Geschlechtertrennung

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Adam Kadmon, der himmlische Urmensch, wird manchmal in androgyner Gestalt mit männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen dargestellt.
Der Löwenmensch aus dem Hohlenstein-Stadel. Aus den Löwenmenschen ging das weibliche Geschlecht hervor.
Stiermenschen-Statue aus dem Yorkshire Sculpture Park. Aus den Stiermenschen entstand das männliche Geschlecht.

Nach der Geschlechtertrennung konnte sich das ursprünglich androgyne bzw. hermaphroditische, zweigeschlechtliche, männlich-weibliche (hebr. זָכָ֥ר וּנְקֵבָ֖ה zâkâr û -neqevâh) Menschenwesen nur mehr in einseitiger Gestalt als Mann (hebr. אִישׁ isch = Mann, Gatte) oder Frau (hebr. אִשָּׁה ischah = Frau, Gattin; pl. נָשִׁים "naschim") auf der Erde inkarnieren; der Mensch wurde ein eingeschlechtliches Wesen.

Von der Geschlechtertrennung sind nur die beiden untersten Wesensglieder des Menschen betroffen, der Ätherleib und der physische Leib, die aber jeweils gegensätzliche Geschlechter verkörpern. Ist der physische Leib männlich, so ist der Ätherleib weiblich und umgekehrt. Im Zuge der wiederholten Erdenleben des Menschen wechselt in der Regel mit jeder Inkarnation das Geschlecht, wobei diese Regel aber auch häufig durchbrochen wird. Maximal aber folgen sieben Erdenleben mit dem gleichen Geschlecht aufeinander.

Biologischer Hintergrund

Während bei der ungeschlechtlichen Vermehrung die Nachkommenschaft genetisch weitgehend identisch ist und damit eine Art biologischer Unsterblichkeit gewährleistet wird, kommt es bei der geschlechtlichen Fortpflanzung durch das Zusammenwirken zweier Partner der selben Art, aber unterschiedlichen Geschlechtstyps, durch den damit verbundenen Genomaustausch zu einer rasch voranschreitenden Differenzierung, durch die das Einzelwesen mit seiner einmaligen genetischen Besonderheit aber auch notwendig dem biologischen Tod unterworfen ist. Durch die Notwendigkeit der Partnerwahl wurde u. a. die Entwicklung der Sinne entscheidend gefördert und eine Fülle völlig neuer Verhaltensmuster und eine stärkere soziale Bindung konnte entstehen.

Gruppenseelen - Löwenmenschen und Stiermenschen

Bis in die Mitte der lemurischen Zeit erfolgte die Fortpflanzung ungeschlechtlich durch eine Art von Selbstbefruchtung. Im Bilde der Isis, die durch den Sonnenstrahl des Osiris befruchtet wird, deuteten die ägyptischen Mysterien auf diese ungeschlechtliche Fortpflanzungskraft des Mondes hin.

Die vier Sphinxtiere entsprechen den vier Gruppenseelen des lemurischen und atlantischen Menschen. Die Löwenrasse hatte einen männlichen Ätherleib, der genügend Kraft hatte, den physischen Leib selbst ohne äußere Anregung zu befruchten. Es war eine unmittelbare Befruchtung aus dem Geistigen, ohne die Mithilfe eines anderen Wesens. Die Stierrasse hingegen hatte einen weiblichen Ätherleib und verlor allmählich die Fähigkeit zur selbsttätigen Fortpflanzung, konnte aber nach und nach die Löwenmenschen befruchten. Nach der Aufnahme des Ichs entwickelte sich aus der Löwenrasse das weibliche, aus der Stierrasse das männliche Geschlecht (Lit.: GA 107, S. 74ff).

Die Seele ist männlich und weiblich zugleich. Solange die Leiber noch weich und bildsam waren, konnten sie ganz den seelischen Impulsen folgen. Als die Verhärtung der Leiblichkeit voranschritt, war das nicht mehr in vollem Umfang möglich. Es kam zur Geschlechtertrennung, wobei der männliche Leib mehr durch die Willensimpulse, der weibliche Leib mehr durch das Vorstellungsvermögen geprägt wurde.

"Die Zeiten, in die wir nunmehr zurückblicken, liegen etwas vor der Mitte der Epoche, die in den vorhergehenden Abschnitten als die lemurische bezeichnet worden ist. Der Menschenleib bestand da noch aus weichen bildsamen Stoffen. Es waren auch die übrigen Bildungen der Erde noch weich und bildsam. Gegenüber ihrem späteren verfestigten war die Erde noch in einem quellenden, flüssigeren Zustande. Indem die Menschenseele damals sich im Stoffe verkörperte, konnte sie sich diesen Stoff in einem viel höheren Grade anpassen als später. Denn daß die Seele einen männlichen oder weiblichen Leib annimmt, rührt davon her, daß ihr die Entwickelung der äußeren Erdennatur den einen oder den andern aufdrängt. Solange die Stoffe noch nicht verfestigt waren, konnte die Seele diese Stoffe unter ihre eigenen Gesetze zwingen. Sie machte den Leib zu einem Abdruck ihres eigenen Wesens. Als aber der Stoff dicht geworden war, mußte sich die Seele den Gesetzen fügen, welche diesem Stoffe von der äußeren Erdennatur aufgeprägt wurden. Solange die Seele noch über den Stoff herrschen konnte, gestaltete sie ihren Leib weder männlich noch weiblich, sondern gab ihm Eigenschaften, die beides zugleich waren. Denn die Seele ist männlich und weiblich zugleich. Sie trägt in sich diese beiden Naturen. Ihr männliches Element ist dem verwandt, was man Willen nennt, ihr weibliches dem, was als Vorstellung bezeichnet wird. — Die äußere Erdenbildung hat dazu geführt, daß der Leib eine einseitige Bildung angenommen hat. Der männliche Leib hat eine Gestalt angenommen, die aus dem Element des Willens bestimmt ist, der weibliche hingegen trägt mehr das Gepräge der Vorstellung. So kommt es denn, daß die zweigeschiechtliche, männlich- weibliche Seele in einem eingeschlechtlichen, männlichen oder weiblichen Leib wohnt. Der Leib hatte also im Laufe der Entwickelung eine durch die äußeren Erdenkräfte bestimmte Form angenommen, daß es fortan der Seele nicht mehr möglich war, ihre ganze innere Kraft in diesen Leib auszugießen. Sie mußte etwas von dieser ihrer Kraft in ihrem Innern behalten und konnte nur einen Teil derselben in den Leib einfließen lassen.

