Inkarnation: Unterschied zwischen den Versionen

Aus AnthroWiki
imported>Odyssee
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
(35 dazwischenliegende Versionen von 3 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
Als '''Inkarnation''' (von lat. ''incarnatio'' = ''Fleischwerdung''), irdisches Leben''' oder '''Erdenleben''' wird ganz allgemein die Menschwerdung bzw. Fleischwerdung eines [[Geistige Wesen|geistigen Wesens]] bezeichnet, das nach und nach ''vollständig'' alle [[Wesensglieder]] durchdringt. Die Inkarnation beginnt kurz nach der [[Empfängnis]] und endet mit dem [[Tod]]. Sie ist zu unterscheiden von der bloßen [[Inkorporation]], bei der ein geistiges Wesen einen bereits auf Erden vorhandenen [[Körper]] ''teilweise'' und oft auch nur ''zeitweise'' durchdringt.
Als '''Inkarnation''' (von [[lat.]] ''incarnatio'' „Fleischwerdung“), '''Verkörperung''', '''Verleiblichung''', '''irdisches Leben''' oder '''Erdenleben''' wird ganz allgemein die Menschwerdung bzw. [[Fleischwerdung]] eines [[Geistige Wesen|geistigen Wesens]] bezeichnet, das nach und nach ''vollständig'' alle [[Wesensglieder]] gestaltend durchdringt. [[Geist]] und [[Seele]] sind dann nicht als vom [[Leib]] getrennte [[Entität]]en aufzufassen, sondern erscheinen unmittelbar ''als'' [[Bewegung|bewegliche]] [[körper]]liche Gestalt und sind nicht bloße „Bewohner“ des Leibes, wie es etwa der [[René Descartes|cartesianische]] [[Dualismus]] von [[res extensa]] und [[res cogitans]] suggeriert. Damit ist auch das in der [[Philosophie des Geistes]] noch immer diskutierte [[Leib-Seele-Problem]], das seine Wurzel schon im [[Platonismus]] der griechischen [[Antike]] hat, hinfällig. Das Wesen des irdisch verkörperten Menschen erschließt sich nur einer naturgemäßen und ''zugleich'' geistgemäßen Anschauung, wie sie etwa [[Goethe]] anfänglich in seinen naturwissenschaftlichen Studien gepflegt hat, die [[Rudolf Steiner]] schon als junger Mensch aufgegriffen und später [[geisteswissenschaft]]lich immer mehr vertieft hat.


Ein besonderer Ausnahmefall ist die erst mit der [[Jordantaufe]] begonnene vollständige [[Inkarnation]] des [[Christus]] im bereits vorhanden [[Leib]] des damals etwa dreißigjährigen [[Jesus]].  
Durch seine Inkarnation führt der Mensch auf Erden sein '''Leben zwischen Geburt und Tod''' als irdische [[Persönlichkeit]]. Der geistige Wesenskern des [[Mensch]]en, sein [[Ich]], lebt allerdings nicht nur einmal auf Erden, sondern [[Reinkarnation|reinkarniert]] sich immer wieder, solange er auf der Erde geeignete Entwicklungsbedingungen finden kann. Sein [[Schicksal]] ([[Karma]]) in späteren Inkarnationen wird dabei wesentlich durch die [[Tat]]en in früheren Erdenleben mitbestimmt. Die Folge der Reinkarnationen hat in der [[Lemuria|lemurischen Zeit]] begonnen und wird am Beginn des [[Sechstes Hauptzeitalter|sechsten Hauptzeitalters]] wieder aufhören. Der Mensch wird dann in ein geistigeres Dasein übertreten und nicht mehr unmittelbar an einen [[Physischer Leib|physischen Körper]] gebunden sein {{GZ||93|25}}.
 
{{GZ|Wir haben gelebt in früheren Inkarnationen; wir sind durch die geistige Welt hindurchgegangen; da waren wir Geist. Der Geist geht herunter durch die astrale Welt und umgibt sich mit dem Astralstoff. Das ist das, was der Mensch mitbringt aus dem früheren Leben und was er anzieht aus der astralen Sphäre. Diese beiden Dinge sind es, die der Mensch mitbringt, das Geistige und das Astrale. Der Lichtschein, das sind die Fähigkeiten, die wir mitbrachten aus früheren Leben. Diese ziehen ein, nachdem das Wesen den brennenden Wunsch gestillt hat, mit einem astralen Organismus verbunden zu sein. Von jetzt ab wächst der Menschenkeim nicht nur durch die physische Kraft, sondern auch von innen heraus. Was er in früheren Leben gewonnen hat, das arbeitet jetzt von innen heraus an der Herstellung des Körpers. Nicht Ihr Organismus baut Ihre Seele auf, sondern Ihre Seele baut Ihren Organismus auf. Der Menschenkeim ist erst wenige Tage alt, wenn er mit der Seele vereinigt wird. Er ist das einzige, was uns von außen gegeben wird.|88|47}}
 
Die irdische Inkarnation beginnt damit, dass sich unmittelbar mit der [[Empfängnis]] der [[Geistkeim]] des [[Physischer Leib|physischen Leibes]] mit dem physischen Keim verbindet, der durch die [[Vererbung]]sströmung bereitgestellt wird. Unser [[Ich]], unser eigener [[Astralleib]] und unser eigener [[Ätherleib]] verbinden sich erst in der dritten bis vierten Schwangerschaftswoche mit dem befruchteten Keim, der von einer [[ätherisch]]en und [[astralisch]]en Mutterhülle umgeben ist. Etwa zu diesem Zeitpunkt, ab dem 23. oder 24. Tag der Schwangerschaft, ist das [[Herz]]zentrum schon soweit ausgebildet, dass es zu eigenständig zu pulsieren beginnt.
 
