Logik und Vaisheshika: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''Vaisheshika''' ([[Sanskrit]], n., वैशेषिक, {{IAST|''vaiśeṣika''}}, ~ "Partikularität", im Sinne von ''Teil'', ''Besonderheit'', ''Einzigartigkeit'') ist eines der sechs klassischen Systeme der [[Wikipedia:Indische Philosophie|indischen Philosophie]]. Innerhalb des Weltganzen spielen darin den kleinsten Einheiten der Schöpfung, die [[Paramanu]]s, die tragende Rolle. Als Begründer der Überlieferung gilt [[Kanada (Hinduismus)|Kanada]], der die '''Vaisheshika-Sutras''' verfasst haben soll. Die Zeitspanne des Vaisheshika umfasst die ersten vorchristlichen Jahrhunderte bis etwas 700 n. Chr. Es handelt sich um eine naturphilosophische Lehre, deren Anliegen die Erfassung der natürlichen Phänomene war.
Die '''Logik''' ({{ELSalt|ἡ λογική (τέχνη)}} ''he logiké téchne'' „die denkende [Kunst, Vorgehensweise]“) oder '''Folgerichtigkeit''' ([[Konsistenz]]) ist die Lehre von den Gesetzen des richtigen, schrittweise durch [[Schlussfolgerung|Schlussfolgerung]]en, also [[diskursiv]] voranschreitenden [[verstand]]esmäßigen [[Denken]]s. In der klassischen, von [[Aristoteles]] begründeten Logik hat jede [[logische Aussage]] genau zwei [[Wahrheitswert]]e, nämlich [[wahr]] (w) und [[falsch]] (f) ([[Bivalenzprinzip]]). Im [[Wikipedia:20. Jahrhundert|20. Jahrhundert]] wurden [[Wikipedia:Mehrwertige Logik|mehrwertige Logiken]] entwickelt, die über mehr als zwei Wahrheitswerte verfügen. Die erste mehrwertige Logik wurde [[Wikipedia:1920|1920]] von [[Wikipedia:Jan Łukasiewicz|Jan Łukasiewicz]] als dreiwertige Logik mit den Wahrheitswerten ''wahr'', ''falsch'' und ''unbestimmt'' formalisiert. Mittlerweile gibt es verschiedenste Logiken mit endlich vielen, aber auch mit [[unendlich]] vielen Wahrheitswerten, wie etwa die [[Wikipedia:Fuzzylogik|Fuzzylogik]] ("unscharfe Logik", von [[Englische Sprache|engl.]] ''fuzzy '', "verwischt, verschwommen, unbestimmt"), die in den [[Naturwissenschaft]]en und in der [[Informatik]] große praktische Bedeutung gefunden haben. Mit der [[Wikipedia:Quantenlogik|Quantenlogik]], die aus der Formalisierung der [[Quantentheorie]], die grundsätzlich nur [[Wikipedia:Wahrscheinlichkeit|Wahrscheinlichkeit]]saussagen zulässt, enstanden ist, wurden logischen Aussagen erstmals ''Wahrscheinlichkeitswerte'' zugewiesen.


== Die menschliche Organisation als Grundlage der Logik ==
== Elementenlehre ==
Ihre Grundlage hat die Logik in der allgemein [[menschheit]]lichen, aber [[individuell]] differenzierten [[Organisation]].


{{GZ|Wenn
In seiner Elementenlehre geht das Vaisheshika von fünf Elementen aus: [[Erde]] (''prithivi''), [[Wasser]] (''apa''), [[Feuer]] (''teja''), [[Luft]] (''vayu'') und [[Äther]] (''[[akasha]]''). Diese Elemente werden durch bestimmte Eigenschaften gekennzeichnet. Die Erde durch Festigkeit, das Wasser durch Flüssigkeit, das Feuer durch Hitze und die Luft durch Beweglichkeit. Daneben besitzen die Elemente eine zweite Reihe von Eigenschaften, welche die Gegenstände der Sinneswahrnehmungen bilden: [[Form]] (''rupa''), [[Geschmack]] (''rasa''), [[Geruch]] (''gandha''), Berührung (''sparsha'') und [[Ton]] (''shabda''). Erde hat „Form, Geschmack, Geruch und Berührung“. Wasser hat „Form, Geschmack und Berührung“. Feuer hat „Form und Berührung“. Wind hat nur „Berührung“. Der Gegenstand des fünften Sinnes, der „Ton“, hat zum Träger das fünfte Element, den Äther, der nur diese Eigenschaft besitzt - ein Hinweis darauf, dass damit speziell der [[Klangäther]] gemeint ist. Die übrigen Eigenschaften sind im Äther nicht enthalten. Da der Ton sich überall hin verbreitet, nahm man an, dass der Äther alldurchdringend ist.
wir alle gleich denken, so kommt es nur davon, daß wir alle
gleich individuell organisiert sind und daß der Verstand
geknüpft ist an dies in allen Menschen gleich organisierte
Individuelle. Sie denken schon, insoferne Sie differenziert
sind, auch verschieden. Das sind aber Nuancen, die mit der
eigentlichen Logik nichts zu tun haben. Das eigentliche logische
und dialektische Denken ist aber ein Ausfluß der allgemeinen
menschheitlichen, aber individuell differenzierten
Organisation.|74|56}}


== Formale Logik ==
Man versuchte die Welt der Erscheinungen zu kategorisieren, indem man zu allen Eigenschaften Listen erstellte. So wurden z. B. sechs Arten des Geschmacks (''rasa'') angenommen: süß, sauer, salzig, bitter, scharf und herb. Umfangreicher waren die Listen für die Eigenschaften Berührung und Form. Größere Schwierigkeiten bereiteten Licht und Schatten. Allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass der Schatten nichts anderes ist als das Fehlen von Licht.


