Muspelheim und Pluralismus: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:WHEATON(1844) The Cosmos in the Norse mythology.jpg|mini|300px|Die Sphären der nordischen Götterwelt]]
Der '''Pluralismus''' als [[Philosophie|philosophisches]] System führt die gesamte [[Wirklichkeit]] auf eine Vielzahl gesonderter, selbstständig bestehender Einheiten zurück, die je nach Standpunkt [[spirituell]] ([[Monadismus]]) oder [[materiell]] ([[Atomismus]]) gedacht werden.
'''Muspelheim''', auch '''Muspellsheim''' oder kurz '''Muspell''' ([[Wikipedia:Altnordische Sprache|altnordisch]] ''Muspellr'', ''Muspellzheimr'' „Welt des Muspell“), ist in der [[Germanische Schöpfungsgeschichte|Schöpfungsgeschichte]] der [[Wikipedia:Nordische Mythologie|nordischen Mythologie]] ein feuriges Gebiet, das im Süden liegt, und das den Gegenpol zum eisigen und dunklen [[Niflheim]] im Norden bildet.


In der Vorzeit schmolz die Wärme Muspellsheims das Eis Niflheims im [[Ginnungagap]], woraus sich der Riese [[Ymir]], das erste Wesen der Welt, bildete.<ref>Snorri Sturluson: ''Prosa-Edda, [[Wikipedia:Gylfaginning|Gylfaginning]].'' Kapitel 4&nbsp;f. (Zitation der ''Prosa-Edda'' nach Arnulf Krause: ''Die Edda des Snorri Sturluson.'' Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 978-3-15-000782-2)</ref> Alle Himmelskörper, Sonne, Mond und Sterne, entstanden aus den umherfliegenden Funken Muspellsheims, die die [[Ase|Götter]] am Himmel befestigten.<ref>Snorri Sturluson: ''Prosa-Edda, Gylfaginning.'' Kapitel 8 und 11</ref>
Das Problem ist damit allerdings nur sehr abstrakt umrissen. Tatsächlich hat die gesamte [[Erscheinung]]swelt, die sich der inneren ([[Seele|seelischen]]) und äußeren ([[sinnlich]]en) [[Wahrnehmung]] darbietet, unvermeidlich einen durchgehend pluralistischen Charakter. Die durch die verschiedenen [[Sinne]] vermittelten [[Sinnesqualitäten]] lassen sich grundsätzlich nicht aufeinander zurückführen. [[Farben]] lassen sich ebenso wenig aus [[Bewegung]]svorgängen ableiten, wie aus [[Geruch|Gerüchen]] oder [[Klang]]erlebnissen, und [[Gedanke]]n, [[Gefühl]]e und [[Wille]]nsimpulse nicht aus [[Neurophysiologie|neurophysiologischen]] [[Gehirn]]prozessen.  


Muspellsheim als Gegend ist nur bei [[Wikipedia:Snorri Sturluson|Snorri Sturluson]] in der ''[[Wikipedia:Prosa-Edda|Prosa-Edda]]'' überliefert.<ref>Snorri Sturluson: ''Prosa-Edda, Gylfaginning.'' Kapitel 5, 8 und 11 als Muspellsheim und Kapitel 4, vielleicht auch 51 als Muspell</ref> Wahrscheinlich handelt es sich nicht um eine volkstümliche Vorstellung, sondern um eine Eigenschöpfung Snorris. Der zugrunde liegende kontinentalgermanische Begriff, der in etwa „Weltuntergang (durch Feuer)“ bedeutet, wurde offenbar in nordischer Zeit umgedeutet und als [[Riese]] [[Muspell]] personifiziert, den Snorri mit dem Feuerriesen [[Surt (Mythologie)|Surtr]] gleichsetzte<ref>Vergleiche Rudolf Simek: ''Lexikon der germanischen Mythologie.'' 3. Aufl., 2006, S. 290&nbsp;f</ref> und dessen Aufenthaltsort er nach Muspell Muspellsheim benannte.
So sind etwa [[Elektromagnetische Welle|elektromagnetischen Wellen]], die vom [[Auge]] aufgefangen und durch die Sehnerven mittels elektrochemischer Vorgänge an das [[Gehirn]] weitervermittelt werden, dazu notwendig, dass die sinnliche Wahrnehmung der Farben überhaupt zustande kommt. Mit dem ''Inhalt'' dieser Wahrnehmung, also mit den erlebten ''[[Qualia]]'', haben sie aber ganz und gar nichts zu tun.


