
Das Wernicke-Areal kommt nur in der dominanten [[Hirnhemisphäre]] vor (das heißt, in der Hirnhälfte, in welcher die Sprache sowohl motorisch, als auch sensorisch verarbeitet wird), die bei Rechtshändern normalerweise links lokalisiert ist, sich bei Linkshändern jedoch wahlweise links oder rechts befinden kann.


[[Datei:Gehirn Frontalschnitt hippocampus.png|mini|Frontalschnitt des Gehirns in Höhe des Hippocampus]]
== Funktionen ==
[[Datei:Gray742.png|mini|Horizontalschnitt der linken Großhirnhemisphäre. Unten links im Bild ist die Sehrinde als Area striata zu sehen.]]


=== Gedächtnisstrukturen ===
=== Primäre Sehrinde ===
Der mediale Teil des Temporallappens enthält den [[Hippocampus]], den [[Entorhinaler Cortex|entorhinalen]], [[Perirhinaler Cortex|perirhinalen]] und [[Parahippocampaler Cortex|parahippocampalen Cortex]], die das bedeutendste „Koordinationszentrum“ des deklarativen (expliziten) [[Gedächtnis]]ses darstellen.
An der zur Körpermitte zeigenden ([[Anatomische Lage- und Richtungsbezeichnungen|medialen]]) Seite des Occipitallappens befindet sich der sogenannte ''Sulcus calcarinus'', der sich als ''Calcar avis'' in das Hinterhorn (''Cornu posterius'') des [[Hirnventrikel|Seitenventrikels]] einsenkt. Beidseits des Sulcus liegt die [[Visueller Cortex|primäre Sehrinde]], die dem [[Brodmann-Areal]] 17 entspricht. Dieser Bereich besitzt einen für den [[Neocortex]] typischen sechsschichtigen Aufbau. Auffälliges Merkmal der Sehrinde ist ein zusätzliches Nervenfaserband in der [[Großhirnrinde#Laminierung|Lamina IV]] (innere Körnerschicht), das als [[Francesco Gennari|Gennari]]- bzw. [[Vicq d'Azyr|Vicq-d’Azyr]]-Streifen bezeichnet wird. Dieser ist makroskopisch erkennbar und der Grund, warum das Areal auch ''Area striata'' („gestreiftes Gebiet“, striärer Kortex) genannt wird.


Der untere temporale Bereich (IT) selbst ist Teil des visuellen [[Arbeitsgedächtnis]] ({{lang|en|''working memory''}}). Hier wird das, was gerade wahrgenommen wird, kurzzeitig gespeichert (Sekunden bis Minuten). Auch der Vergleich mit den nächstfolgenden Wahrnehmungsinhalten erfolgt hier. Der Hippocampus wird erst dann benötigt, wenn bestimmte Informationen mittel- bis langfristig im Gedächtnis behalten werden sollen.
In jedem Occipitallappen werden die visuellen Impulse der temporalen ipsilateralen und der nasalen kontralateralen [[Netzhaut]] (''Retina'') verarbeitet, das heißt, im rechten Occipitallappen werden die Signale der jeweils rechten Hälfte der Netzhaut beider Augen verarbeitet, der linke Occipitallappen ist für die Signale der linken Netzhauthälften beider Augen zuständig (Siehe dazu [[visuelles System]] und [[Sehbahn]]). Dabei ist jedem Punkt auf der Netzhaut ein kleines Gebiet in der Sehrinde zugeordnet (''retinotopische Anordnung''). Die ''[[Netzhaut|Fovea centralis]]'', also die Stelle des schärfsten Sehens der Netzhaut, nimmt entsprechend ihrer Wichtigkeit gegenüber den anderen Bereichen etwa 80 %<ref>Martin Trepel: ''Neuroanatomie. Struktur und Funktion''. 3. Auflage. Urban & Fischer Verlag, München 2004. (S. 226).</ref> der Sehrinde ein. Die Informationsverarbeitung erfolgt in sog. „kortikalen Säulen“, also in übereinander gelagerten Zellverbänden. Es finden sich hier auch Zellverbände, die auf bestimmte Muster (z.&nbsp;B. Linien bestimmter Orientierung) ansprechen und diese Information quasi aus dem Gesamteindruck herausfiltern (sog. „Eigenschaftsextraktion“).