In der '''formalen Logik''' werden die [[Aussage]]n und [[Schlussfolgerung]]en streng formalisiert dargestellt. [[Immanuel Kant]] definierte sie als ein regelgeleitetes Schließen, das „von allem Inhalt der Verstandeserkenntnis und der Verschiedenheit ihrer Gegenstände“ abstrahiert, also „mit nichts anderem als der bloßen Form des Denkens zu tun“ hat<ref>Kant: [[Wikipedia:Kritik der reinen Vernunft|Kritik der reinen Vernunft]], 1781, S. 54</ref> und unterschied davon die „[[transzendentale Logik]]“, die auch den Inhalt von Aussagen behandelt.
Der Mensch besteht nach Auffassung des Vaisheshika aus einem Leib und einer Seele. Die Seele selbst ist der Träger der geistigen Persönlichkeit und sie ist es auch, welche beim Tode von einer Verkörperung in die andere übergeht. Die Seele ist auch der Träger des psychischen Geschehens. Einen feinstofflichen Leib kennt das Vaisheshika nicht. Neben der Seele gibt es nur den groben Körper. Dieser besteht aus Erde. Erde ist das Element, das die meisten, nämlich vier Eigenschaften umfasst. Das Vaisheshika zeigte von frühester Zeit an eine Abneigung gegen die Annahme einer Mischung der Elemente. Die Pflanzen zählte man nicht zu den Lebewesen. Als Wesen, welche die Welt bevölkern, wurden Götter, Menschen und Tiere genannt (mit den Göttern beschäftigte man sich jedoch nur am Rande).


== Klassische Logik ==
== Atomlehre ==
Eine der bemerkenswertesten Lehren, die das Vaisheshika hervorgebracht hat, ist seine Atomlehre, die sogar ausgereifter erscheint als die von [[Wikipedia:Leukipp|Leukipp]] und [[Wikipedia:Demokrit|Demokrit]] und vermutlich unabhängig von diesen griechischen Denkern entwickelt wurde:


Bekannte gültige Aussagen der klassischen Logik sind beispielsweise:
{{Zitat|Wenn man etwas teilt, so geht diese Zerlegung bis zum Atom. Und zwar spricht man vom Atom (''paramanu'', d.&nbsp;h. äußerst klein), weil die Reihenfolge von immer Kleinerem bei der Teilung hier ein Ende hat, da es nichts Kleineres mehr gibt. Wenn wir einen Erdklumpen in seine Teile zerlegen, so wird das Folgende immer kleiner.|Kanada|}}


; Principium identitatis (Satz der Identität): <math>P = P</math>
Die Legende erzählt, dass Kashyapa - so hieß Kanada ursprünglich, geboren als Sohn des Philosophen Ulka, schon als Kind sehr wach war und auf die kleinsten Dinge achtete. Als Junge begleitete er seine Vater auf einer Pilgerreise nach Prayaga. Er sah die tausenden Pilger, die in den Tempeln am Ganges Reis opferten. Auf ihrem Weg verloren sie immer wieder einzelne Reiskörner, doch niemand achtete darauf. Kashyapa aber sammelte jedes Körnchen auf. Das erschien den Leuten höchst seltsam und bald umringte ihn eine ganze Menschenmenge, doch der Knabe ließ sich davon nicht weiter beirren. Da kam der hochgelehrte Weise Muni Somasharma vorbei und wunderte sich, dass die Menschen hier einen kleinen Jungen umringten, statt wie gewöhnlich die rituellen Bäder im Ganges zu nehmen. Somasharma erkannte den Jungen und fragte ihn schließlich, warum er hier Körner aufsammle, um die sich selbst Bettler nicht bekümmerten. Da antwortete Kashyapa, dass die Körner, so klein sie auch sein mögen, doch Teil der Schöpfung seien. Einzeln mögen sie wertlos erscheinen, doch einige hundert von ihnen seien bereits eine Mahlzeit für einen Menschen, viele Mahlzeiten könnten eine Familie ernähren und letzlich die ganze Menschheit, die ja aus vielen Familien bestünde - und darum sei jedes Körnchen so wichtig wie der höchste Reichtum der Welt. Muni Somasharma war tief beeindruckt und sagte voraus, dass Kashyapa einst ein großer Philosoph würde. Von nun an solle ob seiner Achtsamkeit für die kleinsten Körnchen Kanada - ''Kornesser'' - heißen.<ref>Anu and Parmanu - Indian ideas about Atomic physics, http://www.newsfinder.org/site/more/anu_and_parmanu_indian_ideas_about_atomic_physics/</ref>
; Principium contradictionis (Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch): <math>\neg (P \wedge \neg P)</math> (z.&nbsp;B. „Es ist nicht der Fall, dass es (zugleich und am selben Ort) regnet und nicht regnet.“)
; Tertium non datur (Satz vom ausgeschlossenen Dritten): <math>P \or \neg P</math> (z.&nbsp;B. „Die Erde ist rund, oder es ist nicht der Fall, dass die Erde rund ist.“)
; Verum sequitur ex quodlibet (Wahres folgt aus Beliebigem): <math>P \rightarrow (Q \rightarrow P)</math> (z.&nbsp;B. „Wenn es regnet, dann regnet es (auch) unter der Voraussetzung, dass die Erde eine Scheibe ist.“)
;Ex contradictione sequitur quodlibet (aus Widersprüchlichem folgt Beliebiges): <math>(P \land \neg P) \rightarrow Q</math> (z.&nbsp;B. „Wenn es regnet und (am selben Ort und zur selben Zeit) nicht regnet, dann ist die Erde eine Scheibe.“
; Ex falso sequitur quodlibet (aus Falschem folgt Beliebiges): <math>\neg P \rightarrow (P \rightarrow Q)</math> (z.&nbsp;B. „Wenn es nicht regnet, dann ist unter der Voraussetzung, dass es (am selben Ort und zur selben Zeit) regnet, die Erde eine Scheibe.“)
; Paradox der materialen Implikation: <math>(P \rightarrow Q) \vee (Q \rightarrow P)</math> (Von zwei beliebigen Sätzen ist immer mindestens einer die hinreichende Bedingung für den jeweils anderen.)
; Principium rationis sufficientis (Satz vom zureichenden Grund): Nichts geschieht ohne Grund ([[lat.]] ''nihil fit sine causa''; so von [[Cicero]] bis ins 17. Jh.)


