Hans Vaihinger und Karl Maria Wiligut: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Karl Maria Wiligut''' (* [[10. Dezember]] [[1866]] in [[Wien]]; † [[3. Januar]] [[1946]] in [[Arolsen]]; Pseudonyme: ''Karl Maria Weisthor'', ''Jarl Widar'', ''Lobesam'')<ref>[[Armin Mohler]]: ''Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Ein Handbuch. Ergänzungsband. Mit Korrigenda zum Hauptband''. Darmstadt 1989, S. 90 u. 92.</ref> war ein österreichischer [[Okkultismus|Okkultist]] und [[SS-Brigadeführer]].
'''Hans Vaihinger''' (* 25. September 1852 in Nehren bei Tübingen; † 18. Dezember 1933 in Halle (Saale)) war ein deutscher Philosoph und Kant-Forscher. Im ''Ueberweg'' wird Vaihingers Philosophie als „Idealistisch-pragmatischer Positivismus“ unter einer eigenen, vom [[Neukantianismus]] abgegrenzten Rubrik behandelt.<ref>Friedrich Ueberweg, Traugott Konstantin Oesterreich: ''Grundriss der Geschichte der Philosophie.'' 4. Teil. 12. Auflage, Mittler, Berlin 1923, S. 411–415, 712 {{IA|friedrichueberwe04uebe|410}}</ref>


== Leben und Wirken ==
== Leben ==
Vaihinger war der Sohn des evangelischen Pfarrers Johann Georg Vaihinger und seiner Frau Sophie geb. Haug (auch Hauck), eine Urenkelin von [[Balthasar Haug]].<ref>Dt Wirtschaftsverlag (Hg):
Karl Maria Wiligut wurde in Wien römisch-katholisch getauft und trat mit 14 Jahren in die Wiener Kadettenschule ein. 1883 begann er seine Karriere im [[k. u. k.]] Infanterieregiment des serbischen Königs [[Milan I. (Serbien)|Milan I.]] als Gefreiter und wurde 1888 Leutnant. 1889 wurde er Mitglied der Vereinigung [[Schlaraffia]]. 1903 veröffentlichte er das Buch ''Seyfrieds Runen'' unter dem Namen Karl Maria Wiligut (Lobesam).<ref name="Longerich293">[[Peter Longerich]]: ''Heinrich Himmler. Biographie''. Siedler, München 2008, ISBN 978-3-88680-859-5, S. 293.</ref>  
''Reichshandbuch der dt Gesellschaft.'', Bd. 2, Berlin 1931, vgl. Nachdruck in Gerd Simon et al: ''Chronologie Vaihinger, Hans'', Stand 2013 [https://homepages.uni-tuebingen.de//gerd.simon/chrvai.pdf online], S. 337.</ref>  Nach dem Besuch des Stuttgarter Gymnasiums studierte er zunächst Theologie, wechselte dann aber zur Philosophie. Studienorte waren Tübingen, wo er dem  [[Corps Borussia Tübingen]] beitrat, dann Leipzig und Berlin. 1874 promovierte er in Tübingen und wurde Repetent am [[Tübinger Stift]]. 1877 konnte er sich bei [[Ernst Laas]] Straßburg mit ''Logischen Untersuchungen. 1. Teil: Die Lehre von der wissenschaftlichen Fiktion'' habilitieren. Die Schrift gilt heute als Verschollen, soll jedoch lt. Vaihinger selbst in sein Hauptwerk, die ''Philosophie des Als Ob'', eingegangen sein.<ref>Gerd Simon ''„Weiße Juden“ sind nach wie vor verfemt'', [https://homepages.uni-tuebingen.de//gerd.simon/weissejuden.pdf online]</ref> In Straßburg wurde Vaihinger 1883 zum außerordentlichen Professor ernannt. 1884 folgte er einem Ruf nach Halle, wo er 1894 zum Ordinarius berufen wurde.


Verheiratet war Vaihinger seit 1889 mit der aus einer Gelehrtenfamilie stammenden Elisabeth Alwine Schweigger (geb. 1865), der Tochter des Berliner Hofbuchhändlers Ernst Schweigger. 1892 wurde der Sohn Richard geboren, 1895 die Tochter Erna.
1907 heiratete er Malwine Leurs von Treuenringen aus [[Bozen]]. Aus der Ehe gingen die beiden Töchter Gertrud und Lotte hervor. Ein Zwillingsbruder eines der Mädchen starb im Kindesalter. Dies war für Wiligut eine Tragödie, da er sich nach einem männlichen Erben sehnte, um ihm sein „geheimes Wissen“ vermitteln zu können.<ref>Nicholas Goodrick-Clarke: ''Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus.'' marixverlag, 2004, S. 159f.</ref>


Vaihinger litt an einer Augenkrankheit, die zur völligen Erblindung führte; ihretwegen ließ er sich 1906 emeritieren.
Ab 1908 soll er in Wien Kontakte mit [[völkisch]]en und [[Ariosophie|ariosophischen]] Kreisen und zu Mitgliedern des [[Neutempler-Orden|Lanzschen Neutemplerordens]] gepflegt haben.<ref name="Schnurbein1992-113">Stefanie von Schnurbein: ''Religion als Kulturkritik.'' Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg 1992, ISBN 3-533-04582-X, S. 113.</ref><ref>Rüdiger Sünner: ''Die Schwarze Sonne. Entfesselung und Missbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik''. Herder, Freiburg im Breisgau 1999, ISBN 3-451-05205-9, S. 69–70.</ref> Er stand der [[Edda-Gesellschaft]] nahe und schrieb unter dem Pseudonym ''Jarl Widar'' Gedichte für deren ''Widar''-Hefte.<ref name="Schnurbein1992-113" /> Wiliguts Ideen ähnelten jenen von [[Guido von List]].<ref name="NGC283" />