{{GZ|Wenn der Mensch schon den Geistkeim für seinen physischen Leib heruntergeschickt hat, wenn also der Geistkeim schon zum Elternpaar nach einer langjährigen Strömung aus den geistigen Welten für das Physische des Leibes heruntergeschickt worden ist, so weilt der Mensch selber noch in der geistigen Welt, sammelt in der geistigen Welt den Äther um sich, so daß er für eine kurze Zeit ein Wesen wird aus Ich, astralischem Leib und Äther; der Äther ist zusammengezogen aus dem gesamten Weltenäther. Und erst während der Embryonalzeit, in der dritten, vierten Woche nach der Empfängnis, vereinigt der Mensch dasjenige, was sich in den ersten drei bis vier Wochen aus der Vereinigung von Geistkeim und physischem Keim gebildet hat. Was also schon früher als er auf der Erde angekommen ist, das vereinigt er mit seiner Wesenheit und begabt es mit demjenigen, was er an Ätherleib gewonnen hat durch Anziehung aus dem Weltenäther. Und so wird der Mensch ein Wesen aus dem, was schon früher entstanden und heruntergeschickt ist, aus dem [Geistkeim des] physischen Leibes], aus dem Atherleib, den er gewissermaßen im letzten Augenblick seines kosmischen Daseins um sich angesammelt hat, aus dem astralischen Leib und dem Ich, die durchgegangen sind durch das Leben zwischen Tod und neuer Geburt.|227|251}}
Auf dem Weg zur irdischen Inkarnation wird dem [[Ich]] zunächst ein neuer [[Astralleib]] angegliedert, der sich dann wieder mit einem [[Ätherleib]] und [[Physischer Leib|physischen Leib]] verbinden kann. Der Astralleib verlangt sehr drängend nach äußerer [[sinnlich]]er [[Wahrnehmung]] und daher schwindet das [[Bewusstsein]] für die [[geistige Welt]]. Es tritt ein bewusstloser Zustand ein.
 
{{GZ|Zuerst haben wir es bei der Menschwerdung zu tun mit der Entwicklung des Keimes, der in den ersten Tagen einem kleinen Fischchen ähnlich sieht. Diesen Keim brauche ich nur skizzenhaft anzudeuten; er ist etwa so. (Es wurde an die Tafel gezeichnet; die Zeichnung ist nicht erhalten). Diesem kommt etwa am siebzehnten Tag das Astralwesen entgegen; und dieses Astralwesen kennt der psychische Forscher so gut wie der physische Forscher das Physische. Der Seher sieht im Astralen viele trichterförmige Gestalten. Das sind die werdenden Menschen; das sind die Wesenheiten, die ihre physische Verkörperung suchen. Von dem dringenden Wunsche beseelt, sich zu verkörpern, durcheilen diese Gebilde mit großer Geschwindigkeit den Astralraum und suchen nach physischer Stofflichkeit. Wer den zweiten Teil des «Faust» gelesen hat und sich an die Szene mit dem Homunculus erinnert, der wird sie nur verstehen, wenn er weiß, daß Goethe diesen Vorgang hat darstellen wollen. Diese astralen Gebilde haben die verschiedensten Färbungen, von denen wir uns kaum eine Vorstellung machen können. Innerhalb dieses Astralkörpers befindet sich ein Streifen, der sich ins Unbestimmte verliert. Er ist von hellgelber Farbe. Dieser Astralkörper verbindet sich mit dem von ihm selbst gewählten physischen Körper, wenn der Embryo ungefähr die Gestalt eines Fischchens hat. Dann tritt eine Veränderung ein. Es spaltet sich der Lichtstrahl in zwei Teile, in zwei hell-leuchtende Strahlenstreifen. Das ist bei der Mehrzahl der Menschen der Fall, und so würde Ihnen das erscheinen, wenn Sie die Menschen bei ihrer Entstehung verfolgen könnten. Nur bei wenigen Menschen zeigt sich ein etwas anderer Vorgang. Nur wenige Menschen zeigen einen bleibenden hellen Streifen, der allerdings etwas verblaßt in dem Augenblick, wo er bei anderen Menschen ganz verschwindet, aber er bleibt doch. Das sind diejenigen Menschen, welche ein spirituelles Schauen haben.
 
Wir halten zunächst fest an dem gewöhnlichen Vorgang, wo das Lichtstreifchen sich teilt. Nun vereinigt sich das astrale Gebilde mit dem physischen Menschenkeim. Von dem einen Tröpfchen wird alles durchströmt, gleichsam von einer hellgelben Flüssigkeit. Dieses wächst später zu dem sogenannten sympathischen Nervengeflecht aus, welches das physische Nervensystem des Menschen versorgt. Wir haben ja außer dem Gehirn- und Rückenmarksystem ein anderes Nervensystem, das sympathische, das die niederen Funktionen dirigiert. Der eine Tropfen durchströmt das sympathische Nervensystem, der andere Gehirn- und Rückenmarksystem. So wird der Mensch beseelt. Gesetzmäßig gehen die beiden Lichtkegel in das Physische über und durchgeistigen es. Bei jedem Menschen tritt erneut dieser Lichtschein auf, der das Gehirn im besonderen durchzieht. Wenn der Moment eingetreten ist, dann ist tatsächlich das, was der Mensch mitgebracht hat aus dem früheren Leben, und das, was er aus der physischen Welt hat, miteinander vereinigt. So kommen die beiden Wesenheiten zusammen, welche den vollen Menschen ausmachen.|88|45ff}}
 
Das Bewusstsein erhellt sich erst wieder nach der Angliederung eines neuen Ätherleibes an den aus der [[Vererbung|Vererbungsströmung]] stammenden befruchteten physischen Menschenkeim, mit dem sich die [[Individualität]] etwa ab dem 17. Tag (frühestens) nach der Empfängnis verbindet. Ähnlich wie wir beim Tod eine [[Lebensrückschau]] haben, tritt nun eine [[Lebensvorschau]] auf, bei der uns alle Hindernisse gezeigt werden, die wir künftig überwinden müssen, um in rechter Weise geistig voranzuschreiten.
 
{{GZ|Beim Eintritt in eine neue Verkörperung ist es nun so: Das Ich steigt
aus der geistigen Welt herab, mit allen bis dahin erworbenen unvergänglichen
Extrakten sowohl des Ätherischen als des Astralen. Zunächst
zieht es naturgemäß alle astralen Qualitäten zu seinem neuen Astralleibe
zusammen, die seiner bisherigen Entwickelung entsprechen, und
dann erst in derselben Weise die ätherischen Qualitäten. Alles das spielt
sich ab in den ersten Tagen nach der Empfängnis, und erst vom achtzehnten
bis zwanzigsten Tag darnach arbeitet der neue Ätherleib selbständig
an der Entwickelung des physischen Menschenkeimes, während
vorher der Ätherleib der Mutter das vollzieht, was später vom Ätherleib
zu besorgen ist. Erst mit diesem achtzehnten bis zwanzigsten Tag
nach der Empfängnis nimmt sozusagen die Individualität, die sich da
verkörpern will und die bis dahin ihr Ich mit einem neuen Astralleib
und Ätherleib umkleidet hat, Besitz von dem bis dahin von der Mutter
gebildeten physischen Leibe.
 
