Geistige Behinderung und Michel Foucault: Unterschied zwischen den Seiten

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{{Infobox ICD
[[Datei:Bild 185xyz.jpg|mini|Michel Foucault]]
| BREITE =
| 01-CODE = F70
| 01-BEZEICHNUNG = ''Leichte Intelligenzminderung'' (IQ 50-69)
| 02-CODE = F71
| 02-BEZEICHNUNG = ''Mittelgradige Intelligenzminderung'' (IQ 35-49)
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| 03-BEZEICHNUNG = ''Schwere Intelligenzminderung'' (IQ 20-34)
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| 05-BEZEICHNUNG = ''dissoziierte Intelligenz'' (deutliche Diskrepanz von mindestens 15 Punkten zwischen Sprach- und Handlungs-IQ)
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| 06-BEZEICHNUNG = ''Andere Intelligenzminderung'' (Beurteilung der Intelligenzminderung nicht möglich)
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| 07-BEZEICHNUNG = ''Nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung'' (Intelligenzminderung nicht einzuordnen)
}}
Der Begriff '''geistige Behinderung''' (auch „geistige Zurückgebliebenheit“ und „mentale Retardierung“) bezeichnet einen andauernden Zustand deutlich unterdurchschnittlicher [[kognitiv]]er Fähigkeiten eines Menschen sowie damit verbundene Einschränkungen seines [[affekt]]iven Verhaltens.


Eine eindeutige und allgemein akzeptierte Definition ist jedoch schwierig:
'''Paul-Michel Foucault''' [{{IPA|miˈʃɛl fuˈko}}] (15. Oktober 1926 in Poitiers – 25. Juni 1984 in Paris) war ein französischer [[Philosoph]] des [[Poststrukturalismus]], [[Psychologe]], [[Soziologe]] und gilt als Begründer der [[Wikipedia:Diskursanalyse|Diskursanalyse]].


Medizinisch orientierte Definitionen sprechen von einer „Minderung oder Herabsetzung der maximal erreichbaren [[Intelligenz]]. So bezeichnet auch die [[Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme]] (ICD-10) dieses Phänomen als „[[Intelligenzminderung]]“ (F70–79). Demnach lässt sich – rein auf die Intelligenz bezogen – eine geistige Behinderung als Steigerung und Erweiterung einer [[Lernbehinderung]] verstehen.
== Leben ==
=== Kindheit, Schulzeit und Studium ===
Foucault war das zweite Kind von [[Paul-André Foucault]], Chirurg und Universitätsprofessor der Anatomie, und Anne-Marie Foucault, geborene Malapert. Aus Opposition zum Vater durchbrach er die Tradition, Mediziner zu werden. Er fasste den Entschluss, Geschichte zu studieren. Nach seiner Schulzeit in [[Poitiers]] begann er 1946, [[Philosophie]] und [[Psychologie]] an der elitären [[École normale supérieure (Paris)|École normale supérieure]] in Paris zu studieren. Sein Philosophielehrer wurde [[Louis Althusser]]. Ab 1947 besuchte er Veranstaltungen bei [[Maurice Merleau-Ponty]]. 1949 erwarb er einen Abschluss in Psychologie an der [[Sorbonne]].<ref>Hartmut Rosa, David Strecker und Andrea Kottmann: Soziologische Theorien, UTB, Stuttgart, 2. Aufl., 2013, Seite 276f.</ref> 1951 bestand er die Zulassungsprüfung in Philosophie für Hochschulen und wurde noch im gleichen Jahr Nachfolger von Merleau-Ponty. An seinen Vorlesungen nahmen [[Paul Veyne]], [[Jacques Derrida]] und [[Gérard Genette]] teil.


In anderen Definitionen rückt statt der Intelligenz eher die [[Interaktion]] des betroffenen Menschen mit seiner Umwelt in den Blick.
Parallel dazu machte er Praktika im Krankenhaus ''Sainte-Anne'' und im [[Gefängnis Fresnes]]. Er lernte [[Elektroenzephalografie|elektroenzephalographische]] Experimente durchzuführen und erwarb so 1952/53 eine [[Psychiater|psychiatrische]] Zusatzausbildung mit diplomiertem Abschluss. 1950 wurde er Mitglied der [[Parti communiste français|Kommunistischen Partei Frankreichs]]. Foucault nahm an Vorlesungen von [[Jacques Lacan]] teil und las [[Martin Heidegger|Heidegger]], [[Karl Marx|Marx]], [[Sigmund Freud|Freud]] und [[Friedrich Nietzsche|Nietzsche]]. 1954 veröffentlichte er die Übersetzung von ''Traum und Existenz'' von [[Ludwig Binswanger]] und gleichzeitig seine erste eigene Schrift ''Psychologie und Geisteskrankheit'' (''Maladie mentale et personnalité''). Konflikte mit Parteigenossen und eine beginnende Freundschaft mit [[Georges Dumézil]] – der bereits in Schweden arbeitete – veranlassten ihn, die Kommunistische Partei und Frankreich zu verlassen. 1954 übernahm er in [[Uppsala]] ([[Schweden]]) ein [[Lektorat]] für [[Romanistik]].


