Kunst im öffentlichen Raum

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Nanas von Niki de Saint Phalle an der Skulpturenmeile Hannover (2005)

Kunst im öffentlichen Raum, auch als Public Art bezeichnet, gilt als ein Sammelbegriff für Kunstwerke unterschiedlicher Epochen und Stile, die im kommunalen öffentlichen Raum, also in den städtischen Parks, auf Straßen oder Plätzen von jedermann zu erleben sind. Die Erschaffung der Kunst im öffentlichen Raum kann inzwischen an mehreren deutschen Universitäten und Akademien als Studiengang mit der Möglichkeit zum Erwerb von B.A.- oder M.A.-Abschlüssen belegt werden.[1][2]

Geschichte

Wolf Vostell, Ruhender Verkehr, Köln 1969
The Spire in Dublin, ein 121 m hohes Monument

Kunst im öffentlichen Raum steht in Verbindung mit der Entstehung des öffentlichen Raums etwa ab dem 19. Jahrhundert. Die inhaltliche und zeitliche Spannbreite der Kunst im öffentlichen Raum umfasst die teils über hundert Jahre alten Reiterstandbilder und Brunnen in den Parks genauso wie aktuelle Werke und Projekte. Auch politisch bestellte Arbeiten wie der Karl-Marx-Kopf in Chemnitz zählen dazu. In Deutschland gilt die Aktion „Plastik im Freien“ von 1953 in Hamburg als früher Versuch, Kunst durch Aufstellung im öffentlichen Raum jedem zugänglich zu machen. Eines der bekanntesten Beispiele von Kunst im öffentlichen Raum sind die Nanas von Niki de Saint-Phalle in Hannover aus dem Jahre 1974, deren Aufstellung erst einmal sehr umstritten war. Als ein markantes Beispiel kann auch die Skulptur Ruhender Verkehr von Wolf Vostell aus dem Jahre 1969 in Köln genannt werden.

Kunst im öffentlichen Raum muss sich nicht in festen Installationen äußern, sondern kann auch in Form von Aktionen oder in anderen zeitgenössischen künstlerischen Formen geschehen, etwa als Streetart oder Graffiti-Mural. 1968 wurde an der "Großen Freiheit" in Hamburg das erste große Wallpainting in Deutschland von den Künstlern Werner Nöfer und Dieter Glasmacher realisiert. Eines der bekanntesten Werke temporärer Kunst im öffentlichen Raum ist die Reichstagsverhüllung von Christo und Jeanne-Claude in Berlin 1995.

Ein weiterer Traditionszweig ist die Kunst am Bau, bei der seit den 1930er Jahren öffentliche und teilweise private Bauherren einen Anteil der Bausumme in die künstlerische Ausgestaltung des Vorhabens nach innen und außen investieren.

„Kultur für alle!“

Die Wahrnehmung von Kunst im öffentlichen Raum änderte sich mit dem Anspruch der Rückeroberung der Stadt durch die Erschaffung kommunikativer Freiräume in den 1960 und 1970er Jahren. In den späten 1960er Jahren gab Hilmar Hoffmann, damals Kulturreferent der Stadt Frankfurt am Main, die Parole „Kultur für alle!“ aus. Hierbei handelt es sich um eine neue Form staatlicher Kulturpolitik. Sie soll allen Bürgern die Möglichkeit bieten unterschiedliche kulturelle Angebote wahrzunehmen. Hoffmann fordert eine Demokratisierung von Kultur und ihre Ablösung von den Institutionen. Auch andernorts wurden in vielen Kulturverwaltungen dafür Stellen eingerichtet. Heute engagieren sich zahlreiche kommunale Kulturbüros für Kunst im öffentlichen Raum, führen Kunstwettbewerbe durch und präsentieren medial den Kunstbestand vor Ort.

Einflussreich war die Entwicklung in Hannover, wo Experimente mit Straßenkunst in den Jahren 1970 bis 1974 erstmals das Thema Kunst und die Außendarstellung der Stadt in einen unmittelbaren Zusammenhang brachte. Zum vorläufigen Abschluss des Projektes kaufte die Stadt Nanas auf und stellte sie an der Leine am Rand der Altstadt auf. Das löste öffentliche Debatten zur Rolle moderner Kunst im Stadtbild aus. Nach politischen Auseinandersetzungen wurden die Nanas von 1974 der Anfang der 1986 fortgesetzten Skulpturenmeile Hannover. Im Jahr 2000 war sie mit acht Objekten fertiggestellt. Zu einer Fortsetzung von Straßenkunstprojekten kam es zwischen 1990 und 1994, dessen bedeutendstes BUSSTOPS mit künstlerisch gestalteten Bushaltestellen war.

