Sieben Freie Künste und Paulus von Tarsus: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Bild:Septem-artes-liberales_Herrad-von-Landsberg_Hortus-delicarium_1180.jpg|thumb|200px|Septem artes liberales aus "[[Wikipedia:Hortus deliciarium|Hortus deliciarium]]" der [[Wikipedia:Herrad von Landsberg|Herrad von Landsberg]] (um 1180)]]
[[Bild:Albrecht Dürer 027.jpg|thumb|„Apostel Paulus“ von Dürer]]
Die '''Sieben Freien Künste''' ([[Wikipedia:Latein|lat.]] ''Septem artes liberales''), die von den praktischen Künsten,  den sog. [[Wikipedia:Artes mechanicae|Artes mechanicae]], als die höherrangigen unterschieden wurden, umfassten einen systematisch geordneten Kanon von sieben Studienfächern. Sie gliederten sich in das [[Trivium]] (''Dreiweg'') der sprachlich und logisch-argumentativ ausgerichteten Fächer, in denen [[Wikipedia:Latein|Latein]] als die grundlegende Wissenschaftssprache gepflegt wurde, und das weiterführende [[Quadrivium]] (''Vierweg'') der mathematischen orientierten Fächer. Oberflächlich besehen bildeten die sieben Studienfächer nach späterer römischer Vorstellung das Fundament der 'einem freien Mann' geziemenden Bildung. Im [[Wikipedia:mittelalter]]lichen Lehrwesen dienten sie als Vorbereitung auf die eigentlichen wissenschaftlichen Studienfächer [[Wikipedia:Theologie|Theologie]], [[Wikipedia:Rechtswissenschaft|Jurisprudenz]] und [[Medizin]].  
'''Paulus von Tarsus''' ([[Hebräische Sprache|hebräischer]] Name: [[Wikipedia:Saul|Saul]]; lat.: Saulus; * unbekannt, † nach [[Wikipedia:60|60]], eventuell in [[Rom]]) ist der erste und wichtigste [[Theologie|Theologe]] der [[Christentum]]sgeschichte und neben [[Simon Petrus]] der erfolgreichste [[Wikipedia:Mission|Mission]]ar des [[Urchristentum]]s.  


== Die geistigen Wurzeln des [[Quadrivium]]s und des [[Trivium]]s ==
Als griechisch gebildeter [[Jude]] und gesetzestreuer [[Pharisäer]] verfolgte Paulus die Anhänger des gekreuzigten [[Jesus von Nazaret]], dem er nie begegnet war, zunächst. Doch seit seinem [[Damaskuserlebnis]] verstand er sich als von Gott berufener „[[Apostel]] des [[Evangelium]]s für die Völker“ ({{B|Gal|1|15f}}). Als solcher verkündete er vor allem Nichtjuden den [[Auferstehung Jesu Christi|auferstandenen]] [[Jesus Christus]]. Dazu bereiste er den östlichen [[Wikipedia:Mittelmeerraum|Mittelmeerraum]] und gründete dort einige christliche Gemeinden. Durch seine [[Paulusbriefe]] blieb er mit ihnen in Kontakt.


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Diese ältesten erhaltenen Schriften des [[Neues Testament|Neuen Testaments]] haben nicht nur Theologen wie [[Augustinus von Hippo]], [[Martin Luther]] und [[Wikipedia:Karl Barth|Karl Barth]], sondern auch [[Philosoph]]en wie [[Sören Kierkegaard]] oder [[Karl Jaspers]] geprägt und damit die europäische [[Geschichte der Philosophie|Geistesgeschichte]] stark beeinflusst. Seit der [[Aufklärung]] sehen viele Denker –&nbsp;u.&nbsp;a. [[Friedrich Nietzsche]] oder [[Wikipedia:Hannah Arendt|Hannah Arendt]]&nbsp;– in Paulus den eigentlichen Gründer des [[Christentum]]s.  
"Das aber ist verbunden damit, daß bei den Ägyptern in der Blütezeit ihrer Kultur namentlich vier Wissenszweige in der alten Form ganz besonders lebten, das waren die Geometrie, die Astrologie, die Arithmetik und die Musik. Indem der Ägypter auf dasjenige hinschaute, was gewissermaßen als ein Überirdisches aus der Erde heraus den Leib bildete, stellte er sich vor: Dieser Leib wird gebildet in seinen Raumesformen nach dem Gesetz der Geometrie; er steht unter dem Sterneneinflusse nach dem Gesetze der Astrologie; er betätigt sich von innen heraus nach dem Gesetz der Arithmetik, und er ist innerlich harmonisch gebaut nach dem Gesetz der Musik, wobei das Musikalische nicht bloß das Tonlich-Musikalische ist, sondern überhaupt das in Harmonien sich Auslebende. Im Menschen selber, der da eine Wirkung der Erde war, in diesem Mumienmenschen sah der Ägypter das Ergebnis von Geometrie, Astrologie, Arithmetik und Musik. Das trat für den Griechen zurück. Der Grieche setzte an die Stelle des, ich möchte sagen, Leblosen, Mumienhaften, das man begreifen kann durch Geometrie, Astrologie, Arithmetik und Musik, er setzte das lebendige, das seelisch-lebendige, innerliche, plastisch Sich-Gestalten, künstlerische Sich-Formen des menschlichen Leibes.


Daher sehen wir in einer gewissen Weise untergehen in der griechischen Kultur Geometrie, wie sie vorhanden war bei den Ägyptern. Sie wird zur bloßen Wissenschaft; sie ist nicht mehr Offenbarung. Ebenso verhält es sich mit der Astrologie, ebenso mit der Arithmetik. Höchstens das innere Harmonische, das dem Lebendigen zugrunde liegt, bleibt noch in der griechischen Auffassung der Musik.
== Quellen ==
[[Bild:Paulus St Gallen.jpg|thumb|Der schreibende Paulus in einer frühmittelalterlichen Ausgabe seiner Briefe]]
Im Neuen Testament werden Paulus dreizehn Briefe zugeschrieben. Für mindestens sieben davon - [[Wikipedia:Brief des Paulus an die Römer|Röm]], [[Wikipedia:1. Korintherbrief|1 Kor]], [[Wikipedia:2. Korintherbrief|2 Kor]], [[Wikipedia:Brief des Paulus an die Galater|Gal]], [[Wikipedia:Brief des Paulus an die Philipper|Phil]], [[Wikipedia:1. Brief des Paulus an die Thessalonicher|1 Thess]], [[Wikipedia:Brief des Paulus an Philemon|Phlm]] - erkennt die heutige [[Wikipedia:Historisch-kritische Methode|historisch-kritische Forschung]] seine Autorschaft an. Sie wurden zwischen 50 und 60 verfasst und sind die Hauptquelle für Biografie, Theologie und Missionstätigkeit des Paulus.  


Und als dann das Lateinische an die Stelle trat, da, wie gesagt, stellte sich der Römer sein Geistig-Seelisches vor, wie es ist zwischen Geburt und Tod, mit dem innerlichen Geistigen, aber so wie es sich ausdrückt jetzt nicht innerlich anschaubar, sondern innerlich erlebbar, sich selber auf die Erde hinstellend durch Grammatik, durch Dialektik und durch Rhetorik. Daher glänzte auf in den Zeiten, in denen das Griechische überging in das Lateinische, Grammatik: das Sich-Darstellen des Menschen als Geist durch das Wort; Rhetorik: das Sich-Darstellen des Menschen durch das Schöne des Wortes, durch das Formen des Wortes; Dialektik: das Sich-Darstellen der Seele durch das Formen des Gedankens. Und nur wie eine alte Erbschaft zur Wissenschaft geworden waren noch Arithmetik, Geometrie, Astrologie und Musik. Diese Dinge, die im alten Ägypten sehr lebendig waren, die wurden abstrakte Wissenschaften. Dagegen lebendig wurde das, was an dem Menschen haftet: Grammatik, Rhetorik, Dialektik. Es ist ein großer Unterschied zwischen dem, wie im alten Ägypten der voreuklidischen Zeit ein Dreieck empfunden wurde, und dem, wie es später, nach Euklid, empfunden wurde. Das abstrakte Dreieck, das haben die nicht so empfunden, wie es nachher empfunden wurde. Euklid bedeutet die Dekadenz der ägyptischen Arithmetik und Geometrie. Da empfand man Weltenkräfte, wenn man sich ein Dreieck vorstellte. Da war das Dreieck eine Wesenheit. Jetzt wurde das alles Wissenschaft. Und lebendig wurden Dialektik und Grammatik und Rhetorik.
Von den paulinischen Missionsreisen berichtet außerdem die [[Apostelgeschichte]] (Apg) des [[Lukas (Evangelist)|Lukas]]. Sie wurde einige Jahrzehnte nach den geschilderten Ereignissen verfasst und will in erster Linie eine idealtypische Ausbreitung des christlichen Glaubens darlegen. An historischen Abläufen ist sie weniger interessiert. Deshalb gilt sie nicht durchgehend als historisch verlässlich. Dennoch bestätigt und ergänzt sie einige biografische und theologische Angaben der Paulusbriefe.
Und nun gestaltete es sich so, daß die Schulen in der Weise gebildet wurden, daß man sagte: Derjenige, der ein gebildeter Mensch werden will, der muß das Geistige in dem vorausgehenden Geistig-Seelischen des eigenen Menschen ausbilden. Er muß zunächst absolvieren als erste Stufe des gebildeten Unterrichts Grammatik, Rhetorik, Dialektik; dann dasjenige, was nur als Erbschaft da ist, was Gegenstand des höheren Unterrichts bildete, aber was doch eben als Erbschaft, als Überlieferung da ist: Geometrie, Astrologie, Arithmetik, Musik. Und das waren dann auch noch später durch das ganze Mittelalter hindurch die sieben freien Künste: Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Geometrie, Astrologie, Arithmetik und Musik. Dasjenige, was mehr hervortrat: Grammatik, Rhetorik, Dialektik, dasjenige, was mehr im Hintergrunde war, was der alte Ägypter noch lebendig erfaßte, als er mit der Erde im Zusammenhang stand, das war damals das höhere Unterrichten, Gegenstand des höheren Unterrichtens, und das war das Wesentliche, was sich ausbildet zwischen dem 8. vorchristlichen und dem 4. nachchristlichen Jahrhundert. Schauen Sie noch auf Griechenland hin im 4. nachchristlichen Jahrhundert oder auch weiter hinaus im 3., im 5. Jahrhundert, schauen Sie hinüber nach dem heutigen Italien, Sie finden überall, daß da in der Hochblüte steht dieses Wissen von dem Menschen als einem plastischen äußeren Kunstwerke, einem Ergebnis des Geistig-Seelischen, einem Leben des Geistigen durch Dialektik, Rhetorik, Grammatik. So etwa ist Julian Apostata in der athenischen Philosophenschule gebildet worden. So sah er das Menschenwesen an.


In diese Zeit schlug hinein der Anfang des Christentums. Aber er schlug hinein, als das schon alles in gewissem Sinne im Abglimmen doch war. Im 4. Jahrhunderte war es ja auf seinem Höhepunkte, und wir haben gesehen, wie schon bei Johannes Scotus Erigena nur eine Erbschaft davon vorhanden war. Es ist ja dasjenige, was da gelebt hat zum Beispiel im Griechen aus einer solchen Anschauung heraus, wie ich sie Ihnen charakterisiert habe, es ist ja das dann übergegangen auf Plato, auf Aristoteles, die das philosophisch ausgesprochen haben. Aber als das 4. nachchristliche Jahrhundert heranrückte, verstand man immer weniger den Plato und den Aristoteles. Man konnte höchstens das Logische, das Abstrakte herübernehmen. Man lebte in Grammatik, in Rhetorik, in Dialektik. Arithmetik, Geometrie, Astrologie und Musik waren Wissenschaften geworden. Man lebte sich immer mehr und mehr schon herein in eine Art Abstraktionselement, man lebte sich schon hinein in ein Element, wo dasjenige, was früher lebendig war, nur wie eine Erbschaft noch da sein sollte. Und als die Jahrhunderte weitergingen, da wurde es immer mehr Erbschaft. Diejenigen, die dann sich innerhalb der lateinischen Sprache ausbildeten, sie behielten zurück, ich möchte sagen, mehr oder weniger verknöchert, Grammatik, Rhetorik, Dialektik, während vorher der Mensch gelacht hätte darüber, wenn man ihn gefragt hätte, ob denn dasjenige, was er denkt, auf etwas Reales hinweist; er würde gelacht haben, denn er sagte: Ich treibe ja Dialektik, ich treibe doch nicht die Kunst der Begriffe, um irgend etwas Irreales zu treiben. Da lebt doch in mir die geistige Realität. Indem ich Grammatik treibe, spricht in mir der Logos. Indem ich Rhetorik treibe, ist es die Weltensonne, die in mich hereinwirkt. - Das Bewußtsein, so zusammenzuhängen mit der Welt, das ging immer mehr und mehr verloren. Die Dinge wurden abstrakte Seelenerlebnisse, wie sie es ja schon vollends sind bei Johannes Scotus Erigena. Und dasjenige, was erhalten geblieben war aus den älteren Zeiten - der Plato, Aristoteles -, sie wurden eben nur mehr oder weniger noch logisch aufgefaßt. Man fand nicht das Lebendige in ihnen." {{Lit|GA 204, Vortrag vom 5.6.1921}}
Schließlich existieren einige der paulinischen Theologie nahestehenden Briefe: [[Wikipedia:Epheserbrief|Eph]], [[Wikipedia:Kolosserbrief|Kol]], [[Wikipedia:2. Thessalonicherbrief|2 Thess]], [[Wikipedia:1. Timotheusbrief|1 Tim]], [[Wikipedia:2. Timotheusbrief|2 Tim]], [[Wikipedia:Titusbrief|Tit]] und [[Wikipedia:Hebräerbrief|Hebr]]. Sie wurden zwischen 70 und 100 von einer Schülergeneration des Paulus verfasst und ermöglichen Rückschlüsse auf die Auffassung und Wirkung seiner Theologie.  
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Außerbiblische Quellen zu Leben und Werk des Paulus sind nicht bekannt.


== Die tiefere Bedeutung der Sieben Freien Künste ==  
== Chronologie ==
=== Fixpunkte und relative Reisefristen ===
Ausgangspunkt für die Datierung der paulinischen Missionsreisen ist eine Angabe in {{B|Apg|18|12}}: Danach wurde Paulus gegen Ende seines Aufenthalts in Korinth dem römischen Statthalter [[Wikipedia:Lucius Junius Gallio|Lucius Junius Gallio]] vorgeführt. Nach einer in [[Wikipedia:Delphi|Delphi]] gefundenen Inschrift bekleidete Gallio dieses Amt wohl von Frühsommer des Jahres 51 bis Frühsommer 52. Zudem erwähnt {{B|Apg|18|2}} ein Edikt des Kaisers [[Wikipedia:Claudius|Claudius]], wonach die Juden Rom verlassen mussten: Dieses wird auf 49 datiert. Demnach war Paulus 50/51 n.Chr. für etwa anderthalb Jahre in Korinth. Von da aus werden die übrigen chronologischen Daten ungefähr errechnet.