Verfolgt man die Akasha-Chronik, so zeigt sich folgendes. In einer alten Zeit erscheinen menschliche Formen vor uns, weich, bildsam, ganz verschieden von den späteren. Sie tragen noch die Mannes- und die Frauennatur gleichmäßig in sich. Im Verfolg der Zeit verdichten sich die Stoffe; der Menschenleib tritt in zwei Formen auf, von denen die eine der späteren Mannes-, die andere der späteren Frauenbildung ähnlich wird. Als dieser Unterschied noch nicht aufgetreten war, konnte jeder Mensch einen anderen aus sich hervorgehen lassen. Die Befruchtung war kein äußerer Vorgang, sondern etwas, was sich im Innern des Menschenleibes selbst abspielte. Dadurch, daß der Leib männlich oder weiblich wurde, verlor er diese Möglichkeit der Selbstbefruchtung. Er mußte mit einem anderen Leibe zusammenwirken, um einen neuen Menschen hervorzubringen." (Lit.: GA 11, S. 74ff)

Männliche und weibliche Weisheit

"Nun wollen wir uns einmal klar werden, wie das gekommen ist. Das ist so gekommen, daß zunächst, bevor es ein männliches und weibliches Geschlecht gab, eine Zweigeschlechtlichkeit in dem einen Individuum vorhanden war. Wir müssen nun fragen: Was war in dem einen Individuum das Befruchtetwerdende und was war das Befruchtende? In der alten griechischen Mythologie wird Zeus dargestellt mit mächtigen Frauenbrüsten. Es drückt sich darin eine Wahrheit aus, die in den alten Mysterien bekannt war und die uns auch die Urkunden lehren, daß das Geschlecht - wenn ich es so nennen darf -, das unserem unmittelbar vorangegangen ist, äußerlich-physisch nicht dem männlichen, sondern dem weiblichen Geschlecht ähnelte. So daß wir also vor der äußeren Trennung beide Geschlechter in einem Individuum haben, das äußerlich - im physischen Ausdruck und im ganzen Empfinden und Wesen - weiblich war. Wir haben es also am Ursprunge des Menschengeschlechtes zu tun mit einem nach der weiblichen Seite hingeneigten, zweigeschlechtlichen Individuum. Das männliche Geschlecht ist erst später hervorgegangen. Nun müssen wir uns klar sein, daß in diesem Individuum, das die beiden Geschlechter in sich selbst hat, auch ein Befruchtendes, ein männlicher Same da war. Das Weib hatte den Mann in sich. Wenn wir uns das klarmachen, daß das Weib den Mann in sich hatte, dann können wir uns auch nach unseren gewöhnlichen naturwissenschaftlichen Begriffen vorstellen, daß die Fortpflanzung gesichert war. Daß dies damals durch das Weib geschehen ist, das wollen wir einmal festhalten.

Nun trat die Zeit ein, in welcher die Dinge auseinandergehen sollten. Welchen Charakter hatte nun im Weibe eigentlich das Befruchtende, das, was die Weibnatur da auf dem physischen Plan befruchtete? Das, was auf das Weibliche als Same wirkte, das war das Männliche; und das war das Geistige, die Weisheit. Das Weib gab den Stoff, der Geist gab die Form. Ausgestaltung auf dem physischen Plan ist verwirklichte Weisheit. Im Weibe wirkte die Weisheit. Nun differenzierten sich die beiden, indem die zwei Dinge, die früher zusammengewirkt hatten, als zwei getrennte Pole auftraten. Was früher in ein einziges Organ des Menschen zusammengedrängt war, trennte sich, und dadurch entstand eine Zweiheit in der Menschenbildung. Diese Zweiheit entstand so, daß zunächst in dem einen Individuum die Fruchtbarkeit, die Möglichkeit, daß das weibliche Ei sich fortpflanzte, aufhörte. Das weibliche Ei verlor die Möglichkeit, aus dem eigenen Körper befruchtet zu werden. So haben wir es zu tun mit einem unfruchtbar gewordenen Weiblichen und einem darüberstehenden Geistigen. Es geschah durch Abspaltung der physischen Organe die Trennung der beiden Geschlechter, und die Möglichkeit der Befruchtung wird nun durch das andere Geschlecht gegeben. Zwei Individuen entstehen, das eine mit physischer Weiblichkeit und das andere mit physischer Männlichkeit: Die Weisheit hat beim Manne weiblichen, beim Weibe männlichen Charakter." (Lit.: GA 93, S. 217)

Die Tempellegende - Kain und Abel

"Die Bibel selbst, das Alte Testament, ist hervorgegangen aus der weiblichen, der intuitiven Weisheit, sie trägt deren Grundcharakter. Das Alte Testament ist weibliche Weisheit. Die männliche Weisheit brachte es nicht zur Intuition. Sie beschränkte sich auf das Bauen und Arbeiten; sie nahm Steine und machte Gebäude, sie nahm Metalle und machte Gerätschaften. Die Tempellegende stellt das so dar:

Einer der Elohim befruchtete die Eva, und da entstand Kain. Nachher schuf Jehova - ein anderer der Elohim, auch Adonai genannt - den Adam. Und Adam erzeugte mit Eva den Abel. Diese Legende stellt nun die Kainsweisheit der biblischen Weisheit entgegen, so daß wir beim Aufgehen der vierten Unterrasse zwei einander entgegenstehende Strömungen haben: die Bibel als weibliche Weisheit und die Tempelweisheit als die männliche Opposition dagegen. Das was der Mann [die männliche Weisheit?] wollte, wurde der weiblichen Weisheit schon in der vorchristlichen Zeit entgegengestellt Das weitere ist so, daß Kain seinen Bruder Abel erschlägt. Das steht auch in der Tempellegende. Jehova machte Streit zwischen Kains Geschlecht und Abels Geschlecht, und Kain tötete den Abel. Das heißt nichts anderes . . . [Hier folgen in der Nachschrift einige sehr unklare Sätze.]

Was war die Folge davon, daß diese Kainsweisheit entstand? Die Folge davon war, daß das Fruchtbare, das sich durch die eigene Weisheit fortpflanzte, getötet wurde. Indem Kain den Abel tötete, tötete männliche Erkenntnis in ihm das, was durch die Götter hervorgebracht worden war: die Möglichkeit der Fortpflanzung aus sich selbst. Das heißt, es wird dadurch, daß auf den Mann die Erkenntnis übergeht, der Abel in ihm ertötet.