In dem Augenblick, ehe diese Besitzergreifung erfolgt, besteht also
die menschliche Wesenheit genau aus denselben Wesensgliedern wie in
dem Augenblick des Todes; im letzteren Falle hat sie gerade den physischen
Leib in jenem Augenblick abgeworfen, im ersteren Falle den
physischen Leib noch nicht aufgenommen. Daraus wird Ihnen leicht
verständlich sein, wie im Moment, da der Mensch seinen neuen physischen
Leib betritt, etwas Analoges zu dem Moment auftritt, wo er
diesen ablegt. In diesem Augenblick hat der Mensch dann eine Art Vorschau
über sein kommendes Leben, so wie er im Augenblick des Todes
eine Rückschau auf das verflossene Leben hatte. Diese Vorschau aber
vergißt der Mensch, weil die Konstitution seines physischen Leibes noch
nicht geeignet ist, diese Vorschau gedächtnismäßig zu behalten.|100|99f}}
 
Die Inkarnation ist zu unterscheiden von der bloßen [[Inkorporation]], bei der ein geistiges Wesen einen bereits auf Erden vorhandenen [[Körper]] ''teilweise'' und oft auch nur ''zeitweise'' durchdringt. Ein besonderer Ausnahmefall ist die erst mit der [[Jordantaufe]] begonnene vollständige Inkarnation des [[Christus]] im bereits vorhanden [[Leib]] des damals etwa dreißigjährigen [[Jesus]].  
 
Seit den vorchristlichen Zeiten hat sich der Inkarnationsvorgang und die Beziehung des [[Geist]]ig-[[Seele|Seelischen]] zum [[Physischer Leib|physischen Leib]] wesentlich verändert. Darum muss auch der moderne [[Einweihung]]sweg anders gestaltet sein als in alten Zeiten.
 
{{GZ|Sehen Sie, wenn der Mensch aus der geistig-seelischen Welt heruntersteigt
zur physischen Verleiblichung, dann ist sein Seelisch-Geistiges
so, daß es gewissermaßen für die seelisch-geistige Welt stirbt;
indem der Mensch konzipiert wird, sich zur Geburt anschickt, stirbt
er für die geistige Welt. Wenn der Mensch hier für die physische Welt
stirbt, so wird er, indem er durch die Pforte des Todes geht, für die
geistige Welt geboren. Das sind nur relative Begriffe. Stirbt man für
die geistige Welt, wird man physisch geboren; stirbt man für die physische
Welt, wird man geistig geboren. Tod in der physischen Welt
bedeutet geistige Geburt; Geburt in der physischen Welt bedeutet
geistigen Tod. Das sind, wie gesagt, ja nur relative Begriffe. Was da in
der Seele auftritt, wenn sie hin zur Geburt schreitet, das ist in der Tat
etwas, was in der geistigen Welt nicht weiter fortbestehen könnte, was
in der geistigen Welt zerfallen würde und was zu einem Leiblichen
hinläuft, damit es sich weiter erhalten kann.
 
So daß man also, wenn man es nun schematisch zeichnen will, etwa
so zeichnen müßte: Das Geistig-Seelische (rot von links) steigt aus
der geistig-seelischen Welt herab. Es ist, man möchte sagen in einer
Sackgasse angekommen; es kann jetzt nicht weiter, es muß sich mit
 
[[Datei:GA210 080.gif|center|500px|Zeichnung aus GA 210, S. 80 (Tafel 7)]]
 
physischer Materialität ausstatten (blau). Aber die physische
Materialität wirkt eigentlich nur so, wie ich es jetzt eben beschrieben
habe, vom Gehirn aus, nicht vom übrigen Menschen aus. Vom übrigen
Menschen aus geht doch wieder das Geistig-Seelische, das sich
gewissermaßen dadurch erholt, daß es vom Gehirn nicht durchgelassen
wird, daß es im Gehirn eine Widerlage, eine Unterstützung hat.
Dadurch wird es dem Geistig-Seelischen wiederum möglich, nun
doch durch die übrige menschliche Organisation, also namentlich
durch die Gliedmaßen-Stoffwechselorganisation, sich selber sich entgegenzustellen
(rot rechts). Man könnte also sagen: Was ich hier blau
gezeichnet habe, das ist die Kopforganisation. Hier ist dann die
Gliedmaßen-Stoffwechselorganisation (gelb); die saugt zwar im normalen
Zustande das Seelisch-Geistige auf, aber doch nur bis zu einem
gewissen Grade. Schon indem wir von Kindheit aufwachsen, kommt
eigentlich das Geistig-Seelische immer wieder zum Vorschein. In dem
Momente, wo der Mensch konzipiert wird, und während er ein Embryo,
ein Keim im Leibe der Mutter ist, wird gewissermaßen das ganze
Geistig-Seelische, das aus der geistig-seelischen Welt herunterkommt,
untergetaucht in das Materielle. Aber dadurch, daß es eine
Stütze bekommen hat, dieses Geistig-Seelische, erholt es sich wiederum.
Der Embryo hat die Form, die das schon äußerlich zeigt: zunächst
die Kopforganisation, da findet das Geistig-Seelische eine
Stütze (siehe Zeichnung). Dann setzt sich die übrige Organisation an;
da quillt schon das Geistig-Seelische wiederum durch - das habe ich
hier schematisch gezeichnet.
 
[[Datei:GA210 081.gif|center|200px|Zeichnung aus GA 210, S. 81 (Tafel 7)]]
 
Indem wir nun als Kind heranwachsen, da wird immer wieder das
Geistig-Seelische selbständig, beim Kinde noch nicht so stark, aber
immer mehr und mehr wird das Geistig-Seelische selbständig. Ich
habe ja, indem ich die Entwickelung des Kindes beschrieben habe,
dies im einzelnen ausgeführt; auch wie dieses Geistig-Seelische dann
bei den großen Übergangspunkten, beim Zahnwechsel und bei der
Geschlechtsreife, immer selbständiger und selbständiger wird. So daß
wir, indem wir als Mensch heranwachsen, immer mehr das Leiblich-
Physische zurücktreten lassen und ein selbständiges Geistig-Seelisches
bekommen. Dieses Selbständige ist beim heutigen Menschen
intensiver als beim älteren Menschen. Aber es könnte doch nicht denken.
Es braucht eben, wie ich sagte, den Leib zur Hilfe, wenn es denken
will. Sonst bliebe gerade auch das, was dann an uns heranwächst,
immer traumhaft.
 
So kann man also sagen: Der ältere Eingeweihte suchte, das Gehirn
durchlässig zu machen, so daß das frühere Geistig-Seelische, das da
herunterstieg, für ihn noch durchquillen konnte, daß er also gewissermaßen
das vorgeburtliche Leben noch wahrnahm durch das verweichte
Gehirn. Der neuzeitliche Eingeweihte, der reflektiert nicht
darauf, sondern der reflektiert auf das, was sich im Laufe des Lebens
herausbildet. Das erweckt er zu einer höheren Intensität nach der
Gedankenseite hin. Der ältere Eingweihte hätte das nicht gekonnt.
Der hätte das, was sich beim Kinde in dumpfer Weise als das neue
Geistig-Seelische entwickelt, was dann später durch die Todespforte
geht, nicht so stark anfassen können. Er tötete daher gewissermaßen
das Leibliche ab, er lähmte es herunter, damit das alte Geistig-Seelische
herauskam, das früher war, bevor er konzipiert beziehungsweise
empfangen worden war.
 
