Expansion des Universums

Aus AnthroWiki
Version vom 27. Januar 2020, 00:56 Uhr von imported>Joachim Stiller (→‎Einzelnachweise)
Entwicklungsstadien des Universums (nur zur Illustration, nicht maßstäblich)

Als Expansion des Universums wird die von Beobachtungen abgeleitete Zunahme der räumlichen Ausdehnung des Universums bezeichnet. Diese wird über die stete Zunahme der Entfernung weit voneinander entfernter Objekte im Raum definiert. Nachdem sich, gemäß der Urknall-Theorie, die Expansion des Universums in den ersten Milliarden Jahren seiner Existenz (nach der Inflation kurz nach seiner Entstehung) verlangsamt hat, nimmt die Ausdehnungsgeschwindigkeit seither zu. Die Erklärung dieser beobachteten beschleunigten Expansion ist Gegenstand aktueller Forschung und hat zum Konzept der Dunklen Energie geführt.

Entdeckungsgeschichte

Albert Einstein und Willem de Sitter beschrieben 1917 zum ersten Mal das Universum mit dem Formalismus der allgemeinen Relativitätstheorie. Allerdings beschrieben sie ein statisches, immer gleichbleibendes Universum. Die Beschreibung von de Sitter erwies sich später als falsch. Alexander Friedmann gab 1922 die erste relativistische Beschreibung eines expandierenden oder auch kontrahierenden Universums (Friedmann-Gleichungen) an. Diese Publikation wurde allerdings kaum zur Kenntnis genommen.

Der amerikanische Astronom Vesto Slipher fand 1912 als Erster die Rotverschiebung der Spektrallinien des Lichts weit entfernter Galaxien. Edwin Hubble publizierte 1925 die Distanz zu M 31, dem Nebel in Andromeda, die ganz eindeutig zeigte, dass Andromeda weit außerhalb der Milchstraße liegt, 1926 publizierte er Distanzen zu weiteren Galaxien.

Die Expansion des Universums wurde 1927 vom Belgier Georges Lemaître entdeckt. Er entdeckte, was vor ihm schon Friedmann gefunden hatte, dass die Grundgleichungen der Relativitätstheorie ein dynamisches Universum ergeben. Diese Entdeckung verband er mit Sliphers Rotverschiebungen und Hubbles Distanzen. Er schloss daraus, dass das Universum expandiert. In seiner Publikation in den Annales de la Société Scientifique de Bruxelles im Jahr 1927 gab Lemaître bereits das Hubble-Gesetz an. Lemaître hat theoretisch hergeleitet, dass Galaxien sich umso schneller entfernen, je weiter sie vom Beobachter entfernt sind (vergleiche dazu: Hubble-Konstante). Dieses Resultat fand er in der beobachteten Galaxienflucht bestätigt. Dabei fand er für die später nach Hubble benannte Konstante einen Wert, der im Jahr 1929 durch die Arbeiten von Hubble weitgehend bestätigt wurde. Lemaître betonte, dass die „Flucht“ der Galaxien (im Kontext der Shapley-Curtis-Debatte auch mit dem heute nicht mehr verwendeten Begriff „Nebelflucht“ bezeichnet) nicht als Bewegung in einem fixen Raum zu verstehen sei, sondern, im Sinn der allgemeinen Relativitätstheorie, als Expansion des Raumes selbst.

Hubble selbst fand die Beziehung , also die Beziehung zwischen den Distanzen der Galaxien und den als Geschwindigkeiten gedeuteten Rotverschiebungen (Dopplereffekt), im Jahr 1929. Das deutete er allerdings nicht als Expansion des Universums, sondern im Sinn von de Sitters 1917 vorgeschlagenem Modell eines statischen Universums. Hubble hat das Modell des expandierenden Universums nie vertreten und – nach seinen Publikationen zu schließen – vermutlich auch nie daran geglaubt.