Der alters- oder krankheitsbedingte Verlust vorher beherrschter Fähigkeiten (und damit auch der Intelligenz) wird als [[Demenz]] bezeichnet. Im Falle einer dauerhaften Beeinträchtigung durch psychiatrische oder neurologische Erkrankungen, die sich primär durch [[Denkstörung]]en bei (weitgehend) erhaltener Intelligenz darstellen, spricht man von einer [[Psychische Behinderung|psychischen Behinderung]], wobei die Übergänge oft fließend sind.
=== Ab 1955: Die ersten Tätigkeiten und Veröffentlichungen ===
Darauf folgten Auslandsaufenthalte in [[Warschau]] (als Direktor des centre français) und [[Hamburg]] (1959/60 als Leiter des [[Institut Français]]). Ab 1960 war er Privatdozent für Psychologie an der [[Universität Clermont-Ferrand]]. Seine Dissertation erschien 1961 unter dem Titel ''Folie et déraison. Histoire de la folie à l'âge classique'' (dt. ''Wahnsinn und Gesellschaft''). Er thematisierte darin die Geschichte des Wahnsinns und das Zustandekommen einer Abgrenzung von geistiger Gesundheit und Krankheit und die damit einhergehenden sozialen Mechanismen. Foucaults Doktorvater war [[Georges Canguilhem]].<ref>http://www.egs.edu/library/georges-canguilhem/biography</ref>


== Diagnose und Differentialdiagnose ==
1962 wurde Foucault auf eine Professur in [[Clermont-Ferrand]] berufen; dort lernte er seinen späteren Lebensgefährten [[Daniel Defert]]<ref>Daniel Defert über Michel Foucault: ''[http://www.taz.de/!5238682/ „Er kämpfte immer mit der Polizei“];'' TAZ, 13. 10. 2015</ref> kennen, mit dem er bis zu seinem Tod eine offene Beziehung führte.
Eine Diagnose der geistigen Behinderung bezieht sich oft auf die Messung einer deutlichen Intelligenzminderung mit Hilfe standardisierter [[Intelligenztest]]s. Ein [[Intelligenzquotient]] (IQ) im Bereich von 70 bis 85 ist unterdurchschnittlich; in diesem Fall spricht man von einer Lernbehinderung. Ein IQ unter 70 bedingt dann die Diagnose der geistigen Behinderung. Eine weitere Unterteilung dieses Bereiches wird von manchen Autoren als [[Obsoleszenz|obsolet]] angesehen, da es keine Messverfahren gibt, die hier [[Validität|valide]] und [[Reliabilität|reliable]] Ergebnisse mit der nötigen Trennschärfe ergeben.


Ist die Durchführung eines Intelligenztests zum Beispiel wegen einer körperlichen Behinderung oder einer [[Verhaltensstörung]] nicht möglich, werden andere Tests durchgeführt (zum Beispiel selbständiges Essen und Trinken, Arbeitsproben, selbständiges Ankleiden). Im Bereich der geringsten Intelligenzleistungen, die bei schweren Krankheitsbildern, Verwachsungen im Gehirn oder kriegsbedingt zerstörten Hirnteilen auftreten, wurde früher die [[Klassische Konditionierung|Konditionierbarkeit]] auf bestimmte Reize diagnostisch verwendet. So ließen sich früher als „imbezil“ bezeichnete Patienten mit positiven Reizen oder regelmäßigen Gewohnheiten (Süßigkeiten, Essenszeiten) konditionieren, wohingegen bei einem IQ unter 20 nur noch [[Aversion|aversive]] Reize mit einer Vermeidungsreaktion verbunden werden konnten. Klinisch wurde die Diagnose vor allem im Sinn einer Grenzangabe (z. B. grenzdebil) verwendet, obgleich auch eine Skalierung mit Punktwerten vornehmbar war. Die Angaben verloren daher im unteren Bereich ihren Wert als Verteilungsfunktion und waren eine reine diagnostische Klasse.
1963 wurde Foucault zusammen mit [[Roland Barthes]] und [[Michel Deguy]] Redaktionsmitglied der Zeitschrift ''Critique''. Außerdem nahm er enge Kontakte zur literaturkritischen Bewegung [[Tel Quel]] auf, mit deren Absichten er sich weitgehend identifizierte.