Die tiefere geistige Bedeutung der Sieben Freien Künste liegt darin, dass durch sie systematisch im platonischen Sinn die Wiedererinnerung an das vorgeburtliche Dasein geweckt wird. Auf seinem Weg durch das vorgeburtliche Leben steigt der Mensch durch die Planetensphären herab und nimmt dabei die Bildekräfte auf, die später im Erdenleben dazu dienen sollen, die Seele so zu bilden, dass entsprechende Inspirationen aus den Planetensphären aufgenommen werden können.  
Um 48 müsste Paulus aus Antiochia aufgebrochen sein ({{B|Apg|15|40}}). Etwa 46/47 unternahm er mit Barnabas eine Missionsreise durch Zypern und die Südtürkei, besuchte Athen ({{B|Apg|17}} und {{B|1_Thess|3|1-5}}) und gründete Gemeinden in Thessaloniki und [[Wikipedia:Philippi|Philippi]] (Apg 16-17 und {{B|1_Thess|2|2}}). Um 46 besuchte er Jerusalem ({{B|Apg|12|25}}) - möglicherweise, um eine Kollekte zu überbringen ({{B|Apg|11|30}} und {{B|Gal|2|10}}). Diese Kollektenübergabe wird oft mit einer Hungersnot in Palästina in Verbindung gebracht, die der jüdische Geschichtsschreiber [[Wikipedia:Flavius Josephus|Flavius Josephus]] für die Mitte der 40er Jahre angab.  


=== Sieben Seelenkräfte ===
Den Zeitraum vor diesem Besuch beschreibt Paulus im [[Wikipedia:Galaterbrief|Galaterbrief]]: Auf seine Bekehrung folgten Aufenthalte in Arabien und [[Wikipedia:Damaskus|Damaskus]]. Drei Jahre danach habe er erstmals die [[Wikipedia:Jerusalemer Urgemeinde|Jerusalemer Urgemeinde]]  besucht und dort Petrus und Jesu Bruder [[Wikipedia:Jakobus der Gerechte|Jakobus]] getroffen ({{B|Gal|1|17f}}; vgl. {{B|Apg|9|26-30}}). Dann missionierte er in [[Wikipedia:Syrien|Syrien]] und [[Wikipedia:Kilikien|Kilikien]] ({{B|Gal|1|21}}), also wohl in [[Wikipedia:Tarsus|Tarsus]] und [[Wikipedia:Antiochia|Antiochia]]. Vierzehn Jahre nach seiner Bekehrung besuchte er zum zweiten Mal Jerusalem ({{B|Gal|2|1-10}}).


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Nimmt man als wahrscheinliches Todesdatum Jesu das Jahr 30 an und addiert die Jahresfristen in Gal 1-2, dann wurde Paulus im Jahr 32 oder 33 Christ und begann dann seine Missionstätigkeit.
"Ich habe selbst einmal darauf aufmerksam gemacht, dass wir es bei den sieben Töchtern
des nidianitischen Priesters Jethro, welche Moses am Brunnen seines Schwiegervaters
trifft, aber auch bei den sieben freien Künsten im Mittelalter im Wesentlichen
mit demselben zu tun haben." {{Lit|GA 286, S 28ff}}
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Von Korinth aus reiste Paulus nach einer kurzen Zwischenstation in Antiochia ({{B|Apg|18|23}}) nach [[Ephesus]], wo er etwa 52 bis 56 blieb ({{B|Apg|19|1.8.10}}; {{B|Apg|20|31}}). Danach reiste er über Makedonien wieder nach Korinth, wo er einen Winter verbrachte (u.&nbsp;a. {{B|2_Kor|2|12f}}; {{B|Apg|20|1f}}). Im Frühjahr 57 muss er dann nach Jerusalem aufgebrochen sein ({{B|Apg|20|3}} und {{B|Röm|15|25ff}}). Dort wurde er vom Statthalter Antonius Felix verhaftet und zwei Jahre lang in Gewahrsam in [[Wikipedia:Cäsarea|Cäsarea]] gehalten (Apg 20ff). Im Jahr 59 trat der neue Statthalter [[Wikipedia:Porcius Festus|Porcius Festus]] sein Amt an: Erst jetzt konnte Paulus an den römischen Kaiser appellieren und wurde nach Rom verschifft.  
"Was Moses nun als Schüler dieses großen Priesterweisen erleben sollte, wird uns so dargestellt, dass er zunächst an dem Orte, wo er den Priester aufsucht, bei einem Brunnen - wieder ein Symbol, ein Symbol für den Weisheitsquell - die sieben Töchter des Priesterweisen trifft. Wer verstehen will, was in einer solchen Schilderung Tieferes liegt, muss sich vor allem daran erinnern, dass in aller mythischen Darstellung immer, zu allen Zeiten, das, was die Seele an höheren Erkenntnissen und Seelenkräften überhaupt in sich entwickeln kann, durch das Symbol von weiblichen Gestalten dargestellt wird - bis herunter zu Goethe in seinen Worten am Schlüsse des «Faust» vom «Ewig-Weiblichen». So erkennen wir in den «sieben Töchtern» des Priesters Jethro die sieben menschlichen Seelenkräfte wieder, über welche die Weisheit des Priesterweisen zu verfügen hatte. Da muss man bedenken, dass in jenen alten Zeiten, die noch durchaus von dem Bewusstsein des alten Hellsehens belebt waren, andere Anschauungen über das herrschten, was die Menschenseele mit ihren einzelnen Kräften ist. Wir können uns über dieses Bewusstsein nur eine Vorstellung bilden, wenn wir von Begriffen ausgehen, die wir heute selber haben. Wir sprechen heute von der menschlichen Seele und ihren Kräften, dem Denken, Fühlen und Wollen, in der Weise — und es ist richtig vom Standpunkte des intellektualistischen Bewusstseins aus so zu sprechen -, dass wir in uns haben dessen Kräfte, dass sie gleichsam Einschlüsse der Seele bilden. Anders dachte der alte Mensch unter dem Einflüsse der hellseherischen Begabung. Er fühlte zunächst einmal in seiner Seele kein solches einheitliches Wesen und in seinem Denken, Fühlen und Wollen nicht solche Kräfte, die aus dem Zentrum des Ich wirken und einheitlich die Seele organisieren. Sondern der alte Mensch fühlte sich wie hingegeben an den Makrokosmos und die einzelnen Kräfte, und die einzelnen Seelenkräfte fühlte er wie im Zusammenhange stehend mit besonderen göttlich-geistigen Wesen-heiten. Wie wir - was wir aber nicht tun - uns vorstellen können, dass unser Denken befruchtet wird, getragen wird von einer anderen geistigen Weltenkraft als unser Fühlen und unser Wollen, so dass sich verschiedene Strömungen, verschiedene geistige Kräfte aus dem Makrokosmos in unser Denken, Fühlen und Wollen hineinergössen, und dass wir mit diesen in Beziehung stünden - so fühlte der alte Mensch nicht die Seele als ein Einheitliches, sondern der Mensch sagte sich: Was in mir ist, das ist nur der seelische Schauplatz, und geistig-göttliche Kräfte aus dem Universum sind es, welche sich ausleben auf diesem Schauplatz.


Sieben solcher Seelenkräfte waren es, die bei Moses gegeben sind, die hereinwirkten auf den Schauplatz des Seelenlebens. Wenn wir sehen wollen, wie überhaupt für die Entwickelung des menschlichen Bewusstseins die ganzen Anschauungen abstrakter und abstrakter, intellektueller und intellektueller wurden, so können wir zum Beispiel auf Plato hinschauen, dessen Ideen lebendige Wesen sind, die ein Dasein führen wie für den heutigen Menschen nur die Stoffe. Und die einzelne Seelenkraft hat etwas, was sich auswirkt auf dem Schauplatze der gesamten Seele. Aber immer mehr und mehr werden die Fähigkeiten der Seele zu abstrakten Begriffen, und die Einheit des Ich tritt immer mehr und mehr in ihre Rechte. Wir können - so sonderbar es klingt - in einer abstrakten Form das, was uns die sieben Töchter des midianitischen Priesterweisen symbolisieren sollen, als die sieben lebendigen Geistkräfte, die auf dem Schauplatz der Seele wirken sollen, noch in den mittelalterlichen sieben freien Künsten erkennen; wie da die sieben freien Künste aus der menschlichen Seele sich hervorleben, das ist der letzte abstrakte Nachklang des Bewusstseins, dass sieben Fähigkeiten sich in dem Seelischen ausleben, dass diese sieben Fähigkeiten eben die Seele zu ihrem Schauplatz haben.
Wann das so genannte [[Wikipedia:Apostelkonzil|Apostelkonzil]] stattfand, ist ungewiss. Nach Gal 2,1-10 fiel es mit dem zweiten Jerusalembesuch des Paulus zusammen, nach Apg 15 mit einem dritten. Auch die Details beider Erzählungen - Reiseanlässe, Reisergebnisse, Reisezeiten - stimmen nicht überein. Für einige Historiker berichten die beiden Texte daher über verschiedene Ereignisse. Die meisten Exegeten gehen davon aus, dass sich das Aposteltreffen nach dem Tod [[Wikipedia:Agrippa|Agrippa]]s (44 n.Chr.) ereignete, vermutlich zwischen 46 und 48.


Wenn wir dies berücksichtigen, werden wir vor die Tatsache geführt, dass Moses mit seinem Seelischen vor dem Gesamtaspekt der sieben menschlichen Seelenkräfte stand, dass er aber vorzugsweise die Aufgabe hatte, eine einzige derselben ganz und gar wie einen Impuls der menschlichen Entwickelung einzuimpfen. Das konnte er dadurch, dass es der besonderen Blutanlage und dem Temperament seines Volkes gegeben war, dieser Seelenkraft, die in ihren Wir-kungen bis zu uns herunterreicht, ein besonderes Interesse entgegenzubringen. Das war die Seelenkraft, welche die übrigen, vorher getrennt gedachten Seelenkräfte in ein einheitliches inneres Seelenleben zusammenschließt, in ein Ich-Leben. Darum wird erzählt: Eine der Töchter des Jethro heiratet Moses. Das heißt: in seiner Seele machte sich insbesondere eine der Seelenkräfte wirksam, machte sich so wirksam, dass sie unter seinem Impulse für eine lange Zeit der Menschheitsentwickelung die tonangebende Seelenkraft wird, welche die anderen zu einer einheitlichen Ich-Seele zusammenfasst." {{Lit|GA 60, S 422ff}}
=== Übersicht ===
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*etwa 32-33: Bekehrung bzw. Berufung zum Völkerapostel
*bis 35: Damaskus, Arabien, dann wieder Damaskus
*35: erste Jerusalemreise
*danach Tarsus/Kilikien, Antiochia/Syrien
*46 oder 48: zweiter Jerusalembesuch mitsamt Apostelkonzil
*46/47: Zypern, Südtürkei
*48-50: Philippi, Thessaloniki, Athen
*50/51: erster Korinthbesuch, dort Abfassung des ersten Thessalonicherbriefs
*Zwischenstation in Antiochia
*52-56: Ephesus, dort Abfassung der Briefe Gal, Phil, 1 Kor, Phlm
*56/57: Makedonien, zweiter Korinthbesuch, dort Abfassung von 2 Kor und Röm
*57: letzte Jerusalemreise
*57-59: Gefangenschaft in Cäsarea
*59/60: Überführung nach Rom


Es geht nicht um ein Wissen, das man sich aneignet, sondern um die Erübung von Fähigkeiten – darum sind es auch nicht 7 [[Wissenschaft]]en, sondern eben 7 [[Kunst|Künste]] (Kunst = Können!), die wesenhaft als 7 Jungfrauen erlebt wurden, die sich um die Heilige Jungfrau, um die [[Jungfrau Sophia]] scharen.  
Diese Liste nennt nur die verhältnismäßig gesicherten Daten. Patristische Notizen von einer angeblichen Paulusmission in [[Wikipedia:Spanien|Spanien]] und von seiner Hinrichtung in Rom unter Kaiser [[Wikipedia:Nero|Nero]] (64) gelten dagegen als [[Wikipedia:Legende|Legende]]n.


[[Wikipedia:Philosophie|Philosophie]] war in diesem Sinne Liebesdienst für die Jungfrau [[Maria]] oder auch für die Göttin [[Natura]], wie man es vielfach in den Erzählungen zu den 7 freien Künsten findet (da wirkt noch ganz ungebrochen und harmonisch mit dem Christlichen vereint der keltisch-druidische Ursprung nach). Der von niederen sinnlichen Begierden gereinigte [[Astralleib]] (-> [[Katharsis]]) wird in der christlichen Esoterik als «[[Jungfrau Sophia]]» bezeichnet, gleichbedeutend, allerdings eben in christlich verwandelter Form. mit der «[[Isis]]» der [[Ägyptische Mysterien|ägyptischen Mysterien]], von [[Goethe]] im abschließenden Chorus Mysticus seiner [[Faust-Dichtung]] als das [[Ewig-Weibliche]] angesprochen:
== Leben ==
=== Herkunft und Ausbildung ===
Nach {{B|Apg|22|3}} stammte Paulus aus einer strenggläubigen jüdischen Familie aus [[Wikipedia:Tarsos|Tarsos]] in der damaligen römischen Provinz [[Wikipedia:Kilikien|Kilikien]], einem Landstrich in der heutigen [[Wikipedia:Türkei|Südtürkei]] im Grenzgebiet zu Syrien. Diese Hafenstadt war damals ein bedeutendes Handelszentrum mit einer größeren jüdischen [[Wikipedia:Diaspora|Diaspora]]-Gemeinde, wie es sie in vielen Küstenstädten des Mittelmeerraums gab.


:"Die christliche Esoterik nannte diesen gereinigten, geläuterten astralischen Leib, der in dem Augenblick, wo er der Erleuchtung unterworfen ist, nichts von den unreinen Eindrücken der physischen Welt in sich enthält, sondern nur die Erkenntnisorgane der geistigen Welt, die «reine, keusche, weise Jungfrau Sophia». Durch alles das, was der Mensch aufnimmt in der Katharsis, reinigt und läutert er seinen astralischen Leib zur «Jungfrau Sophia». Und der «Jungfrau Sophia» kommt entgegen das kosmische Ich, das Welten-Ich, das die Erleuchtung bewirkt, das also macht, daß der Mensch Licht um sich herum hat, geistiges Licht. Dieses Zweite, das zur «Jungfrau Sophia» hinzu-kommt, nannte die christliche Esoterik - und nennt es auch heute noch - den «Heiligen Geist». So daß man im christlich-esoterischen Sinne ganz richtig spricht, wenn man sagt: Der christliche Esoteriker erreicht durch seine Einweihungsvorgänge die Reinigung und Läuterung seines astralischen Leibes; er macht seinen astralischen Leib zur «Jungfrau Sophia» und wird überleuchtet - wenn Sie wollen, können Sie es überschattet nennen - von dem «Heiligen Geiste», von dem kosmischen Welten-Ich." {{lit|GA 103, 12.Vortrag}}
Von seinem Vater erbte Paulus nach {{B|Apg|16|37}}; {{B|Apg|22|28}} das [[Wikipedia:Römisches Bürgerrecht|römische Bürgerrecht]], das nur eine Minderheit der jüdischen Reichsbewohner besaß. Darauf soll er sich nach Lukas später erfolgreich in Konflikten um seine Mission berufen haben. Er selbst erwähnt sein Bürgerrecht nicht.


