Computationalismus

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Als Computationalismus oder Computertheorie des Geistes (eng. computational theory of mind, CTM) wird eine in der Kognitionswissenschaft bzw. in den Neurowissenschaften verbreitete Theorie bezeichnet, wonach die kognitiven Fähigkeiten und das Bewusstsein des menschliche Geistes - im Sinn des englischen Begriffs „Mind“ - auf Berechnungsvorgängen beruhen, die von den neuronalen Netzwerken des Gehirns vollzogen werden. Die Idee, dass die rationale Erkenntnis auf Berechnungen beruhe, hatte schon der englische Mathematiker und Philosoph Thomas Hobbes (1588-1679) vertreten:

„Unter rationeller Erkenntnis vielmehr verstehe ich Berechnung. Berechnen heißt entweder die Summe von zusammengefügten Dingen finden oder den Rest erkennen, wenn eins vom andern abgezogen wird. Also ist rationelle Erkenntnis dasselbe wie Addieren und Subtrahieren; wenn jemand Multiplizieren, und Dividieren hinzufügen will, so habe ich nichts dagegen, da Multiplikation dasselbe ist wie Addition gleicher Posten, Division dasselbe wie eine bestimmte Subtraktion gleicher Posten. Aber rationelle Erkenntnis geht jedenfalls auf zwei Geistesoperationen zurück: Addition und Subtraktion.“

Thomas Hobbes: Grundzüge der Philosophie, 1. Teil: Lehre vom Körper, S. 14
Diagramm einer McCulloch-Pitts-Zelle nach Marvin Minsky.

1943 schlugen Warren McCulloch und Walter Pitts (1943) erstmals vor, die neuronale Aktivität auf Rechenvorgänge zurückzuführen und entwickelten ein einfaches Modell eines künstlichen Neurons, die nach ihnen benannte McCulloch-Pitts-Zelle, die einfache logische AND-, OR- und NOT-Gatter simulieren kann, mit denen mathematische und logische Operationen durchgeführt werden können[1]. Sie wollten damit die Frage klären, ob das Gehirn Turing-berechenbare Funktionen berechnen kann und die Gehirntätigkeit damit im Prinzip auf Rechenoperationen rückführbar ist.

In ihrer modernen Form des Funktionalismus wurde die Computertheorie des Geistes 1961 von Hilary Putnam, einem führenden Denker der Philosophie des Geistes, vorgeschlagen und gemeinsam mit seinem Doktoranden Jerry Fodor bis in die 1980er Jahre weiterentwickelt. Danach wandte sich Putnam vom Funktionalismus ab. Obwohl der Funktionalismus in den 1990er Jahren u.a. von Hilary Putnam selbst und von Jean Searle und anderen heftig kritisiert wurde, greifen viele Kognitionswissenschaftler auf dieses Konzept zurück. Auch in der analytischen Philosophie wird es weiterhin diskutiert.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Warren McCulloch, Walter Pitts: A logical calculus of the ideas immanent in nervous activity. In: Bulletin of Mathematical Biophysics, Bd. 5 (1943), S. 115–133, ISSN 0007-4985 pdf