Auch heute ist die Zuschreibung einer geistigen Behinderung per Intelligenzmessung sehr umstritten. Mittlerweile ist sie einer individuellen Einzelfallbeschreibung im Rahmen einer systemischen Analyse der Mensch-Umfeld-Verhältnisse gewichen, wobei IQ-Tests zwar regelmäßig durchgeführt, aber nicht als alleiniger Wert interpretiert werden (dürfen).
1966 übernahm Foucault eine Lehrtätigkeit an der Universität von [[Tunis]]. Mit ''Les mots et les choses'' (dt. ''Die Ordnung der Dinge'') 1966 erzielte er seinen ersten großen Erfolg. In seiner folgenden Arbeit ''L'archéologie du savoir'' (dt. ''Archäologie des Wissens'') 1969 reflektierte er systematisch die Methodik dieses Werkes.


Einige Krankheits- oder Behinderungsbilder ähneln oberflächlich der geistigen Behinderung, sind jedoch im Sinne einer [[Differentialdiagnose]] von ihr zu unterscheiden. Das ist zum Beispiel der [[Frühkindlicher Autismus|frühkindliche Autismus]], die psycho-soziale [[Deprivation]] (auch ''[[Deprivationssyndrom]]'' oder ''[[Hospitalismus]]''), die [[Demenz]] oder auch [[Organisches Psychosyndrom|hirnorganische Krankheiten]]. Auch die so genannte ''[[Pseudodebilität]]'' (auch: ''Pseudodemenz'', beim Erwachsenen ''[[Ganser-Syndrom]]'') ist von der geistigen Behinderung zu unterscheiden, denn hier ist die kognitive Beeinträchtigung Konversionssymptom. Die hauptsächlichen Unterscheidungen bestehen darin, dass die geistige Behinderung von Anfang an besteht, dass keine [[Wahn]][[symptom]]e vorhanden sind und dass das [[Sozialverhalten]] nicht [[autistisch]] ist.
1968 kehrte Foucault nach Frankreich zurück und wurde Dozent und Leiter der Abteilung für Philosophie an der neugegründeten Reform-[[Universität Paris VIII]] in [[Vincennes]], die aus der 68er-Bewegung hervorgegangen war.


== Symptome ==
1969 hielt Foucault am [[Collège de France]] den Vortrag ''[[Was ist ein Autor?]]'', der einen wichtigen Beitrag zur Debatte um die Rolle des Autors in der modernen Literatur leistete (siehe [[Tod des Autors]]).
Am auffälligsten sind die Verzögerung der kognitiv-[[intellektuell]]en Entwicklung im Kindesalter, die Lernschwierigkeiten in der Schule und das herabgesetzte [[Abstraktion]]svermögen (wie Hängenbleiben am [[Detail]] oder am sinnlich Wahrgenommenen, Leichtgläubigkeit). Nicht nur die durchschnittlich maximal erreichbare [[Intelligenz]], sondern teilweise auch das Anpassungsvermögen und die [[sozial]]e und [[emotion]]ale Reife sind beeinträchtigt.


