Blutgruppendiät und Karl Maria Wiligut: Unterschied zwischen den Seiten

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Die '''Blutgruppendiäten''' sind ein [[alternativmedizin]]isches [[Diät]]konzept, das auf der Theorie des amerikanischen [[Naturheilkunde|Naturheilkundlers]] Peter J. D’Adamo beruht. D’Adamo trägt als akademischen Grad ein N. D. ''(naturopathic doctorate)'' des Bastyr College (Seattle, WA, USA).<ref>[http://www.dadamo.com/dadamo_cv.htm Lebenslauf von D’Adamo] auf seiner Website</ref> Vertreter der Blutgruppendiäten postulieren, dass Menschen mit unterschiedlichen [[Blutgruppe]]n Lebensmittel „[[evolutionär]] bedingt“ unterschiedlich gut vertragen. Eine entsprechende Einschränkung der Auswahl soll die Gesundheit und das Wohlbefinden verbessern und das Krankheitsrisiko senken. Vertreter der Blutgruppendiäten gehen davon aus, dass sich Menschen der verschiedenen Blutgruppen zu bestimmten Zeitpunkten der [[Menschheitsgeschichte]] entwickelt haben. Der 0-Typ („der Jäger“) sei danach eher ein [[Fleischfresser|Fleischesser]]; unter anderem manche [[Hülsenfrüchte]], [[Weizen]], [[Milch]] und [[Milchprodukt]]e seien eher ungesund für ihn. Der A-Typ („der Landwirt“) sei von Natur aus [[Vegetarier]]; er sollte [[Fleisch]] und Milchprodukte, aber auch manche [[Bohne]]n und Weizen meiden. Der B-Typ („der [[Nomade]]“) wird als [[Omnivore|Allesesser]] beschrieben; er vertrage alle Lebensmittel bis auf wenige Ausnahmen wie Hühnerfleisch gut. Der AB-Typ („der Rätselhafte“) sei [[Mischkost|Mischköstler]]; für ihn seien wenig Fleisch, viele Milchprodukte, Getreide und Eier, Brot und Gebäck günstig. Im Rahmen dieser Theorie geht D’Adamo davon aus, dass Menschen mit unterschiedlichen Blutgruppen auf Nahrungs[[lektine]] verschieden reagieren. Er behauptet, dass die Aufnahme von Lektinen, die mit dem [[Antigen]] der eigenen Blutgruppe unverträglich sind, zu [[Hämagglutination|Verklumpungen]] der [[Erythrozyt]]en und Krankheiten führt. Beweise für diese Hypothesen sind bis heute in der wissenschaftlichen Literatur nicht beschrieben.<ref>[https://www.dge.de/presse/pm/blutgruppendiaeten-ohne-bewiesenen-nutzen/ ''Blutgruppendiäten ohne bewiesenen Nutzen''.] Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Presseinformation, 2013.</ref>
'''Karl Maria Wiligut''' (* [[10. Dezember]] [[1866]] in [[Wien]]; [[3. Januar]] [[1946]] in [[Arolsen]]; Pseudonyme: ''Karl Maria Weisthor'', ''Jarl Widar'', ''Lobesam'')<ref>[[Armin Mohler]]: ''Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Ein Handbuch. Ergänzungsband. Mit Korrigenda zum Hauptband''. Darmstadt 1989, S. 90 u. 92.</ref> war ein österreichischer [[Okkultismus|Okkultist]] und [[SS-Brigadeführer]].


== Theorie der Diät ==
== Leben ==
Laut Peter D’Adamo soll die [[AB0-System|Blutgruppe 0]] die älteste Blutgruppe sein. Sie entwickelte sich schon, als die Menschen noch [[Jäger und Sammler]] waren. Daher seien Menschen mit Blutgruppe 0 laut der Blutgruppendiät an fleischreiche Nahrung gewöhnt, nicht aber an [[Getreide]] oder [[Milchprodukte]], da es zu dieser Zeit weder [[Ackerbau]] noch [[Viehzucht]] gab. So sollen also Menschen mit Blutgruppe&nbsp;0 auch heute täglich [[Fleisch]] essen, um gesund zu bleiben, und auf Getreide, vor allem auf [[Weizen]] sowie auf Milch verzichten. Welche Blutgruppe des Menschen die älteste „Urblutgruppe“ ist, konnte wissenschaftlich noch nicht geklärt werden. Molekularbiologische Forschungen zeigen, dass die Blutgruppe&nbsp;0 wahrscheinlich schon vor mindestens 5 Millionen Jahren als genetische Mutation aus der Blutgruppe&nbsp;A entstanden ist.<ref name="pref0">{{Literatur |Autor=Christine M. Cserti, Walter H. Dzik |Titel=[http://bloodjournal.hematologylibrary.org/cgi/reprint/110/7/2250 The ABO blood group system and Plasmodium falciparum malaria] |Sammelwerk=Blood |Band=110 |Nummer=7 |Datum=2007 |Seiten=2250–2258}}</ref> Da Menschenaffen ebenfalls die Blutgruppen 0, A und B haben, gilt es als unwahrscheinlich, dass die Blutgruppen etwas mit menschlichen Wirtschaftsformen zu tun haben.<ref>[http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/nano/cstuecke/69937/index.html 3sat-Beitrag zu Blutgruppen]</ref>
Karl Maria Wiligut wurde in Wien römisch-katholisch getauft und trat mit 14 Jahren in die Wiener Kadettenschule ein. 1883 begann er seine Karriere im [[k. u. k.]] Infanterieregiment des serbischen Königs [[Milan I. (Serbien)|Milan I.]] als Gefreiter und wurde 1888 Leutnant. 1889 wurde er Mitglied der Vereinigung [[Schlaraffia]]. 1903 veröffentlichte er das Buch ''Seyfrieds Runen'' unter dem Namen Karl Maria Wiligut (Lobesam).<ref name="Longerich293">[[Peter Longerich]]: ''Heinrich Himmler. Biographie''. Siedler, München 2008, ISBN 978-3-88680-859-5, S. 293.</ref>  


