Valentin Weigel

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Valentin Weigel (auch Weichel; * 7. August 1533 in Naundorf; † 10. Juni 1588 in Zschopau) war ein deutscher mystisch-theosophischer Schriftsteller.

Leben

Auf Vermittlung des Rates Georg von Komerstadt besuchte Weigel 1549 bis 1554 die Fürstenschule St. Afra in Meißen und studierte danach Philosophie, Mathematik und Naturwissenschaften, später Theologie in Leipzig. 1558 wurde er Baccalaureus und Magister. Seit 1564 studierte und lehrte er in Wittenberg und wurde am 16. November 1567 durch den Wittenberger Generalsuperintendenten Paul Eber als Pastor Primarius in Zschopau ordiniert.

Weigel verbarg zeitlebens seine Sebastian Franck und Jakob Böhme nahestehenden mystischen Auffassungen. So wurde zu seinen Lebzeiten nur eine Leichenpredigt von ihm gedruckt. Erst zwanzig Jahre nach seinem Tode gelangten viele seiner Schriften, befördert von seinem Amtsnachfolger Benedikt Biedermann und seinen Söhnen Joachim und Nathanael, zum Druck. 1626 wurden seine Bücher öffentlich verbrannt.

Weigel bekämpfte volksfeindliche Potentaten, Fürsten und Prediger. Er berief sich vor allem auf Meister Eckart und Johannes Tauler. Thomas Müntzer, Andreas Bodenstein, Kaspar Schwenckfeld und das Täuferreich von Münster galten ihm als Gleichgesinnte. Seine an den Neuplatonismus und die deutsche Mystik anknüpfenden Ideen wurden Bestandteil der deutschen Ketzerbewegung und hatten Auswirkungen auf Dichter wie Angelus Silesius und Daniel Czepko.

Seine Anhänger wurden als Weigelianer bezeichnet.[1]