Im Mittelpunkt seiner Arbeit stand die Kantforschung. Vaihinger verfasste einen ''Kommentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft'' (1881/92). Außerdem stellte er die Kantforschung auf einen sicheren organisatorischen Boden, indem er zum einen die [[Kant-Studien]] (seit 1897), zum anderen die [[Kant-Gesellschaft]] gründete, letztere 1904, im hundertsten Todesjahr Kants. Gemeinsam mit seinem Schüler [[Raymund Schmidt]] gab er von 1919 bis 1930 die ''Annalen der Philosophie'' und von 1922 bis 1932 die ''Bausteine zu einer Philosophie des Als Ob'' heraus.
Im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] diente er an der [[Italienfront (Erster Weltkrieg)|Süd-]] und [[Ostfront (Erster Weltkrieg)|Ostfront]], wurde für seine Tapferkeit ausgezeichnet und 1917 zum [[Oberst]] der [[Landstreitkräfte Österreich-Ungarns 1867–1914|österreich-ungarischen Armee]] befördert. Nach Kriegsende zog er 1919 nach [[Morzg]] bei [[Salzburg]], wo er sich okkulten Studien widmete.  


Vaihinger galt als Schüler und Fortführer des Werks des Kantianers [[F. A. Lange]], von dem er sich jedoch abgrenzte, in dem er bentonte, das der [[Kritizismus]] eher als Methode denn als Lehrgebäude zu verstehen sei.<ref>Vgl. Traugott Oesterreich, ''Friedrich Ueberwegs Grundriss der Geschichte der Philosophie'', 4. Teil, 12.Aufl, S. 411. Mittler&Sohn Berlin 1923.</ref>
Die Informationen über Wiliguts Leben vor dem Eintritt in die SS sind sehr unzuverlässig und stammen überwiegend aus Kreisen, in denen er verehrt wurde bzw. noch heute verehrt wird.<ref name="Longerich293" /><ref name="Schnurbein1992-114">Stefanie von Schnurbein: ''Religion als Kulturkritik''. Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg 1992, ISBN 3-533-04582-X, S. 114.</ref><ref>Beispiele von ONT-Schriften über Wiligut sind Rudolf J. Mund: ''Der Rasputin Himmlers. Die Wiligut-Saga''. Volkstum-Verlag u. a., Wien u. a. 1982, ISBN 3-85342-035-4; Rudolf J. Mund, Gerhard von Werfenstein: ''Mythos Schwarze Sonne. Karl Maria Wiligut-Weisthor, der heilige Gral und das Geheimnis der Wewelsburg''. Hans Herzig, Books on Demand 2004, ISBN 3-8334-1122-8.</ref>
Vaihinger war auch einer der ersten akademischen Philosophen, die sich mit der Philosophie [[Friedrich Nietzsche]]s auseinandersetzten. Er war seit deren Gründung bis zu seinem Tode Vorstandsmitglied der [[Nietzsche-Archiv|Stiftung Nietzsche-Archiv]].


Von der [[Technische Universität Dresden|Technischen Hochschule Dresden]] erhielt er die Ehrendoktorwürde.<ref>{{Internetquelle |hrsg=Technische Universität Dresden |url=http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/zentrale_einrichtungen/ua/navpoints/archiv/doku/ehrendok#V |titel=Ehrenpromovenden der TH/TU Dresden |zugriff=2015-01-28}}</ref>
=== Salzburger Nervenklinik (1924–1927) ===
Im November 1924 wurde Wiligut wegen einer [[Paraphrenie|paraphrenen]] [[Psychose]] mit Bildung von Größen- und Beeinträchtigungsideen in die [[Universitätskliniken Salzburg#Christian-Doppler-Klinik|Salzburger Nervenklinik]] eingewiesen, in der er bis zu seiner Entlassung Anfang 1927 behandelt wurde und zwischenzeitlich nach verunglückten Geldgeschäften von seiner Frau 1925 entmündigt wurde.<ref name="Clarke159">Nicholas Goodrick-Clarke: ''Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus.'' marixverlag, 2004, S. 159.</ref> Während seines Aufenthaltes in der ''Landesheilanstalt für Nerven- und Gemütskranke'' bezeichnete sich Wiligut als [[Seher]] und erklärte, der einzige Überlebende des Unterganges von [[Atlantis]] zu sein. Er spielte als [[Wahrsager]] eine wichtige Mittlerrolle bei der Verankerung des Glaubens an den neuzeitlichen Atlantismythos, als festem Bestandteil des völkischen [[Okkultismus]], wonach die [[Arier]] direkt aus der vermeintlich untergegangenen atlantidischen Zivilisation hervorgegangen seien. Diese Anschauungen wurden später hauptsächlich im Umfeld Himmlers wachgehalten. 1925 behauptete er eine prähistorische Fundstelle ausfindig gemacht zu haben, die die These der [[Welteislehre]], eine völkisch-okkultistische Vorwelttheorie des [[österreich]]ischen Ingenieurs [[Hanns Hörbiger]], stütze.<ref>[[Sabine Doering-Manteuffel]]: ''Das Okkulte. Eine Erfolgsgeschichte im Schatten der Aufklärung. Von Gutenberg bis zum World Wide Web''. Siedler, München 2008. S. 203.</ref>


== Philosophie des Als-Ob ==
=== Flucht nach Deutschland (1932) ===
{{Hauptartikel|Die Philosophie des Als Ob}}
1932 flüchtete Wiligut wegen seines geschändeten Ansehens aufgrund seines jahrelangen Aufenthaltes in der Nervenheilanstalt vor seiner Familie nach Deutschland, wo er sich im Münchener Vorort [[Bogenhausen]] niederließ. Hier führte er seine Ahnenforschungen fort und wurde unter Runenokkultisten populär.<ref name="Clarke159" />