Heute fassen wir dasjenige, was wir in schwacher Weise durch die
Kindheit bis zum Erwachsensein entwickeln, stärker an, so daß wir
also das, was sich seit der Geburt als das neue Geistig-Seelische entwickelt,
erkraften, verstärken. Dadurch versuchen wir ein selbständiges
Geistig-Seelisches gegenüber dem Leibe nach der Gedankenseite
hin zu bekommen. Während also der alte Eingeweihte das vorgeburtliche
Geistig-Seelische durch die Herabdämpfung des Leibes offenbar
machte, versuchen wir offenbar zu machen, was sich nach der Geburt
als Geistig-Seelisches immer mehr und mehr heraus entwickelt; aber
wir machen es nicht bis zu der Stärke offenbar, in der wir es gebrauchen,
um selbständig die geistige Welt wahrzunehmen. Das ist der
Unterschied.
 
Nach der Willensseite hin ist es so: Der alte Eingeweihte versuchte,
wie gesagt, die Willensorganisation erstarrt zu machen. Dadurch
wurde das Geistig-Seelische, das sonst durch die Willensorganisation
aufgesogen wird, für ihn wiederum wahrnehmbar, also dasjenige, was
da war vom Vorgeburtlichen. Wenn der Körper erstarrt ist, so saugt er
eben nicht das Geistig-Seelische auf; dadurch wird es in seiner Selbständigkeit
offenbar. Das machen wir wiederum nicht als moderne
Eingeweihte, sondern da wird anders vorgegangen. Da wird nun wiederum
der Wille verstärkt, indem die Kraft des Wollens in der Weise,
wie ich das in den genannten Büchern dargestellt habe, umgewandelt
wird. Es wäre ganz falsch, wenn durch Schocks, durch Angstzustände,
durch Schreckzustände, wie beim alten Eingeweihten, kataleptische
Zustände herbeigeführt würden. Das würde beim modernen
Menschen mit seiner stark entwickelten Intellektualität ganz und gar
ins pathologische Gebiet gehören. Das darf also nicht sein. Dagegen
wird zum Beispiel durch Rückwärtsübungen - wo man gewissermaßen
nicht vorwärts vorstellt, sondern, wie bei der Rückschau, die
Tageserlebnisse von rückwärts nach vorn, vom Abend zum Morgen
durchnimmt - oder auch durch andere Willensübungen der Wille
umgewandelt in einer Weise, die ich etwa so charakterisieren kann:
Betrachten Sie das menschliche Auge. Wie muß es denn gestaltet sein,
damit wir sehen können? Wenn wir starkrank werden, macht sich die
Materie des Auges selbständig geltend. Das Auge kleidet sich aus mit
Materie, die dann undurchsichtig wird. Das Auge muß selbstlos sein,
selbstlos in den Organismus eingefügt sein, wenn wir es zum richtigen
Sehen brauchen wollen, es muß durchsichtig sein. Unser Organismus
ist für den Willen durchaus nicht durchsichtig. Ich habe es
Ihnen ja öfter dargestellt. Wir können einen Gedanken haben, sagen
wir, daß wir den Arm, die Hand erheben wollen. Wir fassen den
Gedanken: Ich will den Arm, die Hand erheben. - Aber was dann
geschieht in unserem Organismus, indem dieser Gedanke hinüberschießt
in den Organismus und die Ausführungen macht. Das ist
ebenso in Dunkel gehüllt wie die Ereignisse, die zwischen dem Einschlafen
und dem Aufwachen vor sich gehen. Wir sehen erst wiederum
den erhobenen Arm, die erhobene Hand. Also wir haben wiederum
eine Vorstellung. Anfangsvorstellung und Endvorstellung
schließen sich zusammen; was in der Mitte drinnen liegt, das ist ein
Schlafzustand. Der Wille entfaltet sich so im Unbewußten für den
Menschen, wie sich die Ereignisse des Schlafes im Unbewußten entfalten.
Wir können ganz gut sagen: In bezug auf das Durchschauen
des Willens ist unser Organismus undurchsichtig für das gewöhnliche
Bewußtsein, wie ein starkrankes Auge undurchsichtig wäre.
 
Selbstverständlich will ich nicht sagen, daß der menschliche Organismus
deshalb krank sei. Er muß eben so undurchsichtig sein für das
gewöhnliche praktische Leben. Das ist sein normaler Zustand. Aber
für die höhere Erkenntnis kann er so nicht bleiben, da muß er durchsichtig
werden, seelisch-geistig durchsichtig. Das geschieht eben
durch die Willensübungen. Der Organismus wird so, daß wir ihn
durchschauen können, daß wir also nicht mehr in ein Unbestimmtes
hinunterschauen, wenn der Wille sich entfaltet, sondern er wird so
selbstlos wie das Auge in seiner Substantialität selbstlos in den Organismus
eingesetzt ist, damit wir die äußeren Gegenstände richtig
sehen. Wie das Auge selbst durchsichtig ist, wird der Organismus
geistig-seelisch durchsichtig, wird der ganze Organismus ein Sinnesorgan.
Dadurch nehmen wir nach der Willensseite hin objektiv die
geistigen Wesenheiten wahr, wie wir durch das äußere Auge die äußeren
physischen Gegenstände wahrnehmen. Also die Willensübungen
gehen bei uns nicht darauf aus, den Körper zu erstarren, damit das
Geistig-Seelische frei werde, sondern sie gehen darauf aus, das Geistig-
Seelische so zu entwickeln, daß es durch das Körperliche hindurchschauen
kann. Das ist das Wesentliche. Man sieht in die geistige
Welt nur hinein, wenn man durch sich selber hindurchschaut. So wie
man die äußeren Gegenstände, die man sieht, durch das Auge nur
sieht, indem man durch das Auge durchschaut, so sieht man in die
geistige Welt nicht direkt hinein, sondern indem man durch sich
selber durchschaut.
 