Das ist ein Vorgang im Menschen selbst. Durch die männliche Erkenntnis wird die hervorbringende Kraft, wird Abel getötet. Nun stehen einander feindlich gegenüber die Nachkommen des Kain und das Geschlecht derer, die an die Stelle des Abel gesetzt werden, die Nachkommen des Seth. Die Nachkommen des Kain sind diejenigen, welche ihre männliche Weisheit verwenden auf den Bau der äußeren Welt; die passive Weisheit wird zum Bau der äußeren Welt verwendet. Nicht die göttliche Weisheit strömt auf sie hernieder. Aus dem Freien muß sie mauern an der Welt. Sie hat keine göttliche Intuition. Durch Probieren, durch Erfahrung entsteht das Zusammenfügen der rein mineralischen Produkte der Erde. So wird aus diesem Kainsgeschlechte Tubal-Kain geboren, und so wird später Hiram-Abiff oder Adon-Hiram aus diesem Geschlecht geboren." (Lit.: GA 93, S. 219f)

Die unwahre Gestalt der beiden irdischen Geschlechter

„Nur den Kopf und die Gliedmaßen erkennt der Geistesforscher als wahres Abbild des Geistigen an, alles andere ist verzeichnet. Das rührt davon her, daß die Trennung in Mann und Weib sich zurückführen läßt auf die lemurische Zeit, in der eine einzige Gestalt alles das in sich vereinigte, was wir jetzt getrennt vor uns sehen. Diese Trennung ist erfolgt, damit ermöglicht wurde, mit der Fortentwickelung ein immer mehr materielles Werden zu verbinden. So hat denn der Mensch seine Gestalt aus einer geistigen Urgestalt immer mehr materialisiert. Denn in der Form des neutralen Geschlechts war er noch eine dem Geiste näherstehende Gestalt. Bei der dann eintretenden Fortentwickelung in der Richtung auf das Weibliche behielt dieses gleichsam zurück eine frühere Gestalt, in der der Mensch noch geistiger war. Die weibliche Gestalt behielt diese geistigere Form bei, stieg nicht so tief ins Materielle hinunter, als es eigentlich der normalen Entwickelung entsprochen hätte. So hat denn die Frau eine geistigere Gestalt festgehalten aus einer früheren Entwicklungsstufe. Sie hat damit etwas konserviert, was eigentlich unwahr ist. Sie soll auch das Abbild des Geistigen sein, ist aber materiell verzeichnet. Gerade umgekehrt ist es beim Manne. Dieser hat den normalen Entwickelungspunkt übersprungen, ist also darüber hinausgelangt und prägt eine äußere Gestalt aus, die materieller ist als die Schattengestalt hinter ihm, die dem normalen Mittel entspricht.

Die Frau steht vor diesem wahren Mittel, der Mann ist darüber hinausgegangen. Keiner von beiden gibt den wahren Menschen wieder. Es ist daher nicht das Höchste, Vollkommenste, was wir in der menschlichen Gestalt rinden. Daher versuchte man, ihr dasjenige anzufügen, was in den alten Priestergewändern ausgebildet ist, um dadurch die menschliche Form, besonders die männliche, wahrer erscheinen zu lassen, als sie von Natur aus ist. Man hatte ein Gefühl dafür, daß die Natur auch etwas verzeichnen kann. Die weibliche Gestalt führt uns zurück in eine frühere Erdendaseinsstufe, in die alte Mondenzeit. Die männliche Gestalt führt uns über die Erdenzeit hinaus in das Jupiterdasein, aber in einer dafür noch nicht lebensfähigen Form.“ (Lit.:GA 118, S. 135f)

Erbsünde und Individualisierung

Die Geschlechtertrennung trat als Folge des Sündenfalls in der lemurischen Zeit ein, als sich der Mond von der Erde abgelöst hatte und nun von außen auf sie einwirkte. Einen festen Körper hatte der Mensch damals noch nicht, sein Leib war noch weich und bildsam, begann sich aber nach und nach zu verhärten. Die Knochenbildung entwickelte sich parallel zur Geschlechtertrennung, zugleich bildet sich auch jetzt erst in der äußeren Erdennatur das Mineralreich. Mit dieser Verfestigung trat aber auch der Tod als für den Menschen einschneidendes Erlebnis in die Welt. Solange der Mensch im paradiesischen Zustand noch die Zweigeschlechtlichkeit hatte, also männlich-weiblich war, gab es Geburt und Tod noch nicht als besondere Phänomene. Der noch kaum materielle Leib des Menschen verdorrte und erneuerte sich wieder im rhythmischen Wechsel.

Vor der Geschlechtertrennung waren die Menschen sehr gleichförmig gestaltet und ein individuelles Ich-Bewusstsein gab es noch nicht, sondern die Menschen lebten im kontinuierlichen Bewusstsein der gemeinsamen Gruppenseele, das auch durch das Ablegen des stofflichen Leibes nicht abriss. Die Individualisierung begann, indem das männliche und das weibliche Geschlecht aufeinander einwirkten (Lit.: GA 11).

Eng damit verbunden ist der Begriff der Erbsünde: früher hatten die Menschen reine gesundende göttliche Kräfte durch den Befruchungsakt aufgenommen; jetzt vererbten sie alles, was sie aus der äußeren sinnlichen Sphäre aufgenommen hatten und die Folgen der damit verbundenen Begierden und Leidenschaften auf die Nachkommen. Damit entstand einerseits die Möglichkeit, die Qualitäten, die sich der Mensch individuell im Erdenleben erworben hatte, weiterzuvererben, anderseits wurde aber dadurch die Krankheit in die Generationenreihe hineingetragen.

"Wenn wir durch die nachatlantische Zeit, durch die atlantische Zeit bis in die alte lemurische Zeit zurückgehen, so begegnen wir da jenem Moment, wo für das Menschenreich unserer Erde die Teilung in die Geschlechter eingetreten ist. Sie wissen, daß man vorher von einer solchen Teilung in Geschlechter im menschlichen Reich nicht sprechen kann.