Nicht nur in seinem 1876 bis 1878 entstandenen, aber erst 1911 veröffentlichten eigenständigen Hauptwerk, der ''Philosophie des Als Ob'', finden sich Tendenzen, die Lebenspraxis suchen. Gegen die vorherrschende Meinung sowohl der idealistischen wie der realistischen Flügel des [[Neukantianismus]], dass Wahrheit als Entsprechung zwischen Erkenntnis und Wirklichkeit zu verstehen sei, ist das Ziel der Erkenntnis bei Vaihinger die Bewältigung der Außenwelt durch das Subjekt. Dabei spielt eine Korrespondenz zwischen Gedanken und Überzeugungen und der Wirklichkeit eine dem Erfolg des Handelns untergeordnete Rolle. Vaihingers Haltung nährt sich dabei Positionen von [[Schopenhauer]] und [[Friedrich Nietzsche]] an, ein wichtiger Einfluss ist zudem [[Charles Darwin]].
=== Karriere in der SS und im Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA) (ab 1933) ===
Der SS-Offizier und Mitglied des [[Neutempler-Orden]]s Richard Anders machte Wiligut 1933 an einer Konferenz der [[Nordische Gesellschaft|Nordischen Gesellschaft]] mit [[Heinrich Himmler]] bekannt. Im Oktober 1934 wurde er zum Leiter des Archivs im [[Rasse- und Siedlungshauptamt]] (RuSHA) ernannt,<ref name="NGC283" /> wo er einen bedeutenden Einfluss auf das Departement für Vor- und Frühgeschichte ausübte.<ref>Julian Strube, Nazism and the Occult, in: Christopher Partridge (Hrsg.), ''The Occult World'', London/New York: Routledge 2015, S. 336–347, hier S. 340.</ref> Kurz darauf trat er unter dem [[Pseudonym]] „Karl Maria Weisthor“ der [[Schutzstaffel|SS]] bei und wurde Himmlers engster Ratgeber in Sachen Okkultismus.<ref name="Longerich292">Peter Longerich: ''Heinrich Himmler. Biographie''. Siedler, München 2008, S. 292.</ref>


Ausgangsfrage seiner ''Philosophie des Als-Ob'' ist, wie sich Richtiges (erfolgreiches Handeln, Problemlösen) mit falschen Annahmen erreichen lässt. Erkennen heißt bei Vaihinger, Unbekanntes mit Bekanntem zu vergleichen; das Ende der Erkenntnis sieht Vaihinger darin, Unbekanntes nicht mehr auf Bekanntes reduzieren zu können.
Im Auftrag Himmlers hatte er von 1933 bis 1939 prähistorische Studien durchzuführen.<ref name="NGC283">Nicholas Goodrick-Clarke: ''Im Schatten der Schwarzen Sonne: Arische Kulte, Esoterischer Nationalsozialismus und die Politik der Abgrenzung.'' Marix Verlag, Wiesbaden 2002, ISBN 3-86539-185-0, S. 283.</ref> Seit 20. April 1934 war er SS-Standartenführer ([[SS-Ehrenführer|Ehrenrang]]), was seinem ehemaligen militärischen Rang (Oberst) in der österreichischen Armee entsprach, und wurde am 9. November 1934 zum [[SS-Oberführer]] befördert. Am 9. November 1936 verlieh ihm Himmler den Dienstgrad [[SS-Brigadeführer]].<ref name="Longerich295">Peter Longerich: ''Heinrich Himmler. Biographie''. Siedler, München 2008, S. 295.</ref>


Atome, ebenso wie Gott und Seele erklärt Vaihinger als [[nützliche Fiktion]]en. Sie erlangen Bedeutung, »als ob« sie wahr seien, auch wenn sie der Denkkonstruktion bewusst widersprechen. Nützliche Fiktionen erhalten ihre Legitimation durch den lebenspraktischen Zweck. Auf dem Umweg des Als-ob erreicht man "das Gegebene", so lange bis  durch ein neues Modell von Wirklichkeit ein kürzerer Weg gefunden wird. Dies ist jedoch ein unabschließbarer Prozess. In dieser Hinsicht ergibt sich eine Nähe oder Vergleichbarkeit zum zeitgleich entstehenden amerikanischen [[Pragmatismus]].
Als Himmler mit [[Richard Walther Darré]] auf der Suche nach einem altehrwürdigen Gebäude für die SS in Westfalen war, lenkte der Architekt [[Hermann Bartels (Architekt)|Hermann Bartels]] am 3. November 1933 in Absprache mit dem Regierungspräsidenten und Jutta von Oeynhausen die Aufmerksamkeit auf die [[Wewelsburg]] bei Paderborn.<ref>[[Karl Hüser]]: ''Wewelsburg 1933 bis 1945. Kult- und Terrorstätte der SS. Eine Dokumentation''. 2. Auflage. Bonifatius, Paderborn 1987, ISBN 3-87088-534-3, S. 16 f.</ref> Wiligut war an der Entwicklung der SS-Rituale beteiligt. Sein Einfluss auf den befreundeten Burghauptmann der Wewelsburg, [[Manfred von Knobelsdorff]], inspirierte diesen den [[Irmin]]englauben wiederzubeleben, und „germanische“ Hochzeitszeremonien für SS-Führer und deren Bräute und jährliche Sonnenwend- und Julfeiern für die SS und die Dorfleute von Wewelsburg zu veranstalten.<ref>Nicholas Goodrick-Clarke: ''Occult Roots of Nazism: Secret Aryan Cults and Their Influence on Nazi Ideology.'' S. 187; Daniela Palumbo: [http://www.relinfo.ch/wiligut/info.html#4 Karl Maria Wiligut.] 1992.</ref> Wiligut war eine Zeit lang führend an der Umgestaltung der Wewelsburg zu einer [[NS-Ordensburg|Ordensburg]] der SS beteiligt. Er entwarf den [[SS-Ehrenring|Totenkopfring]] der SS, befasste sich mit [[Runen]], [[Heraldik]] und Symbolkunde und gab an, hellseherische Fähigkeiten zu besitzen. So beriet er auch seinen persönlichen Freund Heinrich Himmler in Fragen der [[Astrologie]]. Aufgrund seines Einflusses wurde er auch als „Himmlers [[Grigori Jefimowitsch Rasputin|Rasputin]]“ bezeichnet.<ref name="Longerich292-295">Vgl. hierzu Peter Longerich: ''Heinrich Himmler. Biographie''. Siedler, München 2008, S. 292–295.</ref> Wiligut legte die zeremoniellen Elemente fest, die die SS-Ideologie, die Ziele der Rassenreinheit und die territoriale Eroberung in einen geweihten Rahmen einbetten sollten.<ref name="NGC283" />