Das ist die andere Seite, die Entwickelung nach der Willensseite.
Also die ganze Entwickelung beruht in der neueren Zeit darauf, daß
man erstens das Denken erstarkt, so daß es unabhängig wird vom
Gehirn, und zweitens, daß man den Willen so gestaltet, daß der ganze
Mensch durchsichtig wird. Man kann nicht durch das Blitzblaue in
die geistige Welt hineinschauen, ebensowenig wie man ohne das Auge
in die Farbenwelt hineinschauen kann. Man muß durch sich durchschauen.
Das aber geschieht durch die Willensübungen.|210|79ff}}


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
Zeile 8: Zeile 226:
* [[Inkarnationsvorgang]]
* [[Inkarnationsvorgang]]


[[Kategorie:Grundbegriffe]] [[Kategorie:Reinkarnation und Karma]]
== Literatur ==
 
* Frits Wilmar: ''Vorgeburtliche Menschwerdung: Eine Betrachtung über die menschliche frühembryonale Entwicklung'', 2. Auflage, J. Ch. Mellinger Verlag 1991, ISBN 978-3880690011
* [[Max Hoffmeister]]: ''Die übersinnliche Vorbereitung der Inkarnation. Erkenntnisgrundlagen zur Frage der Wesenheit des Ich und der Regelung der Empfängnis'', Vlg. Die Pforte, Basel 1991
* Dietrich Bauer, Max Hoffmeister, Hartmut Görg: ''Gespräche mit Ungeborenen: Kinder kündigen sich an'', 6. Auflage, Urachhaus Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 978-3878384656
* [[Hans Stolp]]: ''Der kosmische Lebensplan: Der Führung der Seele vertrauen'', Aquamarin Verlag 2017, ISBN 978-3894277888; eBook {{ASIN|B0749P6PLL}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Über die astrale Welt und das Devachan'', [[GA 88]] (1999), ISBN 3-7274-0880-4 {{Vorträge|088}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Menschheitsentwickelung und Christus-Erkenntnis'', [[GA 100]] (1981), ISBN 3-7274-1000-0 {{Vorträge|100}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Alte und neue Einweihungsmethoden. Drama und Dichtung im Bewußtseins-Umschwung der Neuzeit'', [[GA 210]] (2001), ISBN 3-7274-2102-9 {{Vorträge|210}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Initiations-Erkenntnis'', [[GA 227]] (2000), ISBN 3-7274-2271-8 {{Vorträge|227}}
 
{{GA}}
 
[[Kategorie:Inkarnation|!]]
[[en:Incarnation]]

Aktuelle Version vom 25. März 2024, 12:01 Uhr

Als Inkarnation (von lat. incarnatio „Fleischwerdung“), Verkörperung, Verleiblichung, irdisches Leben oder Erdenleben wird ganz allgemein die Menschwerdung bzw. Fleischwerdung eines geistigen Wesens bezeichnet, das nach und nach vollständig alle Wesensglieder gestaltend durchdringt. Geist und Seele sind dann nicht als vom Leib getrennte Entitäten aufzufassen, sondern erscheinen unmittelbar als bewegliche körperliche Gestalt und sind nicht bloße „Bewohner“ des Leibes, wie es etwa der cartesianische Dualismus von res extensa und res cogitans suggeriert. Damit ist auch das in der Philosophie des Geistes noch immer diskutierte Leib-Seele-Problem, das seine Wurzel schon im Platonismus der griechischen Antike hat, hinfällig. Das Wesen des irdisch verkörperten Menschen erschließt sich nur einer naturgemäßen und zugleich geistgemäßen Anschauung, wie sie etwa Goethe anfänglich in seinen naturwissenschaftlichen Studien gepflegt hat, die Rudolf Steiner schon als junger Mensch aufgegriffen und später geisteswissenschaftlich immer mehr vertieft hat.

Durch seine Inkarnation führt der Mensch auf Erden sein Leben zwischen Geburt und Tod als irdische Persönlichkeit. Der geistige Wesenskern des Menschen, sein Ich, lebt allerdings nicht nur einmal auf Erden, sondern reinkarniert sich immer wieder, solange er auf der Erde geeignete Entwicklungsbedingungen finden kann. Sein Schicksal (Karma) in späteren Inkarnationen wird dabei wesentlich durch die Taten in früheren Erdenleben mitbestimmt. Die Folge der Reinkarnationen hat in der lemurischen Zeit begonnen und wird am Beginn des sechsten Hauptzeitalters wieder aufhören. Der Mensch wird dann in ein geistigeres Dasein übertreten und nicht mehr unmittelbar an einen physischen Körper gebunden sein (Lit.:GA 93, S. 25).

„Wir haben gelebt in früheren Inkarnationen; wir sind durch die geistige Welt hindurchgegangen; da waren wir Geist. Der Geist geht herunter durch die astrale Welt und umgibt sich mit dem Astralstoff. Das ist das, was der Mensch mitbringt aus dem früheren Leben und was er anzieht aus der astralen Sphäre. Diese beiden Dinge sind es, die der Mensch mitbringt, das Geistige und das Astrale. Der Lichtschein, das sind die Fähigkeiten, die wir mitbrachten aus früheren Leben. Diese ziehen ein, nachdem das Wesen den brennenden Wunsch gestillt hat, mit einem astralen Organismus verbunden zu sein. Von jetzt ab wächst der Menschenkeim nicht nur durch die physische Kraft, sondern auch von innen heraus. Was er in früheren Leben gewonnen hat, das arbeitet jetzt von innen heraus an der Herstellung des Körpers. Nicht Ihr Organismus baut Ihre Seele auf, sondern Ihre Seele baut Ihren Organismus auf. Der Menschenkeim ist erst wenige Tage alt, wenn er mit der Seele vereinigt wird. Er ist das einzige, was uns von außen gegeben wird.“ (Lit.:GA 88, S. 47)

Die irdische Inkarnation beginnt damit, dass sich unmittelbar mit der Empfängnis der Geistkeim des physischen Leibes mit dem physischen Keim verbindet, der durch die Vererbungsströmung bereitgestellt wird. Unser Ich, unser eigener Astralleib und unser eigener Ätherleib verbinden sich erst in der dritten bis vierten Schwangerschaftswoche mit dem befruchteten Keim, der von einer ätherischen und astralischen Mutterhülle umgeben ist. Etwa zu diesem Zeitpunkt, ab dem 23. oder 24. Tag der Schwangerschaft, ist das Herzzentrum schon soweit ausgebildet, dass es zu eigenständig zu pulsieren beginnt.