Ausdrücklich sei darauf aufmerksam gemacht, daß wir jetzt nicht etwa sprechen von einem allerersten Auftreten des zweigeschlechtlichen Wesens überhaupt in der Erdentwickelung oder in unserer ganzen Entwickelung, sofern sie unsere uns umgebenden Reiche umfaßt. Erscheinungen, die zu der Zweigeschlechtlichkeit gerechnet werden müssen, treten schon früher auf. Aber das, was wir heute Menschenreich nennen, spaltet sich erst in der lemurischen Zeit in die beiden Geschlechter. Vorher haben wir es zu tun mit einer anders geformten Menschengestalt, die in einer gewissen Weise die beiden Geschlechter undifferenziert in sich enthalten hat. Wir können uns äußerlich den Übergang von der Doppelgeschlechtlichkeit zu der Teilung in die zwei Geschlechter so vorstellen, daß wir uns denken, allmählich bildete sich die frühere doppelgeschlechtliche Menschengestalt so aus, daß eine Gruppe von Individuen die Merkmale des einen Geschlechtes, des weiblichen, mehr ausgestaltete, die andere Gruppe hingegen mehr die Merkmale des männlichen Geschlechtes herausbildete. Damit ist aber noch lange nicht die Teilung in die Geschlechter gegeben, sondern erst durch eine immer noch zunehmende Ausbildung der Einseitigkeit, und zwar in einer Zeit, als die Menschheit noch in einer sehr dünnen Stofflichkeit lebte.

Wenn wir diesen Zeitpunkt uns zunächst vor die Seele gerückt haben, so geschieht es namentlich aus dem Grunde, weil wir uns heute nach dem Sinn der Entstehung der beiden Geschlechter fragen wollen. Nur wenn man auf dem Boden der Geisteswissenschaft steht, kann man nach einem solchen Sinn fragen, denn der physischen Entwickelung kommt ihr Sinn aus den höheren Welten zu. Solange wir in der physischen Welt stehen und die physische Welt auch, meinetwillen, philosophisch betrachten, ist es eine gewisse kindliche Anschauung, von Zwecken zu sprechen, und Goethe hat sich mit Recht mit noch anderen darüber lustig gemacht, wenn man so über die Zwecke in der Natur spricht, daß man sagt, die Natur habe in ihrer Weisheit den Kork entstehen lassen, damit sich der Mensch Stöpsel daraus machen könne. Solch eine Betrachtung ist eine kindliche Betrachtung, und die kann nur dazu führen, daß wir über das Wesentliche, worauf es dabei ankommt, uns hinwegtäuschen. Es wäre eine solche Betrachtung gerade so, wie wenn wir eine Uhr betrachteten und uns da kleine dämonische Wesen dahinter denken würden, die weisheitsvoll die Uhrzeiger vorwärtsbewegen. In Wahrheit müssen wir aber, wenn wir die Uhr erkennen wollen, zu dem Geist, der die Uhr hervorgebracht hat, gehen, zu dem Uhrmacher. Und ebenso müssen wir, wenn wir die Zweckmäßigkeit in unserer Welt einsehen wollen, die physische Welt überschreiten und in das Geistige hineingehen. Also Zweck und Sinn und Ziel sind Worte, die wir erst dann auf die Entwickelung anwenden dürfen, wenn wir sie von dem Boden der Geisteswissenschaft aus betrachten. In dieser Weise stellen wir die Frage: Welchen Sinn hat es, daß sich die beiden Geschlechter nach und nach ausbildeten und in Wechselwirkung miteinander kamen?

Der Sinn wird Ihnen klar werden, wenn man in Betracht zieht, wie dasjenige, was man Befruchtung nennt, was man den gegenseitigen Einfluß der Geschlechter nennen kann, vorher durch etwas anderes ersetzt war. Man darf nicht etwa glauben, daß mit dem Zeitpunkt, wo in der Menschheitsentwickelung die Teilung in die Geschlechter sich vollzog, auch erst dasjenige aufgetreten wäre, was man die Befruchtung nennen kann. Das ist nicht der Fall. Nur müssen wir uns vorstellen, daß in den Zeiten, die der Zweigeschlechtlichkeit vorausgehen, diese Befruchtung auf eine ganz andere Weise geschah. Dem hellseherisch rückblickenden Bewußtsein zeigt es sich, daß es eine Zeit in der irdischen Menschheitsentwickelung gab, wo Befruchtung schon geschah im Zusammenhange mit der Ernährung, so daß die Wesenheiten, die in einer früheren Zeit männlich und weiblich zugleich waren, mit der Ernährung gleichzeitig die Kräfte zur Befruchtung aufnahmen. Wenn also in dieser Zeit, wo natürlich die Ernährung auch noch eine viel feinere war, die Menschenwesen sich ernährten, so war in den Ernährungssäften gleichzeitig das enthalten, was den Wesen die Möglichkeit gab, ein Wesen gleicher Art aus sich selbst hervorzubringen. Das eine allerdings müssen Sie dabei in Betracht ziehen, daß die Nahrungssäfte, die aus der umgebenden Materie genommen wurden, diese Befruchtungssäfte nicht immer enthielten, sondern nur zu ganz bestimmten Zeiten. Das hing ab von den Veränderungen, die da vorgingen und die wir heute vergleichen könnten mit den Veränderungen in dem Ablauf eines Jahres, mit Klimawechsel und so weiter. Zu ganz bestimmten Zeiten hatten die Nahrungssäfte, die aus der Umgebung entnommen wurden von den doppelgeschlechtlichen Wesen, gleichzeitig die Kraft der Befruchtung. Wenn wir mit dem hellseherischen Bewußtsein weiter zurückblicken in diese Zeiten, dann finden wir eine andere Eigentümlichkeit der alten Fortpflanzung. Was Sie heute kennen als die Verschiedenheit der einzelnen Menschen, was sich heute auswirkt als die Individualität der einzelnen Menschen, auf der die Vielgestaltigkeit des Lebens für unseren gegenwärtigen Menschheitszyklus beruht, diese Mannigfaltigkeit war vor der Entstehung der Geschlechter nicht vorhanden. Da war eine große Einförmigkeit. Die Wesen, die entstanden, waren sich untereinander ähnlich, und auch ihren Vorfahren waren sie ähnlich. Alle diese Wesen, die noch nicht in die zwei Geschlechter geteilt waren, boten äußerlich einen ähnlichen Anblick dar, und auch innerlich hatten sie sogar alle einen ziemlich gleichen Charakter. Und daß die Menschen so einander ähnlich waren, hatte für jene Zeiten nicht denselben Nachteil, den es für unsere Gegenwart haben würde. Denken Sie sich, wenn heute die Menschen so zur Welt kämen, daß sie alle gleiche Gestalt und auch gleichen Charakter hätten, wie unendlich langweilig wäre das Menschenleben dann, wie wenig könnte im menschlichen Leben eigentlich geschehen, da doch ein jeder dann dasselbe wollen würde wie der andere. Aber das war in den alten Zeiten nicht der Fall. Als der Mensch sozusagen noch ätherischer, geistiger war, noch nicht so dicht in die Stofflichkeit hineinverflochten, da waren wirklich die Menschen, wenn sie geboren wurden und auch noch durch eine gewisse Kindheit hindurch, einander sehr gleich, und die Erzieher hätten damals gar nicht nötig gehabt, darauf zu achten, ob das eine ein wilder Range und das andere ein sanftes Wesen ist. Die Menschen waren ja in verschiedenen Zeiten von verschiedenem Charakter, aber sie waren in gewisser Weise doch grundähnlich. Während des Lebens der einzelnen Menschen aber blieb es nicht so. Der Mensch war dadurch, daß er noch in einer weicheren, geistigeren Körperlichkeit war, viel mehr zugänglich den fortdauernden Einflüssen, die aus seiner Umgebung kamen, so daß er sich unter diesen Einflüssen in dieser alten Erdenzeit ungeheuer veränderte. Es individualisierte sich der Mensch in einer gewissen Weise dadurch, daß er eine, man könnte sagen, wachsartig weiche Natur hatte. Er wurde dadurch mehr oder weniger ein Abdruck seiner Umgebung. Insbesondere trat in einer ganz bestimmten Zeit des Lebens, die heute mit der Geschlechtsreife zusammenfallen würde, die Möglichkeit ein, alles, was in seiner Umgebung vorging, auf sich einwirken zu lassen. Die Verschiedenheit der einzelnen Zeiten, die wir heute mit der Verschiedenheit der Jahreszeiten vergleichen könnten, war damals eine große, und ob der Mensch auf dem einen oder auf dem anderen Stück der Erde lebte, war für ihn von großer Bedeutung. Wenn der Mensch dazumal nur einen kurzen Weg über die Erde machte, so war das von einem bedeutsamen Einfluß für ihn. Heute, wenn die Menschen weite Reisen machen und noch so viel sehen, im großen ganzen kommen sie doch so zurück, wie sie fortgegangen sind, oder der Mensch müßte schon eine ganz besondere Eindrucksfähigkeit haben. Das war in alten Zeiten nicht so. Da war alles noch für den Menschen von größtem Einfluß, so daß die Menschen, solange sie in der weichen Materialität waren, tatsächlich sich erst nach und nach im Leben individualisieren konnten. Diese Möglichkeit hörte dann auf.