== Wirkungsgeschichte ==
Wiligut beriet Himmler in weltanschaulichen Fragen, war ab Januar 1936 im RuSHA mit Sonderaufgaben betraut<ref name="Longerich292f">Peter Longerich: ''Heinrich Himmler. Biographie''. Siedler, München 2008, S. 292 f.</ref> und war neben dem mit ihm konkurrierenden [[Alexander Langsdorff]] an der Einrichtung der Abteilung Vor- und Frühgeschichte des RuSHAs beteiligt.<ref>[[Uta Halle]]: ''“Die Externsteine sind bis auf weiteres germanisch!” Prähistorische Archäologie im Spannungsfeld völkisch-nationalsozialistischer Wissenschaft und Politik.'' Bielefeld 2002, S. 62f., 77, 355–358; Dirk Mahsarski: ''[[Herbert Jankuhn]] (1905–1990). Ein deutscher Prähistoriker zwischen nationalsozialistischer Ideologie und wissenschaftlicher Objektivität.'' [[Rahden]] 2011, S. 28, 176f.</ref> Wiligut und Himmler verband das Interesse für okkulte, [[Esoterik|esoterische]] und [[Mythologie|mythologische]] Themen. Wiligut behauptete von sich selbst, er und seine Familie stammten direkt von den [[Ase]]n ab und seien deren letzte verbliebene Traditionsträger.


Das über achthundert Seiten starke Hauptwerk Vaihingers wurde in zwölf Sprachen, unter anderem auch ins Japanische, übersetzt und erschien auf deutsch bis 1928 in 10 Auflagen, darunter auch zwei gekürzte Volksausgaben und eine von Kultusminister Adolf Grimme in die Wege geleitete Schulausgabe für preußische Gymnasien.
=== Entlassung aus der SS (1939) ===
Im August 1939 musste er die SS verlassen, weil er zunehmend als Scharlatan entlarvt wurde und wegen seines [[Medikamentenabhängigkeit|Medikamenten-]] und [[Alkoholismus|Alkoholmissbrauch]]s nicht mehr in der SS zu halten war. Damals wurde auch sein Aufenthalt in einer Salzburger Nervenheilanstalt von 1924 bis 1927 öffentlich bekannt, sowie die 1925 erfolgte Entmündigung durch seine Frau. Zudem hatte Hitler nunmehr öffentlich gegen den Okkultismus Stellung bezogen. Himmler gab dennoch die Beziehung zu Wiligut nicht völlig auf und holte mehrmals seinen Rat ein. Im Sommer 1940 entwarf Wiligut ein Grabzeichen für gefallene SS-Mitglieder. Ebenfalls 1940 lenkte er Himmlers Interesse auf archäologische Funde aus dem [[Neolithikum]] im Tal des irakischen [[Kleiner Zab|Kleinen Zabs]] in der [[Erbil (Gouvernement)|Provinz von]] [[Erbil]]. Wiligut meinte, hier den Fantasieort „[[Atlantis#Neuzeit|Atlantis]]“ gefunden zu haben und selbst von einem der damaligen Zauberer abzustammen.<ref name="Longerich295" /><ref>Rüdiger Sünner: ''Die Schwarze Sonne. Entfesselung und Missbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik''. Herder, Freiburg 1999, ISBN 3-451-05205-9, S. 69–70.</ref> Nach seiner Entlassung aus der SS lebte Wiligut noch einige Jahre in der mittelalterlich geprägten Stadt [[Goslar]], der er sich sehr verbunden fühlte.