=== Neocorticale assoziative Areale ===
=== Sekundäre Sehrinde ===
Viele Bereiche des Temporallappens sind auch für die Erkennung von komplexen nichträumlichen auditorischen und visuellen Reizen zuständig, wie z.&nbsp;B. dem Erkennen von Körperteilen – insbesondere Gesichtern – und anderer bedeutungsvoller Gegenstände (Nahrung, Beute).
Das sekundäre Sehzentrum gehört zu den Assoziationszentren des Gehirns und entspricht den Brodmann-Arealen 18 und 19. Dieses Gebiet wird auch ''Area parastriata'' (extrastriärer Kortex) genannt, da es der Area striata benachbart liegt. Hier werden die verarbeiteten Muster aus der primären Sehrinde bekannten Sinneseindrücken gegenübergestellt und somit interpretiert und erkannt. Von der sekundären Sehrinde laufen Bahnen in andere Rindenareale des Großhirns, etwa zum [[Gyrus angularis]] zur Verknüpfung mit der Sprache, oder in den Frontallappen, wo die Augenbewegung koordiniert wird.<ref>Martin Trepel: ''Neuroanatomie. Struktur und Funktion''. 3. Auflage. Urban & Fischer Verlag, München 2004. (S. 227).</ref>
 
Bei elektrischer Reizung des IT (Versuche von [[Wilder Penfield]] 1959 bei [[Epilepsie|epileptischen]] Patienten) kommt es zu Erlebnishalluzinationen ({{lang|en|''experiential response''}}), die die Patienten als zusammenhängende Erinnerungen an vergangene Erlebnisse beschreiben. Diese Gedächtnisreaktionen ließen sich nur bei Reizung des Temporallappens erzeugen, sie waren eher selten (8 % der Reizversuche) und ihre Entstehung und Bedeutung ist noch nicht geklärt.
 
== Blutversorgung des Temporallappens ==
Der basale und hintere mediale Teil des Temporallappens wird von den ''[[Arteria cerebri posterior|Arteriae cerebri posteriores]]'' versorgt, die aus der ''[[Arteria basilaris]]'' hervorgehen. Der laterale und vordere mediale Teil erhält seine [[Blutversorgung des Gehirns|Blutversorgung]] über Äste der ''[[Arteria cerebri media|Arteriae cerebri mediae]]'' aus der ''[[Arteria carotis interna]]''. Der [[Blutversorgung des Gehirns#Abflüsse|Blutabfluss]] erfolgt über die absteigenden oberflächlichen Venen des Gehirns (''Venae superficiales descendentes cerebri'') und über die mittlere oberflächliche Hirnvene (''Vena media superficialis cerebri''). Die absteigenden Venen drainieren in den ''[[Sinus transversus]]''. Die Abflüsse der mittleren Vene gehen sowohl in den ''[[Sinus cavernosus]]'', als auch in den ''Sinus transversus''. Der ''Sinus transversus'' leitet das Blut schließlich in die [[Vena jugularis interna|innere Drosselvene]], die aus dem Schädel führt.


== Pathologie ==
== Pathologie ==
Entsprechend den vielfältigen funktionellen Bereichen des Temporallappens treten bei traumatischen oder [[iatrogen]]en Läsionen vielfache Störungen und Beeinträchtigungen auf.
Ausfälle der Sehbahn können sich in allen beteiligten Strukturen ergeben, z.&nbsp;B. durch [[Blutung]]en, [[Infarkt]]e, [[Trauma (Medizin)|Traumata]]. Daraus können folgende Störungen resultieren:


Der erste und bestuntersuchte Fall war der Fließbandarbeiter [[Henry Gustav Molaison]], dem aufgrund einer nicht behandelbaren [[Epilepsie]] die medialen Bereiche beider Temporallappen entfernt wurden. Nach der Operation litt der Patient unter einer schwerwiegenden anterograden [[Amnesie]], er war nicht mehr in der Lage, neu Gelerntes in das Langzeitgedächtnis zu übertragen. Dabei zeigte er eine normale Sprachbeherrschung und sein Vokabular und Intelligenzquotient blieben im etwas überdurchschnittlichen Bereich. Durch den Gedächtnisverlust war er nicht mehr zu explizitem Lernen fähig. Allerdings war er noch sehr wohl in der Lage zu impliziten Lernvorgängen, auch wenn er sich dessen nicht bewusst war.
* primäres Sehzentrum:
** Einseitige Schädigungen in diesem Bereich führen zu kontralateralen [[Sehbahn|Gesichtsfeldausfällen]].
** Zerstörung beider primären Sehzentren (die anatomisch dicht beieinander liegen und nur durch den Interhemisphärenspalt (''[[Fissura longitudinalis]]'') getrennt sind) führt zur [[Rindenblindheit]]. Die typischen Reflexe des Auges bleiben dabei erhalten. Die Informationen des Auges laufen quasi nur ins Leere.


