Typen (Psychologie)

Aus AnthroWiki
Version vom 27. Juni 2019, 02:14 Uhr von imported>Joachim Stiller (→‎Einzelnachweise)

Die Typenlehren (auch Persönlichkeitstypologie) versuchen Menschen nach ihren Eigenschaften zu kategorisieren.

Westlich-antike Typenlehren

Die antiken Typenlehren standen meist in Verbindung mit Naturelementen.

Empedokles: Vier-Elemente-Lehre

Hauptartikel: Vier-Elemente-Lehre

Empedokles (495–435 v. Chr.) hielt Menschen für von den „Vier Elementen“ Feuer, Wasser, Erde und Luft geprägt.

Hippokrates und Galen: Vier-Säfte-Lehre

Die anthroposophische-galensche Lehre der vier Elemente und der vier Temperamente
Hauptartikel: Humoralpathologie

Hippokrates (ca. 460–370 v. Chr.) unterschied die menschliche Physiologie und ihre Erkrankungen anhand mehrerer Körpersäfte (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle, Wasser).

Galen (2. Jh. n. Chr.) schrieb die Lehre der Humoralpathologie in einer systematischen Form nieder und ordnete vier Säften vier Temperamente zu. Diese Temperamentenlehre bezieht sich auf die charakterlichen Eigenschaften eines Menschen. Die Säfte und Temperamente entsprechen außerdem jeweils einem der Elemente.

Aristoteles

Aristoteles (384–322 v. Chr.) meinte in der Blutbeschaffenheit die Temperamente wiederzufinden (in De generatione et corruptione). Das Blut könne warm oder kalt, sowie trocken oder nass sein. Diese Eigenschaften entstehen aus der Beziehungen zweier Elemente.

Zusätzlich zu den vier Elementen gebe es nach Aristoteles noch eine »quinta essentia« („fünftes Element“), den ewigen Äther, der alles durchdringt.

Die Typenlehre findet sich auch an vielen anderen Stellen seiner Schriften, so in der Ethica Nicomachea (1150–1154) und der Ethica Eudemeia.

Neuzeitlich-wissenschaftliche Ansätze und Mischtypen

Auch in der wissenschaftlichen Psychologie der Neuzeit gab es verschiedene Theorien von Typen.

„Psychologische Typen“ von C. G. Jung

siehe auch: Carl Gustav Jung #Psychologische Typen

C. G. Jung (1875–1961) versuchte, die Menschen zu klassifizieren, da diese aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit verschiedene Therapien brauchten (in Psychologische Typen, 1921).

Jung unterschied zunächst die Menschen in Bezug auf ihre grundlegende Einstellung gegenüber der Welt in extravertiert und introvertiert. Diese Differenzierung nennt Jung Einstellungstypen. Daneben nimmt er die Unterscheidung in vier weitere Typen vor, die er als Bewusstseinsfunktionen betrachtet. Diese sind Denken, Fühlen, Empfinden und Intuieren. Jung unterscheidet nach Einstellungstyp und der Bewusstseinsfunktion, d. h. es gibt beispielsweise den introvertierten Fühltyp, den extrovertierten intuitiven Typ, usw. Somit kann man also acht Typen unterscheiden.

Erweiterungen bzw. Abwandlungen von Jungs Theorie

Kombiniert man die Aspekte von Jung anders, kommt man auf 16 Typen.

Myers-Briggs-Typindikator (amerikanisch)

Hauptartikel: Myers-Briggs-Typindikator, siehe auch Keirsey Temperament Sorter

Der Myers-Briggs-Typindikator (MBTI) ist eine Weiterentwicklung der Typenlehre Jungs. Dabei gibt es für vier Dimensionen jeweils zwei (beliebig kombinierbare) Möglichkeiten:

Introversion (I) oder Extraversion (E)
Intuition (N) oder Sensing (S)
Feeling (F) oder Thinking (T)
Judging (J) oder Perceiving (P)

Somit gibt es 24 = 16 Typen (beispielsweise ISTJ oder INTP u. s. w.).

Es wurde ein Fragebogen für den Typindikator entwickelt, der jedoch nur käuflich verwendbar und nicht unabhängig wissenschaftlich analysiert ist. Er wird für Coaching und Firmenpersonal bzw. -entscheidungen beworben. Der Nutzen der Anwendung ist jedoch stark umstritten.