== Schriften ==
== Auszeichnungen ==
=== „Philosophie des Als-Ob“ ===
* [[Militärverdienstkreuz (Österreich)|Österreichisches Militärverdienstkreuz III. Klasse mit Kriegsdekoration und Schwertern]]
;Ausgaben
* [[Militär-Verdienstmedaille (Österreich)|Österreichisches Silberne Militärverdienstmedaille am Bande des Militärverdienstskreuzes mit Schwertern]]
* Hans Vaihinger: ''Die Philosophie des Als Ob. System der theoretischen, praktischen und religiösen Fiktionen der Menschheit auf Grund eines idealistischen Positivismus; mit einem Anhang über Kant und Nietzsche.'' Reuther & Reichard, Berlin 1911.
* [[Militär-Verdienstmedaille (Österreich)|Österreichisches Bronzene Militärverdienstmedaille am Bande des Militärverdienstskreuzes mit Schwertern]]
* 2. Aufl. ersch. bei Reuther & Reichard, Berlin 1913.
* [[Militär-Jubiläumskreuz]]
* 3. Aufl. ersch. bei Felix Meiner, Leipzig 1918.
* [[Jubiläumserinnerungsmedaille]]
* 4. Aufl. ersch. bei Felix Meiner, Leipzig 1920.
* [[Erinnerungskreuz 1912/13]]
* 5. u. 6. Aufl. ersch. bei Felix Meiner, Leipzig 1920 (eingeschränkter elektronischer Zugang,
* [[Karl-Truppenkreuz]]
* 7. u. 8. Aufl. ersch. bei Felix Meiner, Leipzig 1922 ({{Digitalisat|IA=DiePhilosophieDesAlsOb}} im Internet Archive).
* [[Verwundetenmedaille (Österreich-Ungarn)|Verwundetenmedaille]]
* 9. u. 10. Aufl. ersch. bei Felix Meiner, Leipzig 1927 (hiervon Neudr. bei Scientia, Aalen 1986).
* [[Kriegserinnerungsmedaille (Österreich)|Österreichische Kriegserinnerungsmedaille mit Schwertern]]
* Volksausg. ersch. bei Felix Meiner, Leipzig 1923 (hiervon 2. Aufl. 1924, {{Digitalisat|IA=diephilosophiede00vaih}} im Internet Archive).
* [[Medaille zur Erinnerung an den 13. März 1938]]
;Übersetzungen
* [[Medaille zur Erinnerung an den 1. Oktober 1938]]
* Englisch: ''The Philosophy of "As If". A System of the Theoretical, Practical and Religious Fictions of Mankind.'' Aus dem Deutschen von Charles Kay Ogden. Kegan Paul, Trench, Trubner & Co., London 1924; 2. Aufl. 1935 (hiervon Neudr. u. a. bei Routledge, London 2002, ISBN 0-415-22529-9).
* [[Kriegsverdienstkreuz (1939)|Kriegsverdienstkreuz]] (1939) II. und I. Klasse mit Schwertern
* Italienisch: ''La filosofia del "come se". Sistema delle finzioni scientifiche, etico-pratiche e religiose del genere umano.'' Aus dem Deutschen von Franco Voltaggio. Ubaldini, Rom 1967.
* [[SS-Ehrenring]]
* Französisch: ''La philosophie du comme si'' (= ''Philosophia scientiae.'' Band 8). Aus dem Deutschen von Christophe Bouriau. Éditions Kimé, Paris 2008, ISBN 978-2-84174-462-6.
* [[SS-Ehrendegen]]
* Portugiesisch: ''A filosofia do como se. Sistema das ficções teóricas, práticas e religiosas da humanidade, na base de um positivismo idealista; com um anexo sobre Kant e Nietzsche'' (= ''Grandes temas.'' Band 15). Aus dem Deutschen von Johannes Kretschmer. Argos, Chapecó 2011, ISBN 978-85-7897-036-9.
;Vaihinger zum Werk und zu seiner Person
* ''"Die Philosophie des Als Ob." Mitteilungen über ein unter diesem Titel soeben erschienenes neues Werk. Von dessen Herausgeber H. Vaihinger.'' In: ''Kant-Studien.'' Band 16, Heft 1–3, Januar 1911, {{ISSN|1613-1134}}, S. 108–115 ({{DOI|10.1515/kant-1911-0127}}).
* ''Erklärung betr. meine Autorschaft an der "Philosophie des Als Ob".'' In: ''Kant-Studien.'' Band 16, Heft 1–3, Januar 1911, {{ISSN|1613-1134}}, S. 522–523 ({{DOI|10.1515/kant-1911-01151}}).
* ''Wie die Philosophie des Als Ob entstand.'' In: Raymund Schmidt (Hrsg.): ''Die Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen. Band 2.'' Felix Meiner, Leipzig 1921, S. 175–203 (hiervon 2. verb. Aufl. ebd. 1923, dort S. 183–212).
* ''Mein Lebenslauf in fünf Etappen.'' In: ''Berliner Börsenzeitung.'' Ausgabe vom 8. August 1924, Nr. 369, S. 3 ({{Digitalisat|http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/kalender/auswahl/date/1924-08-08/2436020X/}} im Zeitungsinformationssystem ZEFYS der Staatsbibliothek zu Berlin; Nachdruck in: ''Besinnung. Illustrierte Monatsschrift für Deutsches Kulturgut.'' Band 1, 1925, S. 89–92).


=== Weitere Werke ===
== Werke ==
* ''Die neueren Bewußtseinstheorien.'' Diss. Tübingen 1874 (nicht im Druck erschienen).
* Karl Maria Wiligut: ''Seyfrieds Runen.'' Friedrich Schalk Verlag, Wien 1903.
* [http://books.google.com/books?id=tW1BAAAAYAAJ&pg=PA1 ''Goethe als Ideal universeller Bildung. Festrede''], gehalten in der ersten gemeinschaftlichen Sitzung der »Vereinigten wissenschaftlichen Vereine« der Universität Leipzig, 1875.
* Karl Maria Wiligut: ''Darstellung der Menschheitsentwicklung aus der Geheimüberlieferung unserer Asa-Uana-Sippe Uiligotis.'' (Bundesarchiv Berlin NS 19/3671)
* ''Eduard von Hartmann, Eugen Dühring und Friedrich Albert Lange. Zur Geschichte der deutschen Philosophie im XIX. Jahrhundert. Ein kritischer Essay''. Julius Theodor Baedeker, Iserlohn 1876. [http://sammlungen.ulb.uni-muenster.de/urn/urn:nbn:de:hbz:6:1-74293 ULB Münster]
* ''Die drei Phasen des Czolbeschen Naturalismus.'' In: Philosophische Monatshefte, Band XII, 1876.
* ''Der Begriff des Absoluten (mit Rücksicht auf H. Spencer).'' In: ''Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie 2'' (1878), 188–221.
* ''Das Entwicklungsgesetz der Vorstellungen über das Reale, in: Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie 2'' (1878), 298–313, 415–448.
* ''Commentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft. Zum 100jährigen Jubiläum desselben herausgegeben''. [http://books.google.com/books?id=JDMNAAAAYAAJ&printsec=frontcover Band I]: 1881 / Band 2: 1892 (Zweite Aufl. Band 1, 2 u. Ergänzungsband, hrsg. von Raymund. Schmidt, 1922; Neudruck der zweiten Auflage: 1970).
* ''Zu Kants Widerlegung des Idealismus.'' In: Straßburger Abhandlungen zur Philosophie. Eduard Zeller zu seinem 70. Geburtstag, 1884, 85–164.
* ''Mitteilungen aus dem kantischen Nachlaß.'' In: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik N.F., Band 96 (1888), 1–26.
* * 1889 [http://books.google.com/books?id=Bqc_AAAAYAAJ&pg=PR1 ''Naturforschung und Schule. Eine Zurückweisung der Angriffe Preyers auf das Gymnasium vom Standpunkte der Entwicklungslehre. Vortrag''], 1889.
* ''Königin Luise als Erzieherin. Eine Gedächtnisrede'', 1894.
* ''Zur Einführung [der Kantstudien].'' In: Kant-Studien, Band 1 (1897), 1–8.
* ''Siebzig textkritische Randglossen zur Analytik [Kants].'' In: Kant-Studien, Band 4 (1900), 452–463.
* ''Kant - ein Metaphysiker?'' In: Philosophische Abhandlungen. Christoph Sigwart zu seinem 70. Geburtstag von einer Reihe von Fachgenossen gewidmet, 1900, 133–158.
* ''Nietzsche als Philosoph'', 1902 (Zweite Auflage 1902; Dritte Auflage 1905; Vierte Auflage 1916; Fünfte Auflage 1930 = Bausteine zu einer Philosophie des Als Ob. N.F. H. 1).
* ''Annalen der Philosophie.'' [zusammen mit Raymund Schmidt] Leipzig, Felix Meiner, 1919 ff; Bde. I-VIII.


