Klagemauer

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Die Westmauer vom Zugang zum Tempelberg aus gesehen, im Vordergrund die Blende zwischen den Bereichen für Frauen (vorn) und Männer. Der Raum unter dem rechten Bogen wird als Synagoge genutzt, im linken Bogen befindet sich der Eingang zum Westmauer-Tunnel.

Die Klagemauer (hebr. הַכֹּתֶל הַמַּעֲרָבִי‎ ha-Kotel ha-Maʿaravī, umgangssprachlich nur der Kotel genannt, hebr. כותל‎, so auch in Plene) im Jüdischen Viertel der Altstadt von Jerusalem ist eine religiöse Stätte des Judentums. Viele der mächtigen Steinblöcke, aus denen die Mauer erbaut ist, bestehen aus dem Jerusalemer Meleke-Kalkstein, der einst am nördlichen Stadtrand gewonnen wurde.[1]

Geschichte

Die Klagemauer stellt einen Teil der westlichen Umfassungsmauer des Plateaus des Herodianischen Tempels dar. Ungefähr ein Drittel der Mauer wurde abgetragen und etwa ein Drittel befindet sich unter der Erdoberfläche. Herodes konnte die von ihm begonnene Erweiterung des Tempelareals zu seinen Lebzeiten nicht abschließen, vielmehr wurden die Arbeiten erst kurz vor dem Ausbruch des Jüdischen Krieges beendet. Das bestätigen auch Münzfunde, die unter dem südlichen Teil der Mauer gemacht wurden. Die Klagemauer wurde unter Herodes Agrippa II. vollendet, was sich mit der Darstellung bei Flavius Josephus deckt.[2] Sieben Steinlagen dieser Mauer sind heute sichtbar, darüber befindet sich jüngeres Mauerwerk.[3]

Die Westmauer hatte, solange der Tempel bestand, keine herausgehobene religiöse Bedeutung, und sie war zunächst auch nicht der Ort, zu dem jüdische Pilger nach der Zerstörung des Heiligtums kamen. Vielmehr verehrten diese in der Spätantike einen „durchbohrten Stein“ (lapis pertusus), wobei es sich um den Felsen im Zentrum des Felsendoms handeln kann, aber auch um eine markante Ruine des Herodianischen Tempels, die nicht mehr erhalten ist.[3]

Folgende Texte der rabbinischen Literatur zeigen, wie die Westmauer ins Zentrum der Verehrung rückte:[4]

  • Midrasch Echa Rabba (5. Jahrhundert): das westliche Tor des Tempels wird nicht zerstört werden;
  • Midrasch Tanchuma (8. – 9. Jahrhundert)[5]: Die Gottesgegenwart (Schechina) wich bei der Zerstörung des Tempels nicht von der Westmauer;
  • Midrasch Schir haSchirim (6. Jahrhundert): Die Westmauer wird nie zerstört werden.

In frühislamischer Zeit entstand um die Westmauer ein jüdisches Viertel. Texte aus der Kairoer Geniza bezeugen für das 11. Jahrhundert eine „Höhlen-Synagoge“ an der Westmauer.[6] Ihre Identifikation ist unsicher.

Erst in osmanischer Zeit wurde der jüdischen Gemeinde von Seiten der muslimischen Behörden eine Gebetsstätte an der Klagemauer offiziell zugestanden; unter Süleyman I. wurde ein Stück Mauer zu diesem Zweck freigelegt und gereinigt.[7]

In der englischen Mandatszeit kam es, wie im ganzen Land, wiederholt zu Überfällen auf Juden durch arabische Bewohner Jerusalems; der Gebetsort – eine etwa 3 Meter breite und 30 Meter lange Sackgasse im Maghrebinerviertel[7] – wurde mehrmals entweiht.[8]

Vom Israelischen Unabhängigkeitskrieg (Palästinakrieg) 1948 bis zur israelischen Einnahme der Altstadt Jerusalems im Jahre 1967 im Zuge des Sechstagekrieges wurde das Gebiet von Jordanien kontrolliert,[9] den Juden wurde der Zutritt zum Kotel entgegen dem Waffenstillstandsabkommen verwehrt. Nach dem Krieg wurden der Teil der Klagemauer, der heute sichtbar ist (57 Meter), und ein großer Platz davor freigelegt. Dazu wurde das Maghrebinerviertel der Jerusalemer Altstadt abgerissen.[10]

Zugang

Betende an der Klagemauer

Der Platz vor der Klagemauer ist täglich rund um die Uhr geöffnet. Der Zugang ist kostenlos und über drei Eingänge möglich:

Um auf den Platz zu gelangen, sind Sicherheitskontrollen zu passieren, die mit Metalldetektoren erfolgen. Männer sollen beim Betreten des abgetrennten Bereiches unmittelbar an der Mauer eine Kopfbedeckung, jedoch nicht zwingend eine Kippa tragen. Von allen Besuchern wird eine angemessene Kleidung erwartet. An der Rampe vor dem Zugang für den männlichen Bereich werden kostenlos Kippot aus weißem Stoff verteilt. Sie werden von der staatlichen Western Wall Heritage Foundation angefertigt.