Eine weitere Umdeutung erfährt in Snorris Kosmogonie auch die Konnotation von ''Muspell'', in dessen Wortsinn das Verderben durch Feuer mitschwingt, die sich bei ihm jedoch in etwas Positives (eine Welt der Wärme und des Lichts) wandelt, vermutlich gemäß einer nördlichen Vorstellung, wonach der Süden eine Welt des Heils ist.<ref>Vergleiche Jan de Vries: ''Altgermanische Religionsgeschichte.'' 2. Auflage. Verlag de Gruyter, Berlin – New York 1957, § 580</ref>
Auch das in der [[Philosophie des Geistes]] seit langem heftig diskutierte [[Leib-Seele-Problem]] ist aus denselben Gründen ein Scheinproblem. Das einigende Band zwischen den unterschiedlichsten Erscheinungen - also zwischen [[Gehirn]] und [[Psyche]] - kann nur durch das [[Denken]] gezogen werden, bzw. durch den [[Geist]], der das Denken tätig hervorbringt und dadurch den realen gesetzmäßigen Zusammenhang der verschiedenen Erscheinungen offenbaren kann. Dem Pluralismus der Erscheinungswelt steht damit ein geistiger [[Monismus]] gegenüber, der auch die Grundlage der [[Anthroposophie|anthroposophischen Geisteswissenschaft]] bildet.
 
{{GZ|Der Monismus kommt gar nicht in die Lage, außer Wahrnehmung
und Begriff nach anderen Erklärungsprinzipien
der Wirklichkeit zu fragen. Er weiß, daß sich im ganzen Bereiche der Wirklichkeit ''kein Anlaß'' dazu findet. Er sieht in
der Wahrnehmungswelt, wie sie unmittelbar dem Wahrnehmen
vorliegt, ein halbes Wirkliches; in der Vereinigung
derselben mit der Begriffswelt findet er die volle Wirklichkeit.|4|124f}}
 
== Siehe auch ==
 
* {{Eisler|Pluralismus}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* {{Literatur | Autor= [[Wikipedia:Rudolf Simek|Rudolf Simek]] | Titel= Lexikon der germanischen Mythologie | Auflage= 3., völlig überarbeitete | Verlag= Alfred Kröner Verlag | Ort= Stuttgart | Jahr= 2006 | ISBN= 978-3-520-36803-4}}


== Einzelnachweise ==
* Rudolf Steiner: ''Die Philosophie der Freiheit'', [[GA 4]] (1995), ISBN 3-7274-0040-4 {{Schriften|004}}
<references />
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/philosophie_pluralismus.pdf Gemäßigter Pluralismus - Der aufgeklärte Pluralismus in gemäßigter Form] PDF


[[Kategorie:Germanische Mythologie]]
{{GA}}
[[Kategorie:Mythologischer Ort]]


{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Philosophie]]
[[Kategorie:Weltanschauung]]

Version vom 18. März 2018, 03:21 Uhr

Der Pluralismus als philosophisches System führt die gesamte Wirklichkeit auf eine Vielzahl gesonderter, selbstständig bestehender Einheiten zurück, die je nach Standpunkt spirituell (Monadismus) oder materiell (Atomismus) gedacht werden.

Das Problem ist damit allerdings nur sehr abstrakt umrissen. Tatsächlich hat die gesamte Erscheinungswelt, die sich der inneren (seelischen) und äußeren (sinnlichen) Wahrnehmung darbietet, unvermeidlich einen durchgehend pluralistischen Charakter. Die durch die verschiedenen Sinne vermittelten Sinnesqualitäten lassen sich grundsätzlich nicht aufeinander zurückführen. Farben lassen sich ebenso wenig aus Bewegungsvorgängen ableiten, wie aus Gerüchen oder Klangerlebnissen, und Gedanken, Gefühle und Willensimpulse nicht aus neurophysiologischen Gehirnprozessen.

So sind etwa elektromagnetischen Wellen, die vom Auge aufgefangen und durch die Sehnerven mittels elektrochemischer Vorgänge an das Gehirn weitervermittelt werden, dazu notwendig, dass die sinnliche Wahrnehmung der Farben überhaupt zustande kommt. Mit dem Inhalt dieser Wahrnehmung, also mit den erlebten Qualia, haben sie aber ganz und gar nichts zu tun.

Auch das in der Philosophie des Geistes seit langem heftig diskutierte Leib-Seele-Problem ist aus denselben Gründen ein Scheinproblem. Das einigende Band zwischen den unterschiedlichsten Erscheinungen - also zwischen Gehirn und Psyche - kann nur durch das Denken gezogen werden, bzw. durch den Geist, der das Denken tätig hervorbringt und dadurch den realen gesetzmäßigen Zusammenhang der verschiedenen Erscheinungen offenbaren kann. Dem Pluralismus der Erscheinungswelt steht damit ein geistiger Monismus gegenüber, der auch die Grundlage der anthroposophischen Geisteswissenschaft bildet.

„Der Monismus kommt gar nicht in die Lage, außer Wahrnehmung und Begriff nach anderen Erklärungsprinzipien der Wirklichkeit zu fragen. Er weiß, daß sich im ganzen Bereiche der Wirklichkeit kein Anlaß dazu findet. Er sieht in der Wahrnehmungswelt, wie sie unmittelbar dem Wahrnehmen vorliegt, ein halbes Wirkliches; in der Vereinigung derselben mit der Begriffswelt findet er die volle Wirklichkeit.“ (Lit.:GA 4, S. 124f)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.