Die Blutgruppe A entstand laut D’Adamo mit den ersten [[Landwirt|Bauern]]. Sie sollen vor allem Gemüse und Getreide essen, aber kein Fleisch und keine Milch, da die ersten Bauern angeblich keine Tiere zur Nahrungserzeugung hielten. Die Blutgruppe B soll sich unter [[Viehzüchter]]n in [[Asien]] entwickelt haben, dem „Nomaden-Typ“, daher seien Menschen mit Blutgruppe B an Milch gewöhnt, auch bestimmte Fleisch- und Getreidesorten sollen zu ihrer natürlichen Nahrung gehören. Die Blutgruppe AB sei in jüngerer Zeit aus der Vermischung der Blutgruppen A und B entstanden und symbolisiere den modernen Menschen. Diese Gruppe sollte vor allem Obst und Gemüse essen.
1907 heiratete er Malwine Leurs von Treuenringen aus [[Bozen]]. Aus der Ehe gingen die beiden Töchter Gertrud und Lotte hervor. Ein Zwillingsbruder eines der Mädchen starb im Kindesalter. Dies war für Wiligut eine Tragödie, da er sich nach einem männlichen Erben sehnte, um ihm sein „geheimes Wissen“ vermitteln zu können.<ref>Nicholas Goodrick-Clarke: ''Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus.'' marixverlag, 2004, S. 159f.</ref>


== Blutgruppen und Krankheiten ==
Ab 1908 soll er in Wien Kontakte mit [[völkisch]]en und [[Ariosophie|ariosophischen]] Kreisen und zu Mitgliedern des [[Neutempler-Orden|Lanzschen Neutemplerordens]] gepflegt haben.<ref name="Schnurbein1992-113">Stefanie von Schnurbein: ''Religion als Kulturkritik.'' Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg 1992, ISBN 3-533-04582-X, S. 113.</ref><ref>Rüdiger Sünner: ''Die Schwarze Sonne. Entfesselung und Missbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik''. Herder, Freiburg im Breisgau 1999, ISBN 3-451-05205-9, S. 69–70.</ref> Er stand der [[Edda-Gesellschaft]] nahe und schrieb unter dem Pseudonym ''Jarl Widar'' Gedichte für deren ''Widar''-Hefte.<ref name="Schnurbein1992-113" /> Wiliguts Ideen ähnelten jenen von [[Guido von List]].<ref name="NGC283" />
D’Adamo bezieht sich auf entsprechende Studienergebnisse zu Blutgruppen, um seine Theorie zu stützen.


Bestimmte Blutgruppen sind anfälliger für bestimmte Krankheitserreger als andere, da sie jeweils spezifische Antikörper und [[Antigen]]e haben.<ref>[http://www.medigraphic.com/pdfs/imss/im-2005/ims051ab.pdf ''Relationship of Blood groups to disease: do blood group antigens have a biological role?''] (PDF); 161&nbsp;kB</ref> Für [[Pocken]] sind daher besonders Menschen mit Blutgruppe&nbsp;A anfällig, während Träger der Blutgruppe&nbsp;0 früher besonders der [[Pest]] zum Opfer fielen und heute von den [[Magengeschwür]]e verursachenden Bakterien besonders betroffen sind. Menschen mit Blutgruppe A sind statistisch anfälliger für verschiedene [[Krebs (Medizin)|Krebsarten]] wie [[Brustkrebs]] sowie für [[Myokardinfarkt|Herzinfarkte]].<ref>''The role of blood group antigens in infectious diseases''. PMID 10791886</ref><ref>''ABO blood groups and coronary heart disease (CHD). A study in subjects with severe and latent CHD''. PMID 7455973</ref> Andere Studien ergaben jedoch ein erhöhtes Krebsrisiko für Blutgruppe&nbsp;B.<ref>''Familial and sporadic breast cancer cases in Iceland: a comparison related to ABO blood groups and risk of bilateral breast cancer''. PMID 3170024</ref> Die Aussagen sind also uneinheitlich, die Gründe sind ungeklärt. Träger der Blutgruppe&nbsp;B sind statistisch häufiger von [[Asthma]] betroffen.
Im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] diente er an der [[Italienfront (Erster Weltkrieg)|Süd-]] und [[Ostfront (Erster Weltkrieg)|Ostfront]], wurde für seine Tapferkeit ausgezeichnet und 1917 zum [[Oberst]] der [[Landstreitkräfte Österreich-Ungarns 1867–1914|österreich-ungarischen Armee]] befördert. Nach Kriegsende zog er 1919 nach [[Morzg]] bei [[Salzburg]], wo er sich okkulten Studien widmete.  