Die Sieben Freien Künste werden meist als weiblichen Allegorien mit folgenden Attributen dargestellt:
Lukas führt ihn mit dem jüdischen Vornamen ''Saulus'' ein ({{B|Apg|7|58}}; {{B|Apg|8|1.3}}), der von [[Wikipedia:Saul|Saul]] (hebräisch ''Schaul''), dem ersten König [[Wikipedia:Israel (Reich)|Israels]], abgeleitet ist. Wie dieser stammte seine Familie aus dem [[Wikipedia:Benjamin (Bibel)|Stamm Benjamin]] ({{B|1_Sam|9|1}}), der als der kleinste der [[Wikipedia:Zwölf Stämme Israels|Zwölf Stämme Israels]] galt. Darauf kann der griechische Name ''Paulos'' (= der Kleine; lateinisch ''Paulus'' bzw. ''Paullus'') anspielen und auch wegen seiner Lautähnlichkeit zu ''Schaul'' gewählt worden sein. Paulus selbst verwendete ihn immer in seinen Briefen.
:::::* Grammatik - Rute
:::::* Dialektik - Schlange
:::::* Rhetorik - Tafel & Griffel
:::::* Geometrie - Zirkel
:::::* Arithmetik - Rechenbrett
:::::* Astronomie - Astrolabium
:::::* Musik - Musikinstrument


Die Griechen legten sich noch nicht auf eine kanonische Anzahl der Fächer der Freien Künste fest. Erstmals erfuhren die Sieben Freien Künste eine enzyklopädische Behandlung durch den römischen Gelehrten [[Wikipedia:Marcus Terentius Varro|Marcus Terentius Varro]] im 1. Jahrhundert v. Chr. Die Sieben Künste des Mittelalters kannte man vor allem aus Schriften des 5. bis 7. Jahrhunderts n. Chr., besonders des [[Wikipedia:Martianus Capella|Martianus Capella]], [[Wikipedia:Flavius Magnus Aurelius Cassiodurus|Flavius Magnus Aurelius Cassiodurus]] und des [[Wikipedia:Isidor von Sevilla|Isidor von Sevilla]].  
Lukas erwähnt den Doppelnamen beiläufig erst in {{B|Apg|13|9}}. Saulus wechselte seinen Namen also nicht wegen seiner Bekehrung und [[Wikipedia:Taufe|Taufe]] zu Paulus, wie es die bekannte [[Wikipedia:Redewendung|Redewendung]] irrtümlich nahelegt, sondern trug beide Namen wohl seit seiner Geburt. Mehrsprachige Vor- oder Doppelnamen waren damals unter Diasporajuden üblich. Allerdings war der Name ''Paulus'' unter ihnen sehr selten.


Als Merkvers für die Sieben [[Wikipedia:artes liberales|artes liberales]] diente in früheren Zeiten das folgende lateinische Epigramm:
Paulus selbst betonte zwar den völligen Wesenswandel, der ihm durch Jesus Christus widerfuhr, brachte diesen aber nicht mit einem Namenswechsel in Verbindung. Er verwahrte sich entschieden dagegen, diesen Wandel als Aufgabe seines Judeseins misszuverstehen. Gegenüber innerchristlichen Gegnern hob er seine jüdische Abstammung später immer wieder voll Stolz hervor (z.&nbsp;B. {{B|Phi|3|5f}}):
:''... einer aus dem Volk Israel, vom Stamme Benjamin, ein Hebräer von Hebräern, nach dem Gesetz ein Pharisäer ...''
Demnach wurde Paulus wohl schon in seiner Jugend zu einem [[Wikipedia:Tora|Tora]]lehrer ausgebildet. Laut {{B|Apg|22|3}} wuchs er in Jerusalem auf und wurde dort vom damals berühmten [[Wikipedia:Rabbiner|Rabbiner]] [[Wikipedia:Gamaliel I.|Gamaliel I.]] unterrichtet; er selbst jedoch erwähnt weder den Umzug noch seinen Lehrer, auch nicht, wo es ihm genützt hätte. Seine Briefe zeigen sowohl solide Kenntnisse des [[Wikipedia:Tanach|Tanach]] als auch [[Hellenismus|hellenistischer]] Rhetorik, Redeformen und Briefschemata. Sie gebrauchen viele Begriffe der hellenistischen Popularphilosophie –&nbsp;besonders der [[Wikipedia:Stoa|Stoa]]&nbsp;–; zugleich grenzte sich Paulus als Christ später bewusst von der im Diasporajudentum gepflegten [[Wikipedia:Weisheit|Weisheit]] ab ({{B|1_Kor|2|1-4}}). Die von Lukas stilisierte Paulusrede auf dem [[Wikipedia:Areopag|Areopag]] ({{B|Apg|17}}) wird daher als spätere apologetische Umdeutung genuin paulinischer Kreuzestheologie beurteilt.<ref>Günter Bornkamm, ''Paulus'' S.&nbsp;33; 84f</ref>


: ''Gram loquitur, Dia verba docet, Rhe verba ministrat / Mus canit, Ar numerat, Geo ponderat, Ast colit astra'' (dt.: "Die Grammatik enthält die Sprache, die Dialektik erklärt die Worte, die Rhetorik lehrt das Reden / Die Musik singt, die Arithmetik zählt, die Geometrie misst das Gewicht, die Astronomie behandelt die Sterne")
Nach jüdischem Brauch lernte Paulus neben seiner Schriftausbildung auch das [[Wikipedia:Handwerk|Handwerk]] des Zeltmachers, vergleichbar mit dem des [[Wikipedia:Sattler|Sattler]]s ({{B|Apg|18|3}}). Mit dieser Tätigkeit verdiente er auch später als christlicher Missionar seinen Lebensunterhalt ({{B|1_Thess|2|9}}; {{B|1_Kor|4|12}}; {{B|2_Kor|11|27}}).


=== Christenverfolger ===
Paulus vertrat bis zu seiner Bekehrung einen strengen [[Wikipedia:Pharisäismus|Pharisäismus]], der verlangte, dass auch [[Wikipedia:Proselyten|Proselyten]] (zum Judentum übergetretene Nichtjuden) zu [[Wikipedia:Beschneidung|beschneiden]] seien (vgl. {{B|Apg|15|5}}). Er verstand sich als „Eiferer für das Gesetz“ ({{B|Gal|1|14}}), der dessen Vorschriften auch gegenüber Mitjuden vorbildlich erfüllt habe ({{B|Phi|3|6}}). In diesem Streben wurde er ein erbitterter Gegner jener hellenistischen [[Wikipedia:Judenchristen|Judenchristen]], die in der jüdischen Diaspora missionierten und dabei neugetauften [[Wikipedia:Heidenchristen|Heidenchristen]] die Befolgung der Tora erleichterten, indem sie auf deren Beschneidung verzichteten.


<center><table cellspacing="0" cellpadding="0" border="0" width="80%"><tr><td valign="top" width="96" rowspan="4"><div><b>&nbsp;</b></div><div><b>&nbsp;</b></div><div><b>&nbsp;</b></div><div><b>[[Quadrivium]] </b></div></td><td valign="top" width="36" rowspan="4"><div></div></td><td valign="top" width="180"><div><b>[[Astronomie]]</b></div><div>hat den Kultus der Sterne</div></td><td valign="top" width="60"><div align="center">[[Saturn]]</div><div align="center"><b>U</b></div></td><td valign="top" width="84"><div align="right">[[Ptolem&auml;us]]</div></td></tr><tr><td valign="top" width="180"><div><b>[[Geometrie]]</b></div><div>w&auml;gt aus</div></td><td valign="top" width="60"><div align="center">[[Jupiter]]</div><div align="center"><b>O</b></div></td><td valign="top" width="84"><div align="right">[[Euklid]]</div></td></tr><tr><td valign="top" width="180"><div><b>[[Arithmetik]]</b></div><div>z&auml;hlt</div></td><td valign="top" width="60"><div align="center">[[Mars]]</div><div align="center"><b>E</b></div></td><td valign="top" width="84"><div align="right">[[Pythagoras]]</div></td></tr><tr><td valign="top" width="180"><div><b>[[Musik]]</b></div><div>singt</div><div>&nbsp;</div></td><td valign="top" width="60"><div align="center">[[Sonne]]</div><div align="center"><b>AU</b></div></td><td valign="top" width="84"><div align="right">Pythagoras</div></td></tr><tr><td valign="top" width="96" rowspan="3"><div><b>&nbsp;</b></div><div><b>&nbsp;</b></div><div><b>&nbsp;</b></div><div><b>[[Trivium]]</b></div></td><td valign="top" width="36" rowspan="3"><div><b></b></div></td><td valign="top" width="180"><div><b>[[Rhetorik]]</b></div><div>f&auml;rbt die Worte</div></td><td valign="top" width="60"><div align="center">[[Venus]]</div><div align="center"><b>A</b></div></td><td valign="top" width="84"><div align="right">[[Cicero]]</div></td></tr><tr><td valign="top" width="180"><div><b>[[Dialektik]]</b></div><div>lehrt das Wahre</div></td><td valign="top" width="60"><div align="center">[[Merkur]]</div><div align="center"><b>I</b></div></td><td valign="top" width="84"><div align="right">[[Aristoteles]]</div></td></tr><tr><td valign="top" width="180"><div><b>[[Grammatik]]</b></div><div>spricht</div></td><td valign="top" width="60"><div align="center">[[Mond]]</div><div align="center"><b>EI</b></div></td><td valign="top" width="84"><div align="right">[[Donatus]]</div></td></tr></table></center>
Laut Lukas beaufsichtigte Paulus sogar im Auftrag des [[Wikipedia:Sanhedrin|Sanhedrin]] die vorschriftsmäßige [[Wikipedia:Steinigung|Steinigung]] des ersten christlichen [[Wikipedia:Märtyrer|Märtyrer]]s [[Wikipedia:Stephanus|Stephanus]] ({{B|Apg|7|58ff}}). Dieser erscheint als Wortführer jener Gruppe von [[Wikipedia:Hellenisten|Hellenisten]], die in der Jerusalemer Urgemeinde als erste mit der Heidenmission begannen, den [[Wikipedia:Israelitische Tempel|Tempelkult]] ablehnten und dadurch in Konflikt mit den [[Wikipedia:Sadduzäer|sadduzäischen]] Tempelpriestern gerieten.


Paulus selbst schweigt jedoch über Stephanus und seinen Prozess. Wo er über seine frühere Christenfeindschaft berichtet, betont er, er sei erst drei Jahre nach seiner Bekehrung erstmals nach Jerusalem gereist, die Gemeinden Judäas hätten ihn vorher nicht gekannt ({{B|Gal|1|18.22}}). Die Verfolgung galt also wohl nur den jüdischen Mitgliedern der hellenistischen Christengemeinden außerhalb Palästinas, die die Tora nicht streng befolgten.


[[Wikipedia:Adelard von Bath|Adelard von Bath]] schildert in seinem Traktat »de eodem et diverso« (»Von Demselben und dem Anderen« - ein Hinweis auf das geistige [[Urbild]] und das sinnliche [[Abbild]]) wie er zur [[Meditation]] die Stille außerhalb Tours aufsuchte, wo nur der Duft der Blumen und das Rauschen der Loire zu ihm drang. Da erschienen ihm zwei Geistgestalten: die ''Philokosmie'' mit ihrem Gefolge, nämlich dem Reichtum, der Macht, der Würde, dem Ruhm und der Lust, und die [[Philosophie]] umgeben von den sieben freien Künsten. Die Philokosmie will ihn zur sinnlichen Lust verführen, die Philosophie aber zeigt ihm, dass die Seele der Lichtwelt entstammt und dass die 7 freien Künste die in den Leib verstrickte Seele wieder in jene geistige Höhen zu erheben vermag, in der sie vor der Geburt lebte.
=== Die Bekehrung ===
[[Bild:Conversión_de_San_Pablo.jpg|thumb|left|Die Bekehrung des „Saulus“ - Bildtafel mit dem zentralen Bildmotiv des Altars des nordspanischen Einsiedlerklosters [[Wikipedia:Ayerbe|Ayerbe]]]]
[[Bild:Caravaggio-The Conversion on the Way to Damascus.jpg|thumb|Die Bekehrung des Paulus in der Interpretation [[Wikipedia:Michelangelo Merisi da Caravaggio|Caravaggios]]]]


== Geschichte ==
Paulus selbst erwähnt seine Begegnung mit dem auferstandenen Jesus Christus mehrmals ({{B|Gal|1|15ff}}; {{B|Phi|3|7ff}}; {{B|1_Kor|15|8f}}; {{B|2_Kor|4|1.5f}}), schildert aber nur deren Inhalte, nicht die Art und Weise seiner Bekehrung. Er beschreibt sie als Erwählung durch [[Wikipedia:JHWH|Gott]], der schon vor seiner [[Wikipedia:Geburt|Geburt]] entschieden habe, ihm seinen [[Wikipedia:Sohn Gottes|Sohn]] zu offenbaren und so zum Völkerapostel zu berufen ({{B|Gal|1|15}}). Er betont, er sei seinem Auftrag drei Jahre lang gefolgt und habe erst dann die Jerusalemer Urgemeinde besucht ({{B|Gal|1|17ff}}). Man nimmt an, dass er dort das schon fixierte urchristliche [[Wikipedia:Glaubensbekenntnis|Glaubensbekenntnis]] mit der Liste der [[Wikipedia:Auferstehung_Jesu_Christi#Zeugenliste|Auferstehungszeugen]] übernahm, das er in {{B|1_Kor|15|3-7}} zitierte und ergänzte (Vers 8):
Die griechische Tradition bildete noch keinen [[Wikipedia:Kanon|Kanon]] der Freien Künste heraus. Die vier mathematischen Fächer wurden jedoch bereits von [[Platon]] in der [[Wikipedia:Politeia|Politeia]] im Zusammenhang mit der Ausbildung des idealen Staatsmannes nächst der [[Wikipedia:Philosophie|Philosophie]] als diejenigen Lehrgegenstände angeführt, die zur Vernunfterkenntnis führen, wobei sich Platon seinerseits bereits auf die [[Wikipedia:Pythagoräer|Pythagoräer]] bezieht.
:''Zuletzt von allen ist er auch von mir, einer Missgeburt, gesehen worden. Denn ich bin der Geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, ein Apostel zu heißen, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.''
Paulus stellte seine Berufung also in die Reihe der älteren Christuserscheinungen, von denen ihm die Augenzeugen wohl bei seinem ersten Jerusalembesuch berichteten. Welcher Art diese waren, erfährt man nicht. Der formelhafte Ausdruck ''ophtae'' (gesehen worden = erschienen) verweist auf [[Wikipedia:Vision (Religion)|Visionen]], die wie in der jüdischen [[Wikipedia:Apokalyptik|Apokalyptik]] als von Gott offenbarte Vorwegnahme endzeitlicher Ereignisse erfahren und weitergegeben wurden (z.&nbsp;B. {{B|Dan|7|1-14}}). Denn Paulus schloss hier sein berühmtes Kapitel über die Totenauferstehung an, einen Glauben, den er mit anderen jüdischen Gruppen wie [[Wikipedia:Pharisäer|Pharisäer]]n, [[Wikipedia:Zeloten|Zeloten]] und [[Wikipedia:Essener|Essener]]n teilte.  