Etwas Weiteres, was sich uns zeigt, ist, daß die Erde selbst immer mehr an Dichtigkeit zunahm, und in demselben Maße, als die Stofflichkeit, sagen wir das Erdenartige der Erde, intensiver wurde, wurde diese Einförmigkeit schädlich. Denn damit trat immer mehr und mehr für die Menschen die Möglichkeit zurück, sich im Leben noch zu verändern. Er wurde sozusagen ungeheuer dicht geboren. Das ist ja der Grund, warum sich die Menschen heute während des Lebens so wenig ändern. Das hat auch Schopenhauer dazu geführt, daß er meinte, im Grunde könnten sich die Menschen in ihrem Charakter überhaupt nicht ändern. Das hat seinen Grund darin, daß die Menschen in einer so dichten Materie sind. Sie können die Materie nicht so leicht bearbeiten und ändern. Würden die Menschen noch, wie es damals der Fall war, ihre Glieder ändern können, zum Beispiel nach Belieben, wie sie es brauchen, ein Glied kurz oder lang machen, dann würde natürlich der Mensch noch sehr starker Eindrücke fähig sein. Dann würde er im Grunde genommen dasjenige in seine eigene Individualität aufnehmen, was ihm gestattete, in sich selber eine Veränderung mit sich vorzunehmen. Immer steht der Mensch in einem innigen Kontakt mit der Umgebung, insbesondere mit der menschlichen Umgebung. Damit wir uns ganz genau verstehen, möchte ich Ihnen etwas sagen, was Sie vielleicht noch nicht beachtet haben, was aber durchaus der Fall ist.

Nehmen Sie an, Sie sitzen einem Menschen gegenüber und sprechen mit ihm. Wir erzählen das jetzt für den gewöhnlichen normalen Verlauf des Lebens und für den Verkehr der Menschen untereinander im gewöhnlichen Leben, also nicht etwa für den Fall, daß jemand tief okkult geschult ist. Es sitzen also zwei Menschen sich gegenüber; der eine redet, der andere hört nur zu. Da glaubt man gewöhnlich, der andere, der zuhört, tut nichts. Das ist nicht richtig. An solchen Dingen zeigt sich noch immer, wie der Einfluß der Umgebung ist. Für das äußere Wahrnehmen ist es nicht bemerkbar, aber für das innere Leben ist es sehr deutlich, auffällig sogar, daß von einem, der nur zuhört, alles mitgemacht wird, was der andere tut, sogar die Bewegungen der physischen Stimmbänder werden nachgemacht, und der Zuhörende spricht das mit, was der andere sagt. Alles, was Sie anhören, sprechen Sie mit einer leisen Bewegung der Stimmbänder und des anderen Apparates, der beim Reden in Betracht kommt, mit. Und es ist ein großer Unterschied, ob derjenige, der da spricht, eine krächzende Stimme hat und Sie dann die entsprechenden Bewegungen mitmachen, oder ob er eine angenehme Stimme hat. In dieser Beziehung macht der Mensch alles mit, und da das im Grunde genommen fortwährend geschieht, so ist es auch von einem großen Einfluß auf die ganze Bildung des Menschen, allerdings nur in diesen engen Beziehungen. Wenn Sie sich dies, was als ein letzter Rest geblieben ist vom Mitleben der Umgebung, nun in ausgiebigstem Maße denken, dann haben Sie eine Vorstellung davon, wie der Mensch in alten Zeiten mit seiner Umgebung mitlebte und empfand. Da war zum Beispiel das Nachahmungsvermögen der Menschen ganz grandios ausgebildet. Wenn der eine eine Bewegung machte, so machten alle sie durchaus mit. Es sind ja nur noch auf ganz bestimmten Gebieten unbedeutende Dinge heute davon übrig geblieben: wenn der eine gähnt, gähnen die anderen auch. Aber erinnern Sie sich, daß es sich dabei in diesen alten Zeiten durchaus um ein dämmerhaftes Bewußtsein handelt, und damit ist ein solches Imitationsvermögen verbunden.

