Evolution

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Evolution (von lat. evolvere = "hinauswälzen", "-rollen", sich "ent-wickeln") ist seit der Zeit der Französischen Evolution die Bezeichnung für jede langsam und friedlich voranschreitende Entwicklung und bildet damit den begrifflichen Gegensatz zur Revolution (lat. revolutio = das "Zurückwälzen", die "Umdrehung"), die für einen plötzlichen, gewaltsamen Wandel steht.

In der Biologie, der Natur- und Kulturgeschichte wird Evolution heute als die Entwicklung zu neuen, meist höher integrierten, komplexeren Formen im physikalisch-chemischen (Entwicklung des Weltalls und der Erde), biologischen (Entwicklung der Lebewesen) und kulturellen Bereich (Entwicklung der Kulturen) verstanden und als solche weitgehend im Sinne der modernen darwinistischen Evolutionstheorie auf rein materiell bedingte Ursachen zurückgeführt. In Anlehnung daran ist nach der Systemtheorie die Evolution ein Prozess, bei dem durch Reproduktion oder Replikation von einem System Kopien hergestellt werden, die sich voneinander und von ihrem Ursprungssystem durch Variation unterscheiden und bei dem nur ein Teil dieser Kopien auf Grund von Selektion für einen weiteren Kopiervorgang zugelassen werden.

Die Vertreter des Intelligent Design, dessen grundlegende Ideen von einer Gruppe konservativer amerikanischen Neokreationisten formuliert wurden, führen hingegen die gegenwärtigen Eigenschaften des Universums und des Lebens auf Erden auf eine nichtmaterielle intelligente Ursache zurück. Die wesentlichen Vordenker des Intelligent Design, die vorwiegend dem christlich-konservativen Discovery Institute in Seattle (Washington) angehören, identifizieren den intelligenten Designer mit dem christlichen Gott selbst.

Die anthroposophische Geistesforschung geht über die enge Perspektive beider Ansätze hinaus und deckt die komplexen geistigen und materiellen Hintergründe der Entwicklung auf, die am umfassendsten durch die sogenannten sieben planetarischen Weltentwicklungsstufen beschrieben werden.

"Aber wenn Sie wirklich meine Schriften verfolgen, so werden Sie sehen, daß ich dem Darwinismus immer gerecht geworden bin, aber eben gerade dadurch gerecht werden konnte, daß ich ihm entgegengestellt habe den Goetheanismus, die Auffassung von der Entwickelung des Lebens. Das, was man Deszendenztheorie nennt, auf der einen Seite im Sinne des Darwinismus, auf der andern Seite im Sinne des Goetheanismus, diese Dinge versuchte ich immer miteinander zu verbinden. Warum? Weil im Goetheanismus die aufsteigende Linie lebt, das Herausheben der organischen Entwickelung aus dem bloß physikalischen, physischen Dasein.

Wie oft habe ich auf das Gespräch zwischen Goethe und Schiller hingewiesen, wo Schiller, als Goethe seine Urpflanze aufzeichnete, sagte: Das ist keine Empirie, das ist keine Erfahrung, das ist eine Idee. - Da sagte Goethe: Dann habe ich meine Idee vor Augen! -, weil er überall das Geistige sah. Da haben wir eine Entwickelungslehre bei Goethe veranlagt, die den Keim in sich trägt, zu den höchsten Sphären heraufgehoben zu werden, angewendet zu werden für Seele und Geist. Wenn Goethe auch nur für die organische Entwikkelung in der Metamorphosenlehre den Anfang gemacht hat, wir haben die Evolution des Geistes, zu der die Menschheit von diesem fünften nachatlantischen Zeitraum an kommen muß, weil der Mensch sich verinnerlicht, wie ich es in diesen Betrachtungen dargestellt habe. Goetheanismus kann eine große Zukunft haben, denn die ganze Anthroposophie liegt in seiner Linie. Darwinismus betrachtet die physische Entwickelung von der physischen Seite her: äußere Impulse, Kampf ums Dasein, Selektion und so weiter und stellt damit die absterbende Entwickelung dar, alles dasjenige, was man finden kann über das organische Leben, wenn man sich den Impulsen überläßt, die in früheren Zeiten groß geworden sind. Will man Darwin verstehen, so muß man nur synthetisch zusammenfassen alle Gesetze, die früher aufgefunden worden sind. Will man Goethe verstehen, muß man sich aufschwingen zu neuen und immer neuen Gesetzmäßigkeiten im Dasein. Beides ist notwendig. Der Fehler besteht nicht darin, daß es einen Darwinismus gibt oder daß es einen Goetheanismus gibt, sondern darin, daß die Menschen dem einen oder dem andern und nicht dem einen und dem andern anhängen wollen. Das ist es, worauf es ankommt." (Lit.: GA 177, S. 223f)

Rudolf Steiner baut konsequent auf die Vorarbeit auf, die Goethe mit seiner Metamorphosenlehre geleistet hat. Goethe ging davon aus, dass in jedem Lebewesen ein ideelles Urbild wirkt, das er Typus nannte. Der allen Pflanzen gemeinsame Typus ist die Urpflanze, der in den Tieren wirkende Typus ist das Urtier.