Die Sieben Freien Künste erfuhren eine [[Wikipedia:Enzyklopädie|enzyklopädische]] Behandlung erstmals in den ''Disciplinae'' des römischen Gelehrten [[Wikipedia:Marcus Terentius Varro|Varro]] im 1. Jahrhundert v. Chr., der im 8. und 9. Buch außerdem noch Medizin und Architektur behandelt. Die auch bei [[Wikipedia:Marcus Tullius Cicero|Cicero]] und [[Wikipedia:Vitruv|Vitruv]] noch uneinheitliche Zählung hat sich dann ab der Zeit [[Wikipedia:Seneca|Senecas des Jüngeren]] in der seither üblichen Form gefestigt.
Gottes Berufung, Erkenntnis Jesu Christi als Sohn Gottes, Selbsterkenntnis als Sünder, der besondere Auftrag zur Völkermission und die Gewissheit der endzeitlichen Totenerweckung bildeten für Paulus also eine untrennbare Einheit. Er betonte daher, dass das von ihm verkündete Evangelium ''nicht menschlicher Art'' sei ({{B|Gal|1|11}}), sondern eine unmittelbar von Gott geoffenbarte und ohne menschliche Vermittlung an ihn gerichtete Botschaft.  


Dem Mittelalter wurden die Sieben Freien Künste in enzyklopädischer Form vor allem durch [[Wikipedia:Martianus Capella|Martianus Capella]] vermittelt, in dessen Lehrgedicht ''Von der Hochzeit Merkurs und der Philologie'' diese Künste als Brautjungfern auftreten und ihr Lehrwissen als Hochzeitsgaben ausbreiten, sowie durch [[Wikipedia:Flavius Magnus Aurelius Cassiodurus|Cassiodor]] und durch [[Wikipedia:Isidor von Sevilla|Isidors]] Einarbeitung des Lehrstoffs in seine [[Wikipedia:Etymologiae|Etymologiae]]. Hinzu kamen in einzelnen Fächern als grundlegende Lehrwerke der Antike etwa für die Grammatik die ''Ars minor'' und ''Ars maior'' von [[Wikipedia:Aelius Donatus|Donatus]], für die Rhetorik die (fälschlicherweise) Cicero zugeschriebene ''Rhetorica ad Herrenium'', für die Arithmetik und Musik die beiden ''Institutiones'' von [[Wikipedia:Boëthius|Boëthius]] und für die Dialektik dessen Übersetzungen und Kommentare zu Schriften aus dem [[Aristoteles|aristotelischen]] Organon.
Die Apostelgeschichte beschreibt die äußeren Umstände seiner Berufung mit einem Erzählbericht ({{B|Apg|9|1-18}}) sowie zwei als Eigenreden des Paulus stilisierten Berichten ({{B|Apg|22|6-16}} und {{B|Apg|26|12ff}}). Erst dadurch erhielt die Berufung den Charakter eines Bekehrungserlebnisses. Dabei widersprechen sich die Versionen teilweise: In Apg 9 hört nur Paulus eine Stimme, seine Begleiter sehen nur ein Licht; in Apg 22 ist es umgekehrt.


Der Unterricht in den ''Artes liberales'' stand als ein [[Wikipedia:Propädeutikum|Propädeutikum]] zwischen dem Elementarunterricht (Lesen und Schreiben mit elementaren Lateinkenntnissen, Rechnen, Singen) und den eigentlichen wissenschaftlichen Studien, bei denen im Frühmittelalter die Theologie im Vordergrund stand. Den Stoff der ''Artes'' oder Teile davon vermittelten zunächst die Kloster-, Dom- und Kathedralschulen sowie städtische Bildungseinrichtungen und freie Magister. Mit der Entstehung der Universitäten wurde die [[Wikipedia:Artistenfakultät|Artistenfakultät]] (''Facultas Artium'') als eine der vier Fakultäten (zusammen mit Theologie, Recht, Medizin) in das [[Wikipedia:Studium Generale|Studium Generale]] integriert und wurde damit zur Vorläuferin der Philosophischen Fakultät, unter deren Namen sie zum Teil schon seit dem 15. Jahrhundert weitergeführt wurde.  
=== Missionsreisen ===
[[Bild:Missionsreisendespaulus.png|thumb|left|350px|Missionsreisen des Paulus]]
Seinem Selbstverständnis als Völkerapostel gemäß wollte Paulus das [[Wikipedia:Evangelium|Evangelium]] Jesu Christi so weit wie möglich ausbreiten. Ob er dabei schon an [[Wikipedia:Rom|Rom]] als Reiseziel dachte, ist ungewiss und wird durch die Darstellung der Apostelgeschichte nahe gelegt, die von der damaligen Bedeutung der römischen Gemeinde her konzipiert wurde.


Bereits im Lehrbetrieb der [[Scholastik|scholastischen]] Artistenfakultäten veränderte sich der Lehrstoff der ''Artes liberales'' erheblich und nahm vor dem Hintergrund neuer Übersetzungen der Schriften von [[Aristoteles]] und seiner arabischen Kommentatoren vor allem philosophische Inhalte auf. Rhetorik und Musik traten in den Hintergrund, desgleichen Grammatik, sofern sie nicht im Rahmen der Beschäftigung mit den ''modi significandi'' als eine Art Sprachlogik weitergeführt wurde, während die Dialektik an Bedeutung gewann und die im weitesten Sinn naturwissenschaftlichen ''Artes'' zu einem Studium in theoretischer (Physik, Metaphysik) und praktischer (Ethik, Ökonomie, Politik) [[Wikipedia:Philosophie|Philosophie]] ausgebaut wurden.  
Zusammen mit einem teilweise wechselnden Mitarbeiterstab (die Paulusbriefe und Apg nennen u.&nbsp;a. [[Wikipedia:Barnabas (Apostel)|Barnabas]], [[Wikipedia:Timotheus|Timotheus]], [[Wikipedia:Titus (Bibel)|Titus]], Erastus, [[Wikipedia:Silas (Silvanus)|Silas]]) brach der Apostel auf in große antike Städte (z.&nbsp;B. [[Wikipedia:Philippi|Philippi]], [[Wikipedia:Korinth|Korinth]], [[Wikipedia:Ephesus|Ephesus]]), um sich dort längere Zeit niederzulassen. Dabei versuchte er, christliche Gemeinden aufzubauen. Sobald diese Gemeinden selbständig in der Lage waren, sich zu organisieren, reiste Paulus in die nächste Stadt. Er missionierte in den hellenisierten Großstädten, von wo aus die neuen Gemeinden das Hinterland missionierten. Von anderen Städten aus hielt Paulus Briefkontakt mit ihnen, um auf Probleme und aktuelle Fragen zu antworten. Die beiden Korintherbriefe zeigen dies anschaulich.  


Das Studium an der Artistenfakultät blieb Vorbedingung für das Studium an den anderen drei Fakultäten. Als [[Wikipedia:Akademischer Grad|akademische Grade]] vergab die Artistenfakultät nach einem Zwischenexamen den Titel des ''[[Wikipedia:Baccalaureus Artium|Baccalaureus Artium]]'' und -- sofern der Baccalaureus nicht an einer der anderen Fakultäten sein eigentliches Studium aufnahm -- nach erneutem Examen den Abschluss des ''[[Wikipedia:Magister Artium|Magister Artium]]''. Die Lehrerlaubnis (''licentia docendi'') in den Artes liberales war mit Einschränkung zum Teil schon im Rahmen des Bakkalaureats zu erwerben, die volle Lehrbefähigung aber erst mit dem Magister Artium, an dessen Stelle dann seit dem 15. Jahrhundert, im Zuge der allgemeinen Ablösung des Magisters durch den Doktor, der Titel des ''Doctor philosophiae'' treten konnte.
Von Ephesus aus reiste Paulus nochmals durch seine zuletzt gegründeten Gemeinden, um eine Kollekte einzusammeln und nach Jerusalem zu bringen. Dort wurde er schließlich von den römischen Behörden verhaftet und nach längerem Hin und Her nach Rom überstellt, wo er vermutlich das [[Wikipedia:Martyrium|Martyrium]] erlitt.


Unter dem Leitbegriff der [[Wikipedia:Studia humanitatis|Studia humanitatis]], der nicht an einen bestimmten antiken Fächerkanon, sondern an die Formulierung allgemeiner klassischer Bildungsziele bei Cicero anknüpfte, erfuhren die Artes im [[Wikipedia:Renaissance-Humanismus|Humanismus]] des 15. und 16. Jahrhunderts nochmals eine Neubewertung, die nicht nur das Artes-Studium an der Universität, sondern auch die vor- und außeruniversitären Bildungsbestrebungen in Schule und Privatunterricht betraf. Hierbei wurden einerseits die Fächer des Triviums durch das Studium eines teilweise neuen Kanons klassischer, nun nach Möglichkeit auch griechischer Musterautoren mit Schwerpunkt auf dem Bereich der Dichtung, andererseits in der Philosophie die praktische gegenüber der theoretischen Philosophie, und außerdem das Studium der Geschichte in den Vordergrund gestellt.
=== Leiden und Verfolgung ===
Paulus beschreibt in seinen Briefen öfter persönliches Leiden, die er als Folge seiner Christusverkündigung deutet. Er stieß deswegen bei Juden und Römern/Hellenisten immer wieder auf starke Ablehnung, die bisweilen auch zu „Aufruhr“ führte: So überlebte er diverse körperliche Auseinandersetzungen, Steinigungsversuche und Strafgeißelungen (vgl. {{B|2_Kor|11|24f}}; {{B|Apg|14|19}}). Dies könnte ihn dauerhaft körperlich beeinträchtigt haben.


==Literatur==
{{B|Gal|4|15}} (''Denn ich gebe euch das Zeugnis, dass ihr wenn möglich eure Augen ausgerissen und mir gegeben hättet'') könnte auf ein Augenleiden hinweisen. In {{B|2_Kor|12|7}} spricht Paulus von einem „Pfahl im Fleisch“ und „Engel Satans, der mich mit Fäusten schlagen muss, damit ich mich nicht überhebe“. Dies wird manchmal als chronische rheumatische Erkrankung oder Arthrose gedeutet. Doch kommt der Ausdruck „Pfahl im Fleisch“ so nur in der [[Wikipedia:Septuaginta|Septuaginta]] ({{B|Ez|28|24}}) vor und meint dort keine Krankheit, sondern eine unangenehme, durch persönliche Angriffe entstandene Situation. So könnte Paulus damit auf die ständige Verfolgung seiner Person und Lehre durch andere jüdische Gruppen anspielen. Darauf könnte sich {{B|2_Kor|12|9}} beziehen, wo er von seiner „Schwachheit“ spricht.
#Rudolf Steiner: ''Antworten der Geisteswissenschaft auf die großen Fragen des Daseins'', [[GA 60]] (1983)
#Rudolf Steiner: ''Das Johannes-Evangelium'', [[GA 103]] (1995), Zwölfter Vortrag, Hamburg, 31. Mai 1908
#Rudolf Steiner: ''Perspektiven der Menschheitsentwickelung'', [[GA 204]] (1979)
#Rudolf Steiner: ''Wege zu einem neuen Baustil'', [[GA 286]] (1982), ISBN 3-7274-2860-0


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=== Gefängnisaufenthalte ===
Paulus befand sich mehrmals in Gefangenschaft. Mehrere seiner Briefe sind während eines Gefängnisaufenthalts abgefasst ([[Wikipedia:Philipperbrief|Philipperbrief]], [[Wikipedia:Philemonbrief|Philemonbrief]]). Die Apostelgeschichte erwähnt eine kurzzeitige Gefangenschaft in Philippi ({{B|Apg|16|23}}), Paulus selbst einen Gefängnisaufenthalt in Ephesus bzw. der Provinz Kleinasien ({{B|2_Kor|1|8f}} und {{B|Phi|1|12ff}}).


{| style="border:1px solid #800080; background-color:#FFF0F9;padding:5px;font-size:95%;"
Im [[Wikipedia:Römerbrief|Römerbrief]], dem letzten der echten Paulusbriefe, zeigte sich Paulus besorgt darüber, dass er bei seiner geplanten Reise nach Jerusalem zur Übergabe einer Kollekte an die dortige Urgemeinde von Juden verfolgt, aber auch von Judenchristen abgelehnt werden könnte ({{B|Röm|15|30ff}}). Wie schon beim Apostelkonvent, bei dem ihm diese Kollekte für die Genehmigung seiner Heidenmission auferlegt worden war, wollte Paulus offenbar für die Vollendung seines Lebenswerks, die lange geplante Mission auch im Westen des römischen Reichs, die persönliche Zustimmung der Urgemeindeleiter einholen. Seine Sorge war seit seiner Abreise aus Korinth begründet ({{B|Apg|20|3}}): Damals wählte Paulus mit seinen Begleitern den Landweg über Mazedonien und bestieg ein Schiff nach Palästina erst in Kleinasien, um einem geplanten Anschlag seiner jüdischen Gegner zu entgehen ({{B|Apg|20|14}}). Die persönliche Übergabe der Geldsammlung sollte den Zusammenhalt von Juden- und Heidenchristen festigen, der durch den zunehmenden Druck des palästinischen Judentums auf die Urchristen und die Abwendung mancher Heidenchristen von ihren jüdischen Wurzeln gefährdet war.  
|Dieser Artikel basiert teilweise auf dem Artikel [http://de.wikipedia.org/wiki/Sieben_Freie_Künste Sieben Freie Künste] aus der freien Enzyklopädie [http://de.wikipedia.org Wikipedia] und steht unter der [http://www.gnu.org/licenses/fdl.txt GNU Lizenz für freie Dokumentation]. In der Wikipedia ist eine [http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sieben_Freie_K%C3%BCnste&action=history Liste der Autoren] verfügbar.
|}


[[Kategorie:Grundbegriffe]] [[Kategorie:Philosophie]]
=== Gefangennahme und römischer Prozess ===
Seiner Befürchtung gemäß wurde Paulus in Jerusalem von Diasporajuden angeklagt, er habe einen Nichtjuden mit in den Tempel gebracht: Darauf stand nach der geltenden sadduzäischen Toradeutung die Todesstrafe, die auch die Römer bei solchen religiösen Vergehen zuließen. Anlass für diese Denunziation war eine Auslösungszeremonie für [[Nasiräer]], die Paulus nach jüdischer Sitte bezahlen wollte, um für die Juden seine Treue zum Judentum zu demonstrieren. Um ihn vor jüdischer Lynchjustiz zu schützen, griff die römische Wache ein und nahm ihn in Schutzhaft ({{B|Apg|21|27-36}}). Nach einer mehrmonatigen rechtlichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf Paulus den römischen Statthaltern die Christusbotschaft verkündete und als römischer Bürger an den Kaiser appellierte ({{B|Apg|25|9ff}}), wurde er schließlich gefangen nach Rom gebracht, um dort seinen Rechtsanspruch vorzutragen.
 
Über das Ende des Paulus berichtet die Apostelgeschichte nichts. Lukas nutzte den Zusammenhang, um von ihm gestaltete dramatische Gerichtsszenen und Paulusreden (Apg 20-25) in die Darstellung einzufügen. Deren Zielrichtung ist unter heutigen Exegeten umstritten.<ref>[[Wikipedia:Heike Omerzu]], Die Apologetik der Apostelgeschichte auf dem Prüfstand, ZNT 18, 2006, S. 27f</ref> Jedenfalls verrät die Paulus zugeschriebene große Abschiedsrede in Milet, dass Lukas über die tatsächlichen Todesumstände des Apostels Kenntnisse besaß.
 
=== Vermuteter Märtyrertod in Rom ===
Nach einer zuerst im [[Wikipedia:Erster Clemensbrief|1. Clemensbrief]] überlieferten altkirchlichen Tradition aus [[Wikipedia:Rom|Rom]] wurde Paulus unter Kaiser Nero als Märtyrer durch das Schwert hingerichtet. Möglicherweise fand er im Zuge von Neros Christenverfolgung im Jahr 64 den Tod. Eine [[Wikipedia:Kreuzigung|Kreuzigung]] wäre ihm dann als römischem Bürger wohl erspart geblieben.
 