Trotz der lokalen Proteste in Hannover ist seit den 1970er Jahren moderne Kunst im öffentlichen Raum eher selbstverständlich vorhanden und entwickelt sich laufend weiter. Zugleich ist Kunst als Gegenstand öffentlicher Diskussion und Empörung schon lange das künstlerische Aushängeschild einer mit „Kunst ohne Dach“ (Ludwig Zerull 1992) reich bestückten Stadt.

Etablierung und Verstetigung

Eine der Haltestellen von BUSSTOPS in Hannover
Manolo Valdés: Meninas mit Häkelgarnituren, Hofgarten (Düsseldorf)

Volker Plagemann übernahm 1973 die Kulturbehörde in Bremen und etablierte ein Programm zur Kunst im öffentlichen Raum und zugleich die Bezeichnung. Als er 1980 nach Hamburg wechselte[3] schuf er dort ab 1981 das bis dahin größte Programm für Kunst im öffentlichen Raum[4]. Der konstante Etat von zunächst 1 Million Mark im Jahr[5] erlaubte langfristige Planungen. Zudem wurde die Kunst am Bau bei öffentlichen Bauten in der Stadt in das Programm übertragen und so die Verantwortung vom Bauherrn und Architekt auf die Kulturverwaltung der Stadt übertragen. Ihr stand eine Kunstkommission aus privaten Experten zur Seite. Unregelmäßig wurden besonders große Projekte organisiert: „Halle 6“ 1982 zur Eröffnung der Kulturfabrik Kampnagel; „Jenisch-Park Skulptur“ 1986 mit zwölf jungen deutschen Bildhauern im Jenischpark; „Hamburg Projekt 1989“ mit Kunstverein in Hamburg und Kunsthaus Hamburg mit 40 Künstlern im ganzen Innenstadtbereich parallel zu einer internationalen Großausstellung; „weitergehen“ 1997 mit experimenteller Kunst; „AUSSENDIENST“ 2000/01 mit mehreren Ausstellungsphasen und 21 Künstlern. Immer wurden die Werke speziell für häufig vom Künstler selbst ausgewählte Orte geschaffen. Eine besondere Rolle spielten auch mehrere Mahnmale im Hamburger Stadtgebiet.

Im 21. Jahrhundert

Besonders der Wandel von der „Spaßgesellschaft“ zu einer Gesellschaft, die wieder Sinnzusammenhänge sucht, führte mit Beginn des 21. Jahrhunderts zu einer neuen Befragung regionaler Kulturwerte. Kunst im öffentlichen Raum gewinnt so einen erweiterten Stellenwert zur Wahrung des regionalen kulturellen Gedächtnisses in zeitgeistiger Darstellung durch einen Künstler, zum Beispiel König-Albert-Brunnen in Plauen des Künstlers Norbert Marten. Weiterhin dient Kunst im öffentlichen Raum zur Vermittlung von kulturellen Werten, sozusagen als Bildungsangebot, aber auch zur Imageförderung einer Kommune. Städte und Gemeinden, die dieses erkannten und dieses Potential nutzten, hatten neben dem Imagegewinn auch einen wirtschaftlichen Nutzen durch einen verstärkten Tourismus.

Im Zuge des innerstädtischen Wandels, bei dem die Innenstädte immer mehr ihre Attraktion als urbanen Lebensraum einbüßen, verschafft Kunst im öffentlichen Raum wieder belebende, anziehende Komponenten. Daher findet sie mehr und mehr Einzug bei städtebaulichen Planungen und wird so konzeptioneller Teil einer Platzgestaltung. Solche Kunstwerke müssen einerseits örtliche, technische, bauliche Vorgaben und Gegebenheiten berücksichtigen, andererseits sind sie auch den inhaltlichen, ästhetischen und künstlerischen Aussagen verpflichtet. Werke der Kunst im Kreisverkehr etwa müssen in besonderem Maße Verkehrslösungen berücksichtigen. Oft sind die Aufgabenstellungen an einen Künstler, der für den öffentlichen Raum arbeitet, komplex und nur multidisziplinär zu lösen.