„Wenn der Mensch schon den Geistkeim für seinen physischen Leib heruntergeschickt hat, wenn also der Geistkeim schon zum Elternpaar nach einer langjährigen Strömung aus den geistigen Welten für das Physische des Leibes heruntergeschickt worden ist, so weilt der Mensch selber noch in der geistigen Welt, sammelt in der geistigen Welt den Äther um sich, so daß er für eine kurze Zeit ein Wesen wird aus Ich, astralischem Leib und Äther; der Äther ist zusammengezogen aus dem gesamten Weltenäther. Und erst während der Embryonalzeit, in der dritten, vierten Woche nach der Empfängnis, vereinigt der Mensch dasjenige, was sich in den ersten drei bis vier Wochen aus der Vereinigung von Geistkeim und physischem Keim gebildet hat. Was also schon früher als er auf der Erde angekommen ist, das vereinigt er mit seiner Wesenheit und begabt es mit demjenigen, was er an Ätherleib gewonnen hat durch Anziehung aus dem Weltenäther. Und so wird der Mensch ein Wesen aus dem, was schon früher entstanden und heruntergeschickt ist, aus dem [Geistkeim des] physischen Leibes], aus dem Atherleib, den er gewissermaßen im letzten Augenblick seines kosmischen Daseins um sich angesammelt hat, aus dem astralischen Leib und dem Ich, die durchgegangen sind durch das Leben zwischen Tod und neuer Geburt.“ (Lit.:GA 227, S. 251)

Auf dem Weg zur irdischen Inkarnation wird dem Ich zunächst ein neuer Astralleib angegliedert, der sich dann wieder mit einem Ätherleib und physischen Leib verbinden kann. Der Astralleib verlangt sehr drängend nach äußerer sinnlicher Wahrnehmung und daher schwindet das Bewusstsein für die geistige Welt. Es tritt ein bewusstloser Zustand ein.

„Zuerst haben wir es bei der Menschwerdung zu tun mit der Entwicklung des Keimes, der in den ersten Tagen einem kleinen Fischchen ähnlich sieht. Diesen Keim brauche ich nur skizzenhaft anzudeuten; er ist etwa so. (Es wurde an die Tafel gezeichnet; die Zeichnung ist nicht erhalten). Diesem kommt etwa am siebzehnten Tag das Astralwesen entgegen; und dieses Astralwesen kennt der psychische Forscher so gut wie der physische Forscher das Physische. Der Seher sieht im Astralen viele trichterförmige Gestalten. Das sind die werdenden Menschen; das sind die Wesenheiten, die ihre physische Verkörperung suchen. Von dem dringenden Wunsche beseelt, sich zu verkörpern, durcheilen diese Gebilde mit großer Geschwindigkeit den Astralraum und suchen nach physischer Stofflichkeit. Wer den zweiten Teil des «Faust» gelesen hat und sich an die Szene mit dem Homunculus erinnert, der wird sie nur verstehen, wenn er weiß, daß Goethe diesen Vorgang hat darstellen wollen. Diese astralen Gebilde haben die verschiedensten Färbungen, von denen wir uns kaum eine Vorstellung machen können. Innerhalb dieses Astralkörpers befindet sich ein Streifen, der sich ins Unbestimmte verliert. Er ist von hellgelber Farbe. Dieser Astralkörper verbindet sich mit dem von ihm selbst gewählten physischen Körper, wenn der Embryo ungefähr die Gestalt eines Fischchens hat. Dann tritt eine Veränderung ein. Es spaltet sich der Lichtstrahl in zwei Teile, in zwei hell-leuchtende Strahlenstreifen. Das ist bei der Mehrzahl der Menschen der Fall, und so würde Ihnen das erscheinen, wenn Sie die Menschen bei ihrer Entstehung verfolgen könnten. Nur bei wenigen Menschen zeigt sich ein etwas anderer Vorgang. Nur wenige Menschen zeigen einen bleibenden hellen Streifen, der allerdings etwas verblaßt in dem Augenblick, wo er bei anderen Menschen ganz verschwindet, aber er bleibt doch. Das sind diejenigen Menschen, welche ein spirituelles Schauen haben.

Wir halten zunächst fest an dem gewöhnlichen Vorgang, wo das Lichtstreifchen sich teilt. Nun vereinigt sich das astrale Gebilde mit dem physischen Menschenkeim. Von dem einen Tröpfchen wird alles durchströmt, gleichsam von einer hellgelben Flüssigkeit. Dieses wächst später zu dem sogenannten sympathischen Nervengeflecht aus, welches das physische Nervensystem des Menschen versorgt. Wir haben ja außer dem Gehirn- und Rückenmarksystem ein anderes Nervensystem, das sympathische, das die niederen Funktionen dirigiert. Der eine Tropfen durchströmt das sympathische Nervensystem, der andere Gehirn- und Rückenmarksystem. So wird der Mensch beseelt. Gesetzmäßig gehen die beiden Lichtkegel in das Physische über und durchgeistigen es. Bei jedem Menschen tritt erneut dieser Lichtschein auf, der das Gehirn im besonderen durchzieht. Wenn der Moment eingetreten ist, dann ist tatsächlich das, was der Mensch mitgebracht hat aus dem früheren Leben, und das, was er aus der physischen Welt hat, miteinander vereinigt. So kommen die beiden Wesenheiten zusammen, welche den vollen Menschen ausmachen.“ (Lit.:GA 88, S. 45ff)

Das Bewusstsein erhellt sich erst wieder nach der Angliederung eines neuen Ätherleibes an den aus der Vererbungsströmung stammenden befruchteten physischen Menschenkeim, mit dem sich die Individualität etwa ab dem 17. Tag (frühestens) nach der Empfängnis verbindet. Ähnlich wie wir beim Tod eine Lebensrückschau haben, tritt nun eine Lebensvorschau auf, bei der uns alle Hindernisse gezeigt werden, die wir künftig überwinden müssen, um in rechter Weise geistig voranzuschreiten.

„Beim Eintritt in eine neue Verkörperung ist es nun so: Das Ich steigt aus der geistigen Welt herab, mit allen bis dahin erworbenen unvergänglichen Extrakten sowohl des Ätherischen als des Astralen. Zunächst zieht es naturgemäß alle astralen Qualitäten zu seinem neuen Astralleibe zusammen, die seiner bisherigen Entwickelung entsprechen, und dann erst in derselben Weise die ätherischen Qualitäten. Alles das spielt sich ab in den ersten Tagen nach der Empfängnis, und erst vom achtzehnten bis zwanzigsten Tag darnach arbeitet der neue Ätherleib selbständig an der Entwickelung des physischen Menschenkeimes, während vorher der Ätherleib der Mutter das vollzieht, was später vom Ätherleib zu besorgen ist. Erst mit diesem achtzehnten bis zwanzigsten Tag nach der Empfängnis nimmt sozusagen die Individualität, die sich da verkörpern will und die bis dahin ihr Ich mit einem neuen Astralleib und Ätherleib umkleidet hat, Besitz von dem bis dahin von der Mutter gebildeten physischen Leibe.