Sein Grab soll sich in Rom unter der Kirche ''San Paolo fuori le mura'' ([[Wikipedia:Sankt Paul vor den Mauern|Sankt Paul vor den Mauern]]) befinden, das der italienische [[Wikipedia:Archäologe|Archäologe]] [[Wikipedia:Giorgio Filippi|Giorgio Filippi]] im Juni 2005 wiedergefunden haben will. Ausgrabungen unter der Basilika unter der Führung von [[Wikipedia:Vatikanstadt|Vatikan]]-Archäologen brachten einen römischen [[Wikipedia:Sarkophag|Sarkophag]] hervor. Zuvor hatte man angenommen, das Grab sei bei einem Großbrand der Basilika 1823 zerstört worden.<ref>''[http://www.oecumene.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=107003 Radio Vatikan: Paulusgrab freigelegt]'', 5. Dezember 2006</ref>
 
== Theologie ==
[[Bild:Vatican StPaul Statue.jpg|thumb|Statue des Apostels Paulus vor dem Petersdom]]
Die Theologie des Paulus ist in seinen Briefen ausgeführt (insbesondere im [[Wikipedia:Römerbrief|Römerbrief]] und im [[Wikipedia:Galaterbrief|Galaterbrief]]). Er übernahm den Glauben der [[Wikipedia:Jerusalemer Urgemeinde|Jerusalemer Urgemeinde]], dass Jesus von Nazaret der in der jüdischen Tradition erwartete [[Wikipedia:Messias|Messias]] ([[Wikipedia:Griechische Sprache|griechisch]] {{lang|grc|Χριστός}} ''{{lang|grc-latn|Christós}}'' „der Gesalbte“) und Menschheitserretter sei. Im Unterschied zu Jesus und seinen zu Lebzeiten berufenen Jüngern stellte Paulus nicht den himmlischen Vater, sondern den [[Wikipedia:Auferstehung|auferstandenen]] Heilsbringer und Mittler Jesus Christus ins Zentrum seiner Verkündigung. Er lehrte, Gott habe mit der Hingabe seines [[Wikipedia:Sohn Gottes|Sohnes]] auch die unreinen heidnischen Stämme in seinen [[Wikipedia:Berit|Bund]] aufgenommen, aber im Unterschied zum „Volk des ersten Bundes“ nur aus [[Wikipedia:Gnade|Gnade]]. Zur Annahme dieser Liebesgabe sei einzig der Glaube an den [[Wikipedia:Kreuzigung|gekreuzigten]] und [[Wikipedia:Auferstehung|auferstandenen]] Jesus Christus notwendig. Die Befolgung der jüdischen [[Wikipedia:Tora|Tora]] sei den gläubigen Heiden erlassen. Zugleich seien sie jedoch dem erwählten Gottesvolk unterstellt. Er legte damit den Grundstein für die Abspaltung des Heidenchristentums vom [[Wikipedia:Judentum|Judentum]].
 
=== Grundzüge ===
Grundlegende Argumentationsbasis für die Theologie des Paulus ist die These, dass Christus für uns gestorben ist (Gal 2,21). Wer daran glaubt, gehört zur Gruppe der Erlösten. Deshalb lehnt Paulus auch die Übernahme der jüdischen Gesetze (Beschneidung u.&nbsp;a.) ab. Denn nicht durch Einhaltung von Gesetzen, sondern durch den Glauben an die Rettungstat Christi wird der Mensch erlöst. Dies bedeutet natürlich nicht, dass Paulus alle Gesetze frei gibt. Es existiert für ihn ein „Gesetz Christi“ (Gal&nbsp;5; Röm&nbsp;13), das jeder Gläubige erfüllt.
 
Jedoch löst Paulus „das Alte Testament von der Bindung an die äußere Befolgung des Kultgesetzes und seiner Rechtsvorschriften [und] öffnet es auf die ganze Welt hin“<ref>[[Wikipedia:Radio Vatikan]]: [http://www.oecumene.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=111884 Vatikan: Anfeindungen sind Chance für Zeugnis]10. Januar 2007</ref>.
 
Entscheidend für das Verständnis der paulinischen Theologie ist die unbedingte Naherwartung der Endzeit. Gott wird diejenigen erretten, die sich dem Glauben an die Heilstat Christi zuwenden. Damit ist religionsgeschichtlich eine wichtige Wandlung erfolgt: Als Jude war Paulus der Überzeugung, dass derjenige errettet wird, der das jüdische Gesetz vollständig beachtet. Seit seiner Berufung zum Heidenapostel setzt Paulus einen vollständig anderen Akzent: Nicht mehr die Befolgung der Gesetze errettet, sondern der Glaube. Man muss also nicht mehr Jude sein, um errettet zu werden. Daraus folgt für Paulus ein dringender Auftrag: ''Alle'', auch die Heiden, müssen darüber informiert werden. Es geht Paulus darum, dass alle Menschen die Botschaft hören, dass sie der Glaube an Christus errettet.
 
Damit will Paulus nicht das Judentum auflösen. Ihm geht es allein darum, die Nichtjuden, im damaligen Sinne die Heiden, zu retten. Paulus lässt den Vorrang des Judentums weiterhin bestehen (Röm 9-11). Aber die Nichtjuden sind eben seit dem Christus-Ereignis in den Kreis der Erretteten mit aufgenommen, sofern sie den Glauben annehmen (Gal 3-5).
 
Bei den theologischen Ausführungen des Paulus geht es also um eine [[Wikipedia:Korporation|Korporation]]sfrage (''wer'' gehört zum Kreis der Erretteten?) und nicht um eine Individuumsfrage (''was'' muss ich tun, um gerettet zu werden). Erst Luther liest Paulus - aufgrund der Fragen seiner Zeit und seiner Person - individualistisch und stellt die Frage, was der gläubige Christ zu tun hat, um Gerechtigkeit zu erlangen.
 
=== Erlösung der Erretteten ===
Wer an die Heilstat Christi glaubt, der ist nach Paulus gerecht vor Gott. Den Glaubenden ist die Errettung sicher. Doch wie drückt sich diese Errettung aus? Für Paulus handelt es sich um eine völlig neue Existenz, die der glaubende Mensch erhält (1. Kor 15). Schon im Diesseits vom Heiligen Geist beeinflusst, kann der Glaubende nach dem Tod die Auferstehung erwarten, die als Gemeinschaft mit Christus unter Ablegung des „Fleisches“ zu verstehen ist. Gegenwärtig also bereits steht der glaubende Christ durch den Heiligen Geist in Verbindung mit Gott, für die Zukunft steht die vollendete Erlösung aus.
 
=== Eschatologie ===
Seit der [[Wikipedia:Reformation|Reformation]] sind sich die Theologen darüber einig, dass die theologischen Gedanken des Paulus in ihrem Zentrum um eine Theologie der [[Wikipedia:Erlösung|Erlösung]] kreisen. Die Mitte des paulinischen Erlösungsdenkens bildet dabei die „präsentische Gemeinschaft mit Christus“: Durch sein Sterben am Kreuz besiegte der Christus Jesus den Tod und die Sünde, die Mächte des alten [[Wikipedia:Äon|Äon]]s, und die Glaubenden wurden mit Christus gekreuzigt, auferweckt und verherrlicht (Gal 2,20; Eph 2,5-7). In Christus sind die Glaubenden in das neue Äon eingegangen (Röm 6), was sich für den einzelnen Christen in der Gabe des Geistes äußert (Röm 8,23f). Trotzdem bleibt der einzelne Christ in seiner Sterblichkeit dem alten Äon verhaftet, kann jedoch in der [[Wikipedia:Eschatologie|eschatologischen]] Hoffnung auf grundlegende Neuerung leben (Röm 8,29), die mit der Wiederkehr Christi Einzug halten wird für alle Glaubenden und die gesamte Schöpfung Gottes.
 
=== Das Heilsgeschehen ===
Paulus geht davon aus, dass Christus für uns gestorben ist. Da Gott nun nichts veranlasst, was nicht notwendig ist, muss dieser Tod Christi notwendig gewesen sein. Er war notwendig für die Erlösung der Menschen. In diesem Sinne ist des Apostels Aussage „aus dem Gesetz wird niemand gerecht“ zu verstehen: Die Erlösung des Menschen ist allein durch den Glauben an die Heilstat möglich. Aus dem Gesetz allein heraus ist sie nicht möglich. Denn wäre sie möglich, dann wäre der Tod Christi nicht notwendig gewesen!
 
Damit ist das Zentrum der paulinischen Theologie angeschnitten: die Frage nach der Rechtfertigung aus dem Glauben. Bekannt ist die Wendung „aus Glauben wird der Mensch gerecht, nicht aus den Werken des Gesetzes“ (vgl. Gal 2,15-21). Paulus will damit ausdrücken, dass nicht das jüdische Gesetz den Weg zum Heil darstellt, sondern der Glaube. Er exemplifiziert dies am Beispiel Abrahams (Gal 3,6-14), der von Gott im Alten Testament als Beispiel eines Gerechten gerühmt wird, wohingegen das jüdische Gesetz erst später eingeführt wird. Für Paulus ist Abraham das Beispiel dafür, dass man vor Gott gerecht wird, auch ohne das jüdische Gesetz.
 
Paulus argumentiert (Gal 3,6-14), dass Gott Abraham die Zusage des Heils gegeben hat. Erst danach hat Gott das Gesetz eingeführt, um vor der Macht der Sünde zu schützen. Mit der Sendung Christi aber ist die Macht der Sünde gefallen; Christus ist die Erfüllung der Heilsverheißung an Abraham. Das Gesetz hat und hatte nie Heilsfunktion, sondern nur Schutzfunktion.
 
In der gegenwärtigen theologischen Forschung stark umstritten ist die Frage, was Paulus meint, wenn er sagt, „aus Werken des Gesetzes wird niemand gerecht“. Hatte Luther noch gemeint, Paulus drücke damit aus, dass jeder Versuch das Gesetz zu erfüllen eine Art Selbstgerechtigkeit wäre, so wird heute eher angenommen, Paulus wolle auf die Nichtigkeit des Gesetzes für die Heilserlangung hinweisen: Egal ob ich das Gesetz erfülle oder nicht, dies bedeutet nichts für das Heil. Das Gesetz hat keine Heilsfunktion mehr, weil es jetzt Christus gibt (so Ed Parish Sanders); das Gesetz hat keine Heilsfunktion, weil Gott auch nichtjüdische Gläubige unter dem Heil wissen will (so James Dunn); das Gesetz hatte noch nie Heilsfunktion (so Michael Bachmann).
 
=== Ethik ===
 
Das von Gott gegebene Gesetz kann nicht zur Erlösung führen. Dennoch ist es für Paulus ein gutes, heiliges und gerechtes Gesetz. Denn durch den Akt des Glaubens ist der Mensch befreit von der Macht der Sünde und befähigt, das Gesetz Christi zu erfüllen. Grundlage des Gesetzes ist das Liebesgebot Christi. Keine Grundlage hingegen sind äußerliche Rituale wie Beschneidung u.&nbsp;ä.
 
== Bedeutung und Wirkung ==
Paulus wird von allen Konfessionen als herausragender Verkünder der Lehre Jesu angesehen und geachtet, vor allem im [[Wikipedia:Protestantismus|Protestantismus]]. Seine christozentrische Lehre und das Absehen von den jüdischen Ritualvorschriften leiteten die Loslösung des neuen Glaubens vom Judentum und die Ausbildung einer eigenständigen, schließlich weltumspannenden Religion ein. Aus diesem Grund wird Paulus seit den Anfängen der wissenschaftlichen Bibelkritik im 18. Jahrhundert von vielen Philosophen und Theologen als eigentlicher Gründer des Christentums betrachtet. Aus dieser Sicht ist er nicht nur eine der einflussreichsten Gestalten der Kirchen-, sondern auch einer der wirkmächtigsten Denker der Weltgeschichte überhaupt.
 
In der Nachfolge der paulinischen Lehre entwickelten u.&nbsp;a. [[Wikipedia:Augustinus von Hippo|Augustinus von Hippo]] (4./5.&nbsp;Jh.), [[Wikipedia:Martin Luther|Martin Luther]] (15./16. Jh.) und [[Wikipedia:Karl Barth|Karl Barth]] (19./20. Jh.) ihre Theologie. Andererseits ist Paulus auch mindestens seit der [[Wikipedia:Frühe Neuzeit|frühen Neuzeit]] ein beliebtes Ziel von Angriffen durch Kritiker des bestehenden Christentum, die ihm häufig vorwerfen, die Lehre Jesu in diese oder jene Richtung verfälscht zu haben.
 
In der katholischen Weltkirche ist Paulus Schutzpatron der Theologen und [[Wikipedia:Seelsorger|Seelsorger]], Weber, Zeltwirker, Korbmacher, Seiler, Sattler und Arbeiterinnen sowie der katholischen [[Wikipedia:Presse (Medien)|Presse]]. Er wird als [[Wikipedia:Heiliger|Heiliger]] angerufen für Regen und Fruchtbarkeit der Felder und gegen Furcht, Ohrenleiden, Krämpfe und Schlangenbiss. In der Kunst wird er gewöhnlich als kahlköpfiger, bärtiger Mann mit Buch und/oder Schwert dargestellt.
 