=== Logische Verknüpfungen ===
Es gibt nach Kanada 4 Atomarten mit jeweils ganz charakteristischen Eigenschaften, die den 4 [[physisch]]en Elememente entsprechen. Alle Atome eines bestimmten Elements gleichen einander dabei aufs Haar. Diese kleinsten ''dinghaften'', noch ''räumlich'' fassbaren Einheiten der Materie nannte Kanada [[Anu]] (im [[Sanskrit]] eine gebräuchliche Vorsilbe mit vielschichtiger Bedeutung <ref>vgl. z.B. → http://srimadbhagavatam.com/a/anu</ref>: ''nach'', ''nahe'', ''unter'', ''untergeordnet'', ''immer'', ''leicht'', ...; seit Kanada auch im Sinne von ''Atom'' gebraucht, als das, was der sichtbaren Materie zugrundeliegt).


In der klassischen '''Aussagenlogik''' sind folgende '''logische Verknüpfungen''' ('''[[Wikipedia:Junktor|Junktoren]]''', von [[lat.]] ''iungere'' „verknüpfen, verbinden“) zweier [[Logische Aussage|logischer Aussagen]] <math>P</math> und <math>Q</math> am gebräuchlichsten:
Kanada geht noch weiter. Eigentlich sind nicht die räumlich fassbaren ''Anus'' die kleinsten Einheiten, sondern die sogenannten [[Paramanu]]s (zusammengesetzt aus ''param'' und ''anu'' - was soviel bedeutet wie: ''jenseits des Atoms''). Sie entstanden am Anfang der [[Schöpfung]] als [[gestalt]]lose, ''punktförmige'', ''nicht''-räumliche Ureinheiten. Daraus bildeten sich zunächst Dyaden aus zwei ''paramanus'' - und damit traten erst die räumlich fassbaren ''anus'' hervor. Die sind immer noch zu klein, um gesehen werden zu können, aber indem sie sich weiter zu noch größeren Gebilden zusammenlagern, treten sie schließlich in die Sichtbarkeit. Damit steht Kanada erstaunlich nahe der modernen [[Wikipedia:Physik|physikalischen]] [[Atom]]lehre, nach der alle Materie letztlich aus punktförmig gedachten, nicht dinghaften [[Wikipedia:Elementarteilchen|Elementarteilchen]] ([[Wikipedia:Leptonen|Leptonen]] und [[Wikipedia:Quark (Physik)|Quarks]]) besteht.


* die [[Wikipedia:Negation|Negation]] <math>\neg P</math> entspricht einer Verneinung
Alles Geschehen beruht auf Bewegung, auf Stoß und Gegenstoß, die von ewigen Naturkräften verursacht werden. Es ist die Bewegung, welche die Atome zusammenführt und die Dinge entstehen lässt. Und es ist wieder Bewegung, welche den Zusammenhalt der so vereinigten Atome sprengt und die Dinge vernichtet.
* die [[Wikipedia:Implikation|materiale Implikation]], auch Subjunktion oder Konditional genannt, <math>P \rightarrow Q</math>, entspricht der [[Hinreichende Bedingung|hinreichenden Bedingung]] „(Schon) wenn P, dann Q“
* das [[Wikipedia:Bikonditional|Bikonditional]], auch Bisubjunktion oder [[Äquivalente Bedingung|Äquivalenz]] genannt, <math>P \leftrightarrow Q</math>, entspricht einer [[Hinreichende Bedingung|hinreichenden]] und [[Notwendige Bedingung|notwendigen Bedingung]], „Q genau dann, wenn P“
* die [[Wikipedia:Konjunktion (Logik)|Konjunktion]] <math>P \land Q</math>, das logische Und: „Sowohl P als auch Q“
* die [[Wikipedia:Disjunktion|Disjunktion]] <math>P \vee Q</math>, das einschließende Oder: „Entweder P oder Q oder beide“


=== Logische Schlussfolgerungen ===
== Seelenvorstellungen ==
Im Hinblick auf die Seelenvorstellung machte das Vaisheshika eine Entwicklung durch. Die Lehre von einer Weltseele war ihm anfangs fremd, hingegen wurden zahlreiche Einzelseelen angenommen. Während in der frühen Phase die Seelen als grundsätzlich gleichwertige Faktoren beim Aufbau der Erscheinungswelt betrachtet wurden, hatte man sie später als etwas wesentlich Verschiedenes erkannt. An Stelle der im Wesenskreislauf wandernden körpergroßen Seelen war die Vorstellung von ihrer unendlichen Größe und ewigen Unbewegtheit getreten. Nachdem die Eigenschaften ihre feste Verbindung mit der Seele verloren hatten, ähnelte die Seelenvorstellung des Vaisheshika immer mehr der von [[Atman]] in den [[Upanishaden]], ohne jedoch deren Vorstellungen von Erlösung zu übernehmen.


Die '''klassische Logik''' oder '''Begriffslogik''' schreitet durch drei grundlegende Glieder voran, nämlich - entgegen der herkömmlichen Meinung - vom [[Schluss]] über das [[Urteil]] hin zum [[Begriff]]:  
== Kategorienlehre ==
Die Kategorienlehre stellt den wichtigsten Teil des Vaisheshika dar und baut auf der älteren Elementenlehre auf. Das orthodoxe Vaisheshika-System, wie es [[Wikipedia:Prashastapada|Prashastapada]] (6. Jahrhundert n.&nbsp;Chr.) darstellt, kennt sechs Kategorien: Substanz, Eigenschaft, Bewegung, Gemeinsamkeit, Besonderheit und Inhärenz. Allen diesen Kategorien sind drei Merkmale gemeinsam, das Vorhandensein (''Astitvam''), die Erkennbarkeit (''Jneyatvam'') und die Benennbarkeit (''Abhidheyatvam''). Diese Kategorien sind keine eigenständigen Wesenheiten, sondern verschiedene Formen des Seins, welche nur in Verbindung miteinander möglich sind. Dabei stellen die Substanzen die Träger dar, alle anderen Kategorien haften an den Substanzen. Es gibt neun Substanzen:


<div style="margin-left:20px">
a) die Elemente '''Erde, Wasser, Feuer und Luft'''. Diese sind ewig soweit sie aus Atomen bestehen
"Indem wir uns logisch, das heißt denkend-erkennend betätigen,
b) '''Äther, Raum und Zeit''' gelten als alldurchdringend, ewig und sind je eins.
haben wir in dieser Betätigung immer drei Glieder. Erstens haben wir
c) die '''Seelen''', es gibt zwei Arten von Seelen, eine allwissende Seele d.&nbsp;h. Gott und eine große Zahl individueller Seelen.  
immerfort dasjenige in unserem denkenden Erkennen drinnen, was wir
d) '''Manas, das Denkorgan''', wird als atomklein und in ebenso großer Zahl wie die Seelen angenommen, da zu jeder Seele ein Manas gehört, das die Verbindung zwischen der Seele und der Außenwelt herstellt.
Schlüsse nennen. Für das gewöhnliche Leben äußert sich ja das Denken
in der Sprache. Wenn Sie das Gefüge der Sprache überblicken, werden
Sie finden: indem Sie sprechen, bilden Sie fortwährend Schlüsse
aus. Diese Tätigkeit des Schließens ist die allerbewußteste im Menschen.
Der Mensch würde sich durch die Sprache nicht äußern können,
wenn er nicht fortwährend Schlüsse sprechen würde; er würde nicht
das, was der andere zu ihm sagt, verstehen können, wenn er nicht fortwährend
Schlüsse in sich aufnehmen könnte. Die Schullogik zergliedert
gewöhnlich die Schlüsse; dadurch verfälscht sie sie schon, insofern
die Schlüsse im gewöhnlichen Leben vorkommen. Die Schullogik
bedenkt nicht, daß wir schon einen Schluß ziehen, wenn wir ein einzelnes
Ding ins Auge fassen. Denken Sie sich, Sie gehen in eine Menagerie
und sehen dort einen Löwen. Was tun Sie denn zuallererst, indem
Sie den Löwen wahrnehmen? Sie werden zuallererst das, was Sie
am Löwen sehen, sich zum Bewußtsein bringen, und nur durch dieses
Sich-zum-Bewußtsein-Bringen kommen Sie mit Ihren Wahrnehmungen
gegenüber dem Löwen zurecht. Sie haben im Leben gelernt,
ehe Sie in die Menagerie gegangen sind, daß solche Wesen, die sich so
äußern wie der Löwe, den Sie jetzt sehen, «Tiere» sind. Was Sie da
aus dem Leben gelernt haben, bringen Sie schon mit in die Menagerie.
Dann schauen Sie den Löwen an und finden: der Löwe tut eben auch
das, was Sie bei den Tieren kennengelernt haben. Dies verbinden Sie
mit dem, was Sie aus der Lebenserkenntnis mitgebracht haben, und
bilden sich dann das Urteil: Der Löwe ist ein Tier. - Erst wenn Sie
dieses Urteil sich gebildet haben, verstehen Sie den einzelnen Begriff
«Löwe». Das erste, was Sie ausführen, ist ein Schluß; das zweite, was
Sie ausführen, ist ein Urteil; und das letzte, wozu Sie im Leben kommen,
ist ein Begriff. Sie wissen natürlich nicht, daß Sie diese Betätigung
fortwährend vollziehen; aber würden Sie sie nicht vollziehen,
so würden Sie kein bewußtes Leben führen, das Sie geeignet macht,
sich durch die Sprache mit anderen Menschenwesen zu verständigen.
Man glaubt gewöhnlich, der Mensch komme zuerst zu den Begriffen.
Das ist nicht wahr. Das erste im Leben sind die Schlüsse. Und wir
können sagen: Wenn wir nicht unsere Wahrnehmung des Löwen, wenn
wir in die Menagerie gehen, aus der gesamten übrigen Lebenserfahrung
herausschälen, sondern wenn wir sie in unsere ganze übrige Lebenserfahrung
hineinstellen, so ist das erste, was wir in der Menagerie vollbringen,
das Ziehen eines Schlusses. - Wir müssen uns klar sein: daß
wir in die Menagerie gehen und den Löwen sehen, ist nur eine Einzelhandlung
und gehört zum ganzen Leben hinzu. Wir haben nicht angefangen
zu leben, als wir die Menagerie betreten und den Blick auf den
Löwen gerichtet haben. Das schließt sich an das vorherige Leben an,
und das vorherige Leben spielt da hinein, und wiederum wird das, was
wir aus der Menagerie mitnehmen, hinausgetragen in das übrige Leben.
- Wenn wir aber nun den ganzen Vorgang betrachten, was ist
dann der Löwe zuerst? Er ist zuerst ein Schluß. Wir können durchaus
sagen: Der Löwe ist ein Schluß. Ein bißchen später: Der Löwe ist ein
Urteil. Und wieder ein bißchen später: Der Löwe ist ein Begriff." {{Lit|{{G|293|134f}}}}
</div>


Das logische Denken ist an das Werkzeug des [[Gehirn]]s gebunden und ''unmittelbar'' nur auf die [[physische Welt]] anwendbar. Es ist aber bis hinauf zum [[Devachan]] brauchbar; erst auf dem [[Buddhiplan]] verliert es ganz seine Gültigkeit. Der [[Geistesschüler]] muss daher auf eine gute Ausbildung des logischen Denkens achten.
== Theismus ==