Sozionik (aus der früheren Sowjetunion)

Sozionik (Persönlichkeitstypologie) - Artikel in der deutschen Wikipedia

Die Sozionik wurde in den 1970er Jahren von der Litauerin Aušra Augustinavičiūtė entwickelt. Sie basiert ebenfalls auf Jungs Theorie und ähnelt dem Myers-Briggs-Typindikator, ist aber völlig unabhängig von diesem entstanden.

Die Einschätzung basiert eher auf persönlicher Einschätzung als auf Fragebögen (wie beim MBTI).

Ein besonderer Schwerpunkt in der Sozionik liegt darin, die sechzehn Typen nicht nur einzeln zu beschreiben, sondern auch die verschiedenen (Paar-)Beziehungen zu analysieren. Nach Ansicht führender Sozioniker verlaufen einige Beziehungen in aller Regel sehr harmonisch, während andere mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt seien.

Ernst Kretschmer

Ernst Kretschmer (1888–1964) klassifizierte in seiner physischen Konstitutionslehre und Charakterkunde vier Körperbautypen. Sie weisen jeweils typische Charakterzüge auf und neigen im Falle einer psychischen Erkrankung jeweils zu einem fest umschriebenen Typ von Psychosen, die von dem Psychiater Emil Kraepelin (1856–1926) beschrieben wurden. Diese Körperbautypen sind der pyknische, athletische, leptosome und dysplastische Typ. Dieselbe Grundrichtung, die sich innerhalb der Charakterstruktur zeigt, tritt bei der Krankheit in übersteigerter Form auf. Diese Zusammenhänge sind nicht absolut, doch im statischen Sinne gesichert. Kretschmers Arbeiten waren bahnbrechend, weil mit ihnen das Konzept der endogenen Psychosen untermauert werden konnte.[1][2]

Körpermerkmal Charakter Psychose
Pykniker breit-rundlich zyklothym, synton manisch-depressiv
Athletiker knochig-muskulär viskös-erregbar-explosiv Epilepsie
Leptosome lang-schmal starr-kühl-misstrauisch schizophren
Dysplastiker atypisch-missgebildet ? Epilepsie

Einteilung basierend auf der Hirnforschung: Vier-Quadranten-Modell

Vier-Quadranten-Modell des Gehirns - Artikel in der deutschen Wikipedia

Basierend auf der Erkenntnis, dass verschiedene Bereiche des menschlichen Gehirns für verschiedene Aufgaben und Bereiche zuständig sind (siehe Triune Brain), entwickelte Ned Herrmann (1922–1999) sein Vier-Quadranten-Modell. Danach stehe jeder der vier Bereiche (cerebral, limbisch, rechte und linke Hemisphäre) für einen Denkstil und damit einen Persönlichkeitstypus.

DISG-Typen von William Moulton Marston

Marston publizierte seine Typologie im Jahr 1928, die er aus der (subjektiven) Beobachtung verhaltensauffälliger Kinder aus New York City und Insassen eines texanischen Gefängnisses entwickelte. Marston war zwar Wissenschaftler, hat aber seine Methodik nicht angegeben und Bezug zu diversen Naturkräften wie Wasser und Gravitation hergestellt. Somit fällt diese Typologie in den Grenzbereich Wissenschaft/Esoterik. Die Buchstaben stehen für Dominance, Inducement, Submission und Compliance (deutsch Gewissenhaftigkeit).[3] Die besonderen Merkmale von D-Typen sind unter anderem: Dominanzstreben, Entschlossenheit, Kampfbereitschaft, Kühnheit und Neigung zur Aggressivität. Dieses Verhaltensprinzip vergleicht Marston unter anderem mit der Naturkraft des Wassers, das sich seinen Weg bahnt und dabei alle möglichen Hindernisse überwindet.