D’Adamo empfiehlt einen Sekretor-Status zum Preis von 55&nbsp;€, der zur Verfeinerung des Konzeptes dienen soll. Des Weiteren bietet er zahlreiche spezielle Nahrungsergänzungsmittel an, die nur über bestimmte Online-Shops bezogen werden können. Abgesehen von den relativ hohen Kosten ist auch der positive Einfluss umstritten.
Die Informationen über Wiliguts Leben vor dem Eintritt in die SS sind sehr unzuverlässig und stammen überwiegend aus Kreisen, in denen er verehrt wurde bzw. noch heute verehrt wird.<ref name="Longerich293" /><ref name="Schnurbein1992-114">Stefanie von Schnurbein: ''Religion als Kulturkritik''. Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg 1992, ISBN 3-533-04582-X, S. 114.</ref><ref>Beispiele von ONT-Schriften über Wiligut sind Rudolf J. Mund: ''Der Rasputin Himmlers. Die Wiligut-Saga''. Volkstum-Verlag u. a., Wien u. a. 1982, ISBN 3-85342-035-4; Rudolf J. Mund, Gerhard von Werfenstein: ''Mythos Schwarze Sonne. Karl Maria Wiligut-Weisthor, der heilige Gral und das Geheimnis der Wewelsburg''. Hans Herzig, Books on Demand 2004, ISBN 3-8334-1122-8.</ref>


== Kritik ==
=== Salzburger Nervenklinik (1924–1927) ===
Die Empfehlungen und Verbote beruhen auf Fehlinterpretationen. So ist zum Beispiel die angebliche Milchunverträglichkeit der Blutgruppen 0 und A nur die Folge einer Namensverwechslung. Zur Blutgruppe&nbsp;B gehört die Alpha-N-D-Galaktose, in Milch ist hingegen Beta-N-D-Galaktose enthalten. Die Moleküle dieser [[Galaktose]]arten sind zwar ähnlich (daher der ähnliche Name), die Wirkung im Organismus ist aber völlig unterschiedlich. Selbst wenn die Lektin-Theorie richtig wäre, ist eine negative Wirkung von Milch auf Menschen mit Blutgruppe 0 oder A sehr fraglich.
Im November 1924 wurde Wiligut wegen einer [[Paraphrenie|paraphrenen]] [[Psychose]] mit Bildung von Größen- und Beeinträchtigungsideen in die [[Universitätskliniken Salzburg#Christian-Doppler-Klinik|Salzburger Nervenklinik]] eingewiesen, in der er bis zu seiner Entlassung Anfang 1927 behandelt wurde und zwischenzeitlich nach verunglückten Geldgeschäften von seiner Frau 1925 entmündigt wurde.<ref name="Clarke159">Nicholas Goodrick-Clarke: ''Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus.'' marixverlag, 2004, S. 159.</ref> Während seines Aufenthaltes in der ''Landesheilanstalt für Nerven- und Gemütskranke'' bezeichnete sich Wiligut als [[Seher]] und erklärte, der einzige Überlebende des Unterganges von [[Atlantis]] zu sein. Er spielte als [[Wahrsager]] eine wichtige Mittlerrolle bei der Verankerung des Glaubens an den neuzeitlichen Atlantismythos, als festem Bestandteil des völkischen [[Okkultismus]], wonach die [[Arier]] direkt aus der vermeintlich untergegangenen atlantidischen Zivilisation hervorgegangen seien. Diese Anschauungen wurden später hauptsächlich im Umfeld Himmlers wachgehalten. 1925 behauptete er eine prähistorische Fundstelle ausfindig gemacht zu haben, die die These der [[Welteislehre]], eine völkisch-okkultistische Vorwelttheorie des [[österreich]]ischen Ingenieurs [[Hanns Hörbiger]], stütze.<ref>[[Sabine Doering-Manteuffel]]: ''Das Okkulte. Eine Erfolgsgeschichte im Schatten der Aufklärung. Von Gutenberg bis zum World Wide Web''. Siedler, München 2008. S. 203.</ref>


D’Adamo rät den Blutgruppen 0, A und AB, Milch zu meiden. In Deutschland wären das 80 Prozent der Bevölkerung. Nur in Asien ist die Blutgruppe&nbsp;B am stärksten vertreten. Die regionale Verteilung von [[Laktoseintoleranz|Milchzuckerunverträglichkeit]] widerspricht jedoch seinen Hypothesen, denn sie ist in Asien weit häufiger als im europäischen Raum. Primäre Laktoseintoleranz ist keine Allergie, sondern eine fehlende Mutation auf dem Chromosom&nbsp;2.
=== Flucht nach Deutschland (1932) ===
1932 flüchtete Wiligut wegen seines geschändeten Ansehens aufgrund seines jahrelangen Aufenthaltes in der Nervenheilanstalt vor seiner Familie nach Deutschland, wo er sich im Münchener Vorort [[Bogenhausen]] niederließ. Hier führte er seine Ahnenforschungen fort und wurde unter Runenokkultisten populär.<ref name="Clarke159" />


Es ist nicht verständlich, warum Menschen mit Blutgruppe A, die besonders häufig in Europa ist (in manchen Ländern die häufigste), die meisten Fleischsorten, Weizen und Milchprodukte nicht konsumieren sollen, die ja schon seit längerem die Basis der Ernährung darstellen. Stattdessen wird zu vermehrtem Soja-Konsum geraten, was eher zu Trägern der Blutgruppe B passen würde: Diese Blutgruppe tritt am häufigsten in Asien auf, nur dort ist Soja ein typischer Bestandteil der regionalen Küche.
=== Karriere in der SS und im Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA) (ab 1933) ===
Der SS-Offizier und Mitglied des [[Neutempler-Orden]]s Richard Anders machte Wiligut 1933 an einer Konferenz der [[Nordische Gesellschaft|Nordischen Gesellschaft]] mit [[Heinrich Himmler]] bekannt. Im Oktober 1934 wurde er zum Leiter des Archivs im [[Rasse- und Siedlungshauptamt]] (RuSHA) ernannt,<ref name="NGC283" /> wo er einen bedeutenden Einfluss auf das Departement für Vor- und Frühgeschichte ausübte.<ref>Julian Strube, Nazism and the Occult, in: Christopher Partridge (Hrsg.), ''The Occult World'', London/New York: Routledge 2015, S. 336–347, hier S. 340.</ref> Kurz darauf trat er unter dem [[Pseudonym]] „Karl Maria Weisthor“ der [[Schutzstaffel|SS]] bei und wurde Himmlers engster Ratgeber in Sachen Okkultismus.<ref name="Longerich292">Peter Longerich: ''Heinrich Himmler. Biographie''. Siedler, München 2008, S. 292.</ref>