{{GZ|Nur eines
Die Idee eines [[Wikipedia:Ishvara|Ishvara]], eines Weltenherrschers, wird in den Sutras des Kanada nicht ausdrücklich genannt. Es gibt Stellen, die nach Meinung von Kommentatoren, von ihm als dem Urheber des [[Veda]] handeln. Die sittliche Weltordnung und der durch sie bedingte gesetzmäßige Verlauf des Weltprozesses scheinen sich für Kanada jedoch einzig und allein durch die fortschreitende Kraft der guten und bösen Werke ([[Wikipedia:adrishta|adrishta]]) zu erklären. Da es zu den Sutras keinen Kommentar gibt, kann man nur vermuten, dass die Annahme eines Weltenherrschers dem religiösen Empfinden des Einzelnen überlassen wurde. In einer späteren Erläuterungsschrift des Prashastapada (vermutlich 5. Jahrhundert) wird erstmals in diesem System der große Weltenherr ([[Wikipedia:Maheshvara|Maheshvara]]) genannt, der die periodische Schöpfung und Zerstörung der Welt in Gang setzt. Die Kommentatoren zu Prashastapadas Buch, [[Wikipedia:Udayana|Udayana]] und [[Wikipedia:Shridhara|Shridhara]] vertraten den [[Wikipedia:Theismus|Theismus]], worin ihnen auch alle späteren Kommentatoren folgten.
bleibt gleich durch alle Welten, und das ist das logische Denken.
Die Wahrnehmungen sind ganz verschieden in der astralischen,
in der devachanischen Welt, aber die Denkgesetze sind in allen
drei Welten die gleichen. Daher muß der Rosenkreuzerschüler erst
dieses Denken lernen, damit er nicht abirre von dem sicheren
Pfade.|97|237}}
 
<div style="margin-left:20px">
"Aber eines gibt es, das
durch alle Welten hindurch bis hinauf zum Devachan dasselbe bleibt,
das sich nicht ändert: Das ist das logisch geschulte Denken. Erst
auf dem Buddhiplan hat das Denken nicht mehr die gleiche Geltung
wie auf dem physischen Plan. Da muß ein anderes Denken eintreten.
Aber für die drei Welten unterhalb des Buddhiplanes, für den physischen,
astralen und devachanischen Plan, gilt überall das gleiche
Denken. Wer sich also durch das Studium in der physischen Welt
ordentlich im Denken schult, wird in den höheren Welten in diesem
Denken einen guten Führer haben und nicht so leicht straucheln wie
der, welcher mit verworrenem Denken in die Geistgebiete aufsteigen
will. Daher lehrt die Rosenkreuzerschulung die Menschen, sich in
den höheren Welten frei zu bewegen, indem sie dieselben dazu anhält,
ihr Denken zu disziplinieren. Wer in diese Welten hinaufgelangt,
lernt zwar Wahrnehmungsweisen kennen, die es auf dem physischen
Plan nicht gibt, aber er wird sie mit seinem Denken beherrschen
können." {{Lit|{{G|96|143f}}}}
</div>
 
Das logische Denken wurde schrittweise in der [[Nachatlantische Zeit|nachatlantischen Zeit]] herausgebildet, mit einem ersten Höhepunkt bei [[Aristoteles]], und schließlich durch den [[Arabismus]] zur Reife gebracht.
 
<div style="margin-left:20px">
"Wir haben gesehen, daß ein kleines Häuflein von Menschen in der Gegend des heutigen Irland am meisten vorgeschritten war, wie sie diejenigen Fähigkeiten gehabt haben, die nach und nach in aufeinan derfolgenden Kulturepochen heraustraten. Die Ich-Anlage hat sich ja, wie wir wissen, seit der lemurischen Zeit her entwickelt, aber jene Stufe der Ichheit, die in diesem kleinen Häuflein Menschen lebte, das sozu sagen die Kulturströmung von Westen nach Osten geschickt hat, bestand in der Anlage zum logischen Erwägen, zur Urteilskraft. Vorher gab es so etwas nicht; wenn ein Gedanke da war, war er auch schon bewiesen. Ein urteilendes Denken war bei diesem Völkchen veranlagt, und sie brachten diese Keimanlage hinüber vom Westen nach dem Osten, und bei jenen Kolonisationszügen, von denen einer nach Süden hinunterging, nach Indien, da wurde die erste Anlage zur Gedanken bildung gemacht. Dann wurde der persischen Kultur der kombinie­rende Gedanke eingeflößt, und in der dritten, in der chaldäischen, wurde dieser kombinierende Gedanke noch intensiver; die Griechen aber brachten es so weit, daß sie das herrliche Denkmal der aristotelischen Philosophie hinterließen. So geht es immer weiter, das kombinierende Denken entwickelt sich immer mehr und mehr, es geht aber immer auf einen Mittelpunkt zurück, und es finden Nachschübe statt. Wir müssen uns das so vorstellen: Als die Kultur von jenem Punkte hinübergezogen ist nach einem Punkte in Asien, da wandte sich ein Zug nach Indien, der noch am schwächsten durchtränkt war vom reinen logischen Denken. Der zweite Zug, der nach Persien ging, war schon mehr durchdrungen davon, der ägyptische noch mehr, und innerhalb dieses Zuges hat sich das Volk des Alten Testaments abgesondert, welches gerade diejenige Anlage zur Kombination hatte, die entwickelt werden mußte, um wiederum einen Schritt vorwärts zu machen in dieser reinen logischen Erkenntnisform des Menschen. Nun ist aber auch das andere damit verknüpft, was wir betrachtet haben: das Heruntersteigen auf den physischen Plan. Je mehr wir heruntersteigen, desto mehr wird der Gedanke bloß logisch und auf die äußere Urteilskraft angewiesen. Denn logisches Denken, reine bloße mensch liche Logik, die von Begriff zu Begriff geht, die braucht zu ihrem Instrument das Gehirn; das ausgebildete Gehirn vermittelt bloß das lo­gische Denken. Daher kann dies äußerliche Denken, selbst da, wo es eine erstaunliche Höhe erreicht, niemals zum Beispiel die Reinkarnation durch sich selbst erfassen, weil dieses logische Denken zunächst nur anwendbar ist auf das Äußerliche, Sinnliche um uns herum.
 