Die Gebetsbereiche sind nach Geschlechtern getrennt: für Männer links und Frauen rechts. Im Sommer 2013 wurde rechts neben der Marokkanerbrücke eine Plattform für gemeinsames Gebet eingerichtet.[11] Über diese Brücke betreten Nicht-Muslime zu den erlaubten Zeiten durch das Marokkanertor den Tempelberg. Liberale und konservative Juden fordern einen gemeinsamen Zugang für Männer und Frauen und dahinter einen gemischten Bereich – und für orthodoxe Juden getrennte Bereiche. Nachdem der Streit darüber beendet ist, erfolgen die Bauarbeiten dazu im Jahr 2018.[12]

Die Klagemauer ist heute einer der meistbesuchten Orte in Jerusalem. Der Platz dient als Veranstaltungsort für religiöse oder militärische Zeremonien.[13]

Religiöse Bedeutung

Gebetszettel in der Klagemauer

Die Klagemauer wird von Juden westliche Mauer, oder einfach nur Kotel, genannt, da sie die Westmauer der Tempelanlage war und nicht primär ein Ort der Klage ist. Sie ist 48 Meter lang und 18 Meter hoch. Täglich besuchen viele Menschen die Klagemauer, um zu beten. Viele stecken auch aufgeschriebene Gebete, Wünsche und Danksagungen in die Ritzen und Spalten der Mauer. Sie stellt für viele Juden ein Symbol für den ewigen, bestehenden Bund Gottes mit seinem Volk dar. Diese Tradition der Gebetszettel geht wohl bis ins frühe 18. Jahrhundert zurück.[12]

Da der Platz in den Ritzen nur begrenzt ist, fallen viele Zettel mit der Zeit herunter. Sie werden aufgesammelt. Vor Pessach im Frühjahr und vor Rosch ha-Schana im Herbst werden die Zettel aus den Ritzen entfernt und zusammen mit den aufgesammelten ungelesen auf dem jüdischen Friedhof auf dem Ölberg begraben.[12]

Der Zugang ist für Nichtjuden problemlos möglich. Fotografieren innerhalb des abgesteckten Bereiches unmittelbar vor der Mauer ist außer an hohen jüdischen Feiertagen und am Sabbat im Allgemeinen erlaubt. Dabei sind die örtlichen Hinweise zu beachten (vergleiche dazu Mechiza).[13]

Panorama

Panorama der Klagemauer

Siehe auch

Literatur

  • Ben-Dov Meir; Mordechai Naor, Zeev Aner: Die Westmauer. Übersetzung: Hanan Michaeli, Ellen Michaeli (10. Kapitel). Verlag des Verteidigungsministeriums, Tel-Aviv 1988, DNB 910385351.
  • Joseph Croitoru: Al-Aqsa oder Tempelberg. Der ewige Kampf um Jerusalems heilige Stätten. C.H. Beck Verlag, München 2021, ISBN 978-3406765858.
  • Max Küchler: Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 3-525-50170-6.

Weblinks

Commons: Klagemauer - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wiktionary: Klagemauer – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Ben-Dov Meir, Mordechai Naor und Zeev Aner: Die Westmauer. Übersetzung: Hanan Michaeli, Ellen Michaeli (10. Kapitel). Verlag des Verteidigungsministeriums, Tel-Aviv 1988, S. 216 f.
  2. Jerusalemer Klagemauer nicht von Herodes vollendet. In: Welt Online. 23. November 2011, abgerufen am 25. November 2011.
  3. 3,0 3,1  Max Küchler: Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 3-525-50170-6, S. 155.
  4.  Max Küchler: Jerusalem. S. 155 f..
  5.  Samuel A. Berman: Midrash Tanhuma-Yelammedenu: An English Translation of Genesis and Exodus from the Printed Version of Tanhuma-Yelammedenu with an Introduction, Notes, and Indexes. Ktav, 1996, ISBN 978-0-8812-5400-6, S. 11 ff..
  6.  Max Küchler: Jerusalem. S. 157.
  7. 7,0 7,1  Max Küchler: Jerusalem. S. 159.
  8. Ben-Dov Meir, Mordechai Naor und Zeev Aner: Die Westmauer. Übersetzung: Hanan Michaeli, Ellen Michaeli (10. Kapitel). Verlag des Verteidigungsministeriums, Tel-Aviv 1988, S. 121–138.
  9. Geschichte der Klagemauer auf thekotel.org
  10. Teddy Kollek, Amos Kollek: Ein Leben für Jerusalem. Fischer, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-596-11269-9, S. 308–309.
  11. Judy Maltz: Security but few prayers at new Western Wall platform – Minister Naftali Bennett’s egalitarian prayer area at the sacred Jerusalem site was an oasis of quiet and calm over the High Holy Days. In: Haaretz, 24. September 2013.
  12. 12,0 12,1 12,2 Andrea Krogmann: Die Tempelmauer-Reinigung, In: Christ in der Gegenwart, Nr. 9/2018, ISSN 0170-5148, S. 100.
  13. 13,0 13,1 Christoph Gerhard: Marco Polo Reiseführer Jerusalem. Verlag Mairdumont, Ostfildern 2001, ISBN 3-89525-928-4, S. 31 f.
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