„Weigel verwaltete still und bescheiden sein Pfarramt in Zschopau. Erst aus seinen hinterlassenen, im siebzehnten Jahrhundert gedruckten Schriften erfuhr man etwas von den bedeutsamen Ideen, die ihm über die Natur des Menschen aufgegangen waren. (Von seinen Schriften seien genannt: « Der güldene Griff, das ist: All Ding ohne Irrthumb zu erkennen, vielen Hochgelährten unbekannt, und doch allen Menschen nothwendig zu wissen.» — «Erkenne dich selber.» - «Vom Ort der Welt.») Es drängt Weigel, sich über sein Verhältnis zur Lehre der Kirche klar zu werden. Das fuhrt ihn dazu, die Grundfesten aller Erkenntnis zu untersuchen. Ob der Mensch etwas durch ein Glaubensbekenntnis erkennen könne, darüber kann er sich nur Rechenschaft geben, wenn er weiß, wie er erkennt. Von der untersten Art des Erkennens geht Weigel aus. Er fragt sich: wie erkenne ich ein sinnliches Ding, wenn es mir entgegentritt? Von da hofft er aufsteigen zu können bis zu dem Gesichtspunkte, wo er sich über die höchste Erkenntnis Rechenschaft geben kann. - Bei der sinnlichen Erkenntnis stehen sich das Werkzeug (Sinnesorgan) und das Ding, der «Gegenwurf» gegenüber. «Dieweil in der natürlichen Erkenntnis sein müssen zwei Dinge, als das Objekt oder Gegenwurf, der soll erkannt und gesehen werden vom Auge; und das Auge, oder der Erkenner, der das Objekt sieht, und erkennt, so halte gegeneinander: ob die Erkenntnis herkomme vom Objekt in das Auge; oder ob das Urteil, und die Erkenntnis fließe vom Auge in das Objekt.» (« Der güldene Griff», 9. Kap.) Nun sagt sich Weigel: Würde die Erkenntnis aus dem Gegenwurf (Ding) in das Auge fließen, so müßte notwendig von einem und demselben Ding eine gleiche und vollkommene Erkenntnis in alle Augen kommen. Dies ist abei nicht der Fall, sondern jeder sieht nach Maßgabe seiner Augen. Nur die Augen, nicht der Gegenwurf, können schuld daran sein, daß von einem und demselben Ding vielerlei verschiedene Vorstellungen möglich sind. Weigel vergleicht, zur Klärung der Sache, das Sehen mit dem Lesen. Wäre das Buch nicht, so könnte ich es natürlich nicht lesen; aber es könnte immerhin da sein, und dennoch könnte ich nichts darin lesen, wenn ich nicht die Kunst, zu lesen, verstände. Das Buch muß also da sein; aber es kann mir, von sich aus, nicht das geringste geben; ich muß alles, was ich lese, aus mir herausholen. Das ist auch das Wesen der natürlichen (sinnlichen) Erkenntnis. Die Farbe ist als «Gegenwurf» da; aber sie kann, von sich aus, nichts dem Auge geben. Das Auge muß von sich aus erkennen, was die Farbe ist. So wenig wie der Inhalt des Buches in dem Leser ist, so wenig ist die Farbe im Auge. Wäre der Inhalt des Buches in dem Leser: er brauchte es nicht zu lesen. Dennoch fließt im Lesen dieser Inhalt nicht aus dem Buche, sondern aus dem Leser. So ist es auch mit dem sinnlichen Ding. Was dieses sinnliche Ding draußen ist, das fließet nicht von außen herein in den Menschen, sondern von innen heraus. — Man könnte, von diesen Gedanken ausgehend, sagen: Wenn alle Erkenntnis aus dem Menschen in den Gegenstand fließt, so erkennt man nicht, was im Gegenstande ist, sondern nur, was im Menschen selbst ist. Die ausführliche Durchbildung dieses Gedankenganges hat die Anschauung Immanuel Kants (1724-1804) gebracht. (Das Irrige dieses Gedankenganges findet man in meinem Buch «Philosophie der Freiheit» dargestellt. Hier muß ich mich darauf beschränken, zu erwähnen, daß Valentin Weigel mit seiner einfachen, urwüchsigen Vorstellungsart viel höher steht als Kant.) - Weigel sagt sich: Wenn auch die Erkenntnis aus dem Menschen fließt, so ist es doch nur das Wesen des Gegenwurfes, das von diesem auf dem Umwege durch den Menschen zum Vorschein kommt. Wie ich den Inhalt des Buches durch das Lesen erfahre, und nicht meinen eigenen, so erfahre ich die Farbe des Gegenwurfes durch das Auge; nicht die im Auge, oder in mir befindliche Farbe. Auf einem eigenen Wege kommt also Weigel zu einem Ergebnis, das uns bereits bei Nicolaus von Kues entgegengetreten ist. So hat sich Weigel über das Wesen der sinnlichen Erkenntnis aufgeklärt. Er ist zu der Überzeugung gekommen, daß alles, was uns die äußeren Dinge zu sagen haben, nur aus unserem eigenen Innern selbst herausfließen kann. Der Mensch kann sich nicht leidend verhalten, wenn er die sinnlichen Dinge erkennen will, und diese bloß auf sich wirken lassen wollen; sondern er muß sich tätig verhalten, und die Erkenntnis aus sich herausholen. Der Gegenwurf erweckt nur in dem Geiste die Erkenntnis. Zur höheren Erkenntnis steigt der Mensch auf, wenn der Geist sein eigener Gegenwurf wird. An der sinnlichen Erkenntnis ersieht man, daß keine Erkenntnis von außen in den Menschen einfließen kann. Also kann auch die höhere Erkenntnis nicht von außen kommen, sondern nur im Innern erweckt werden. Es kann daher keine äußere Offenbarung, sondern nur eine innere Erweckung geben. So wie nun der äußere Gegenwurf wartet, bis der Mensch ihm entgegentritt, in dem er sein Wesen aussprechen kann, so muß der Mensch, wenn er sich selbst Gegenwurf sein will, warten, bis in ihm die Erkenntnis seines Wesens erweckt wird. Muß in der sinnlichen Erkenntnis sich der Mensch tätig verhalten, damit er dem Gegenwurf dessen Wesen entgegenbringen kann, so muß in der höheren Erkenntnis sich der Mensch leidend verhalten, weil er jetzt Gegenwurf ist. Er muß sein Wesen in sich empfangen. Deshalb erscheint ihm die Erkenntnis des Geistes als Erleuchtung von oben. Im Gegensatz zur sinnlichen Erkenntnis nennt daher Weigel die höhere Erkenntnis das «Licht der Gnaden». Dieses «Licht der Gnaden» ist in Wirklichkeit nichts anderes als die Selbsterkenntnis des Geistes im Menschen, oder die Wiedergeburt des Wissens auf der höheren Stufe des Schauens. - Wie nun Nicolaus von Kues beim Verfolgen seines Weges vom Wissen zum Schauen nicht wirklich das von ihm gewonnene Wissen auf höherer Stufe wiedergeboren werden läßt, sondern wie sich ihm das kirchliche Bekennt- nis, in dem er erzogen ist, als solche Wiedergeburt vortäuscht, so ist das auch bei Weigel der Fall. Er fuhrt sich auf den rechten Weg und verliert diesen in dem Augenblick wieder, in dem er ihn betritt. Wer den Weg gehen will, den Weigel weist, der kann diesen selbst nur bis zum Ausgangspunkte als Führer betrachten.“ (Lit.:GA 7, S. 119ff)

Werke

  • Unterrichts-Predigt: Wie man christlich trauern und täglich solle im Herrn sterben, 1576
  • Libellus de vita beata, 1609
  • Ein schön Gebetsbüchlein, welches die Einfältigen unterrichtet, 1612
  • Der güldene Griff, alle Ding ohne Irrtum zu erkennen. Krusicke, Halle 1613 (Digitalisat und Volltext)
  • Ein nützliches Traktätlein vom Ort der Welt, 1613
  • Dialogus de Christianismo, 1614
  • Erkenne dich selbst. 3 Bde. Knuber, Neustadt 1615 (Digitalisat und Volltext Bd. 2)
  • Informatorium oder Kurzer Unterricht, 1616 (erweitert: Soli deo gloria, 1618)
  • Kirchen- oder Hauspostill", 1618
  • Libellus disputatorus, 1618
  • De bono et malo in homine, 1618
  • Zwei schöne Büchlein, 1618
  • Studium universale, 1618
  • Tractatus de opere mirabili, 1619

Ausgaben

  • Valentin Weigel: Das Buch vom Gebet, hrsg. und sanft modernisiert von M. P. Steiner, Edition Oriflamme, Basel, ISBN 3-9520787-5-1
  • Valentin Weigel: Ausgewählte Werke, hrsg. und eingeleitet von Siegfried Wollgast. Union Verlag, Berlin 1977; darin: Erkenne dich selbst, Das andere Büchlein von der Erkenntnis seiner selbst, Ein nützliches Traktätlein vom Ort der Welt, Der güldene Griff, Predigt vom armen Lazarus, Dialog über das Christentum

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 680, online.


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