Die Logik ist zwar für alle Welten anwendbar, aber unmittelbar angewendet kann sie nur in bezug auf die physische Weit werden. Also an ihr Instrument, an das physische Gehirn ist die Logik unbedingt gebunden, wenn sie als menschliche Logik auftritt; nie hätte das rein begriffsmäßige Denken in die Welt kommen können ohne das Weiterheruntersteigen in die sinnliche Welt. Sie sehen, die Ausbildung des logischen Denkens ist verknüpft mit dem Verlust der alten hellseherischen Anschauung; wirklich hat der Mensch das logische Denken erkaufen müssen mit diesem Verlust. Er muß sich die hellseherische Anschauung wiederum hinzuerwerben zu dem logischen Denken. In späteren Zeiten wird der Mensch die Imagination dazu erhalten, aber das logische Denken wird ihm bleiben. Erst mußte das menschliche Gehirn erschaffen werden, heraustreten mußte der Mensch in die physische Welt. Der Kopf mußte erst ganz ausgestaltet werden, dem Ätherkopfe gleich, damit dieses Gehirn im Menschen sei. Da erst war es möglich, daß der Mensch in die physische Welt herabsteigen konnte. Zur Rettung des Spirituellen aber mußte der Zeitpunkt gewählt werden, wo noch nicht der letzte Impuls zum rein mechanischen, zum rein äußerlichen Denken gegeben war. Wenn der Christus einige Jahrhunderte später erschienen wäre, dann wäre er sozusagen zu spät gekommen, dann wäre die Menschheit zu weit heruntergestiegen gewesen, sie hätte sich mit dem Denken zu weit verstrickt gehabt, sie hätte den Christus nicht mehr verstehen können. Vor dem letzten Impulse mußte der Christus erscheinen da noch konnte die religiös spirituelle Strömung als eine Glaubensströmung gerettet werden. Und dann konnte der letzte Impuls gegeben werden der das Denken des Menschen herunterstieß in den tiefsten Punkt, so daß die Gedanken ganz gefesselt, gebannt wurden an das physische Leben. Das wurde durch die Araber und Mohammedaner gegeben. Der Mohammedanismus ist nichts an deres als eine besondere Episode in diesem Arabertum, denn in seinem Herüberziehen nach Europa gibt er den letzten Einfluß in das rein logische Denken, das sich nicht erheben kann zu Höherem, Geistigem.
 
Der Mensch wird durch das, was man eine geistige Weltenführung, eine Vorsehung nennen kann so geführt: Erst wird das spirituelle Leben gerettet im Christentum, dann zieht um den Süden herum der Arabismus nach Europa, das der Schauplatz für die äußere Kultur werden soll. Der Arabismus ist nur imstande, das Äußere zu erfassen. Sehen wir nicht, wie die Arabeske selbst sich nicht zum Lebendigen erheben kann, wie sie bei der Form stehenbleibt? Wir können es an der Moschee sehen, wie der Geist sozusagen herausgesogen ist. Die Menschheit mußte erst herabgeführt werden in die Materie. Und auf dem Umwege durch die Araber, durch die Invasion der Araber, durch das, was man nennen kann den Zusammenstoß des Arabismus mit dem Europäertum, das aber schon in sich das Christentum aufgenommen hat, sehen wir, wie die moderne Wissenschaft erst veranlagt wird." {{Lit|{{G|105|191ff}}}}
</div>


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Logik}}
* [[Wikipedia:Indische Philosophie|Indische Philosophie]]
* {{WikipediaDE|Logik}}
* [[Vedanta]]
* [[Samkhya]]
* [[Wikipedia:Darshana|Darshana]]


== Modallogik ==
== Anmerkungen ==


Die '''Modallogik''' beschäftigt sich über die Begriffe von [[wahr]] oder [[falsch]] hinaus auch mit den '''Modalitäten''' (von [[lat.]] ''modalitas'' „Art und Weise, Möglichkeit, Bedingung, Ausführungsart“) der [[Möglichkeit]] (bzw. Unmöglichkeit) und [[Notwendigkeit]], durch die [[Aussage]]n zusätzlich charakterisiert werden können. Erste Ansätze dazu finden sich bereits bei [[Aristoteles]]. Später prägte etwa [[Gottfried Wilhelm Leibniz]] den Begriff der „möglichen Welt“ und löste das [[Theodizeeproblem]], indem er postulierte, dass wir in der „besten aller möglichen Welten“ leben. Im [[Wikipedia:20. Jahrhundert|20. Jahrhundert]] entwickelte [[Wikipedia:Hugh Everett|Hugh Everett]] auf dieser Basis die [[Wikipedia:Viele-Welten-Interpretation|Viele-Welten-Interpretation]], um das [[Wikipedia:Quantenmechanische Messung#Das Messproblem|Messproblem]] der [[Quantenmechanik]] zu lösen.
<references/>


== Literatur ==
== Literatur ==
 
* [[Wikipedia:Erich Frauwallner|Erich Frauwallner]]: ''Geschichte der indischen Philosophie''. Müller, Salzburg 1953
#Rudolf Steiner: ''Die Philosophie des Thomas von Aquino'', [[GA 74]] (1993), ISBN 3-7274-0741-7 {{Vorträge|074}}
* [[Wikipedia:Helmuth von Glasenapp|Helmuth von Glasenapp]]: ''Die Philosophie der Inder''. Kröner, Stuttgart 1985 ISBN 3-520-19504-6
#Rudolf Steiner: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', [[GA 96]] (1989) {{Vorträge|096}}
#Rudolf Steiner: ''Das christliche Mysterium'', [[GA 97]] (1998), ISBN 3-7274-0970-3 {{Vorträge|097}}
#Rudolf Steiner: ''Welt, Erde und Mensch '', [[GA 105]] (1983) {{Vorträge|105}}
#Rudolf Steiner: ''Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik'', [[GA 293]] (1992), ISBN 3-7274-2930-5 {{Vorträge|293}}
# [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/philosophie_einfuehrung_in_die_logik.pdf Einführung in die Logik - Ein Lehrbuch] PDF
# [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/philosophie_grundriss5_logik.pdf Logik] PDF
 