Der Gedenktag von Paulus (und Petrus) ist der [[Wikipedia:29. Juni|29. Juni]]. Zur Erinnerung an Paulus hat Papst [[Wikipedia:Benedikt XVI.|Benedikt XVI.]] ein Paulusjahr ausgerufen. Es soll am 28. Juni 2008 beginnen.<ref>[[Wikipedia:Radio Vatikan]]: [http://www.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=140584 Paulusjahr], 21. Juni 2007</ref>
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Paulus von Tarsus}}
* [[Wikipedia:Pauli Bekehrung|Pauli Bekehrung]]
* [[Wikipedia:Paulinisches Privileg|Paulinisches Privileg]]
* [[Wikipedia:Paulinismus|Paulinismus]]
 
== Referenzen ==
<references/>
 
== Literatur ==
 
=== Historisch-kritische Gesamtdarstellungen ===
* [[Wikipedia:Joachim Gnilka|Joachim Gnilka]]: ''Paulus. Apostel und Zeuge''. Herder, Freiburg i.Br. 1996, ISBN 3-451-26377-7
* [[Wikipedia:Eduard Lohse|Eduard Lohse]]: ''Paulus. Eine Biographie''. Beck, München 2003, ISBN 3-406-49439-0 (umfangreich, informativ, leicht lesbar).
* [[Wikipedia:Ed Parish Sanders|Ed Parish Sanders]]: ''Paulus. Eine Einführung''. Reclam, Stuttgart 2006, ISBN 3-15-009365-1 (knappe Einführung in die wichtigsten Probleme der historisch-krischen Paulus-Forschung)
* [[Wikipedia:Udo Schnelle|Udo Schnelle]]: ''Paulus''. De Gruyter, Berlin 2003, ISBN 3-11-015164-2 (umfassender Überblick über Paulusforschung)
* Oda Wischmeyer (Hg.): ''Paulus. Leben-Umwelt-Werk-Briefe''. UTB, Tübingen 2006, ISBN 978-3-8252-2767-8 (informativer Überblick über die Paulusforschung als Gemeinschaftswerk jüngerer Theologen in erster Linie als Examensvorbereitung für Theologiestudenten)
 
=== Theologie des Paulus ===
* Georg Eichholz: ''Die Theologie des Paulus im Umriss''. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1991, ISBN 3-7887-0527-2 (Standardwerk: sieht Paulus als Begründer der reformatorischen Rechtfertigungslehre und betont seine Treue zu Israel)
* Hans Hübner: ''Biblische Theologie des Neuen Testaments''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen
**2. ''Die Theologie des Paulus und ihre neutestamentliche Wirkungsgeschichte''. 1993, ISBN 3-525-53587-2.
* Claudia Janssen u.&nbsp;a.: ''Paulus. Umstrittene Tradition, lebendige Theologie; eine feministische Lektüre''. Kaiser, Gütersloh 2001, ISBN 3-579-05318-3 (Neueste Forschungen zu Paulus mit Einordnung in die damalige gesellschaftliche, soziale und politische Situation mit einem feministisch-theologischen Ansatz)
* [[Wikipedia:Ernst Käsemann|Ernst Käsemann]]: ''Gottesgerechtigkeit bei Paulus''. In: Ders.: ''Exegetische Versuche und Besinnungen. Auswahl''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen
**2. 1964, S. 181-193 (bahnbrechender Aufsatz, der die Rolle der spätjüdischen Apokalyptik für Paulus betont und darin die Kontinuität zu Jesus und der Urgemeinde sieht)
* [[Wikipedia:Albert Schweitzer|Albert Schweitzer]]: ''Die Mystik des Apostels Paulus''. Mohr, Tübingen 1981, ISBN 3-16-143591-5 (Repr. d. Ausg. Tübingen 1930; ein älteres Standardwerk, das Paulus gegen Luther abgrenzt)
* [[Wikipedia:Gerd Theißen|Gerd Theißen]]: ''Psychologische Aspekte paulinischer Theologie''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1993, ISBN 3-525-53566-X (Exegese anhand von vier psychologischen Methoden)
 
=== Biographie/Chronologie des Paulus ===
* Friedrich W. Horn: ''Das Ende des Paulus. Historische, theologische und literaturgeschichtliche Aspekte''. De Gruyter, Berlin 2001, ISBN 3-11-017001-9 (Aufsatzsammlung zur Endphase im Leben des Paulus)
* Rainer Riesner: ''Die Frühzeit des Apostels Paulus. Studien zur Chronologie, Missionsstrategie und Theologie''. Mohr, Tübingen 1994, ISBN 3-16-145828-1 (entgegen dem Titel eine vollständige Darstellung der Biographie des Apostels, sehr detailliert und fundiert)
* Alfred Suhl: ''Paulus und seine Briefe Beiträge zur paulinischen Theologie''. Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2005, ISBN 3-460-03054-2 (Auswertung der biographischen Selbstaussagen des Apostels in seinen Briefen)
* Holger Zeigan: ''Aposteltreffen in Jerusalem. Eine forschungsgeschichtliche Studie zu Galater 2,1-10 und den möglichen lukanischen Parallelen''. Evangelische VA, Leipzig 2005, ISBN 3-374-02315-0 (neueste Erscheinung zur Biographie des Paulus, schwerpunktmäßig mit dem Apostelkonvent von Gal.2 beschäftigt)
 
=== Außerchristliche Darstellungen ===
* [[Wikipedia:Alain Badiou|Alain Badiou]]: ''Paulus. Die Begründung des Universalismus''. Verlag Sequenzia, München 2002, ISBN 3-936488-00-2 (eine philosophische Sichtweise)
* [[Wikipedia:Schalom Ben-Chorin|Schalom Ben-Chorin]]: ''Paulus. Der Völkerapostel in jüdischer Sicht''. Gütersloher VA, Gütersloh 2006, ISBN 3-579-05345-0
* [[Wikipedia:Hyam Maccoby|Hyam Maccoby]]: ''Der Mythenschmied. Paulus und die Erfindung des Christentums'', Ahriman, Freiburg i. Br. 2006, ISBN 3-89484-605-4
* [[Wikipedia:Jacob Taubes|Jacob Taubes]]: ''Die politische Theologie des Paulus. Vorträge''. Fink, München 2003, ISBN 3-7705-2844-1 (religionsphilosophische Erklärung des Paulus anhand seiner jüdischen Wurzeln)
 
=== Archäologie ===
* Peter Pilhofer: ''Philippi''. Mohr Siebeck, Tübingen 1995ff.
# ''Die erste christliche Gemeinde Europas'' (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament; 87). 1995, ISBN 3-16-146479-6.
# ''Katalog der Inschriften von Philippi'' (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament; 119). 2000, ISBN 3-16-146518-0
* Paul Trebilco: ''The early Christians in Ephesus from Paul to Ignatius'' (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament; 166). Mohr Siebeck, Tübingen 2004, ISBN 3-16-148271-9.
 
=== Anthroposophische Literatur ===
 
* Clemens Horvat: ''Die Paulus-Briefe und Rudolf Steiners Philosophie der Freiheit'', 2. Auflage, Books on Demand 2019, ISBN 978-3748141877, eBook {{ASIN|B07W4LSC73}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Bhagavad Gita und die Paulusbriefe'', [[GA 142]] (1982), ISBN 3-7274-1420-0 {{Vorträge|142}}
 
{{GA}}
 
== Weblinks == <!-- Bitte beachten: Höchstens 5 Weblinks pro Artikel - und nur vom Feinsten! -->
{{Wikiquote|Paulus von Tarsus}}
{{Commons|Category:Saint Paul|Apostel Paulus}}
 
=== Biografie ===
*[http://www.jewishencyclopedia.com/view.jsp?artid=283&letter=S&search=Paul Jewish Encyclopedia (englisch)]
*[http://www.ekd.de/paulus/ EKD: Online-Spiel über Biografie und Reisen des Paulus]
 
=== Theologie ===
*[http://www.reformiert-online.net:8080/t/de/bildung/bibelkunde/nt/haupt2/ Reformierte Bibelkunde zu Paulus]
*[http://www.joerg-sieger.de/einleit/nt/04paul/nt_e4.htm Jörg Sieger über das Corpus Paulinum]
*[http://www.theologie-links.de/person-paulus.html Theologielinks zu Paulus]
*[http://www.taz.de/pt/2001/06/23/a0131.nf/text Artikel in der Taz]
*[http://www.theologie-systematisch.de/ekklesiologie/3nt.htm Aktuelle Literatur zur Bedeutung des Paulus für die Kirchen]
 
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Version vom 1. Februar 2020, 20:37 Uhr

„Apostel Paulus“ von Dürer

Paulus von Tarsus (hebräischer Name: Saul; lat.: Saulus; * unbekannt, † nach 60, eventuell in Rom) ist der erste und wichtigste Theologe der Christentumsgeschichte und neben Simon Petrus der erfolgreichste Missionar des Urchristentums.

Als griechisch gebildeter Jude und gesetzestreuer Pharisäer verfolgte Paulus die Anhänger des gekreuzigten Jesus von Nazaret, dem er nie begegnet war, zunächst. Doch seit seinem Damaskuserlebnis verstand er sich als von Gott berufener „Apostel des Evangeliums für die Völker“ (Gal 1,15f EU). Als solcher verkündete er vor allem Nichtjuden den auferstandenen Jesus Christus. Dazu bereiste er den östlichen Mittelmeerraum und gründete dort einige christliche Gemeinden. Durch seine Paulusbriefe blieb er mit ihnen in Kontakt.

Diese ältesten erhaltenen Schriften des Neuen Testaments haben nicht nur Theologen wie Augustinus von Hippo, Martin Luther und Karl Barth, sondern auch Philosophen wie Sören Kierkegaard oder Karl Jaspers geprägt und damit die europäische Geistesgeschichte stark beeinflusst. Seit der Aufklärung sehen viele Denker – u. a. Friedrich Nietzsche oder Hannah Arendt – in Paulus den eigentlichen Gründer des Christentums.

Quellen

Der schreibende Paulus in einer frühmittelalterlichen Ausgabe seiner Briefe

Im Neuen Testament werden Paulus dreizehn Briefe zugeschrieben. Für mindestens sieben davon - Röm, 1 Kor, 2 Kor, Gal, Phil, 1 Thess, Phlm - erkennt die heutige historisch-kritische Forschung seine Autorschaft an. Sie wurden zwischen 50 und 60 verfasst und sind die Hauptquelle für Biografie, Theologie und Missionstätigkeit des Paulus.

Von den paulinischen Missionsreisen berichtet außerdem die Apostelgeschichte (Apg) des Lukas. Sie wurde einige Jahrzehnte nach den geschilderten Ereignissen verfasst und will in erster Linie eine idealtypische Ausbreitung des christlichen Glaubens darlegen. An historischen Abläufen ist sie weniger interessiert. Deshalb gilt sie nicht durchgehend als historisch verlässlich. Dennoch bestätigt und ergänzt sie einige biografische und theologische Angaben der Paulusbriefe.

Schließlich existieren einige der paulinischen Theologie nahestehenden Briefe: Eph, Kol, 2 Thess, 1 Tim, 2 Tim, Tit und Hebr. Sie wurden zwischen 70 und 100 von einer Schülergeneration des Paulus verfasst und ermöglichen Rückschlüsse auf die Auffassung und Wirkung seiner Theologie.

Außerbiblische Quellen zu Leben und Werk des Paulus sind nicht bekannt.

Chronologie

Fixpunkte und relative Reisefristen

Ausgangspunkt für die Datierung der paulinischen Missionsreisen ist eine Angabe in Apg 18,12 EU: Danach wurde Paulus gegen Ende seines Aufenthalts in Korinth dem römischen Statthalter Lucius Junius Gallio vorgeführt. Nach einer in Delphi gefundenen Inschrift bekleidete Gallio dieses Amt wohl von Frühsommer des Jahres 51 bis Frühsommer 52. Zudem erwähnt Apg 18,2 EU ein Edikt des Kaisers Claudius, wonach die Juden Rom verlassen mussten: Dieses wird auf 49 datiert. Demnach war Paulus 50/51 n.Chr. für etwa anderthalb Jahre in Korinth. Von da aus werden die übrigen chronologischen Daten ungefähr errechnet.

Um 48 müsste Paulus aus Antiochia aufgebrochen sein (Apg 15,40 EU). Etwa 46/47 unternahm er mit Barnabas eine Missionsreise durch Zypern und die Südtürkei, besuchte Athen (Apg 17 EU und 1_Thess 3,1-5 EU) und gründete Gemeinden in Thessaloniki und Philippi (Apg 16-17 und 1_Thess 2,2 EU). Um 46 besuchte er Jerusalem (Apg 12,25 EU) - möglicherweise, um eine Kollekte zu überbringen (Apg 11,30 EU und Gal 2,10 EU). Diese Kollektenübergabe wird oft mit einer Hungersnot in Palästina in Verbindung gebracht, die der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus für die Mitte der 40er Jahre angab.

Den Zeitraum vor diesem Besuch beschreibt Paulus im Galaterbrief: Auf seine Bekehrung folgten Aufenthalte in Arabien und Damaskus. Drei Jahre danach habe er erstmals die Jerusalemer Urgemeinde besucht und dort Petrus und Jesu Bruder Jakobus getroffen (Gal 1,17f EU; vgl. Apg 9,26-30 EU). Dann missionierte er in Syrien und Kilikien (Gal 1,21 EU), also wohl in Tarsus und Antiochia. Vierzehn Jahre nach seiner Bekehrung besuchte er zum zweiten Mal Jerusalem (Gal 2,1-10 EU).

Nimmt man als wahrscheinliches Todesdatum Jesu das Jahr 30 an und addiert die Jahresfristen in Gal 1-2, dann wurde Paulus im Jahr 32 oder 33 Christ und begann dann seine Missionstätigkeit.

Von Korinth aus reiste Paulus nach einer kurzen Zwischenstation in Antiochia (Apg 18,23 EU) nach Ephesus, wo er etwa 52 bis 56 blieb (Apg 19,1.8.10 EU; Apg 20,31 EU). Danach reiste er über Makedonien wieder nach Korinth, wo er einen Winter verbrachte (u. a. 2_Kor 2,12f EU; Apg 20,1f EU). Im Frühjahr 57 muss er dann nach Jerusalem aufgebrochen sein (Apg 20,3 EU und Röm 15,25ff EU). Dort wurde er vom Statthalter Antonius Felix verhaftet und zwei Jahre lang in Gewahrsam in Cäsarea gehalten (Apg 20ff). Im Jahr 59 trat der neue Statthalter Porcius Festus sein Amt an: Erst jetzt konnte Paulus an den römischen Kaiser appellieren und wurde nach Rom verschifft.

Wann das so genannte Apostelkonzil stattfand, ist ungewiss. Nach Gal 2,1-10 fiel es mit dem zweiten Jerusalembesuch des Paulus zusammen, nach Apg 15 mit einem dritten. Auch die Details beider Erzählungen - Reiseanlässe, Reisergebnisse, Reisezeiten - stimmen nicht überein. Für einige Historiker berichten die beiden Texte daher über verschiedene Ereignisse. Die meisten Exegeten gehen davon aus, dass sich das Aposteltreffen nach dem Tod Agrippas (44 n.Chr.) ereignete, vermutlich zwischen 46 und 48.

Übersicht

  • etwa 32-33: Bekehrung bzw. Berufung zum Völkerapostel
  • bis 35: Damaskus, Arabien, dann wieder Damaskus
  • 35: erste Jerusalemreise
  • danach Tarsus/Kilikien, Antiochia/Syrien
  • 46 oder 48: zweiter Jerusalembesuch mitsamt Apostelkonzil
  • 46/47: Zypern, Südtürkei
  • 48-50: Philippi, Thessaloniki, Athen
  • 50/51: erster Korinthbesuch, dort Abfassung des ersten Thessalonicherbriefs
  • Zwischenstation in Antiochia
  • 52-56: Ephesus, dort Abfassung der Briefe Gal, Phil, 1 Kor, Phlm
  • 56/57: Makedonien, zweiter Korinthbesuch, dort Abfassung von 2 Kor und Röm
  • 57: letzte Jerusalemreise
  • 57-59: Gefangenschaft in Cäsarea
  • 59/60: Überführung nach Rom

Diese Liste nennt nur die verhältnismäßig gesicherten Daten. Patristische Notizen von einer angeblichen Paulusmission in Spanien und von seiner Hinrichtung in Rom unter Kaiser Nero (64) gelten dagegen als Legenden.

Leben

Herkunft und Ausbildung

Nach Apg 22,3 EU stammte Paulus aus einer strenggläubigen jüdischen Familie aus Tarsos in der damaligen römischen Provinz Kilikien, einem Landstrich in der heutigen Südtürkei im Grenzgebiet zu Syrien. Diese Hafenstadt war damals ein bedeutendes Handelszentrum mit einer größeren jüdischen Diaspora-Gemeinde, wie es sie in vielen Küstenstädten des Mittelmeerraums gab.

Von seinem Vater erbte Paulus nach Apg 16,37 EU; Apg 22,28 EU das römische Bürgerrecht, das nur eine Minderheit der jüdischen Reichsbewohner besaß. Darauf soll er sich nach Lukas später erfolgreich in Konflikten um seine Mission berufen haben. Er selbst erwähnt sein Bürgerrecht nicht.