Skulptur-Projekte in Münster

Um ein offenes Diskussionsforum zu Kunst im öffentlichen Raum zu bieten, veranstaltet die Stadt Münster seit 1977 alle 10 Jahre die überregional bedeutsame Ausstellung Skulptur.Projekte im öffentlichen Raum der Stadt. In diesem weltweit einzigartigen Ausstellungsprojekt geht es um eine konkrete Auseinandersetzung international bekannter Künstler mit dem urbanen Raum. 2017 fand die fünfte Veranstaltung dieser Art statt.

Abgrenzung zur Kunst am Bau

Ring des Seyns von Kazuo Katase am Klinikum der Stadt Ludwigshafen

Kunst in öffentlichen Raum unterscheidet sich von „Kunst am Bau“. Angesichts der finanziellen Notlage der Künstler in den 1920er Jahren beschließt der Staat mit dem Kunst am Bau - Programm die bildenden Künstler zu unterstützen. Die Förderung sieht vor in Deutschland beim Bau oder der Sanierung staatlicher Bauten einen bestimmten Anteil – meist zwischen 1 und 4 % der Baukosten – für Kunst am Bau aufzuwenden. Diese Kunstwerke verschwinden dann im Inneren staatlicher Bauwerke wie dem Bundespräsidialamt (Lothar Baumgarten: Innenhofgestaltung, 2003) oder stehen sichtbar auf der zum Bauwerk gehörenden Freifläche deutlich verankert im öffentlichen Bewusstsein wie Chillidas Plastik vor dem Berliner Bundeskanzleramt. Kunst am Bau wirkt oft recht unmittelbar auf den öffentlichen Raum, befindet sich aber im Regelfall auf dem Privatgelände.

Kunst im öffentlichen Raum kann nicht von staatlicher Seite, also dem Bund und den Bundesländern, betrieben werden, da der öffentliche Raum im Regelfall im Eigentum der Städte und Gemeinden steht. Lediglich bei den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg besteht in ihrer Doppelfunktion als Staat und Kommune eine in den 1970er Jahren fast strategisch eingeleitete Vermengung beider Arten und eine damit verbundene Ablösung der Begrifflichkeit zur Kunst im öffentlichen Raum. Die Bremische Bürgerschaft hat 1973 die seit 1952 bestehende Regelung der Kunst am Bau modifiziert und die Mittel losgelöst vom Bauvorhaben in Haushaltsstellen eingebracht. Dabei tauchte erstmals der Begriff „Kunst im öffentlichen Raum“ im Kontext eines staatlichen sowie hier eher kommunalen Förderprogramms auf. Aus heutiger Sicht wirkt das wie eine zeitspezifische Entwicklung, die sich angesichts der knappen Haushaltskassen langsam auflöst. Unabhängig von dieser künstlerisch bedeutsamen, aber in der Relation zu den wesentlich bedeutenderen Flächenstaaten doch eher als Randerscheinung zu bewertenden Entwicklung lassen sich die beiden Stränge der Kunst außerhalb von umhüllenden Gebäuden klar trennen.

Finanzierung

Der Begriff Kunst im öffentlichen Raum wird ohne Rücksicht auf die Art der Finanzierung der Kunstwerke gebraucht. Kunstwerke im öffentlichen Raum wurden und werden von staatlichen Stellen (Fürsten, Gebietskörperschaften, staatliche Museen), aber auch von privaten Museen, Galerien, Unternehmen, Fördervereinen oder einzelnen Mäzenen bezahlt. Vielfach werden Kunstwerke auch von Künstlern kostenlos zur Verfügung gestellt.

Kontroversen

Provokative Skulptur von David Černý, auf die Prager Burg, den Sitz des tschechischen Präsidenten, gerichtet

Kunst im öffentlichen Raum kann auch provokativ sein und aufgrund ihrer Ästhetik oder gesellschaftskritischer Botschaft öffentliche und mediale Erregung hervorrufen. Dabei handelt es sich oft um illegal installierte Kunst und Streetart.