== Siehe auch ==
== Weblinks ==
* {{WikipediaDE|Hans Vaihinger}}
* [http://www.antiquariatlange.de/texte/wiligut-weisthor/ Hans-Jürgen Lange: Himmlers Erberinnerer Karl Maria Wiligut und seine Quellen]
* {{WikipediaDE|Fiktionalismus}}
* {{DNB-Portal|118633120}}
 
== Literatur ==
* Klaus Ceynowa: ''Zwischen Pragmatismus und Fiktionalismus. Hans Vaihingers „Philosophie des Als Ob.“.'' Königshausen & Neumann, Würzburg 1993, ISBN 3-88479-751-4.
* {{BBKL|archiveurl=https://web.archive.org/web/20070629070408/http://www.bautz.de/bbkl/v/vaihingen_h.shtml |band=12|autor=Werner Raupp|spalten=1018-1026}}
* Richard Remmy: ''Wird durch die Als-Ob-Betrachtung bei Kant die Realität Gottes in Frage gestellt?'' Dissertation. Erlangen 1920.
* Otto Ritschl: ''Die doppelte Wahrheit in der Philosophie des Als Ob. Mit einem freundschaftlichen Eingangsschreiben an Herrn Geheimrat Vaihinger.'' 1925.
* Heinrich Scholz: ''Die Religionsphilosophie des Als-ob. Eine Nachprüfung Kants und des idealistischen Positivismus.'' 1921.
* Johannes Sperl: ''Die Kulturbedeutung des Als-Ob-Problems. Bausteine zu einer Philosophie des Als-Ob.'' Heft 2, Langensalza 1922.
* August Seidel (Hrsg.): ''Die Philosophie des Als Ob und das Leben.'' Festschrift zu Hans Vaihingers 80. Geburtstag. Reuther & Reichard, Berlin 1932.
* August Seidel: ''Wie die Philosophie des Als Ob entstand.'' In: ''Die Deutsche Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen.'' Band 2, Meiner, Leipzig 1921, S. 175–203.
* Andrea Wels: ''Die Fiktion des Begreifens und das Begreifen der Fiktion. Dimensionen und Defizite der Theorie der Fiktionen in Hans Vaihingers Philosophie des Als Ob.'' Lang, Frankfurt u. a. 1997, ISBN 3-631-32103-1.
* Stephanie Willrodt: ''Semifiktionen und Vollfiktionen in Vaihingers Philosophie des Als Ob.'' Hirzel, Leipzig 1934.
*  Yannik Behme: ''Die Korrespondenz Hans Vaihingers an [[Hermann Bahr|Bahr]].'' In: Martin Anton Müller, Claus Pias, Gottfried Schnödl (Hrsg.): ''Hermann Bahr – Österreichischer Kritiker europäischer Avantgarden.'' In: ''Jahrbuch für internationale Germanistik: Kongressberichte.'' Peter Lang, Bern u. a. 2014, S. 151–164.
* Traugott Konstantin Oesterreich: ''Friedrich Ueberwegs Grundriss der Geschichte der Philosophie.'' 4. Teil. 12. Auflage, Mittler, Berlin 1923, S. 411–415, 712. {{IA|friedrichueberwe04uebe||Typ=|Fragment=410|Blatt=|Ausgabe=}}


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* [http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/chrvai.pdf Chronologie Hans Vaihinger] (PDF; 585 kB)
* [http://www.archive.org/details/DiePhilosophieDesAlsOb Die Philosophie des Als Ob - archive.org] (PDF; 28 MB)
 
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Version vom 14. November 2021, 19:22 Uhr

Karl Maria Wiligut (* 10. Dezember 1866 in Wien; † 3. Januar 1946 in Arolsen; Pseudonyme: Karl Maria Weisthor, Jarl Widar, Lobesam)[1] war ein österreichischer Okkultist und SS-Brigadeführer.