Lukas führt ihn mit dem jüdischen Vornamen Saulus ein (Apg 7,58 EU; Apg 8,1.3 EU), der von Saul (hebräisch Schaul), dem ersten König Israels, abgeleitet ist. Wie dieser stammte seine Familie aus dem Stamm Benjamin (1_Sam 9,1 EU), der als der kleinste der Zwölf Stämme Israels galt. Darauf kann der griechische Name Paulos (= der Kleine; lateinisch Paulus bzw. Paullus) anspielen und auch wegen seiner Lautähnlichkeit zu Schaul gewählt worden sein. Paulus selbst verwendete ihn immer in seinen Briefen.

Lukas erwähnt den Doppelnamen beiläufig erst in Apg 13,9 EU. Saulus wechselte seinen Namen also nicht wegen seiner Bekehrung und Taufe zu Paulus, wie es die bekannte Redewendung irrtümlich nahelegt, sondern trug beide Namen wohl seit seiner Geburt. Mehrsprachige Vor- oder Doppelnamen waren damals unter Diasporajuden üblich. Allerdings war der Name Paulus unter ihnen sehr selten.

Paulus selbst betonte zwar den völligen Wesenswandel, der ihm durch Jesus Christus widerfuhr, brachte diesen aber nicht mit einem Namenswechsel in Verbindung. Er verwahrte sich entschieden dagegen, diesen Wandel als Aufgabe seines Judeseins misszuverstehen. Gegenüber innerchristlichen Gegnern hob er seine jüdische Abstammung später immer wieder voll Stolz hervor (z. B. Phi 3,5f EU):

... einer aus dem Volk Israel, vom Stamme Benjamin, ein Hebräer von Hebräern, nach dem Gesetz ein Pharisäer ...

Demnach wurde Paulus wohl schon in seiner Jugend zu einem Toralehrer ausgebildet. Laut Apg 22,3 EU wuchs er in Jerusalem auf und wurde dort vom damals berühmten Rabbiner Gamaliel I. unterrichtet; er selbst jedoch erwähnt weder den Umzug noch seinen Lehrer, auch nicht, wo es ihm genützt hätte. Seine Briefe zeigen sowohl solide Kenntnisse des Tanach als auch hellenistischer Rhetorik, Redeformen und Briefschemata. Sie gebrauchen viele Begriffe der hellenistischen Popularphilosophie – besonders der Stoa –; zugleich grenzte sich Paulus als Christ später bewusst von der im Diasporajudentum gepflegten Weisheit ab (1_Kor 2,1-4 EU). Die von Lukas stilisierte Paulusrede auf dem Areopag (Apg 17 EU) wird daher als spätere apologetische Umdeutung genuin paulinischer Kreuzestheologie beurteilt.[1]

Nach jüdischem Brauch lernte Paulus neben seiner Schriftausbildung auch das Handwerk des Zeltmachers, vergleichbar mit dem des Sattlers (Apg 18,3 EU). Mit dieser Tätigkeit verdiente er auch später als christlicher Missionar seinen Lebensunterhalt (1_Thess 2,9 EU; 1_Kor 4,12 EU; 2_Kor 11,27 EU).

Christenverfolger

Paulus vertrat bis zu seiner Bekehrung einen strengen Pharisäismus, der verlangte, dass auch Proselyten (zum Judentum übergetretene Nichtjuden) zu beschneiden seien (vgl. Apg 15,5 EU). Er verstand sich als „Eiferer für das Gesetz“ (Gal 1,14 EU), der dessen Vorschriften auch gegenüber Mitjuden vorbildlich erfüllt habe (Phi 3,6 EU). In diesem Streben wurde er ein erbitterter Gegner jener hellenistischen Judenchristen, die in der jüdischen Diaspora missionierten und dabei neugetauften Heidenchristen die Befolgung der Tora erleichterten, indem sie auf deren Beschneidung verzichteten.

Laut Lukas beaufsichtigte Paulus sogar im Auftrag des Sanhedrin die vorschriftsmäßige Steinigung des ersten christlichen Märtyrers Stephanus (Apg 7,58ff EU). Dieser erscheint als Wortführer jener Gruppe von Hellenisten, die in der Jerusalemer Urgemeinde als erste mit der Heidenmission begannen, den Tempelkult ablehnten und dadurch in Konflikt mit den sadduzäischen Tempelpriestern gerieten.

Paulus selbst schweigt jedoch über Stephanus und seinen Prozess. Wo er über seine frühere Christenfeindschaft berichtet, betont er, er sei erst drei Jahre nach seiner Bekehrung erstmals nach Jerusalem gereist, die Gemeinden Judäas hätten ihn vorher nicht gekannt (Gal 1,18.22 EU). Die Verfolgung galt also wohl nur den jüdischen Mitgliedern der hellenistischen Christengemeinden außerhalb Palästinas, die die Tora nicht streng befolgten.

Die Bekehrung

Die Bekehrung des „Saulus“ - Bildtafel mit dem zentralen Bildmotiv des Altars des nordspanischen Einsiedlerklosters Ayerbe
Die Bekehrung des Paulus in der Interpretation Caravaggios

Paulus selbst erwähnt seine Begegnung mit dem auferstandenen Jesus Christus mehrmals (Gal 1,15ff EU; Phi 3,7ff EU; 1_Kor 15,8f EU; 2_Kor 4,1.5f EU), schildert aber nur deren Inhalte, nicht die Art und Weise seiner Bekehrung. Er beschreibt sie als Erwählung durch Gott, der schon vor seiner Geburt entschieden habe, ihm seinen Sohn zu offenbaren und so zum Völkerapostel zu berufen (Gal 1,15 EU). Er betont, er sei seinem Auftrag drei Jahre lang gefolgt und habe erst dann die Jerusalemer Urgemeinde besucht (Gal 1,17ff EU). Man nimmt an, dass er dort das schon fixierte urchristliche Glaubensbekenntnis mit der Liste der Auferstehungszeugen übernahm, das er in 1_Kor 15,3-7 EU zitierte und ergänzte (Vers 8):

Zuletzt von allen ist er auch von mir, einer Missgeburt, gesehen worden. Denn ich bin der Geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, ein Apostel zu heißen, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.

Paulus stellte seine Berufung also in die Reihe der älteren Christuserscheinungen, von denen ihm die Augenzeugen wohl bei seinem ersten Jerusalembesuch berichteten. Welcher Art diese waren, erfährt man nicht. Der formelhafte Ausdruck ophtae (gesehen worden = erschienen) verweist auf Visionen, die wie in der jüdischen Apokalyptik als von Gott offenbarte Vorwegnahme endzeitlicher Ereignisse erfahren und weitergegeben wurden (z. B. Dan 7,1-14 EU). Denn Paulus schloss hier sein berühmtes Kapitel über die Totenauferstehung an, einen Glauben, den er mit anderen jüdischen Gruppen wie Pharisäern, Zeloten und Essenern teilte.

Gottes Berufung, Erkenntnis Jesu Christi als Sohn Gottes, Selbsterkenntnis als Sünder, der besondere Auftrag zur Völkermission und die Gewissheit der endzeitlichen Totenerweckung bildeten für Paulus also eine untrennbare Einheit. Er betonte daher, dass das von ihm verkündete Evangelium nicht menschlicher Art sei (Gal 1,11 EU), sondern eine unmittelbar von Gott geoffenbarte und ohne menschliche Vermittlung an ihn gerichtete Botschaft.

Die Apostelgeschichte beschreibt die äußeren Umstände seiner Berufung mit einem Erzählbericht (Apg 9,1-18 EU) sowie zwei als Eigenreden des Paulus stilisierten Berichten (Apg 22,6-16 EU und Apg 26,12ff EU). Erst dadurch erhielt die Berufung den Charakter eines Bekehrungserlebnisses. Dabei widersprechen sich die Versionen teilweise: In Apg 9 hört nur Paulus eine Stimme, seine Begleiter sehen nur ein Licht; in Apg 22 ist es umgekehrt.

Missionsreisen

Missionsreisen des Paulus

Seinem Selbstverständnis als Völkerapostel gemäß wollte Paulus das Evangelium Jesu Christi so weit wie möglich ausbreiten. Ob er dabei schon an Rom als Reiseziel dachte, ist ungewiss und wird durch die Darstellung der Apostelgeschichte nahe gelegt, die von der damaligen Bedeutung der römischen Gemeinde her konzipiert wurde.

Zusammen mit einem teilweise wechselnden Mitarbeiterstab (die Paulusbriefe und Apg nennen u. a. Barnabas, Timotheus, Titus, Erastus, Silas) brach der Apostel auf in große antike Städte (z. B. Philippi, Korinth, Ephesus), um sich dort längere Zeit niederzulassen. Dabei versuchte er, christliche Gemeinden aufzubauen. Sobald diese Gemeinden selbständig in der Lage waren, sich zu organisieren, reiste Paulus in die nächste Stadt. Er missionierte in den hellenisierten Großstädten, von wo aus die neuen Gemeinden das Hinterland missionierten. Von anderen Städten aus hielt Paulus Briefkontakt mit ihnen, um auf Probleme und aktuelle Fragen zu antworten. Die beiden Korintherbriefe zeigen dies anschaulich.

Von Ephesus aus reiste Paulus nochmals durch seine zuletzt gegründeten Gemeinden, um eine Kollekte einzusammeln und nach Jerusalem zu bringen. Dort wurde er schließlich von den römischen Behörden verhaftet und nach längerem Hin und Her nach Rom überstellt, wo er vermutlich das Martyrium erlitt.

Leiden und Verfolgung

Paulus beschreibt in seinen Briefen öfter persönliches Leiden, die er als Folge seiner Christusverkündigung deutet. Er stieß deswegen bei Juden und Römern/Hellenisten immer wieder auf starke Ablehnung, die bisweilen auch zu „Aufruhr“ führte: So überlebte er diverse körperliche Auseinandersetzungen, Steinigungsversuche und Strafgeißelungen (vgl. 2_Kor 11,24f EU; Apg 14,19 EU). Dies könnte ihn dauerhaft körperlich beeinträchtigt haben.

Gal 4,15 EU (Denn ich gebe euch das Zeugnis, dass ihr wenn möglich eure Augen ausgerissen und mir gegeben hättet) könnte auf ein Augenleiden hinweisen. In 2_Kor 12,7 EU spricht Paulus von einem „Pfahl im Fleisch“ und „Engel Satans, der mich mit Fäusten schlagen muss, damit ich mich nicht überhebe“. Dies wird manchmal als chronische rheumatische Erkrankung oder Arthrose gedeutet. Doch kommt der Ausdruck „Pfahl im Fleisch“ so nur in der Septuaginta (Ez 28,24 EU) vor und meint dort keine Krankheit, sondern eine unangenehme, durch persönliche Angriffe entstandene Situation. So könnte Paulus damit auf die ständige Verfolgung seiner Person und Lehre durch andere jüdische Gruppen anspielen. Darauf könnte sich 2_Kor 12,9 EU beziehen, wo er von seiner „Schwachheit“ spricht.

Gefängnisaufenthalte

Paulus befand sich mehrmals in Gefangenschaft. Mehrere seiner Briefe sind während eines Gefängnisaufenthalts abgefasst (Philipperbrief, Philemonbrief). Die Apostelgeschichte erwähnt eine kurzzeitige Gefangenschaft in Philippi (Apg 16,23 EU), Paulus selbst einen Gefängnisaufenthalt in Ephesus bzw. der Provinz Kleinasien (2_Kor 1,8f EU und Phi 1,12ff EU).

Im Römerbrief, dem letzten der echten Paulusbriefe, zeigte sich Paulus besorgt darüber, dass er bei seiner geplanten Reise nach Jerusalem zur Übergabe einer Kollekte an die dortige Urgemeinde von Juden verfolgt, aber auch von Judenchristen abgelehnt werden könnte (Röm 15,30ff EU). Wie schon beim Apostelkonvent, bei dem ihm diese Kollekte für die Genehmigung seiner Heidenmission auferlegt worden war, wollte Paulus offenbar für die Vollendung seines Lebenswerks, die lange geplante Mission auch im Westen des römischen Reichs, die persönliche Zustimmung der Urgemeindeleiter einholen. Seine Sorge war seit seiner Abreise aus Korinth begründet (Apg 20,3 EU): Damals wählte Paulus mit seinen Begleitern den Landweg über Mazedonien und bestieg ein Schiff nach Palästina erst in Kleinasien, um einem geplanten Anschlag seiner jüdischen Gegner zu entgehen (Apg 20,14 EU). Die persönliche Übergabe der Geldsammlung sollte den Zusammenhalt von Juden- und Heidenchristen festigen, der durch den zunehmenden Druck des palästinischen Judentums auf die Urchristen und die Abwendung mancher Heidenchristen von ihren jüdischen Wurzeln gefährdet war.

Gefangennahme und römischer Prozess

Seiner Befürchtung gemäß wurde Paulus in Jerusalem von Diasporajuden angeklagt, er habe einen Nichtjuden mit in den Tempel gebracht: Darauf stand nach der geltenden sadduzäischen Toradeutung die Todesstrafe, die auch die Römer bei solchen religiösen Vergehen zuließen. Anlass für diese Denunziation war eine Auslösungszeremonie für Nasiräer, die Paulus nach jüdischer Sitte bezahlen wollte, um für die Juden seine Treue zum Judentum zu demonstrieren. Um ihn vor jüdischer Lynchjustiz zu schützen, griff die römische Wache ein und nahm ihn in Schutzhaft (Apg 21,27-36 EU). Nach einer mehrmonatigen rechtlichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf Paulus den römischen Statthaltern die Christusbotschaft verkündete und als römischer Bürger an den Kaiser appellierte (Apg 25,9ff EU), wurde er schließlich gefangen nach Rom gebracht, um dort seinen Rechtsanspruch vorzutragen.

Über das Ende des Paulus berichtet die Apostelgeschichte nichts. Lukas nutzte den Zusammenhang, um von ihm gestaltete dramatische Gerichtsszenen und Paulusreden (Apg 20-25) in die Darstellung einzufügen. Deren Zielrichtung ist unter heutigen Exegeten umstritten.[2] Jedenfalls verrät die Paulus zugeschriebene große Abschiedsrede in Milet, dass Lukas über die tatsächlichen Todesumstände des Apostels Kenntnisse besaß.

Vermuteter Märtyrertod in Rom

Nach einer zuerst im 1. Clemensbrief überlieferten altkirchlichen Tradition aus Rom wurde Paulus unter Kaiser Nero als Märtyrer durch das Schwert hingerichtet. Möglicherweise fand er im Zuge von Neros Christenverfolgung im Jahr 64 den Tod. Eine Kreuzigung wäre ihm dann als römischem Bürger wohl erspart geblieben.

Sein Grab soll sich in Rom unter der Kirche San Paolo fuori le mura (Sankt Paul vor den Mauern) befinden, das der italienische Archäologe Giorgio Filippi im Juni 2005 wiedergefunden haben will. Ausgrabungen unter der Basilika unter der Führung von Vatikan-Archäologen brachten einen römischen Sarkophag hervor. Zuvor hatte man angenommen, das Grab sei bei einem Großbrand der Basilika 1823 zerstört worden.[3]

Theologie

Statue des Apostels Paulus vor dem Petersdom

Die Theologie des Paulus ist in seinen Briefen ausgeführt (insbesondere im Römerbrief und im Galaterbrief). Er übernahm den Glauben der Jerusalemer Urgemeinde, dass Jesus von Nazaret der in der jüdischen Tradition erwartete Messias (griechisch Χριστός Christós „der Gesalbte“) und Menschheitserretter sei. Im Unterschied zu Jesus und seinen zu Lebzeiten berufenen Jüngern stellte Paulus nicht den himmlischen Vater, sondern den auferstandenen Heilsbringer und Mittler Jesus Christus ins Zentrum seiner Verkündigung. Er lehrte, Gott habe mit der Hingabe seines Sohnes auch die unreinen heidnischen Stämme in seinen Bund aufgenommen, aber im Unterschied zum „Volk des ersten Bundes“ nur aus Gnade. Zur Annahme dieser Liebesgabe sei einzig der Glaube an den gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus notwendig. Die Befolgung der jüdischen Tora sei den gläubigen Heiden erlassen. Zugleich seien sie jedoch dem erwählten Gottesvolk unterstellt. Er legte damit den Grundstein für die Abspaltung des Heidenchristentums vom Judentum.