Kunstwettbewerbe

Eberhard Bosslet - U-Bahnhof - Auf dem Damm, Duisburg-Meiderich, 2001

Angesichts der allgemein sinkenden Einkommenschancen von Künstlern ist das Interesse der Künstler an Ausschreibungen zu Kunstwettbewerben trotz der Komplexität groß. Bei national oder international ausgeschriebenen Kunstwettbewerben sind Teilnehmerzahlen in dreistelliger Höhe nicht ungewöhnlich. Davon werden in der Regel maximal 20 Künstler für einen Realisierungsentwurf eingeladen, den allerdings nur einer gewinnen kann. Eine Jury prüft die ästhetischen Qualitäten aller Werke und schätzt die Kosten ihrer Herstellung ein. Das Ziel von Kunstwettbewerben ist es die beste künstlerische Lösung für die jeweilige Baumaßnahme zu finden. Das Preisgericht besteht aus drei bis sieben stimmberechtigten Personen, von denen die Mehrheit Kunstsachverständige sein müssen. Für die Erstplatzierten bleibt ein Honorar, das den Kostenaufwand vielleicht deckt. Daneben gibt es auch eingeladene Kunstwettbewerbe. Hierbei beauftragt man 5 bis 10 Künstler, ihre Vorschläge zu unterbreiten.

Kunst im öffentlichen Raum ist nicht in jedem Fall eine von oben gesteuerte Veranstaltung. Die Städte stellen ihren öffentlichen Raum auch für privat finanzierte oder organisierte Projekte zur Verfügung; so beispielsweise beim Hamburger Park Fiction-Projekt, bei dem sich die Kunst jenseits der Verwaltung direkt mit den Bürgern organisiert hat.

Abbildungsrechte

Kunst im öffentlichen Raum kann in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in vielen anderen Ländern von jedermann frei abgebildet werden, sofern sie dauerhaft im öffentlichen Raum installiert ist oder von diesem aus (oft: ohne Hilfsmittel) sichtbar ist. Keine Panoramafreiheit für Skulpturen kennen z. B. Frankreich, Belgien, Japan und die USA.

Literatur

  • Herlyn/Manske/Weisser: Kunst im Stadtbild - Von Kunst am Bau zu Kunst im öffentlichen Raum, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in der Universität Bremen, Bremen 1976
  • Uwe Lewitzky: Kunst für alle? Kunst im öffentlichen Raum zwischen Partizipation, Intervention und neuer Urbanität, Bielefeld 2005
  • Ronald Kunze: Stadt, Umbau, Kunst: Sofas und Badewannen aus Beton in: STADTundRAUM, H. 2/2006, S. 62–65
  • Florian Matzner (Hg.): Public Art. Kunst im öffentlichen Raum, Ostfildern 2001
  • Volker Plagemann (Hg.): Kunst im öffentlichen Raum. Anstöße der 80er Jahre, Köln 1989
  • Chris van Uffelen: 500 x Art in Public: Masterpieces from the Ancient World to the Present. Braun Publishing, 1. Auflage, 2011, 309 S., in Engl. [Mit Bild, Kurzbiografie und kurzer Beschreibung werden 500 Künstler mit je einem Kunstwerk im öffentlichen Raum vorgestellt. Alle Kontinente (außer der Antarktis) und alle Kunststile sind vertreten.]
  • Der Spiegel: Bildhauer Olaf Metzel über Kunst im öffentlichen Raum, Denkmal-Wettbewerbe, Repräsentationsästhetik und Kranzabwurfstellen (Interview), 35/1998

Siehe auch

Weblinks

Commons: Public art - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Studiengang Kunst im öffentlichen Raum, Uni Weimar
  2. Studiengang Kunst im öffentlichen Raum, AdBK Nürnberg (Memento vom 10. August 2015 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft (bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis)
  3. Hamburger Abendblatt: Ein Kunsthistoriker als Kulturbeamter: Volker Plagemann tritt ab, 1. Dezember 2003
  4. Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg: Kunst im öffentlichen Raum, ein Programm der Kulturbehörde Hamburg, 2004
  5. Kommission für Kunst im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt Hannover: Tradition und Innovation – Stand der Kunst im öffentlichen Raum im Innenstadtbereich Hannover@1@2Vorlage:Toter Link/www.hannover.de (Seite nicht mehr abrufbar; Suche in Webarchiven). Gutachten vom April 2008, Seite 26


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