Indem sich nun die Erde mit allem, was darauf ist, immer mehr und mehr verdichtete, wurde der Mensch immer weniger fähig, sich selbst umzubilden unter dem Einfluß seiner Umgebung. Ein Sonnenaufgang zum Beispiel war noch in verhältnismäßig gar nicht so alten Zeiten der Atlantis eine gewaltig bildende Kraft für den Menschen, weil dieser eben ganz unter seinem Einfluß stand und innerlich großartige Erlebnisse hatte, die, wenn sie immer wieder auftraten, ihn im Laufe seines Lebens sehr veränderten. Das alles wurde immer geringer und verschwand nach und nach, je weiter die Menschheit vorwärtsschritt.

In der lemurischen Zeit, bevor der Mond sich herausbewegte aus der Erde, war eine große Gefahr für die Menschen vorhanden. Es war die Gefahr, ganz zu erstarren, zu mumifizieren. Durch das nach und nach geschehende Herausrücken des Mondes aus unserer Erdenentwickelung wurde diese Gefahr hintangehalten. Gleichzeitig aber mit dem Hinausgang des Mondes ging die Trennung in die Geschlechter vor sich, und mit dieser Trennung in die Geschlechter ist ein neuerlicher Impuls für die Individualisierung der Menschen gegeben. Wenn es möglich gewesen wäre, daß sich die Menschheit ohne die zwei Geschlechter hätte fortpflanzen können, dann würde sie nicht in diese Individualisierung eingetreten sein. Dem Zusammenwirken der Geschlechter ist es zu verdanken, daß die heutige Art der Verschiedenheit der Menschen eingetreten ist. Würde das bloß Weibliche wirken, so würde die Individualität der Menschen ausgelöscht werden, die Menschen würden alle gleich werden. Durch das Dazuwirken des Männlichen werden die Menschen von der Geburt an als individuelle Charaktere geboren. So ist der Sinn des Zusammenwirkens der Geschlechter eigentlich dadurch gegeben, daß mit dem Auftreten, mit dem Absondern des männlichen Elementes die Individualisierung von Geburt aus an die Stelle der alten Individualisierung getreten ist. Was früher ringsherum die ganze Umgebung bewirkt hatte, wurde zusammengedrängt in die gegenseitige Einwirkung der Geschlechter, so daß die Individualisierung zurückgedrängt wird bis zur Entstehung des physischen Menschen, bis zur Geburt. Das ist der Sinn des Zusammenwirkens der beiden Geschlechter. Individualisierung geschieht durch die Einwirkung des männlichen Geschlechts auf das weibliche.

Nun wurde aber damit etwas anderes für den Menschen in Kauf genommen, und wenn das, was da in Kauf genommen wurde, geschildert wird, so bitte ich, es ganz genau als für die Menschheit charakteristisch zu betrachten, denn wenn wir auf dem Boden der Geisteswissenschaft stehen, dürfen wir es nicht in gleicher Art für die Menschen wie für die Tiere ansehen. Gesundheit und Krankheit unterliegen in ihren feineren Kräften bei den Tieren ganz anderen Ursachen als bei den Menschen. Also das, was gesagt wird, gilt ausschließlich für die Menschen, und es werden uns da die feineren Verhältnisse zunächst vor die Seele zu treten haben.

Versetzen Sie sich so recht in jene alte Zeit, wo der Mensch ganz und gar hingegeben war seiner Umgebung, wo die Umgebung den Menschen durchdrang und ihm auf der einen Seite durch die Nahrungssäfte, die sie ihm bot, die Befruchtung gab, während er auf der anderen Seite durch die Wirkung der Umgebung individualisiert wurde. Nun wissen wir ja, wenn wir auf dem Boden der Geisteswissenschaft stehen, daß alles, was um uns herum ist, was auf uns einwirkt, gleichgültig ob Licht oder Ton, Wärme oder Kälte, Härte oder Weiche, diese oder jene Farbe, alles, was auf uns einwirkt, die Offenbarung, der äußere Ausdruck eines Geistigen ist. Und in jenen alten Zeiten nahm der Mensch gar nicht die äußeren Sinneseindrücke wahr, sondern er nahm das Geistige wahr. Wenn er zur Sonne emporblickte, erblickte er nicht den physischen Sonnenball, sondern das, was in der persischen Religion als «Ahura Mazdao», als die «Große Aura», sich erhalten hat. Das Geistige, die Summe der geistigen Sonnenwesen erschien ihm, und so war es in Luft und Wasser und in der ganzen Umgebung. Wenn Sie heute die Schönheit eines Bildes einsaugen, können Sie etwas wie ein Destilliertes davon haben, nur war es damals vollsaftiger. Wollten wir in dem alten Sinne sprechen, so dürften wir nicht sagen: Dieses oder jenes schmeckt so oder so; sondern wir müßten sagen: Dieser oder jener Geist tut mir wohl! - So war es, wenn die Menschen sich essend - was eine ganz andere Tätigkeit war, als es heute ist - mit ihrer Umgebung auseinandersetzten, und ebenso war die Zeit, wo die Befruchtungskräfte aufgenommen wurden, etwas ganz anderes: eine Erscheinung der geistigen Umgebung. Geister kamen über den Menschen, überschatteten ihn und regten ihn an, seinesgleichen hervorzubringen, und das wurde auch als ein solcher geistiger Vorgang erlebt und beobachtet. Nun trat ja immer mehr und mehr für den Menschen die Unmöglichkeit ein, das Geistige seiner Umgebung zu sehen. Das verhüllte sich immer mehr, namentlich im Tagesbewußtsein. Nach und nach nahm der Mensch nicht mehr die geistigen Hintergründe wahr, die hinter den Dingen sind, sondern nur die äußeren Gegenstände, die der äußere Ausdruck dafür sind, und er lernte vergessen, was als Geistiges dahinter ist. Und indem er sich immer mehr in der Gestalt verdichtete, wurde auch der geistige Einfluß immer geringer. Der Mensch wurde durch diese Verdichtung immer mehr ein selbständiges Wesen und schloß sich dadurch ab von seiner geistigen Umgebung. Je weiter wir zurückgehen in diesen alten Zeiten, desto mehr ist auch dieser Einfluß, der von der Umgebung geschieht, ein geistig-göttlicher. Die Menschen waren wirklich so organisiert, daß sie ein Abbild und ein Ebenbild der Umgebung waren, der um sie herumschwebenden geistigen Wesenheiten, Abbilder von Göttern, die in den alten Zeiten der Erde vorhanden waren.