Hatte Einstein noch in seinen Theorien ein statisches Universum postuliert, revidierte er angesichts dieser damals neuen Theorie des expandierenden Raumes seine Auffassung. So hatte Einstein eine kosmologische Konstante in die Feldgleichungen eingeführt, um statische Lösungen des Universums zu erhalten. Diese Lösungen der Struktur des Universums waren jedoch instabil. Einstein bezeichnete die Idee einer kosmologischen Konstanten später laut George Gamow als die „größte Eselei meines Lebens“.[1]

Forschungsstand

Mögliche Entwicklungen der Größe des Universums in Vergangenheit und Zukunft für eine gegebene aktuelle Expansionsrate H0 werden durch die Friedmann-Gleichung beschrieben. Der zutreffende Fall ist das ΛCDM-Modell (magenta).
Hauptartikel: Kosmologie

Laut der heute gängigsten Theorie ist die kosmologische Rotverschiebung kein Dopplereffekt im eigentlichen Sinne, sondern beruht auf der allgemeinen zeitlichen Zunahme von Abständen im Universum. Dies führt zu der Annahme des Urknalls, da die Abstände zwischen den Galaxien in diesem Modell zu einem endlichen Zeitpunkt in der Vergangenheit verschwinden und daher ein Zustand unendlich hoher Dichte vorliegt.

Lange Zeit war unklar, ob die Expansion

  • unendlich fortdauern wird (offenes Universum);
  • immer langsamer wird, aber dennoch einen asymptotischen Grenzzustand erreichen wird (ebenes Universum);
  • irgendwann zum Stillstand kommt und wieder in eine Kontraktion übergeht (geschlossenes Universum).

1998 veröffentlichte Beobachtungen weit entfernter Supernovae vom Typ Ia im Rahmen des Supernova Cosmology Project und High-Z Supernova Search Team, für deren Auswertung die Astronomen Saul Perlmutter, Brian P. Schmidt und Adam Riess den Nobelpreis für Physik des Jahres 2011 zugesprochen bekamen,[2] zeigen, dass die Expansion des Universums heute beschleunigt abläuft. Diese Ergebnisse stimmen überein mit Untersuchungen der kosmischen Hintergrundstrahlung, beispielsweise mittels des WMAP-Satelliten. Als Ursache wird Dunkle Energie angenommen, eine zeitlich variable Verallgemeinerung der kosmologischen Konstante. Dunkle Energie konnte bislang nicht direkt nachgewiesen werden; ihre einzigen derzeit beobachtbaren Auswirkungen beziehen sich auf die Expansion des Universums sowie die Strukturbildung im Universum.

Die Beschleunigung der Expansion wird mit dem Lambda-CDM-Modell beschrieben.

Eine andere Hypothese zur Entstehung der Rotverschiebung ist die der abstandsabhängigen Photonen-Alterung. Sie kam mit der Quantentheorie auf, lehnte sich an das Teilchenbild des Lichts an und gilt heute jedoch als wissenschaftlich überholt.

Aus einigen Beobachtungen, die im Rahmen der normalen Friedmann-Lemaître-Robertson-Walker-Metrik nicht verstanden werden können, schließt man auf eine Phase exponentieller Expansion in der Frühzeit des Universums. Diese Expansionstheorien werden Inflationstheorien genannt.

Es werden auch Erklärungsversuche im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie untersucht.[3][4]

Siehe auch

Literatur

  • Charles H. Lineweaver, Tamara M. Davis: Der Urknall – Mythos und Wahrheit. In: Spektrum der Wissenschaft. Mai 2005, S. 38–47, ISSN 0170-2971.
  • Harry Nussbaumer: Achtzig Jahre expandierendes Universum. In: Sterne und Weltraum. Band 46, Heft 6, 2007, S. 36–44, ISSN 0039-1263.
  • Harry Nussbaumer: Das Weltbild der Astronomie. 2. erw. und akt. Auflage, vdf Hochschulverlag, 2007, ISBN 978-3-7281-3106-5.
  • Harry Nussbaumer, Lydia Bieri: Discovering the Expanding Universe. Cambridge University Press, 2009, ISBN 978-0-521-51484-2.

Einzelnachweise

  1. J.-P. Luminet: The Rise of Big Bang Models, from Myth to Theory and Observations. arxiv:0704.3579.
  2. The Nobel Prize in Physics 2011. Auf: nobelprize.org. Abgerufen am 5. Oktober 2011.
  3.  David L. Wiltshire: Gravitational energy as dark energy: cosmic structure and apparent acceleration. arxiv:1102.2045v1.
  4.  David L. Wiltshire: Cosmic clocks, cosmic variance and cosmic averages. arxiv:gr-qc/0702082.


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Expansion des Universums aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.