Leben

Karl Maria Wiligut wurde in Wien römisch-katholisch getauft und trat mit 14 Jahren in die Wiener Kadettenschule ein. 1883 begann er seine Karriere im k. u. k. Infanterieregiment des serbischen Königs Milan I. als Gefreiter und wurde 1888 Leutnant. 1889 wurde er Mitglied der Vereinigung Schlaraffia. 1903 veröffentlichte er das Buch Seyfrieds Runen unter dem Namen Karl Maria Wiligut (Lobesam).[2]

1907 heiratete er Malwine Leurs von Treuenringen aus Bozen. Aus der Ehe gingen die beiden Töchter Gertrud und Lotte hervor. Ein Zwillingsbruder eines der Mädchen starb im Kindesalter. Dies war für Wiligut eine Tragödie, da er sich nach einem männlichen Erben sehnte, um ihm sein „geheimes Wissen“ vermitteln zu können.[3]

Ab 1908 soll er in Wien Kontakte mit völkischen und ariosophischen Kreisen und zu Mitgliedern des Lanzschen Neutemplerordens gepflegt haben.[4][5] Er stand der Edda-Gesellschaft nahe und schrieb unter dem Pseudonym Jarl Widar Gedichte für deren Widar-Hefte.[4] Wiliguts Ideen ähnelten jenen von Guido von List.[6]

Im Ersten Weltkrieg diente er an der Süd- und Ostfront, wurde für seine Tapferkeit ausgezeichnet und 1917 zum Oberst der österreich-ungarischen Armee befördert. Nach Kriegsende zog er 1919 nach Morzg bei Salzburg, wo er sich okkulten Studien widmete.

Die Informationen über Wiliguts Leben vor dem Eintritt in die SS sind sehr unzuverlässig und stammen überwiegend aus Kreisen, in denen er verehrt wurde bzw. noch heute verehrt wird.[2][7][8]

Salzburger Nervenklinik (1924–1927)

Im November 1924 wurde Wiligut wegen einer paraphrenen Psychose mit Bildung von Größen- und Beeinträchtigungsideen in die Salzburger Nervenklinik eingewiesen, in der er bis zu seiner Entlassung Anfang 1927 behandelt wurde und zwischenzeitlich nach verunglückten Geldgeschäften von seiner Frau 1925 entmündigt wurde.[9] Während seines Aufenthaltes in der Landesheilanstalt für Nerven- und Gemütskranke bezeichnete sich Wiligut als Seher und erklärte, der einzige Überlebende des Unterganges von Atlantis zu sein. Er spielte als Wahrsager eine wichtige Mittlerrolle bei der Verankerung des Glaubens an den neuzeitlichen Atlantismythos, als festem Bestandteil des völkischen Okkultismus, wonach die Arier direkt aus der vermeintlich untergegangenen atlantidischen Zivilisation hervorgegangen seien. Diese Anschauungen wurden später hauptsächlich im Umfeld Himmlers wachgehalten. 1925 behauptete er eine prähistorische Fundstelle ausfindig gemacht zu haben, die die These der Welteislehre, eine völkisch-okkultistische Vorwelttheorie des österreichischen Ingenieurs Hanns Hörbiger, stütze.[10]

Flucht nach Deutschland (1932)

1932 flüchtete Wiligut wegen seines geschändeten Ansehens aufgrund seines jahrelangen Aufenthaltes in der Nervenheilanstalt vor seiner Familie nach Deutschland, wo er sich im Münchener Vorort Bogenhausen niederließ. Hier führte er seine Ahnenforschungen fort und wurde unter Runenokkultisten populär.[9]

Karriere in der SS und im Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA) (ab 1933)

Der SS-Offizier und Mitglied des Neutempler-Ordens Richard Anders machte Wiligut 1933 an einer Konferenz der Nordischen Gesellschaft mit Heinrich Himmler bekannt. Im Oktober 1934 wurde er zum Leiter des Archivs im Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA) ernannt,[6] wo er einen bedeutenden Einfluss auf das Departement für Vor- und Frühgeschichte ausübte.[11] Kurz darauf trat er unter dem Pseudonym „Karl Maria Weisthor“ der SS bei und wurde Himmlers engster Ratgeber in Sachen Okkultismus.[12]

Im Auftrag Himmlers hatte er von 1933 bis 1939 prähistorische Studien durchzuführen.[6] Seit 20. April 1934 war er SS-Standartenführer (Ehrenrang), was seinem ehemaligen militärischen Rang (Oberst) in der österreichischen Armee entsprach, und wurde am 9. November 1934 zum SS-Oberführer befördert. Am 9. November 1936 verlieh ihm Himmler den Dienstgrad SS-Brigadeführer.[13]

Als Himmler mit Richard Walther Darré auf der Suche nach einem altehrwürdigen Gebäude für die SS in Westfalen war, lenkte der Architekt Hermann Bartels am 3. November 1933 in Absprache mit dem Regierungspräsidenten und Jutta von Oeynhausen die Aufmerksamkeit auf die Wewelsburg bei Paderborn.[14] Wiligut war an der Entwicklung der SS-Rituale beteiligt. Sein Einfluss auf den befreundeten Burghauptmann der Wewelsburg, Manfred von Knobelsdorff, inspirierte diesen den Irminenglauben wiederzubeleben, und „germanische“ Hochzeitszeremonien für SS-Führer und deren Bräute und jährliche Sonnenwend- und Julfeiern für die SS und die Dorfleute von Wewelsburg zu veranstalten.[15] Wiligut war eine Zeit lang führend an der Umgestaltung der Wewelsburg zu einer Ordensburg der SS beteiligt. Er entwarf den Totenkopfring der SS, befasste sich mit Runen, Heraldik und Symbolkunde und gab an, hellseherische Fähigkeiten zu besitzen. So beriet er auch seinen persönlichen Freund Heinrich Himmler in Fragen der Astrologie. Aufgrund seines Einflusses wurde er auch als „Himmlers Rasputin“ bezeichnet.[16] Wiligut legte die zeremoniellen Elemente fest, die die SS-Ideologie, die Ziele der Rassenreinheit und die territoriale Eroberung in einen geweihten Rahmen einbetten sollten.[6]

Wiligut beriet Himmler in weltanschaulichen Fragen, war ab Januar 1936 im RuSHA mit Sonderaufgaben betraut[17] und war neben dem mit ihm konkurrierenden Alexander Langsdorff an der Einrichtung der Abteilung Vor- und Frühgeschichte des RuSHAs beteiligt.[18] Wiligut und Himmler verband das Interesse für okkulte, esoterische und mythologische Themen. Wiligut behauptete von sich selbst, er und seine Familie stammten direkt von den Asen ab und seien deren letzte verbliebene Traditionsträger.