"Was versteht Goethe unter diesem Typus? Er hat sich darüber klar und unzweideutig ausgesprochen. Er sagt, er fühlte die Notwendigkeit: «einen Typus aufzustellen, an welchem alle Säugetiere nach Übereinstimmung und Verschiedenheit zu prüfen wären, und wie ich früher die Urpflanze aufgesucht, so trachtete ich nunmehr das Urtier zu finden, das heißt denn doch zuletzt: den Begriff, die Idee des Tieres». Und ein anderes Mal mit noch größerer Deutlichkeit: «Hat man aber die Idee von diesem Typus gefaßt, so wird man recht einsehen, wie unmöglich es sei, eine einzelne Gattung als Kanon aufzustellen. Das Einzelne kann kein Muster des Ganzen sein, und so dürfen wir das Muster für alle nicht im Einzelnen suchen. Die Klassen, Gattungen, Arten und Individuen verhalten sich wie die Fälle zum Gesetz: sie sind darin enthalten, aber sie enthalten und geben es nicht.» Hätte man also Goethe gefragt, ob er in einer bestimmten Tier- oder Pflanzenform, die zu irgendeiner Zeit existiert hat, seine Urform, seinen Typus verwirklicht sehe, so hatte er ohne Zweifel mit einem kräftigen Nein geantwortet. Er hätte gesagt: So wie der Haushund, so ist auch der einfachste tierische Organismus nur ein Spezialfall dessen, was ich unter Typus verstehe. Den Typus findet man überhaupt nicht in der Außenwelt verwirklicht, sondern er geht uns als Idee in unserem Innern auf, wenn wir das Gemeinsame der Lebewesen betrachten. Sowenig der Physiker einen einzelnen Fall, eine zufällige Erscheinung zum Ausgangspunkte seiner Untersuchungen macht, sowenig darf der Zoologe oder Botaniker einen einzelnen Organismus als Urorganismus ansprechen. Und hier ist der Punkt, an dem es klar werden muß, daß der neuere Darwinismus weit hinter Goethes Grundgedanken zurückbleibt. Diese wissenschaftliche Strömung findet, daß es zwei Ursachen gibt, unter deren Einfluß eine organische Form sich in eine andere umformen kann: die Anpassung und den Kampf ums Dasein. Unter Anpassung versteht man die Tatsache, daß ein Organismus infolge von Einwirkungen der Außenwelt eine Veränderung in seiner Lebenstätigkeit und in seinen Gestaltverhältnissen annimmt. Er erhält dadurch Eigentümlichkeiten, die seine Voreltern nicht hatten. Auf diesem Wege kann sich also eine Umformung bestehender organischer Formen vollziehen. Das Gesetz vom Kampf ums Dasein beruht auf folgenden Erwägungen. Das organische Leben bringt viel mehr Keime hervor, als auf der Erde Platz zu ihrer Ernährung und Entwickelung finden. Nicht alle können zur vollen Reife kommen. Jeder entstehende Organismus sucht aus seiner Umgebung die Mittel zu seiner Existenz. Es ist unausbleiblich, daß bei der Fülle der Keime ein Kampf entsteht zwischen den einzelnen Wesen. Und da nur eine begrenzte Zahl den Lebensunterhalt finden kann, so ist es natürlich, daß diese aus denen besteht, die sich im Kampf als die stärkeren erweisen. Diese werden als Sieger hervorgehen. Welche sind aber die Stärkeren? Ohne Zweifel diejenigen mit einer Einrichtung, die sich als zweckmäßig erweist, um die Mittel zum Leben zu beschaffen. Die Wesen mit unzweckmäßiger Organisation müssen unterliegen und aussterben. Deswegen, sagt der Darwinismus, kann es nur zweckmäßige Organisationen geben. Die anderen sind einfach im Kampf ums Dasein zugrunde gegangen. Der Darwinismus erklärt mit Zugrundelegung dieser beiden Prinzipien den Ursprung der Arten so, daß sich die Organismen unter dem Einfluß der Außenwelt durch Anpassung umwandeln, die hierdurch gewonnenen neuen Eigentümlichkeiten auf ihre Nachkommen verpflanzen und von den auf diese Weise umgewandelten Formen immer diejenigen sich erhalten, welche in dem Umwandlungsprozesse die zweckentsprechendste Gestalt angenommen haben.

Gegen diese beiden Prinzipien hätte Goethe zweifellos nichts einzuwenden. Wir können nachweisen, daß er beide bereits gekannt hat. Für ausreichend aber, um die Gestalten des organischen Lebens zu erklären, hat er sie nicht gehalten. Sie waren ihm äußere Bedingungen, unter deren Einfluß das, was er Typus nannte, besondere Formen annimmt und sich in der mannigfaltigsten Weise verwandeln kann. Bevor sich etwas umwandelt, muß es aber erst vorhanden sein. Anpassung und Kampf ums Dasein setzen das Organische voraus, das sie beeinflussen. Die notwendige Voraussetzung sucht Goethe erst zu gewinnen. Seine 1790 veröffentlichte Schrift «Versuch, die Metamorphose der Pflanzen zu erklären» verfolgt den Gedanken, eine ideale Pflanzengestalt zu finden, welche allen pflanzlichen Wesen als deren Urbild zugrunde liegt. Später versuchte er dasselbe auch für die Tierwelt." (Lit.: GA 030, S. 73ff)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Methodische Grundlagen der Anthroposophie, GA 30 (1989), ISBN 3-7274-0300-4 html
  2. Rudolf Steiner: Die spirituellen Hintergründe der äußeren Welt. Der Sturz der Geister der Finsternis, GA 177 (1999), ISBN 3-7274-1771-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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