In dem Augenblick, ehe diese Besitzergreifung erfolgt, besteht also die menschliche Wesenheit genau aus denselben Wesensgliedern wie in dem Augenblick des Todes; im letzteren Falle hat sie gerade den physischen Leib in jenem Augenblick abgeworfen, im ersteren Falle den physischen Leib noch nicht aufgenommen. Daraus wird Ihnen leicht verständlich sein, wie im Moment, da der Mensch seinen neuen physischen Leib betritt, etwas Analoges zu dem Moment auftritt, wo er diesen ablegt. In diesem Augenblick hat der Mensch dann eine Art Vorschau über sein kommendes Leben, so wie er im Augenblick des Todes eine Rückschau auf das verflossene Leben hatte. Diese Vorschau aber vergißt der Mensch, weil die Konstitution seines physischen Leibes noch nicht geeignet ist, diese Vorschau gedächtnismäßig zu behalten.“ (Lit.:GA 100, S. 99f)

Die Inkarnation ist zu unterscheiden von der bloßen Inkorporation, bei der ein geistiges Wesen einen bereits auf Erden vorhandenen Körper teilweise und oft auch nur zeitweise durchdringt. Ein besonderer Ausnahmefall ist die erst mit der Jordantaufe begonnene vollständige Inkarnation des Christus im bereits vorhanden Leib des damals etwa dreißigjährigen Jesus.

Seit den vorchristlichen Zeiten hat sich der Inkarnationsvorgang und die Beziehung des Geistig-Seelischen zum physischen Leib wesentlich verändert. Darum muss auch der moderne Einweihungsweg anders gestaltet sein als in alten Zeiten.

„Sehen Sie, wenn der Mensch aus der geistig-seelischen Welt heruntersteigt zur physischen Verleiblichung, dann ist sein Seelisch-Geistiges so, daß es gewissermaßen für die seelisch-geistige Welt stirbt; indem der Mensch konzipiert wird, sich zur Geburt anschickt, stirbt er für die geistige Welt. Wenn der Mensch hier für die physische Welt stirbt, so wird er, indem er durch die Pforte des Todes geht, für die geistige Welt geboren. Das sind nur relative Begriffe. Stirbt man für die geistige Welt, wird man physisch geboren; stirbt man für die physische Welt, wird man geistig geboren. Tod in der physischen Welt bedeutet geistige Geburt; Geburt in der physischen Welt bedeutet geistigen Tod. Das sind, wie gesagt, ja nur relative Begriffe. Was da in der Seele auftritt, wenn sie hin zur Geburt schreitet, das ist in der Tat etwas, was in der geistigen Welt nicht weiter fortbestehen könnte, was in der geistigen Welt zerfallen würde und was zu einem Leiblichen hinläuft, damit es sich weiter erhalten kann.

So daß man also, wenn man es nun schematisch zeichnen will, etwa so zeichnen müßte: Das Geistig-Seelische (rot von links) steigt aus der geistig-seelischen Welt herab. Es ist, man möchte sagen in einer Sackgasse angekommen; es kann jetzt nicht weiter, es muß sich mit

Zeichnung aus GA 210, S. 80 (Tafel 7)
Zeichnung aus GA 210, S. 80 (Tafel 7)

physischer Materialität ausstatten (blau). Aber die physische Materialität wirkt eigentlich nur so, wie ich es jetzt eben beschrieben habe, vom Gehirn aus, nicht vom übrigen Menschen aus. Vom übrigen Menschen aus geht doch wieder das Geistig-Seelische, das sich gewissermaßen dadurch erholt, daß es vom Gehirn nicht durchgelassen wird, daß es im Gehirn eine Widerlage, eine Unterstützung hat. Dadurch wird es dem Geistig-Seelischen wiederum möglich, nun doch durch die übrige menschliche Organisation, also namentlich durch die Gliedmaßen-Stoffwechselorganisation, sich selber sich entgegenzustellen (rot rechts). Man könnte also sagen: Was ich hier blau gezeichnet habe, das ist die Kopforganisation. Hier ist dann die Gliedmaßen-Stoffwechselorganisation (gelb); die saugt zwar im normalen Zustande das Seelisch-Geistige auf, aber doch nur bis zu einem gewissen Grade. Schon indem wir von Kindheit aufwachsen, kommt eigentlich das Geistig-Seelische immer wieder zum Vorschein. In dem Momente, wo der Mensch konzipiert wird, und während er ein Embryo, ein Keim im Leibe der Mutter ist, wird gewissermaßen das ganze Geistig-Seelische, das aus der geistig-seelischen Welt herunterkommt, untergetaucht in das Materielle. Aber dadurch, daß es eine Stütze bekommen hat, dieses Geistig-Seelische, erholt es sich wiederum. Der Embryo hat die Form, die das schon äußerlich zeigt: zunächst die Kopforganisation, da findet das Geistig-Seelische eine Stütze (siehe Zeichnung). Dann setzt sich die übrige Organisation an; da quillt schon das Geistig-Seelische wiederum durch - das habe ich hier schematisch gezeichnet.

Zeichnung aus GA 210, S. 81 (Tafel 7)
Zeichnung aus GA 210, S. 81 (Tafel 7)

Indem wir nun als Kind heranwachsen, da wird immer wieder das Geistig-Seelische selbständig, beim Kinde noch nicht so stark, aber immer mehr und mehr wird das Geistig-Seelische selbständig. Ich habe ja, indem ich die Entwickelung des Kindes beschrieben habe, dies im einzelnen ausgeführt; auch wie dieses Geistig-Seelische dann bei den großen Übergangspunkten, beim Zahnwechsel und bei der Geschlechtsreife, immer selbständiger und selbständiger wird. So daß wir, indem wir als Mensch heranwachsen, immer mehr das Leiblich- Physische zurücktreten lassen und ein selbständiges Geistig-Seelisches bekommen. Dieses Selbständige ist beim heutigen Menschen intensiver als beim älteren Menschen. Aber es könnte doch nicht denken. Es braucht eben, wie ich sagte, den Leib zur Hilfe, wenn es denken will. Sonst bliebe gerade auch das, was dann an uns heranwächst, immer traumhaft.

So kann man also sagen: Der ältere Eingeweihte suchte, das Gehirn durchlässig zu machen, so daß das frühere Geistig-Seelische, das da herunterstieg, für ihn noch durchquillen konnte, daß er also gewissermaßen das vorgeburtliche Leben noch wahrnahm durch das verweichte Gehirn. Der neuzeitliche Eingeweihte, der reflektiert nicht darauf, sondern der reflektiert auf das, was sich im Laufe des Lebens herausbildet. Das erweckt er zu einer höheren Intensität nach der Gedankenseite hin. Der ältere Eingweihte hätte das nicht gekonnt. Der hätte das, was sich beim Kinde in dumpfer Weise als das neue Geistig-Seelische entwickelt, was dann später durch die Todespforte geht, nicht so stark anfassen können. Er tötete daher gewissermaßen das Leibliche ab, er lähmte es herunter, damit das alte Geistig-Seelische herauskam, das früher war, bevor er konzipiert beziehungsweise empfangen worden war.