 
{{GA}}


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.newsfinder.org/site/more/anu_and_parmanu_indian_ideas_about_atomic_physics/ Anu and Parmanu - Indian ideas about Atomic physics] - Article by Lobsan Payat (englisch)
* [http://www.swami-krishnananda.org/bs_2/bs_2-2-02.html The Brahma Sutras - Chapter 2] (englisch)
* [http://physicsarchives.com/index.php/component/content/article/739 Physics and Society] - Ancient Indian science (englisch)


* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/philosophie2a5.html Projekt Logik] Website
[[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Indische Philosophie]] [[Kategorie:Hinduismus]]
 
== Einzelnachweise ==
 
<references />
 
[[Kategorie:Wissenschaft]] [[Kategorie:Geisteswissenschaft]] [[Kategorie:Formalwissenschaft]]
[[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Informatik]] [[Kategorie:Mathematik]] [[Kategorie:Denken]] [[Kategorie:Logik]]

Version vom 2. Januar 2011, 18:41 Uhr

Das Vaisheshika (Sanskrit, n., वैशेषिक, vaiśeṣika, ~ "Partikularität", im Sinne von Teil, Besonderheit, Einzigartigkeit) ist eines der sechs klassischen Systeme der indischen Philosophie. Innerhalb des Weltganzen spielen darin den kleinsten Einheiten der Schöpfung, die Paramanus, die tragende Rolle. Als Begründer der Überlieferung gilt Kanada, der die Vaisheshika-Sutras verfasst haben soll. Die Zeitspanne des Vaisheshika umfasst die ersten vorchristlichen Jahrhunderte bis etwas 700 n. Chr. Es handelt sich um eine naturphilosophische Lehre, deren Anliegen die Erfassung der natürlichen Phänomene war.

Elementenlehre

In seiner Elementenlehre geht das Vaisheshika von fünf Elementen aus: Erde (prithivi), Wasser (apa), Feuer (teja), Luft (vayu) und Äther (akasha). Diese Elemente werden durch bestimmte Eigenschaften gekennzeichnet. Die Erde durch Festigkeit, das Wasser durch Flüssigkeit, das Feuer durch Hitze und die Luft durch Beweglichkeit. Daneben besitzen die Elemente eine zweite Reihe von Eigenschaften, welche die Gegenstände der Sinneswahrnehmungen bilden: Form (rupa), Geschmack (rasa), Geruch (gandha), Berührung (sparsha) und Ton (shabda). Erde hat „Form, Geschmack, Geruch und Berührung“. Wasser hat „Form, Geschmack und Berührung“. Feuer hat „Form und Berührung“. Wind hat nur „Berührung“. Der Gegenstand des fünften Sinnes, der „Ton“, hat zum Träger das fünfte Element, den Äther, der nur diese Eigenschaft besitzt - ein Hinweis darauf, dass damit speziell der Klangäther gemeint ist. Die übrigen Eigenschaften sind im Äther nicht enthalten. Da der Ton sich überall hin verbreitet, nahm man an, dass der Äther alldurchdringend ist.

Man versuchte die Welt der Erscheinungen zu kategorisieren, indem man zu allen Eigenschaften Listen erstellte. So wurden z. B. sechs Arten des Geschmacks (rasa) angenommen: süß, sauer, salzig, bitter, scharf und herb. Umfangreicher waren die Listen für die Eigenschaften Berührung und Form. Größere Schwierigkeiten bereiteten Licht und Schatten. Allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass der Schatten nichts anderes ist als das Fehlen von Licht.

Der Mensch besteht nach Auffassung des Vaisheshika aus einem Leib und einer Seele. Die Seele selbst ist der Träger der geistigen Persönlichkeit und sie ist es auch, welche beim Tode von einer Verkörperung in die andere übergeht. Die Seele ist auch der Träger des psychischen Geschehens. Einen feinstofflichen Leib kennt das Vaisheshika nicht. Neben der Seele gibt es nur den groben Körper. Dieser besteht aus Erde. Erde ist das Element, das die meisten, nämlich vier Eigenschaften umfasst. Das Vaisheshika zeigte von frühester Zeit an eine Abneigung gegen die Annahme einer Mischung der Elemente. Die Pflanzen zählte man nicht zu den Lebewesen. Als Wesen, welche die Welt bevölkern, wurden Götter, Menschen und Tiere genannt (mit den Göttern beschäftigte man sich jedoch nur am Rande).

Atomlehre

Eine der bemerkenswertesten Lehren, die das Vaisheshika hervorgebracht hat, ist seine Atomlehre, die sogar ausgereifter erscheint als die von Leukipp und Demokrit und vermutlich unabhängig von diesen griechischen Denkern entwickelt wurde:

„Wenn man etwas teilt, so geht diese Zerlegung bis zum Atom. Und zwar spricht man vom Atom (paramanu, d. h. äußerst klein), weil die Reihenfolge von immer Kleinerem bei der Teilung hier ein Ende hat, da es nichts Kleineres mehr gibt. Wenn wir einen Erdklumpen in seine Teile zerlegen, so wird das Folgende immer kleiner.“

Kanada

Die Legende erzählt, dass Kashyapa - so hieß Kanada ursprünglich, geboren als Sohn des Philosophen Ulka, schon als Kind sehr wach war und auf die kleinsten Dinge achtete. Als Junge begleitete er seine Vater auf einer Pilgerreise nach Prayaga. Er sah die tausenden Pilger, die in den Tempeln am Ganges Reis opferten. Auf ihrem Weg verloren sie immer wieder einzelne Reiskörner, doch niemand achtete darauf. Kashyapa aber sammelte jedes Körnchen auf. Das erschien den Leuten höchst seltsam und bald umringte ihn eine ganze Menschenmenge, doch der Knabe ließ sich davon nicht weiter beirren. Da kam der hochgelehrte Weise Muni Somasharma vorbei und wunderte sich, dass die Menschen hier einen kleinen Jungen umringten, statt wie gewöhnlich die rituellen Bäder im Ganges zu nehmen. Somasharma erkannte den Jungen und fragte ihn schließlich, warum er hier Körner aufsammle, um die sich selbst Bettler nicht bekümmerten. Da antwortete Kashyapa, dass die Körner, so klein sie auch sein mögen, doch Teil der Schöpfung seien. Einzeln mögen sie wertlos erscheinen, doch einige hundert von ihnen seien bereits eine Mahlzeit für einen Menschen, viele Mahlzeiten könnten eine Familie ernähren und letzlich die ganze Menschheit, die ja aus vielen Familien bestünde - und darum sei jedes Körnchen so wichtig wie der höchste Reichtum der Welt. Muni Somasharma war tief beeindruckt und sagte voraus, dass Kashyapa einst ein großer Philosoph würde. Von nun an solle ob seiner Achtsamkeit für die kleinsten Körnchen Kanada - Kornesser - heißen.[1]