Läsionen des assoziativen temporalen Cortex können zu multiplen visuellen und auditorischen Defiziten führen ([[Agnosie]]n). So kann das Erkennen oder Benennen von Objekten gestört sein (Objektagnosie) oder das Erkennen von Gesichtern ([[Prosopagnosie]]). Auditive Agnosien betreffen die Unfähigkeit, Töne, Melodien, Rhythmen oder Tempi von Musik zu erkennen ([[Amusie]]). Weiterhin kann es zu Wort- und Sprachverständnisstörungen ([[Aphasie]]n) kommen, wenn der linke obere und mittlere Bereich des Temporallappens betroffen ist ([[Wernicke-Areal]]).
* sekundäres Sehzentrum:
** Störungen in diesem Bereich betreffen das Erkennen und Verknüpfen des Gesehenen ([[Seelenblindheit]], auch optische oder visuelle Agnosie). Dinge werden dabei zwar wahrgenommen, können aber nicht benannt werden. Darunter fallen auch die Lesestörungen ([[Dyslexie]]n) bzw. das Unvermögen zu Lesen ([[Dyslexie|Alexie]]).


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Temporallappen}}
* {{WikipediaDE|Occipitallappen}}
* {{WikipediaDE|Planum temporale}}
 
== Literatur ==
* {{Literatur
  |Hrsg=Eric R. Kandel u.&nbsp;a.
  |Titel=Neurowissenschaften. Eine Einführung
  |Verlag=Spektrum Akademischer-Verlag
  |Ort=Heidelberg
  |Datum=1996
  |ISBN=3-86025-391-3}}
* {{Literatur
  |Autor=Gerhard Roth
  |Titel=Das Gehirn und seine Wirklichkeit
  |Verlag=Suhrkamp
  |Ort=Frankfurt/M.
  |Datum=2002
  |ISBN=3-518-28875-X}}
* {{Literatur
  |Hrsg=Johannes Sobotta
  |Titel=Atlas der Anatomie des Menschen
  |Verlag=Elsevier, Urban & Schwarzenberg
  |Ort=München
  |Datum=2004
  |ISBN=3-437-43590-6}}


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* Christian Siedentopf: [http://www.fmri-easy.de/tl_ana.htm Seite über fMRI]
* [http://www.bartleby.com/107/illus728.html Gray´s_Anatomy_Gehirn]
* [http://www.meduniwien.ac.at/plastination/plastinatedbrain/surfaceanatomy/surface-suplat-text.html anschauliches Bild] mit den wichtigsten Teilen des Gehirns (inklusive Sulci, Gyri und Lappen)


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


{{Normdaten|TYP=s|GND=4184705-2}}
[[Kategorie:Sehen]]
 
[[Kategorie:Gehirn|105]]
[[Kategorie:Gehirn|104]]
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[[Kategorie:Großhirn|104]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 29. September 2018, 23:42 Uhr

Unterteilung des Großhirns in Hirnlappen (Lobi), Seitenansicht.

Der Occipitallappen (eingedeutschte Schreibweise: Okzipitallappen) oder Hinterhauptlappen (lat. Lobus occipitalis [1]) ist der hinterste Anteil des Großhirns und der kleinste der vier Hirnlappen. Als Teil des visuellen Systems verarbeitet er die visuellen Impulse, weshalb er das Sehzentrum des Gehirns ist.

Anatomie

Der Occipitallappen liegt am Hinterhauptbein an. Er sitzt auf dem Kleinhirn, von dem er durch das Kleinhirnzelt getrennt ist. Nach vorn grenzt er an den Scheitellappen (Lobus parietalis), von dem er durch den Sulcus parietooccipitalis getrennt ist, sowie den Schläfenlappen (Lobus temporalis), zu dem keine klare Grenze erkennbar ist.

Der Occipitallappen wird unterteilt durch den Sulcus calcarinus, oberhalb dessen der Cuneus liegt und unterhalb der Gyrus lingualis. Der Occipitallappen enthält die primäre und sekundäre Sehrinde (visueller Cortex).

Blutversorgung

Der Occipitallappen wird überwiegend aus der Arteria cerebri posterior versorgt. Der Blutabfluss erfolgt über die aufsteigenden (Venae superficiales ascendentes cerebri) und absteigenden (Venae superficiales descendentes cerebri) oberflächlichen Venen des Gehirns. Die aufsteigenden Venen führen das Blut in den Sinus sagittalis superior, die absteigenden in den Sinus transversus, in den auch der Sinus sagittalis superior übergeht. Der Sinus transversus leitet das Blut schließlich in die innere Drosselvene, die aus dem Schädel führt.