Das ging immer mehr verloren insbesondere durch das Zusammenwirken der beiden Geschlechter. Dadurch zog sich die geistige Welt vor dem Anblick der Menschen zurück. Die Menschen sahen immer mehr und mehr in die Sinneswelt hinein. Wir müssen uns dieses Verhältnis ganz lebhaft vorstellen: Denken Sie sich, der Mensch wurde in jenen alten Zeiten aus der göttlich-geistigen Welt heraus befruchtet. Die Götter selber waren es, die ihre Kräfte hergaben und den Menschen sich ähnlich machten. Dadurch war in jener alten Zeit nicht vorhanden das, was man Krankheit nennt. Innere Krankheitsanlage gab es nicht, die konnte nicht da sein, weil alles, was im Menschen vorhanden war und an ihm arbeitete, von dem gesunden göttlich-geistigen Kosmos kam. Die göttlich-geistigen Wesenheiten sind gesund, und sie machten dazumal den Menschen zu ihrem Abbild. Der Mensch war gesund. Je mehr er aber dem Zeitpunkt entgegenlebte, wo das Zusammenwirken der Geschlechter eintrat und damit das Zurückziehen der geistigen Welten, je mehr der Mensch selbständig und individuell wurde, zog sich auch die Gesundheit der göttlich-geistigen Wesenheiten von ihm zurück und es trat nun etwas anderes an dessen Stelle. Es geschah ja, daß in der Tat diese Aufeinanderwirkung der Geschlechter eingehüllt, begleitet wurde von Leidenschaften und Instinkten, wie sie angeregt wurden in der physischen Welt. Namentlich müssen wir diese Anregung aus der physischen Welt suchen, nachdem die Menschen so weit gekommen waren, daß sich die beiden Geschlechter gefielen, physischsinnlich sich gefielen. Das war ja noch lange nicht da, als die Geschlechter schon vorhanden waren. Die Wirkung der beiden Geschlechter aufeinander - auch noch in der atlantischen Zeit - geschah dann, wenn das physische Bewußtsein eigentlich schlief, sozusagen in der nachtschlafenden Zeit. Erst in der Mitte der atlantischen Zeit trat das ein, was wir das Gefallen der Geschlechter, die leidenschaftliche Liebe nennen könnten, also alles das, was sich an sinnlicher Liebe beimischte der reinen übersinnlichen Liebe, wenn wir es so nennen wollen - der Ausdruck ist heute abgebraucht, aber er brauchte es nicht zu sein -: der platonischen Liebe. Die platonische Liebe wäre in einem viel größeren Maße vorhanden, wenn sich nicht die sinnliche Liebe beimischte. Und während früher alles, was an dem Menschen gestaltend wirkte, eine Folge der geistig-göttlichen Umgebung war, wurde es jetzt mehr eine Folge der Leidenschaften und Triebe der beiden Geschlechter, die aufeinander wirkten. Es ist mit dem Zusammenwirken der beiden Geschlechter die sinnliche Begierde verknüpft worden, die angeregt wurde durch das äußere Auge, durch das äußere Sehen des andersgeschlechtlichen Wesens. Daher wurde dem Menschen mit seiner Geburt etwas einverleibt, was mit der besonderen Art der Leidenschaften und Gefühle der Menschen, die im physischen Leben stehen, zusammenhängt. Während früher der Mensch das, was in ihm war, noch von den geistig-göttlichen Wesen seiner Umgebung erhielt, bekam er jetzt durch den Befruchtungsakt etwas mit, was er als ein in sich selbständiges, abgeschlossenes Wesen aus der Sinneswelt in sich aufgenommen hatte.

Nachdem die Menschen in die Zweigeschlechtlichkeit eingetreten waren, gaben sie das, was sie selber erlebten in der Sinneswelt, ihren Nachkommen mit. Da haben wir also jetzt zwei Menschenwesen. Diese zwei Menschenwesen leben in der physischen Welt und nehmen die Welt durch die Sinne wahr, entwickeln dadurch diese oder jene durch Äußerliches angeregten Triebe und Begierden, insbesondere entwickeln sie Triebe und Leidenschaften durch ihre eigene, von außen angeregte, sinnliche Neigung zueinander. Was jetzt von außen an die Menschen herantritt, ist in die Sphäre des selbständigen Menschen herabgezogen, ist nicht mehr im vollen Einklang mit dem göttlich-geistigen Kosmos. Das wird dem Menschen mitgegeben durch den physischen Befruchtungsakt, das impft sich in die Menschen ein. Und dieses ihr eigenes weltliches Leben, das sie nicht aus den göttlichen Welten haben, sondern aus der Außenseite der göttlichgeistigen Welt, das geben die Menschen durch die Befruchtung ihren Nachkommen mit. Ist ein Mensch in dieser Beziehung schlechter, so gibt er schlechtere Qualitäten seinen Nachkommen mit als der andere, der rein und gut ist.

Und damit haben wir jetzt das, was wir uns im echten, wahren Sinne vorzustellen haben unter der «Erbsünde». Das ist der Begriff der Erbsünde. Die Erbsünde wird dadurch herbeigeführt, daß der Mensch in die Lage kommt, seine individuellen Erlebnisse in der physischen Welt auf seine Nachkommen zu verpflanzen. Jedesmal, wenn die Geschlechter in Leidenschaften erglühen, mischen sich in den aus der astralischen Welt herabkommenden Menschen die Ingredienzien der beiden Geschlechter hinein. Wenn sich ein Mensch inkarniert, kommt er aus der devachanischen Welt herunter und bildet sich seine astralische Sphäre nach der Eigenart seiner Individualität. Dieser eigenen astralischen Sphäre mischt sich etwas bei aus dem, was den astralischen Leibern, den Trieben, Leidenschaften und Begierden der Eltern eigen ist, so daß dadurch der Mensch das mitbekommt, was seine Vorfahren erlebt haben. Was so durch die Generationen geht, was so innerhalb der Generationen wirklich menschlich erworben ist und als solches sich vererbt, das ist es, was unter dem Begriff der Erbsünde zu verstehen ist. Und jetzt kommen wir zu etwas anderem noch: ein ganz neues Moment trat ein in die Menschheit durch die Individualisierung des Menschen.