D’Adamos Aussagen widersprechen auch der Theorie der Abfolge und regionalen Entstehung der Blutgruppen, wenn er behauptet, dass die Blutgruppe A in der Kaukasus-Region und B in der Himalaya-Region entstanden ist. Warum dann ausgerechnet Menschen mit Blutgruppe A vermehrt Soja konsumieren und Milch bzw. Milchprodukte (gerade Menschen in der Kaukasus-Region sind für ihren Kefir-Konsum bekannt, Kefir wird für Blutgruppe&nbsp;A als neutral, für B und AB als bekömmlich eingestuft), Fleisch und Weizen vermeiden sollten, entbehrt jeglicher Logik.
Im Auftrag Himmlers hatte er von 1933 bis 1939 prähistorische Studien durchzuführen.<ref name="NGC283">Nicholas Goodrick-Clarke: ''Im Schatten der Schwarzen Sonne: Arische Kulte, Esoterischer Nationalsozialismus und die Politik der Abgrenzung.'' Marix Verlag, Wiesbaden 2002, ISBN 3-86539-185-0, S. 283.</ref> Seit 20. April 1934 war er SS-Standartenführer ([[SS-Ehrenführer|Ehrenrang]]), was seinem ehemaligen militärischen Rang (Oberst) in der österreichischen Armee entsprach, und wurde am 9. November 1934 zum [[SS-Oberführer]] befördert. Am 9. November 1936 verlieh ihm Himmler den Dienstgrad [[SS-Brigadeführer]].<ref name="Longerich295">Peter Longerich: ''Heinrich Himmler. Biographie''. Siedler, München 2008, S. 295.</ref>


Je nach Blutgruppe ist der [[Proteine|Eiweißanteil]] der Kost teilweise überhöht, was [[Gicht]] oder die Bildung von [[Harnstein]]en zur Folge haben kann. Die Gruppe der „Jäger“ erhält zu wenig Kohlenhydrate und [[Ballaststoff]]e.
Als Himmler mit [[Richard Walther Darré]] auf der Suche nach einem altehrwürdigen Gebäude für die SS in Westfalen war, lenkte der Architekt [[Hermann Bartels (Architekt)|Hermann Bartels]] am 3. November 1933 in Absprache mit dem Regierungspräsidenten und Jutta von Oeynhausen die Aufmerksamkeit auf die [[Wewelsburg]] bei Paderborn.<ref>[[Karl Hüser]]: ''Wewelsburg 1933 bis 1945. Kult- und Terrorstätte der SS. Eine Dokumentation''. 2. Auflage. Bonifatius, Paderborn 1987, ISBN 3-87088-534-3, S. 16 f.</ref> Wiligut war an der Entwicklung der SS-Rituale beteiligt. Sein Einfluss auf den befreundeten Burghauptmann der Wewelsburg, [[Manfred von Knobelsdorff]], inspirierte diesen den [[Irmin]]englauben wiederzubeleben, und „germanische“ Hochzeitszeremonien für SS-Führer und deren Bräute und jährliche Sonnenwend- und Julfeiern für die SS und die Dorfleute von Wewelsburg zu veranstalten.<ref>Nicholas Goodrick-Clarke: ''Occult Roots of Nazism: Secret Aryan Cults and Their Influence on Nazi Ideology.'' S. 187; Daniela Palumbo: [http://www.relinfo.ch/wiligut/info.html#4 Karl Maria Wiligut.] 1992.</ref> Wiligut war eine Zeit lang führend an der Umgestaltung der Wewelsburg zu einer [[NS-Ordensburg|Ordensburg]] der SS beteiligt. Er entwarf den [[SS-Ehrenring|Totenkopfring]] der SS, befasste sich mit [[Runen]], [[Heraldik]] und Symbolkunde und gab an, hellseherische Fähigkeiten zu besitzen. So beriet er auch seinen persönlichen Freund Heinrich Himmler in Fragen der [[Astrologie]]. Aufgrund seines Einflusses wurde er auch als „Himmlers [[Grigori Jefimowitsch Rasputin|Rasputin]]“ bezeichnet.<ref name="Longerich292-295">Vgl. hierzu Peter Longerich: ''Heinrich Himmler. Biographie''. Siedler, München 2008, S. 292–295.</ref> Wiligut legte die zeremoniellen Elemente fest, die die SS-Ideologie, die Ziele der Rassenreinheit und die territoriale Eroberung in einen geweihten Rahmen einbetten sollten.<ref name="NGC283" />