Es gibt nach Kanada 4 Atomarten mit jeweils ganz charakteristischen Eigenschaften, die den 4 physischen Elememente entsprechen. Alle Atome eines bestimmten Elements gleichen einander dabei aufs Haar. Diese kleinsten dinghaften, noch räumlich fassbaren Einheiten der Materie nannte Kanada Anu (im Sanskrit eine gebräuchliche Vorsilbe mit vielschichtiger Bedeutung [2]: nach, nahe, unter, untergeordnet, immer, leicht, ...; seit Kanada auch im Sinne von Atom gebraucht, als das, was der sichtbaren Materie zugrundeliegt).

Kanada geht noch weiter. Eigentlich sind nicht die räumlich fassbaren Anus die kleinsten Einheiten, sondern die sogenannten Paramanus (zusammengesetzt aus param und anu - was soviel bedeutet wie: jenseits des Atoms). Sie entstanden am Anfang der Schöpfung als gestaltlose, punktförmige, nicht-räumliche Ureinheiten. Daraus bildeten sich zunächst Dyaden aus zwei paramanus - und damit traten erst die räumlich fassbaren anus hervor. Die sind immer noch zu klein, um gesehen werden zu können, aber indem sie sich weiter zu noch größeren Gebilden zusammenlagern, treten sie schließlich in die Sichtbarkeit. Damit steht Kanada erstaunlich nahe der modernen physikalischen Atomlehre, nach der alle Materie letztlich aus punktförmig gedachten, nicht dinghaften Elementarteilchen (Leptonen und Quarks) besteht.

Alles Geschehen beruht auf Bewegung, auf Stoß und Gegenstoß, die von ewigen Naturkräften verursacht werden. Es ist die Bewegung, welche die Atome zusammenführt und die Dinge entstehen lässt. Und es ist wieder Bewegung, welche den Zusammenhalt der so vereinigten Atome sprengt und die Dinge vernichtet.

Seelenvorstellungen

Im Hinblick auf die Seelenvorstellung machte das Vaisheshika eine Entwicklung durch. Die Lehre von einer Weltseele war ihm anfangs fremd, hingegen wurden zahlreiche Einzelseelen angenommen. Während in der frühen Phase die Seelen als grundsätzlich gleichwertige Faktoren beim Aufbau der Erscheinungswelt betrachtet wurden, hatte man sie später als etwas wesentlich Verschiedenes erkannt. An Stelle der im Wesenskreislauf wandernden körpergroßen Seelen war die Vorstellung von ihrer unendlichen Größe und ewigen Unbewegtheit getreten. Nachdem die Eigenschaften ihre feste Verbindung mit der Seele verloren hatten, ähnelte die Seelenvorstellung des Vaisheshika immer mehr der von Atman in den Upanishaden, ohne jedoch deren Vorstellungen von Erlösung zu übernehmen.

Kategorienlehre

Die Kategorienlehre stellt den wichtigsten Teil des Vaisheshika dar und baut auf der älteren Elementenlehre auf. Das orthodoxe Vaisheshika-System, wie es Prashastapada (6. Jahrhundert n. Chr.) darstellt, kennt sechs Kategorien: Substanz, Eigenschaft, Bewegung, Gemeinsamkeit, Besonderheit und Inhärenz. Allen diesen Kategorien sind drei Merkmale gemeinsam, das Vorhandensein (Astitvam), die Erkennbarkeit (Jneyatvam) und die Benennbarkeit (Abhidheyatvam). Diese Kategorien sind keine eigenständigen Wesenheiten, sondern verschiedene Formen des Seins, welche nur in Verbindung miteinander möglich sind. Dabei stellen die Substanzen die Träger dar, alle anderen Kategorien haften an den Substanzen. Es gibt neun Substanzen:

a) die Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft. Diese sind ewig soweit sie aus Atomen bestehen b) Äther, Raum und Zeit gelten als alldurchdringend, ewig und sind je eins. c) die Seelen, es gibt zwei Arten von Seelen, eine allwissende Seele d. h. Gott und eine große Zahl individueller Seelen. d) Manas, das Denkorgan, wird als atomklein und in ebenso großer Zahl wie die Seelen angenommen, da zu jeder Seele ein Manas gehört, das die Verbindung zwischen der Seele und der Außenwelt herstellt.

Theismus

Die Idee eines Ishvara, eines Weltenherrschers, wird in den Sutras des Kanada nicht ausdrücklich genannt. Es gibt Stellen, die nach Meinung von Kommentatoren, von ihm als dem Urheber des Veda handeln. Die sittliche Weltordnung und der durch sie bedingte gesetzmäßige Verlauf des Weltprozesses scheinen sich für Kanada jedoch einzig und allein durch die fortschreitende Kraft der guten und bösen Werke (adrishta) zu erklären. Da es zu den Sutras keinen Kommentar gibt, kann man nur vermuten, dass die Annahme eines Weltenherrschers dem religiösen Empfinden des Einzelnen überlassen wurde. In einer späteren Erläuterungsschrift des Prashastapada (vermutlich 5. Jahrhundert) wird erstmals in diesem System der große Weltenherr (Maheshvara) genannt, der die periodische Schöpfung und Zerstörung der Welt in Gang setzt. Die Kommentatoren zu Prashastapadas Buch, Udayana und Shridhara vertraten den Theismus, worin ihnen auch alle späteren Kommentatoren folgten.

Siehe auch

Anmerkungen

Literatur

Weblinks