Früher bildeten die göttlich-geistigen Wesenheiten, und die waren ganz gesund, den Menschen zu ihrem Ebenbilde. Jetzt aber gliederte sich der Mensch als selbständiges Wesen aus der Gesamtharmonie der göttlich-geistigen Gesundheit heraus. Er widersprach in gewisser Beziehung in seiner Eigenheit dieser ganzen geistig-göttlichen Umgebung. Denken Sie, Sie haben ein Wesen, das sich nur unter den Einflüssen der Umgebung ausbildet. Da zeigt es das, was diese Umgebung ist. Denken Sie sich aber, es schließt sich ab mit einer Haut, dann hat es zu den Eigenschaften seiner Umgebung auch noch seine eigenen Eigenschaften. Als die Menschen mit der Teilung in die Geschlechter individuell wurden, entwickelten sie also ihre eigenen Eigenheiten in sich selber. Dadurch war ein Widerspruch vorhanden zwischen der großen, in sich gesunden göttlich-geistigen Harmonie und dem, was als Individuelles in dem Menschen war. Und indem dieses Individuelle fortwirkt, ein real wirksamer Faktor wird, gliedert sich in die Menschheitsentwickelung überhaupt erst die Möglichkeit einer innerlichen Erkrankung ein. Jetzt haben wir den Moment erfaßt, wo überhaupt in der Menschheitsentwickelung die Möglichkeit der Erkrankung auftritt, denn sie ist gebunden an die Individualisierung der Menschen. Vorher, als der Mensch mit der geistig-göttlichen Welt noch in Zusammenhang stand, gab es diese Möglichkeit der Erkrankung nicht. Sie trat mit der Individualisierung ein, und das ist der gleiche Zeitpunkt wie die Trennung in die Geschlechter. Das gilt für die Menschheitsentwickelung, und Sie dürfen das nicht in gleicher Weise auf die Tierwelt übertragen.

Die Krankheit ist in der Tat eine Wirkung dieser Ihnen eben geschilderten Vorgänge, und namentlich können Sie sehen, daß es im Grunde genommen der astralische Leib ist, der ursprünglich auf diese Art beeinflußt wird. Dem astralischen Leib, den sich der Mensch zunächst selbst eingliedert, wenn er aus der devachanischen Welt herunterkommt, wird dasjenige entgegengebracht, was durch die Wirkung der beiden Geschlechter in ihn einfließt. Der astralische Leib ist also der Teil, der am schärfsten das Ungöttliche zum Abdruck bringt.

Göttlicher ist schon der Ätherleib, denn auf den hat der Mensch keinen so großen Einfluß, und am göttlichsten ist der physische Leib, dieser Tempel Gottes, denn der ist zu gleicher Zeit dem Einfluß des Menschen gründlich entzogen worden. Während der Mensch in seinem astralischen Leib alle möglichen Genüsse sucht und alle möglichen Begierden haben kann, die in schädlicher Weise auf den physischen Leib wirken, hat er seinen physischen Leib heute noch als ein so wundervolles Instrument, daß es jahrzehntelang den Herzgiften und den sonstigen störenden Einflüssen des astralischen Leibes widerstehen kann. Und so müssen wir sagen, daß der menschliche astralische Leib durch alle diese Vorgänge das Schlechteste am Menschen geworden ist. Wer tiefer hineingeht in die menschliche Natur, wird die tiefsten Krankheitsursachen im astralischen Leib und in den schlechten Einflüssen des astralischen Leibes auf den Ätherleib finden, und dann erst auf dem Umwege durch den Ätherleib in dem physischen Leib. Jetzt werden wir manches verstehen, was sonst nicht verstanden werden kann." (Lit.: GA 107, S. 132ff)

Geschlecht und Mondphasen

Welches Geschlecht der Mensch bei seiner Inkarnation annimmt, entscheidet sich erst nahe der Mondsphäre.

„Blicken wir von der Erde aus in irgendeiner Gegend nach dem Vollmond, dann haben wir diejenige Zeit, die sich die Wesen wählen, um zur Erde herunterzusteigen, die Frauen werden wollen. Da erst wird das entschieden. Und die Neumondzeit ist diejenige Zeit, die sich die Wesen wählen, die Männer werden wollen. So daß also der Mensch durch das Mondentor in das irdische Dasein eintritt. Aber die Kraft, die der Mann braucht, um in das Erdenleben einzutreten, wird dann ins Weltenall hinausgeströmt; man geht ihr entgegen, indem man vom Weltenall hereinkommt, und sie wird vom Monde ausgestrahlt, wenn er für die Erde Neumond ist. Die Kraft, welche die Frau braucht, wird ausgestrahlt vom Monde, wenn er Vollmond ist; da ist seine beleuchtete Seite der Erde zu gerichtet, seine unbeleuchtete Seite geht ins Weltenall hinaus, und diese Kraft, die der Mond an seiner unbeleuchteten Seite ins Weltenall hinaussenden kann, die braucht das Menschenwesen, wenn es Frau werden will.“ (Lit.:GA 218, S. 119)

Der Mond hat auch Einfluss auf die Haarfarbe:

„Aber der Mensch ist ja, bei diesem Herunterkommen öfter dem Vollmond oder Neumond ausgesetzt, und so kann es sein, daß der Mensch sich zunächst gewissermaßen einem entscheidenden Neumond aussetzt, um Mann zu werden, oder einem entscheidenden Vollmond, um Frau zu werden. Dann aber - es geht ja das Heruntersteigen nicht so schnell, er bleibt längere Zeit exponiert -, dann kann er auch irgendwie sich noch entscheiden, wenn er durch den Neumond als Mann heruntersteigt, trotzdem noch dem kommenden Vollmonde sich auszusetzen. So daß er also die Entscheidung getroffen hat, als Mann herabzusteigen: er hat die Neumondkräfte dazu verwendet; aber er hat noch während seines Abstieges den weiteren Mondengang zu seiner Verfügung, den Vollmondgang. Da erfüllt er sich mit den Mondenkräften dann so, daß diese nun nicht auf sein Verhältnis als Mann oder Weib wirken, sondern vorzugsweise auf seine Hauptesorganisation und auf das, was mit der Hauptesorganisation von außen, vom Kosmos her zusammenhängt, wenn gerade die Konstellation eintritt, von der ich jetzt gesprochen habe. Wenn also der Mensch die Entscheidung getroffen hat: Ich werde Mann durch eine Neumondszeit - und dann noch im Weltenall weiterlebt, so daß er noch nicht ganz durch den Mondeneinfluß durchgegangen ist, sondern noch der nächsten Vollmondzeit ausgesetzt ist, dann bekommt er durch die Einwirkung der Mondenkräfte in diesem Zustande zum Beispiel braune Augen und schwarze Haare. So daß wir sagen können: Durch die Art und Weise, wie der Mensch an dem Mond vorbeikommt, wird nicht nur sein Geschlecht bestimmt, sondern seine Haarfarbe und seine Augenfarbe. Ist der Mensch zum Beispiel als Frau an dem Vollmond vorbeigegangen und setzt sich nachher noch dem Neumond aus, so kann er als Frau blaue Augen und blonde Haare bekommen.“ (S. 120f)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

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