Im Jahr 2000 bewertete die [[Deutsche Gesellschaft für Ernährung]] (DGE): „In keinem Fall ist wissenschaftlich dokumentiert, dass Lectine aus Lebensmitteln im Blut zu Verklumpungen (Agglutinationen) führen. (…) D’Adamo verwendet ungesicherte, verführerisch einfach klingende Annahmen als Fakten und stellt Lectine in Nahrungsmitteln als eine generelle Gefahr dar. (…) Die meisten pflanzlichen Lectine sind unschädlich. (…) Zudem zerstört Erhitzen die Lectinaktivität in fast allen Nahrungsmitteln mit Ausnahme von gerösteten Erdnüssen (…).“<ref name="dge">[http://www.dr-moosburger.at/wp-content/uploads/pub021.pdf „Blutgruppendiät ist wissenschaftlich nicht haltbar“], Pressemitteilung, in DGE aktuell 19/00, 13. Juni 2000</ref>
Wiligut beriet Himmler in weltanschaulichen Fragen, war ab Januar 1936 im RuSHA mit Sonderaufgaben betraut<ref name="Longerich292f">Peter Longerich: ''Heinrich Himmler. Biographie''. Siedler, München 2008, S. 292 f.</ref> und war neben dem mit ihm konkurrierenden [[Alexander Langsdorff]] an der Einrichtung der Abteilung Vor- und Frühgeschichte des RuSHAs beteiligt.<ref>[[Uta Halle]]: ''“Die Externsteine sind bis auf weiteres germanisch!” Prähistorische Archäologie im Spannungsfeld völkisch-nationalsozialistischer Wissenschaft und Politik.'' Bielefeld 2002, S. 62f., 77, 355–358; Dirk Mahsarski: ''[[Herbert Jankuhn]] (1905–1990). Ein deutscher Prähistoriker zwischen nationalsozialistischer Ideologie und wissenschaftlicher Objektivität.'' [[Rahden]] 2011, S. 28, 176f.</ref> Wiligut und Himmler verband das Interesse für okkulte, [[Esoterik|esoterische]] und [[Mythologie|mythologische]] Themen. Wiligut behauptete von sich selbst, er und seine Familie stammten direkt von den [[Ase]]n ab und seien deren letzte verbliebene Traditionsträger.


Die [[Stiftung Warentest]] bewertete im Jahr 2005: „Da wir trotz jahrhundertelanger Verstöße gegen diese Regeln immer noch am Leben sind, stellt sich die Frage nach dem Sinn und Unsinn der Diät. (…) Die Rolle der Lektine in der Nahrung wird von D’Adamo erheblich überschätzt, und seine blutgruppenspezifische Ernährung entbehrt jeder Grundlage. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) beurteilt die meisten pflanzlichen Lektine als unbedenklich (dass man [[grüne Bohne]]n beziehungsweise [[Fisole]]n roh nicht in größeren Mengen essen darf, ist inzwischen hinlänglich bekannt). Eine Verklumpung von Blutzellen wurde bisher in keinem einzigen Fall festgestellt. Und Belege dafür, dass Erkrankungen durch die Blutgruppendiät positiv beeinflusst werden, fehlen ebenfalls.<ref>[http://www.test.de/Diaeten-im-Vergleich-Diaeten-aller-Art-Psycho-und-Blutgruppen-Diaeten-1131881-0/ Diäten im Vergleich: Diäten aller Art, Psycho- und Blutgruppen-Diäten.] In: test.de, 1. Mai 2005, [[Stiftung Warentest]]</ref>
=== Entlassung aus der SS (1939) ===
Im August 1939 musste er die SS verlassen, weil er zunehmend als Scharlatan entlarvt wurde und wegen seines [[Medikamentenabhängigkeit|Medikamenten-]] und [[Alkoholismus|Alkoholmissbrauch]]s nicht mehr in der SS zu halten war. Damals wurde auch sein Aufenthalt in einer Salzburger Nervenheilanstalt von 1924 bis 1927 öffentlich bekannt, sowie die 1925 erfolgte Entmündigung durch seine Frau. Zudem hatte Hitler nunmehr öffentlich gegen den Okkultismus Stellung bezogen. Himmler gab dennoch die Beziehung zu Wiligut nicht völlig auf und holte mehrmals seinen Rat ein. Im Sommer 1940 entwarf Wiligut ein Grabzeichen für gefallene SS-Mitglieder. Ebenfalls 1940 lenkte er Himmlers Interesse auf archäologische Funde aus dem [[Neolithikum]] im Tal des irakischen [[Kleiner Zab|Kleinen Zabs]] in der [[Erbil (Gouvernement)|Provinz von]] [[Erbil]]. Wiligut meinte, hier den Fantasieort „[[Atlantis#Neuzeit|Atlantis]]“ gefunden zu haben und selbst von einem der damaligen Zauberer abzustammen.<ref name="Longerich295" /><ref>Rüdiger Sünner: ''Die Schwarze Sonne. Entfesselung und Missbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik''. Herder, Freiburg 1999, ISBN 3-451-05205-9, S. 69–70.</ref> Nach seiner Entlassung aus der SS lebte Wiligut noch einige Jahre in der mittelalterlich geprägten Stadt [[Goslar]], der er sich sehr verbunden fühlte.