Der zum D-Typ komplementäre C-Typ ist eher introvertiert neigt zu Ängstlichkeit, Vorsicht, Zurückhaltung und Schüchternheit. Menschen dieses Typs streben häufig nach Harmonie und emotionalen Bindungen, sie fühlen sich der Natur verbunden und glauben häufig an höhere Mächte. I-Typen nehmen – wie auch wie D-Typen – an, sie seien ihrem Umfeld (intellektuell) überlegen. Ihr Verhalten ist weniger durch Kampfbereitschaft, sondern mehr durch Verführung und Überzeugung Anderer gekennzeichnet. In der Regel sind sie charmant und beeindruckend, haben eine anziehende (charismatische) Ausstrahlung – sind also gute Verkäufer und Selbstdarsteller. Marston vergleicht diese Anziehungskraft mit der Gravitation. Komplementär zum I-Typ ist der S-Typ. Dabei wird der Begriff Submission im Deutschen (zum Beispiel beim deutschsprachigen DISG-Test) durch „Stetigkeit“ wiedergegeben. Menschen dieses Typs neigen dazu, Anderen bereitwillig zu folgen; sie sind großzügig, freundlich, gehorsam, wohlwollend, umsichtig und altruistisch. Durch diese Verhaltensneigungen profitieren sie von der Stärke ihrer (komplementären) I-Typen, indem sie sich mit ihnen verbünden.[4] John G. Geier hat aus diesen Begriffen den DISG-Test entwickelt.

Big Five

Big Five (Psychologie) - Artikel in der deutschen Wikipedia

Ein lexikalischer Ansatz, der postuliert, dass sich die Persönlichkeitsmerkmale in der Sprache niederschlagen. Nach diesem Ansatz werden die Personen auf Skalen des Neurotizismus, der Extraversion, der Offenheit für Erfahrungen, der Gewissenhaftigkeit, und der Verträglichkeit eingeordnet. Das Modell ist Gegenstand aktueller Forschung in der Psychologie (s. Hauptartikel).

Esoterische Typenlehren

Enneagramm

Enneagramm - Artikel in der deutschen Wikipedia

Das Enneagramm ist die bekannteste esoterische Typenlehre. Es basiert aus neun verschiedenen Typen (je drei aus dem Bereich Kopf-, Herz- und Bauchmenschen), die in bestimmten Beziehungen zueinander stehen. Das Enneagramm ist dabei auf (spirituelles) Wachstum bzw. Reifen ausgerichtet.

Die Wurzeln des Enneagramms liegen im Dunkeln.

Sternzeichen (Astrologie)

Hauptartikel: Tierkreiszeichen

Das auf die frühe Antike zurückgehende System der astronomischen Einteilung des Jahres nach Tierkreiszeichen (Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann, Fische) ist Grundlage für eine Typologie mit zwölf Typen. Dabei determiniert das Geburtsdatum den Typ.

Die Einteilung kann noch deutlich verfeinert werden zu einem fast individuellen Horoskop, beispielsweise durch den Aszendenten.

Die Astrologie hat auch die Vier-Elemente-Lehre aufgegriffen, indem sie jedem Tierkreiszeichen eines der Elemente beiordnet.

(Fern-)östliche Typenlehren

Dosha/Ayurveda

Dosha - Artikel in der deutschen Wikipedia

Diese Theorie unterteilt die Menschen in Typen entsprechend ihrem Dosha (Lebensenergie): Vata (unstetig), Pitta (exzessiv) und Kapha (langsam). Auch hier finden sich Zuordnungen zu Elementen.

Die darauf basierende Heilkunde ist Ayurveda.

Andere

Andere Typensysteme sind:

  • Bioklimatischer Reaktionstyp[5] (K-Typ/W-Typ) nach Manfred Curry (1946)
  • Faktorenanalyse als offenes Verfahren
  • Psychoanthropologie nach Ludwig Ferdinand Clauß
  • Soziale Typen, z. B. der Homo oeconomicus bei Eduard Spranger
  • Japanische Blutgruppendeutung: Zuordnung von Wesensmerkmalen zu Blutgruppen
  • Terlusollogie (Atemtypenlehre nach Erich Wilk)

Literatur

Einzelnachweise

  1. Typenlehre. In: Peter R. Hofstätter (Hrsg.): Psychologie. Das Fischer Lexikon. Fischer-Taschenbuch, Frankfurt a. M. 1972, ISBN 3-436-01159-2, S. 328 ff.
  2. Ernst Kretschmer: Körperbau und Charakter. 1921, 25. Auflage 1967.
  3. William Moulton Marston: Emotions Of Normal People. New York / London, 1928, S. 114 f.
  4. William Moulton Marston: Emotions Of Normal People. New York / London, 1928, S. 113 ff.
  5. Manfred Curry: Bioklimatik. Riederau American Bioklimatic Research Institute, 1946.


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Typen (Psychologie) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.