Funktionen

Horizontalschnitt der linken Großhirnhemisphäre. Unten links im Bild ist die Sehrinde als Area striata zu sehen.

Primäre Sehrinde

An der zur Körpermitte zeigenden (medialen) Seite des Occipitallappens befindet sich der sogenannte Sulcus calcarinus, der sich als Calcar avis in das Hinterhorn (Cornu posterius) des Seitenventrikels einsenkt. Beidseits des Sulcus liegt die primäre Sehrinde, die dem Brodmann-Areal 17 entspricht. Dieser Bereich besitzt einen für den Neocortex typischen sechsschichtigen Aufbau. Auffälliges Merkmal der Sehrinde ist ein zusätzliches Nervenfaserband in der Lamina IV (innere Körnerschicht), das als Gennari- bzw. Vicq-d’Azyr-Streifen bezeichnet wird. Dieser ist makroskopisch erkennbar und der Grund, warum das Areal auch Area striata („gestreiftes Gebiet“, striärer Kortex) genannt wird.

In jedem Occipitallappen werden die visuellen Impulse der temporalen ipsilateralen und der nasalen kontralateralen Netzhaut (Retina) verarbeitet, das heißt, im rechten Occipitallappen werden die Signale der jeweils rechten Hälfte der Netzhaut beider Augen verarbeitet, der linke Occipitallappen ist für die Signale der linken Netzhauthälften beider Augen zuständig (Siehe dazu visuelles System und Sehbahn). Dabei ist jedem Punkt auf der Netzhaut ein kleines Gebiet in der Sehrinde zugeordnet (retinotopische Anordnung). Die Fovea centralis, also die Stelle des schärfsten Sehens der Netzhaut, nimmt entsprechend ihrer Wichtigkeit gegenüber den anderen Bereichen etwa 80 %[2] der Sehrinde ein. Die Informationsverarbeitung erfolgt in sog. „kortikalen Säulen“, also in übereinander gelagerten Zellverbänden. Es finden sich hier auch Zellverbände, die auf bestimmte Muster (z. B. Linien bestimmter Orientierung) ansprechen und diese Information quasi aus dem Gesamteindruck herausfiltern (sog. „Eigenschaftsextraktion“).

Sekundäre Sehrinde

Das sekundäre Sehzentrum gehört zu den Assoziationszentren des Gehirns und entspricht den Brodmann-Arealen 18 und 19. Dieses Gebiet wird auch Area parastriata (extrastriärer Kortex) genannt, da es der Area striata benachbart liegt. Hier werden die verarbeiteten Muster aus der primären Sehrinde bekannten Sinneseindrücken gegenübergestellt und somit interpretiert und erkannt. Von der sekundären Sehrinde laufen Bahnen in andere Rindenareale des Großhirns, etwa zum Gyrus angularis zur Verknüpfung mit der Sprache, oder in den Frontallappen, wo die Augenbewegung koordiniert wird.[3]

Pathologie

Ausfälle der Sehbahn können sich in allen beteiligten Strukturen ergeben, z. B. durch Blutungen, Infarkte, Traumata. Daraus können folgende Störungen resultieren:

  • primäres Sehzentrum:
    • Einseitige Schädigungen in diesem Bereich führen zu kontralateralen Gesichtsfeldausfällen.
    • Zerstörung beider primären Sehzentren (die anatomisch dicht beieinander liegen und nur durch den Interhemisphärenspalt (Fissura longitudinalis) getrennt sind) führt zur Rindenblindheit. Die typischen Reflexe des Auges bleiben dabei erhalten. Die Informationen des Auges laufen quasi nur ins Leere.
  • sekundäres Sehzentrum:
    • Störungen in diesem Bereich betreffen das Erkennen und Verknüpfen des Gesehenen (Seelenblindheit, auch optische oder visuelle Agnosie). Dinge werden dabei zwar wahrgenommen, können aber nicht benannt werden. Darunter fallen auch die Lesestörungen (Dyslexien) bzw. das Unvermögen zu Lesen (Alexie).

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Federative Committee on Anatomical Terminology (1998). Terminologia Anatomica. Stuttgart: Thieme.
  2. Martin Trepel: Neuroanatomie. Struktur und Funktion. 3. Auflage. Urban & Fischer Verlag, München 2004. (S. 226).
  3. Martin Trepel: Neuroanatomie. Struktur und Funktion. 3. Auflage. Urban & Fischer Verlag, München 2004. (S. 227).


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Occipitallappen aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.