Die [[systematische Übersichtsarbeit]] von Leila Cusack et al. aus dem Jahr 2013 kam zu dem Ergebnis, dass aktuell keine Beweise existieren, die die vorgeblichen Gesundheitsvorteile der Blutgruppendiäten bestätigen.<ref>Leila Cusack, Emmy De Buck, Veerle Compernolle, Philippe Vandekerckhove: ''Blood type diets lack supporting evidence: a systematic review'' In: ''Am J Clin Nutr.'' 2013 Jul;98(1):99-104. [[doi:10.3945/ajcn.113.058693]]. PMID 23697707.</ref>
== Auszeichnungen ==
* [[Militärverdienstkreuz (Österreich)|Österreichisches Militärverdienstkreuz III. Klasse mit Kriegsdekoration und Schwertern]]
* [[Militär-Verdienstmedaille (Österreich)|Österreichisches Silberne Militärverdienstmedaille am Bande des Militärverdienstskreuzes mit Schwertern]]
* [[Militär-Verdienstmedaille (Österreich)|Österreichisches Bronzene Militärverdienstmedaille am Bande des Militärverdienstskreuzes mit Schwertern]]
* [[Militär-Jubiläumskreuz]]
* [[Jubiläumserinnerungsmedaille]]
* [[Erinnerungskreuz 1912/13]]
* [[Karl-Truppenkreuz]]
* [[Verwundetenmedaille (Österreich-Ungarn)|Verwundetenmedaille]]
* [[Kriegserinnerungsmedaille (Österreich)|Österreichische Kriegserinnerungsmedaille mit Schwertern]]
* [[Medaille zur Erinnerung an den 13. März 1938]]
* [[Medaille zur Erinnerung an den 1. Oktober 1938]]
* [[Kriegsverdienstkreuz (1939)|Kriegsverdienstkreuz]] (1939) II. und I. Klasse mit Schwertern
* [[SS-Ehrenring]]
* [[SS-Ehrendegen]]


== Siehe auch ==
== Werke ==
* {{WikipediaDE|Blutgruppendiät}}
* Karl Maria Wiligut: ''Seyfrieds Runen.'' Friedrich Schalk Verlag, Wien 1903.
 
* Karl Maria Wiligut: ''Darstellung der Menschheitsentwicklung aus der Geheimüberlieferung unserer Asa-Uana-Sippe Uiligotis.'' (Bundesarchiv Berlin NS 19/3671)
== Literatur ==
* Peter D’Adamo, Catherine Whitney: ''4 Blutgruppen, 4 Strategien für ein gesundes Leben''. 23. Auflage. Verlag Piper, 2000, ISBN 3-492-04118-3
* Anita Hessmann-Kosaris: ''Die Blutgruppen-Diät. Das bahnbrechende Ernährungsprogramm für Vitalität, Wohlbefinden und eine schlanke Figur''. Verlag Goldmann, 2000, ISBN 3-442-16283-1


== Weblinks ==
== Weblinks ==
*Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): {{Webarchiv|url=http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=250|wayback=20070927015217|text=''Stellungnahme der DGE: Die Blutgruppendiät von P. J. D'Adamo''. In: ''Forschung, Klinik und Praxis'', 06/2000}}
* [http://www.antiquariatlange.de/texte/wiligut-weisthor/ Hans-Jürgen Lange: Himmlers Erberinnerer Karl Maria Wiligut und seine Quellen]
* [https://www.ugb.de/ernaehrung-nach-blutgruppen/blutgruppendiaet-blutgruppenernaehrung/ ''Blutgruppen-Diät – Essen nach dem Bluttyp''] ausführlichere Darstellung und Kritik, Dr. med. Michael Klaper. In: ''UGB-Forum'', 1/01
* {{DNB-Portal|118633120}}
* Jutta Muth, Udo Pollmer: {{Webarchiv|url=http://www.das-eule.de/html/eu_l_e_n-spiegel_ausgabe_2-3_22.html | wayback=20090317085539 | text=''Blutgruppendiät''.}}


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


[[Kategorie:Therapeutisches Verfahren in der Alternativmedizin]]
{{Normdaten|TYP=p|GND=118633120|LCCN=n/86/867475|VIAF=59877586}}
[[Kategorie:Therapeutisches Verfahren in der Medizin]]
 
[[Kategorie:Alternativmedizin]]
{{SORTIERUNG:Wiligut, Karl Maria}}
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[[Kategorie:Träger des Karl-Truppenkreuzes]]
[[Kategorie:Person (Cisleithanien)]]
[[Kategorie:Österreicher]]
[[Kategorie:Geboren 1866]]
[[Kategorie:Gestorben 1946]]
[[Kategorie:Mann]]


{{Wikipedia}}
{{Personendaten
|NAME=Wiligut, Karl Maria
|ALTERNATIVNAMEN=Weisthor, Karl Maria; Widar, Jarl; Lobesam
|KURZBESCHREIBUNG=österreichischer Offizier, nationalsozialistischer Esoteriker
|GEBURTSDATUM=10. Dezember 1866
|GEBURTSORT=[[Wien]]
|STERBEDATUM=3. Januar 1946
|STERBEORT=[[Arolsen]]
}}

Version vom 14. November 2021, 19:22 Uhr

Karl Maria Wiligut (* 10. Dezember 1866 in Wien; † 3. Januar 1946 in Arolsen; Pseudonyme: Karl Maria Weisthor, Jarl Widar, Lobesam)[1] war ein österreichischer Okkultist und SS-Brigadeführer.

Leben

Karl Maria Wiligut wurde in Wien römisch-katholisch getauft und trat mit 14 Jahren in die Wiener Kadettenschule ein. 1883 begann er seine Karriere im k. u. k. Infanterieregiment des serbischen Königs Milan I. als Gefreiter und wurde 1888 Leutnant. 1889 wurde er Mitglied der Vereinigung Schlaraffia. 1903 veröffentlichte er das Buch Seyfrieds Runen unter dem Namen Karl Maria Wiligut (Lobesam).[2]

1907 heiratete er Malwine Leurs von Treuenringen aus Bozen. Aus der Ehe gingen die beiden Töchter Gertrud und Lotte hervor. Ein Zwillingsbruder eines der Mädchen starb im Kindesalter. Dies war für Wiligut eine Tragödie, da er sich nach einem männlichen Erben sehnte, um ihm sein „geheimes Wissen“ vermitteln zu können.[3]

Ab 1908 soll er in Wien Kontakte mit völkischen und ariosophischen Kreisen und zu Mitgliedern des Lanzschen Neutemplerordens gepflegt haben.[4][5] Er stand der Edda-Gesellschaft nahe und schrieb unter dem Pseudonym Jarl Widar Gedichte für deren Widar-Hefte.[4] Wiliguts Ideen ähnelten jenen von Guido von List.[6]

Im Ersten Weltkrieg diente er an der Süd- und Ostfront, wurde für seine Tapferkeit ausgezeichnet und 1917 zum Oberst der österreich-ungarischen Armee befördert. Nach Kriegsende zog er 1919 nach Morzg bei Salzburg, wo er sich okkulten Studien widmete.