Heute fassen wir dasjenige, was wir in schwacher Weise durch die Kindheit bis zum Erwachsensein entwickeln, stärker an, so daß wir also das, was sich seit der Geburt als das neue Geistig-Seelische entwickelt, erkraften, verstärken. Dadurch versuchen wir ein selbständiges Geistig-Seelisches gegenüber dem Leibe nach der Gedankenseite hin zu bekommen. Während also der alte Eingeweihte das vorgeburtliche Geistig-Seelische durch die Herabdämpfung des Leibes offenbar machte, versuchen wir offenbar zu machen, was sich nach der Geburt als Geistig-Seelisches immer mehr und mehr heraus entwickelt; aber wir machen es nicht bis zu der Stärke offenbar, in der wir es gebrauchen, um selbständig die geistige Welt wahrzunehmen. Das ist der Unterschied.

Nach der Willensseite hin ist es so: Der alte Eingeweihte versuchte, wie gesagt, die Willensorganisation erstarrt zu machen. Dadurch wurde das Geistig-Seelische, das sonst durch die Willensorganisation aufgesogen wird, für ihn wiederum wahrnehmbar, also dasjenige, was da war vom Vorgeburtlichen. Wenn der Körper erstarrt ist, so saugt er eben nicht das Geistig-Seelische auf; dadurch wird es in seiner Selbständigkeit offenbar. Das machen wir wiederum nicht als moderne Eingeweihte, sondern da wird anders vorgegangen. Da wird nun wiederum der Wille verstärkt, indem die Kraft des Wollens in der Weise, wie ich das in den genannten Büchern dargestellt habe, umgewandelt wird. Es wäre ganz falsch, wenn durch Schocks, durch Angstzustände, durch Schreckzustände, wie beim alten Eingeweihten, kataleptische Zustände herbeigeführt würden. Das würde beim modernen Menschen mit seiner stark entwickelten Intellektualität ganz und gar ins pathologische Gebiet gehören. Das darf also nicht sein. Dagegen wird zum Beispiel durch Rückwärtsübungen - wo man gewissermaßen nicht vorwärts vorstellt, sondern, wie bei der Rückschau, die Tageserlebnisse von rückwärts nach vorn, vom Abend zum Morgen durchnimmt - oder auch durch andere Willensübungen der Wille umgewandelt in einer Weise, die ich etwa so charakterisieren kann: Betrachten Sie das menschliche Auge. Wie muß es denn gestaltet sein, damit wir sehen können? Wenn wir starkrank werden, macht sich die Materie des Auges selbständig geltend. Das Auge kleidet sich aus mit Materie, die dann undurchsichtig wird. Das Auge muß selbstlos sein, selbstlos in den Organismus eingefügt sein, wenn wir es zum richtigen Sehen brauchen wollen, es muß durchsichtig sein. Unser Organismus ist für den Willen durchaus nicht durchsichtig. Ich habe es Ihnen ja öfter dargestellt. Wir können einen Gedanken haben, sagen wir, daß wir den Arm, die Hand erheben wollen. Wir fassen den Gedanken: Ich will den Arm, die Hand erheben. - Aber was dann geschieht in unserem Organismus, indem dieser Gedanke hinüberschießt in den Organismus und die Ausführungen macht. Das ist ebenso in Dunkel gehüllt wie die Ereignisse, die zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen vor sich gehen. Wir sehen erst wiederum den erhobenen Arm, die erhobene Hand. Also wir haben wiederum eine Vorstellung. Anfangsvorstellung und Endvorstellung schließen sich zusammen; was in der Mitte drinnen liegt, das ist ein Schlafzustand. Der Wille entfaltet sich so im Unbewußten für den Menschen, wie sich die Ereignisse des Schlafes im Unbewußten entfalten. Wir können ganz gut sagen: In bezug auf das Durchschauen des Willens ist unser Organismus undurchsichtig für das gewöhnliche Bewußtsein, wie ein starkrankes Auge undurchsichtig wäre.

Selbstverständlich will ich nicht sagen, daß der menschliche Organismus deshalb krank sei. Er muß eben so undurchsichtig sein für das gewöhnliche praktische Leben. Das ist sein normaler Zustand. Aber für die höhere Erkenntnis kann er so nicht bleiben, da muß er durchsichtig werden, seelisch-geistig durchsichtig. Das geschieht eben durch die Willensübungen. Der Organismus wird so, daß wir ihn durchschauen können, daß wir also nicht mehr in ein Unbestimmtes hinunterschauen, wenn der Wille sich entfaltet, sondern er wird so selbstlos wie das Auge in seiner Substantialität selbstlos in den Organismus eingesetzt ist, damit wir die äußeren Gegenstände richtig sehen. Wie das Auge selbst durchsichtig ist, wird der Organismus geistig-seelisch durchsichtig, wird der ganze Organismus ein Sinnesorgan. Dadurch nehmen wir nach der Willensseite hin objektiv die geistigen Wesenheiten wahr, wie wir durch das äußere Auge die äußeren physischen Gegenstände wahrnehmen. Also die Willensübungen gehen bei uns nicht darauf aus, den Körper zu erstarren, damit das Geistig-Seelische frei werde, sondern sie gehen darauf aus, das Geistig- Seelische so zu entwickeln, daß es durch das Körperliche hindurchschauen kann. Das ist das Wesentliche. Man sieht in die geistige Welt nur hinein, wenn man durch sich selber hindurchschaut. So wie man die äußeren Gegenstände, die man sieht, durch das Auge nur sieht, indem man durch das Auge durchschaut, so sieht man in die geistige Welt nicht direkt hinein, sondern indem man durch sich selber durchschaut.

Das ist die andere Seite, die Entwickelung nach der Willensseite. Also die ganze Entwickelung beruht in der neueren Zeit darauf, daß man erstens das Denken erstarkt, so daß es unabhängig wird vom Gehirn, und zweitens, daß man den Willen so gestaltet, daß der ganze Mensch durchsichtig wird. Man kann nicht durch das Blitzblaue in die geistige Welt hineinschauen, ebensowenig wie man ohne das Auge in die Farbenwelt hineinschauen kann. Man muß durch sich durchschauen. Das aber geschieht durch die Willensübungen.“ (Lit.:GA 210, S. 79ff)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.