Entlassung aus der SS (1939)

Im August 1939 musste er die SS verlassen, weil er zunehmend als Scharlatan entlarvt wurde und wegen seines Medikamenten- und Alkoholmissbrauchs nicht mehr in der SS zu halten war. Damals wurde auch sein Aufenthalt in einer Salzburger Nervenheilanstalt von 1924 bis 1927 öffentlich bekannt, sowie die 1925 erfolgte Entmündigung durch seine Frau. Zudem hatte Hitler nunmehr öffentlich gegen den Okkultismus Stellung bezogen. Himmler gab dennoch die Beziehung zu Wiligut nicht völlig auf und holte mehrmals seinen Rat ein. Im Sommer 1940 entwarf Wiligut ein Grabzeichen für gefallene SS-Mitglieder. Ebenfalls 1940 lenkte er Himmlers Interesse auf archäologische Funde aus dem Neolithikum im Tal des irakischen Kleinen Zabs in der Provinz von Erbil. Wiligut meinte, hier den Fantasieort „Atlantis“ gefunden zu haben und selbst von einem der damaligen Zauberer abzustammen.[13][19] Nach seiner Entlassung aus der SS lebte Wiligut noch einige Jahre in der mittelalterlich geprägten Stadt Goslar, der er sich sehr verbunden fühlte.

Auszeichnungen

Werke

  • Karl Maria Wiligut: Seyfrieds Runen. Friedrich Schalk Verlag, Wien 1903.
  • Karl Maria Wiligut: Darstellung der Menschheitsentwicklung aus der Geheimüberlieferung unserer Asa-Uana-Sippe Uiligotis. (Bundesarchiv Berlin NS 19/3671)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Armin Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Ein Handbuch. Ergänzungsband. Mit Korrigenda zum Hauptband. Darmstadt 1989, S. 90 u. 92.
  2. 2,0 2,1 Peter Longerich: Heinrich Himmler. Biographie. Siedler, München 2008, ISBN 978-3-88680-859-5, S. 293.
  3. Nicholas Goodrick-Clarke: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus. marixverlag, 2004, S. 159f.
  4. 4,0 4,1 Stefanie von Schnurbein: Religion als Kulturkritik. Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg 1992, ISBN 3-533-04582-X, S. 113.
  5. Rüdiger Sünner: Die Schwarze Sonne. Entfesselung und Missbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik. Herder, Freiburg im Breisgau 1999, ISBN 3-451-05205-9, S. 69–70.
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 Nicholas Goodrick-Clarke: Im Schatten der Schwarzen Sonne: Arische Kulte, Esoterischer Nationalsozialismus und die Politik der Abgrenzung. Marix Verlag, Wiesbaden 2002, ISBN 3-86539-185-0, S. 283.
  7. Stefanie von Schnurbein: Religion als Kulturkritik. Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg 1992, ISBN 3-533-04582-X, S. 114.
  8. Beispiele von ONT-Schriften über Wiligut sind Rudolf J. Mund: Der Rasputin Himmlers. Die Wiligut-Saga. Volkstum-Verlag u. a., Wien u. a. 1982, ISBN 3-85342-035-4; Rudolf J. Mund, Gerhard von Werfenstein: Mythos Schwarze Sonne. Karl Maria Wiligut-Weisthor, der heilige Gral und das Geheimnis der Wewelsburg. Hans Herzig, Books on Demand 2004, ISBN 3-8334-1122-8.
  9. 9,0 9,1 Nicholas Goodrick-Clarke: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus. marixverlag, 2004, S. 159.
  10. Sabine Doering-Manteuffel: Das Okkulte. Eine Erfolgsgeschichte im Schatten der Aufklärung. Von Gutenberg bis zum World Wide Web. Siedler, München 2008. S. 203.
  11. Julian Strube, Nazism and the Occult, in: Christopher Partridge (Hrsg.), The Occult World, London/New York: Routledge 2015, S. 336–347, hier S. 340.
  12. Peter Longerich: Heinrich Himmler. Biographie. Siedler, München 2008, S. 292.
  13. 13,0 13,1 Peter Longerich: Heinrich Himmler. Biographie. Siedler, München 2008, S. 295.
  14. Karl Hüser: Wewelsburg 1933 bis 1945. Kult- und Terrorstätte der SS. Eine Dokumentation. 2. Auflage. Bonifatius, Paderborn 1987, ISBN 3-87088-534-3, S. 16 f.
  15. Nicholas Goodrick-Clarke: Occult Roots of Nazism: Secret Aryan Cults and Their Influence on Nazi Ideology. S. 187; Daniela Palumbo: Karl Maria Wiligut. 1992.
  16. Vgl. hierzu Peter Longerich: Heinrich Himmler. Biographie. Siedler, München 2008, S. 292–295.
  17. Peter Longerich: Heinrich Himmler. Biographie. Siedler, München 2008, S. 292 f.
  18. Uta Halle: “Die Externsteine sind bis auf weiteres germanisch!” Prähistorische Archäologie im Spannungsfeld völkisch-nationalsozialistischer Wissenschaft und Politik. Bielefeld 2002, S. 62f., 77, 355–358; Dirk Mahsarski: Herbert Jankuhn (1905–1990). Ein deutscher Prähistoriker zwischen nationalsozialistischer Ideologie und wissenschaftlicher Objektivität. Rahden 2011, S. 28, 176f.
  19. Rüdiger Sünner: Die Schwarze Sonne. Entfesselung und Missbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik. Herder, Freiburg 1999, ISBN 3-451-05205-9, S. 69–70.