Die Informationen über Wiliguts Leben vor dem Eintritt in die SS sind sehr unzuverlässig und stammen überwiegend aus Kreisen, in denen er verehrt wurde bzw. noch heute verehrt wird.[2][7][8]

Salzburger Nervenklinik (1924–1927)

Im November 1924 wurde Wiligut wegen einer paraphrenen Psychose mit Bildung von Größen- und Beeinträchtigungsideen in die Salzburger Nervenklinik eingewiesen, in der er bis zu seiner Entlassung Anfang 1927 behandelt wurde und zwischenzeitlich nach verunglückten Geldgeschäften von seiner Frau 1925 entmündigt wurde.[9] Während seines Aufenthaltes in der Landesheilanstalt für Nerven- und Gemütskranke bezeichnete sich Wiligut als Seher und erklärte, der einzige Überlebende des Unterganges von Atlantis zu sein. Er spielte als Wahrsager eine wichtige Mittlerrolle bei der Verankerung des Glaubens an den neuzeitlichen Atlantismythos, als festem Bestandteil des völkischen Okkultismus, wonach die Arier direkt aus der vermeintlich untergegangenen atlantidischen Zivilisation hervorgegangen seien. Diese Anschauungen wurden später hauptsächlich im Umfeld Himmlers wachgehalten. 1925 behauptete er eine prähistorische Fundstelle ausfindig gemacht zu haben, die die These der Welteislehre, eine völkisch-okkultistische Vorwelttheorie des österreichischen Ingenieurs Hanns Hörbiger, stütze.[10]

Flucht nach Deutschland (1932)

1932 flüchtete Wiligut wegen seines geschändeten Ansehens aufgrund seines jahrelangen Aufenthaltes in der Nervenheilanstalt vor seiner Familie nach Deutschland, wo er sich im Münchener Vorort Bogenhausen niederließ. Hier führte er seine Ahnenforschungen fort und wurde unter Runenokkultisten populär.[9]

Karriere in der SS und im Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA) (ab 1933)

Der SS-Offizier und Mitglied des Neutempler-Ordens Richard Anders machte Wiligut 1933 an einer Konferenz der Nordischen Gesellschaft mit Heinrich Himmler bekannt. Im Oktober 1934 wurde er zum Leiter des Archivs im Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA) ernannt,[6] wo er einen bedeutenden Einfluss auf das Departement für Vor- und Frühgeschichte ausübte.[11] Kurz darauf trat er unter dem Pseudonym „Karl Maria Weisthor“ der SS bei und wurde Himmlers engster Ratgeber in Sachen Okkultismus.[12]

Im Auftrag Himmlers hatte er von 1933 bis 1939 prähistorische Studien durchzuführen.[6] Seit 20. April 1934 war er SS-Standartenführer (Ehrenrang), was seinem ehemaligen militärischen Rang (Oberst) in der österreichischen Armee entsprach, und wurde am 9. November 1934 zum SS-Oberführer befördert. Am 9. November 1936 verlieh ihm Himmler den Dienstgrad SS-Brigadeführer.[13]

Als Himmler mit Richard Walther Darré auf der Suche nach einem altehrwürdigen Gebäude für die SS in Westfalen war, lenkte der Architekt Hermann Bartels am 3. November 1933 in Absprache mit dem Regierungspräsidenten und Jutta von Oeynhausen die Aufmerksamkeit auf die Wewelsburg bei Paderborn.[14] Wiligut war an der Entwicklung der SS-Rituale beteiligt. Sein Einfluss auf den befreundeten Burghauptmann der Wewelsburg, Manfred von Knobelsdorff, inspirierte diesen den Irminenglauben wiederzubeleben, und „germanische“ Hochzeitszeremonien für SS-Führer und deren Bräute und jährliche Sonnenwend- und Julfeiern für die SS und die Dorfleute von Wewelsburg zu veranstalten.[15] Wiligut war eine Zeit lang führend an der Umgestaltung der Wewelsburg zu einer Ordensburg der SS beteiligt. Er entwarf den Totenkopfring der SS, befasste sich mit Runen, Heraldik und Symbolkunde und gab an, hellseherische Fähigkeiten zu besitzen. So beriet er auch seinen persönlichen Freund Heinrich Himmler in Fragen der Astrologie. Aufgrund seines Einflusses wurde er auch als „Himmlers Rasputin“ bezeichnet.[16] Wiligut legte die zeremoniellen Elemente fest, die die SS-Ideologie, die Ziele der Rassenreinheit und die territoriale Eroberung in einen geweihten Rahmen einbetten sollten.[6]

Wiligut beriet Himmler in weltanschaulichen Fragen, war ab Januar 1936 im RuSHA mit Sonderaufgaben betraut[17] und war neben dem mit ihm konkurrierenden Alexander Langsdorff an der Einrichtung der Abteilung Vor- und Frühgeschichte des RuSHAs beteiligt.[18] Wiligut und Himmler verband das Interesse für okkulte, esoterische und mythologische Themen. Wiligut behauptete von sich selbst, er und seine Familie stammten direkt von den Asen ab und seien deren letzte verbliebene Traditionsträger.