Grundzüge

Grundlegende Argumentationsbasis für die Theologie des Paulus ist die These, dass Christus für uns gestorben ist (Gal 2,21). Wer daran glaubt, gehört zur Gruppe der Erlösten. Deshalb lehnt Paulus auch die Übernahme der jüdischen Gesetze (Beschneidung u. a.) ab. Denn nicht durch Einhaltung von Gesetzen, sondern durch den Glauben an die Rettungstat Christi wird der Mensch erlöst. Dies bedeutet natürlich nicht, dass Paulus alle Gesetze frei gibt. Es existiert für ihn ein „Gesetz Christi“ (Gal 5; Röm 13), das jeder Gläubige erfüllt.

Jedoch löst Paulus „das Alte Testament von der Bindung an die äußere Befolgung des Kultgesetzes und seiner Rechtsvorschriften [und] öffnet es auf die ganze Welt hin“[4].

Entscheidend für das Verständnis der paulinischen Theologie ist die unbedingte Naherwartung der Endzeit. Gott wird diejenigen erretten, die sich dem Glauben an die Heilstat Christi zuwenden. Damit ist religionsgeschichtlich eine wichtige Wandlung erfolgt: Als Jude war Paulus der Überzeugung, dass derjenige errettet wird, der das jüdische Gesetz vollständig beachtet. Seit seiner Berufung zum Heidenapostel setzt Paulus einen vollständig anderen Akzent: Nicht mehr die Befolgung der Gesetze errettet, sondern der Glaube. Man muss also nicht mehr Jude sein, um errettet zu werden. Daraus folgt für Paulus ein dringender Auftrag: Alle, auch die Heiden, müssen darüber informiert werden. Es geht Paulus darum, dass alle Menschen die Botschaft hören, dass sie der Glaube an Christus errettet.

Damit will Paulus nicht das Judentum auflösen. Ihm geht es allein darum, die Nichtjuden, im damaligen Sinne die Heiden, zu retten. Paulus lässt den Vorrang des Judentums weiterhin bestehen (Röm 9-11). Aber die Nichtjuden sind eben seit dem Christus-Ereignis in den Kreis der Erretteten mit aufgenommen, sofern sie den Glauben annehmen (Gal 3-5).

Bei den theologischen Ausführungen des Paulus geht es also um eine Korporationsfrage (wer gehört zum Kreis der Erretteten?) und nicht um eine Individuumsfrage (was muss ich tun, um gerettet zu werden). Erst Luther liest Paulus - aufgrund der Fragen seiner Zeit und seiner Person - individualistisch und stellt die Frage, was der gläubige Christ zu tun hat, um Gerechtigkeit zu erlangen.

Erlösung der Erretteten

Wer an die Heilstat Christi glaubt, der ist nach Paulus gerecht vor Gott. Den Glaubenden ist die Errettung sicher. Doch wie drückt sich diese Errettung aus? Für Paulus handelt es sich um eine völlig neue Existenz, die der glaubende Mensch erhält (1. Kor 15). Schon im Diesseits vom Heiligen Geist beeinflusst, kann der Glaubende nach dem Tod die Auferstehung erwarten, die als Gemeinschaft mit Christus unter Ablegung des „Fleisches“ zu verstehen ist. Gegenwärtig also bereits steht der glaubende Christ durch den Heiligen Geist in Verbindung mit Gott, für die Zukunft steht die vollendete Erlösung aus.

Eschatologie

Seit der Reformation sind sich die Theologen darüber einig, dass die theologischen Gedanken des Paulus in ihrem Zentrum um eine Theologie der Erlösung kreisen. Die Mitte des paulinischen Erlösungsdenkens bildet dabei die „präsentische Gemeinschaft mit Christus“: Durch sein Sterben am Kreuz besiegte der Christus Jesus den Tod und die Sünde, die Mächte des alten Äons, und die Glaubenden wurden mit Christus gekreuzigt, auferweckt und verherrlicht (Gal 2,20; Eph 2,5-7). In Christus sind die Glaubenden in das neue Äon eingegangen (Röm 6), was sich für den einzelnen Christen in der Gabe des Geistes äußert (Röm 8,23f). Trotzdem bleibt der einzelne Christ in seiner Sterblichkeit dem alten Äon verhaftet, kann jedoch in der eschatologischen Hoffnung auf grundlegende Neuerung leben (Röm 8,29), die mit der Wiederkehr Christi Einzug halten wird für alle Glaubenden und die gesamte Schöpfung Gottes.

Das Heilsgeschehen

Paulus geht davon aus, dass Christus für uns gestorben ist. Da Gott nun nichts veranlasst, was nicht notwendig ist, muss dieser Tod Christi notwendig gewesen sein. Er war notwendig für die Erlösung der Menschen. In diesem Sinne ist des Apostels Aussage „aus dem Gesetz wird niemand gerecht“ zu verstehen: Die Erlösung des Menschen ist allein durch den Glauben an die Heilstat möglich. Aus dem Gesetz allein heraus ist sie nicht möglich. Denn wäre sie möglich, dann wäre der Tod Christi nicht notwendig gewesen!

Damit ist das Zentrum der paulinischen Theologie angeschnitten: die Frage nach der Rechtfertigung aus dem Glauben. Bekannt ist die Wendung „aus Glauben wird der Mensch gerecht, nicht aus den Werken des Gesetzes“ (vgl. Gal 2,15-21). Paulus will damit ausdrücken, dass nicht das jüdische Gesetz den Weg zum Heil darstellt, sondern der Glaube. Er exemplifiziert dies am Beispiel Abrahams (Gal 3,6-14), der von Gott im Alten Testament als Beispiel eines Gerechten gerühmt wird, wohingegen das jüdische Gesetz erst später eingeführt wird. Für Paulus ist Abraham das Beispiel dafür, dass man vor Gott gerecht wird, auch ohne das jüdische Gesetz.

Paulus argumentiert (Gal 3,6-14), dass Gott Abraham die Zusage des Heils gegeben hat. Erst danach hat Gott das Gesetz eingeführt, um vor der Macht der Sünde zu schützen. Mit der Sendung Christi aber ist die Macht der Sünde gefallen; Christus ist die Erfüllung der Heilsverheißung an Abraham. Das Gesetz hat und hatte nie Heilsfunktion, sondern nur Schutzfunktion.

In der gegenwärtigen theologischen Forschung stark umstritten ist die Frage, was Paulus meint, wenn er sagt, „aus Werken des Gesetzes wird niemand gerecht“. Hatte Luther noch gemeint, Paulus drücke damit aus, dass jeder Versuch das Gesetz zu erfüllen eine Art Selbstgerechtigkeit wäre, so wird heute eher angenommen, Paulus wolle auf die Nichtigkeit des Gesetzes für die Heilserlangung hinweisen: Egal ob ich das Gesetz erfülle oder nicht, dies bedeutet nichts für das Heil. Das Gesetz hat keine Heilsfunktion mehr, weil es jetzt Christus gibt (so Ed Parish Sanders); das Gesetz hat keine Heilsfunktion, weil Gott auch nichtjüdische Gläubige unter dem Heil wissen will (so James Dunn); das Gesetz hatte noch nie Heilsfunktion (so Michael Bachmann).

Ethik

Das von Gott gegebene Gesetz kann nicht zur Erlösung führen. Dennoch ist es für Paulus ein gutes, heiliges und gerechtes Gesetz. Denn durch den Akt des Glaubens ist der Mensch befreit von der Macht der Sünde und befähigt, das Gesetz Christi zu erfüllen. Grundlage des Gesetzes ist das Liebesgebot Christi. Keine Grundlage hingegen sind äußerliche Rituale wie Beschneidung u. ä.

Bedeutung und Wirkung

Paulus wird von allen Konfessionen als herausragender Verkünder der Lehre Jesu angesehen und geachtet, vor allem im Protestantismus. Seine christozentrische Lehre und das Absehen von den jüdischen Ritualvorschriften leiteten die Loslösung des neuen Glaubens vom Judentum und die Ausbildung einer eigenständigen, schließlich weltumspannenden Religion ein. Aus diesem Grund wird Paulus seit den Anfängen der wissenschaftlichen Bibelkritik im 18. Jahrhundert von vielen Philosophen und Theologen als eigentlicher Gründer des Christentums betrachtet. Aus dieser Sicht ist er nicht nur eine der einflussreichsten Gestalten der Kirchen-, sondern auch einer der wirkmächtigsten Denker der Weltgeschichte überhaupt.

In der Nachfolge der paulinischen Lehre entwickelten u. a. Augustinus von Hippo (4./5. Jh.), Martin Luther (15./16. Jh.) und Karl Barth (19./20. Jh.) ihre Theologie. Andererseits ist Paulus auch mindestens seit der frühen Neuzeit ein beliebtes Ziel von Angriffen durch Kritiker des bestehenden Christentum, die ihm häufig vorwerfen, die Lehre Jesu in diese oder jene Richtung verfälscht zu haben.

In der katholischen Weltkirche ist Paulus Schutzpatron der Theologen und Seelsorger, Weber, Zeltwirker, Korbmacher, Seiler, Sattler und Arbeiterinnen sowie der katholischen Presse. Er wird als Heiliger angerufen für Regen und Fruchtbarkeit der Felder und gegen Furcht, Ohrenleiden, Krämpfe und Schlangenbiss. In der Kunst wird er gewöhnlich als kahlköpfiger, bärtiger Mann mit Buch und/oder Schwert dargestellt.

Der Gedenktag von Paulus (und Petrus) ist der 29. Juni. Zur Erinnerung an Paulus hat Papst Benedikt XVI. ein Paulusjahr ausgerufen. Es soll am 28. Juni 2008 beginnen.[5]

Siehe auch

Referenzen

  1. Günter Bornkamm, Paulus S. 33; 84f
  2. Wikipedia:Heike Omerzu, Die Apologetik der Apostelgeschichte auf dem Prüfstand, ZNT 18, 2006, S. 27f
  3. Radio Vatikan: Paulusgrab freigelegt, 5. Dezember 2006
  4. Wikipedia:Radio Vatikan: Vatikan: Anfeindungen sind Chance für Zeugnis10. Januar 2007
  5. Wikipedia:Radio Vatikan: Paulusjahr, 21. Juni 2007

Literatur

Historisch-kritische Gesamtdarstellungen

  • Joachim Gnilka: Paulus. Apostel und Zeuge. Herder, Freiburg i.Br. 1996, ISBN 3-451-26377-7
  • Eduard Lohse: Paulus. Eine Biographie. Beck, München 2003, ISBN 3-406-49439-0 (umfangreich, informativ, leicht lesbar).
  • Ed Parish Sanders: Paulus. Eine Einführung. Reclam, Stuttgart 2006, ISBN 3-15-009365-1 (knappe Einführung in die wichtigsten Probleme der historisch-krischen Paulus-Forschung)
  • Udo Schnelle: Paulus. De Gruyter, Berlin 2003, ISBN 3-11-015164-2 (umfassender Überblick über Paulusforschung)
  • Oda Wischmeyer (Hg.): Paulus. Leben-Umwelt-Werk-Briefe. UTB, Tübingen 2006, ISBN 978-3-8252-2767-8 (informativer Überblick über die Paulusforschung als Gemeinschaftswerk jüngerer Theologen in erster Linie als Examensvorbereitung für Theologiestudenten)

Theologie des Paulus

  • Georg Eichholz: Die Theologie des Paulus im Umriss. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1991, ISBN 3-7887-0527-2 (Standardwerk: sieht Paulus als Begründer der reformatorischen Rechtfertigungslehre und betont seine Treue zu Israel)
  • Hans Hübner: Biblische Theologie des Neuen Testaments. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen
    • 2. Die Theologie des Paulus und ihre neutestamentliche Wirkungsgeschichte. 1993, ISBN 3-525-53587-2.
  • Claudia Janssen u. a.: Paulus. Umstrittene Tradition, lebendige Theologie; eine feministische Lektüre. Kaiser, Gütersloh 2001, ISBN 3-579-05318-3 (Neueste Forschungen zu Paulus mit Einordnung in die damalige gesellschaftliche, soziale und politische Situation mit einem feministisch-theologischen Ansatz)
  • Ernst Käsemann: Gottesgerechtigkeit bei Paulus. In: Ders.: Exegetische Versuche und Besinnungen. Auswahl. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen
    • 2. 1964, S. 181-193 (bahnbrechender Aufsatz, der die Rolle der spätjüdischen Apokalyptik für Paulus betont und darin die Kontinuität zu Jesus und der Urgemeinde sieht)
  • Albert Schweitzer: Die Mystik des Apostels Paulus. Mohr, Tübingen 1981, ISBN 3-16-143591-5 (Repr. d. Ausg. Tübingen 1930; ein älteres Standardwerk, das Paulus gegen Luther abgrenzt)
  • Gerd Theißen: Psychologische Aspekte paulinischer Theologie. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1993, ISBN 3-525-53566-X (Exegese anhand von vier psychologischen Methoden)

Biographie/Chronologie des Paulus

  • Friedrich W. Horn: Das Ende des Paulus. Historische, theologische und literaturgeschichtliche Aspekte. De Gruyter, Berlin 2001, ISBN 3-11-017001-9 (Aufsatzsammlung zur Endphase im Leben des Paulus)
  • Rainer Riesner: Die Frühzeit des Apostels Paulus. Studien zur Chronologie, Missionsstrategie und Theologie. Mohr, Tübingen 1994, ISBN 3-16-145828-1 (entgegen dem Titel eine vollständige Darstellung der Biographie des Apostels, sehr detailliert und fundiert)
  • Alfred Suhl: Paulus und seine Briefe Beiträge zur paulinischen Theologie. Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2005, ISBN 3-460-03054-2 (Auswertung der biographischen Selbstaussagen des Apostels in seinen Briefen)
  • Holger Zeigan: Aposteltreffen in Jerusalem. Eine forschungsgeschichtliche Studie zu Galater 2,1-10 und den möglichen lukanischen Parallelen. Evangelische VA, Leipzig 2005, ISBN 3-374-02315-0 (neueste Erscheinung zur Biographie des Paulus, schwerpunktmäßig mit dem Apostelkonvent von Gal.2 beschäftigt)

Außerchristliche Darstellungen

Archäologie

  • Peter Pilhofer: Philippi. Mohr Siebeck, Tübingen 1995ff.
  1. Die erste christliche Gemeinde Europas (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament; 87). 1995, ISBN 3-16-146479-6.
  2. Katalog der Inschriften von Philippi (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament; 119). 2000, ISBN 3-16-146518-0
  • Paul Trebilco: The early Christians in Ephesus from Paul to Ignatius (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament; 166). Mohr Siebeck, Tübingen 2004, ISBN 3-16-148271-9.

Anthroposophische Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
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Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

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Biografie

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