Entlassung aus der SS (1939)

Im August 1939 musste er die SS verlassen, weil er zunehmend als Scharlatan entlarvt wurde und wegen seines Medikamenten- und Alkoholmissbrauchs nicht mehr in der SS zu halten war. Damals wurde auch sein Aufenthalt in einer Salzburger Nervenheilanstalt von 1924 bis 1927 öffentlich bekannt, sowie die 1925 erfolgte Entmündigung durch seine Frau. Zudem hatte Hitler nunmehr öffentlich gegen den Okkultismus Stellung bezogen. Himmler gab dennoch die Beziehung zu Wiligut nicht völlig auf und holte mehrmals seinen Rat ein. Im Sommer 1940 entwarf Wiligut ein Grabzeichen für gefallene SS-Mitglieder. Ebenfalls 1940 lenkte er Himmlers Interesse auf archäologische Funde aus dem Neolithikum im Tal des irakischen Kleinen Zabs in der Provinz von Erbil. Wiligut meinte, hier den Fantasieort „Atlantis“ gefunden zu haben und selbst von einem der damaligen Zauberer abzustammen.[13][19] Nach seiner Entlassung aus der SS lebte Wiligut noch einige Jahre in der mittelalterlich geprägten Stadt Goslar, der er sich sehr verbunden fühlte.

Auszeichnungen

Werke

  • Karl Maria Wiligut: Seyfrieds Runen. Friedrich Schalk Verlag, Wien 1903.
  • Karl Maria Wiligut: Darstellung der Menschheitsentwicklung aus der Geheimüberlieferung unserer Asa-Uana-Sippe Uiligotis. (Bundesarchiv Berlin NS 19/3671)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Armin Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Ein Handbuch. Ergänzungsband. Mit Korrigenda zum Hauptband. Darmstadt 1989, S. 90 u. 92.
  2. 2,0 2,1 Peter Longerich: Heinrich Himmler. Biographie. Siedler, München 2008, ISBN 978-3-88680-859-5, S. 293.
  3. Nicholas Goodrick-Clarke: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus. marixverlag, 2004, S. 159f.
  4. 4,0 4,1 Stefanie von Schnurbein: Religion als Kulturkritik. Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg 1992, ISBN 3-533-04582-X, S. 113.
  5. Rüdiger Sünner: Die Schwarze Sonne. Entfesselung und Missbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik. Herder, Freiburg im Breisgau 1999, ISBN 3-451-05205-9, S. 69–70.
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 Nicholas Goodrick-Clarke: Im Schatten der Schwarzen Sonne: Arische Kulte, Esoterischer Nationalsozialismus und die Politik der Abgrenzung. Marix Verlag, Wiesbaden 2002, ISBN 3-86539-185-0, S. 283.
  7. Stefanie von Schnurbein: Religion als Kulturkritik. Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg 1992, ISBN 3-533-04582-X, S. 114.
  8. Beispiele von ONT-Schriften über Wiligut sind Rudolf J. Mund: Der Rasputin Himmlers. Die Wiligut-Saga. Volkstum-Verlag u. a., Wien u. a. 1982, ISBN 3-85342-035-4; Rudolf J. Mund, Gerhard von Werfenstein: Mythos Schwarze Sonne. Karl Maria Wiligut-Weisthor, der heilige Gral und das Geheimnis der Wewelsburg. Hans Herzig, Books on Demand 2004, ISBN 3-8334-1122-8.
  9. 9,0 9,1 Nicholas Goodrick-Clarke: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus. marixverlag, 2004, S. 159.
  10. Sabine Doering-Manteuffel: Das Okkulte. Eine Erfolgsgeschichte im Schatten der Aufklärung. Von Gutenberg bis zum World Wide Web. Siedler, München 2008. S. 203.
  11. Julian Strube, Nazism and the Occult, in: Christopher Partridge (Hrsg.), The Occult World, London/New York: Routledge 2015, S. 336–347, hier S. 340.
  12. Peter Longerich: Heinrich Himmler. Biographie. Siedler, München 2008, S. 292.
  13. 13,0 13,1 Peter Longerich: Heinrich Himmler. Biographie. Siedler, München 2008, S. 295.
  14. Karl Hüser: Wewelsburg 1933 bis 1945. Kult- und Terrorstätte der SS. Eine Dokumentation. 2. Auflage. Bonifatius, Paderborn 1987, ISBN 3-87088-534-3, S. 16 f.
  15. Nicholas Goodrick-Clarke: Occult Roots of Nazism: Secret Aryan Cults and Their Influence on Nazi Ideology. S. 187; Daniela Palumbo: Karl Maria Wiligut. 1992.
  16. Vgl. hierzu Peter Longerich: Heinrich Himmler. Biographie. Siedler, München 2008, S. 292–295.
  17. Peter Longerich: Heinrich Himmler. Biographie. Siedler, München 2008, S. 292 f.
  18. Uta Halle: “Die Externsteine sind bis auf weiteres germanisch!” Prähistorische Archäologie im Spannungsfeld völkisch-nationalsozialistischer Wissenschaft und Politik. Bielefeld 2002, S. 62f., 77, 355–358; Dirk Mahsarski: Herbert Jankuhn (1905–1990). Ein deutscher Prähistoriker zwischen nationalsozialistischer Ideologie und wissenschaftlicher Objektivität. Rahden 2011, S. 28, 176f.
  19. Rüdiger Sünner: Die Schwarze Sonne. Entfesselung und Missbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik. Herder, Freiburg 1999, ISBN 3-451-05205-9, S. 69–70.