Eine geistige Behinderung ist häufig mit anderen Besonderheiten verbunden (wie [[Autismus]], [[Fehlbildung]]en des [[Gehirn]]s, Lernstörungen, Beeinträchtigung der [[Motorik]] und der [[Sprache]]). Sie beeinflusst nicht unbedingt die Fähigkeit, [[Emotion|Gefühle]] zu empfinden wie [[Freude]], [[Wut]] oder [[Leid]] (vgl. [[#Diskussion um eine Ablösung des Begriffs|kognitive Behinderung]]), jedoch zum Teil die Fähigkeit, mit diesen Gefühlen umzugehen und sie (lautsprachlich) zu [[kommunizieren]].
=== Ab 1970: Professur am Collège de France ===
1970 wurde er auf den Lehrstuhl ''Geschichte der Denksysteme'' am [[Collège de France]] berufen, den er bis zu seinem Tod durch AIDS 1984 hielt. Wie am Collège üblich, definierte er seinen Arbeitsbereich neu. In seiner Antrittsvorlesung ''L’ordre du discours'' (dt. ''[[Die Ordnung des Diskurses]]'') formulierte er ein Forschungsprogramm, dessen Diskursbegriff einen Übergang zwischen der ''Archäologie des Wissens'' und den späteren machtanalytischen Arbeiten markiert. Er engagierte sich in der Öffentlichkeit für die Rechte von Gefangenen. 1975 erschien sein Buch ''Surveiller et punir. La naissance de la prison'' (dt. ''[[Überwachen und Strafen|Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses]]'') mit einer Analyse der Entstehung von Disziplinartechniken und Machtpraktiken in der Neuzeit.<ref>Urs Marti: ''Michel Foucault''. Beck, München 1999, S. 185.</ref>
[[Datei:Stone BKH1.JPG|mini|hochkant=1.3|Stein zur Erinnerung an Michel Foucault, geschaffen von dem Künstler [[Tom Fecht]]]]


Die [[Lebenserwartung]] von Menschen mit einer geistigen Behinderung ist in der Regel nicht geringer als die von Menschen ohne eine geistige Behinderung. Bei einigen [[Liste der Syndrome|Syndromen]] gehen geistige Behinderungen jedoch mit zum Teil schwerwiegenden Beeinträchtigungen im körperlich-organischen Bereich einher, die sich teils nur im Einzelfall, teils jedoch auch generell (behinderungsspezifisch) negativ auf die Lebenserwartung auswirken.
=== Ab 1976: Der Wille zum Wissen ===
1976 veröffentlichte er den ersten Teil – ''La volonté de savoir'' (dt. ''Der Wille zum Wissen'') – seines letzten umfassenden Werkes ''Histoire de la sexualité'' (dt. ''Sexualität und Wahrheit''). Ab dieser Phase seines Werkes setzte Foucault sich vertieft mit der Beziehung zwischen [[Macht]] und [[Wissen]] auseinander (siehe auch [[Wissenssoziologie]]).<ref>Heather Dundas: [http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/simeon-wade-ueber-foucault-foucault-im-death-valley-15234772.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0 ''Foucault im Death Valley''] In: [[Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung]] vom 8. Oktober 2017.</ref>


== Grade der geistigen Behinderung ==
Danach folgte eine längere Pause in der Veröffentlichungstätigkeit, in der er in seinen Forschungen immer weiter in der Geschichte zurückging. Die Frage nach dem ''Begehren des Menschen'' weicht der Erörterung der Generierung des ''Menschen des Begehrens'' oder des ''begehrenden Menschen''.
Die [[ICD-10]]-Klassifikation teilt die geistige Behinderung in verschiedene Grade ein. Dies sind:


; Leichte geistige Behinderung: auch ''leichte [[Intelligenzminderung]]'', früher ''Debilität'', ''ICD-10 F70''
Erst 1983 erschienen die Bände zwei und drei von ‚Sexualität und Wahrheit‘: ''L’usage des plaisirs'' (dt. ''Der Gebrauch der Lüste'') und ''Le souci de soi'' (dt. ''Die Sorge um sich''), in denen er untersuchte, wie das Sexualverhalten vom klassischen griechischen Denken als Bereich moralischen Ermessens und moralischer Wahl geprägt worden ist.
: Der [[Intelligenzquotient]] liegt zwischen 50 und 69. Die Betroffenen haben Schwierigkeiten in der Schule und erreichen als Erwachsene ein [[Intelligenzalter]] von 9 bis unter 12 Jahren. Viele Erwachsene können arbeiten und gute soziale Beziehungen pflegen.


; Mittelgradige geistige Behinderung: auch ''mittelgradige Intelligenzminderung'', früher ''Imbezillität'', ''ICD-10 F71''
Der vierte und letzte Band ''Les aveux de la chair'' (dt. ''Die Geständnisse des Fleisches'') lag zu diesem Zeitpunkt in bereits weitgehend redigierter Form vor. In diesem Band wird die Rolle untersucht, die die [[Hermeneutik]] und die reinigende Enträtselung der Begierde – in den ersten Jahrhunderten des Christentums – bei der Konstitution sexueller Erfahrung spielten. Der Text wurde von den Erben aufgrund Foucaults quasi-testamentarisch geäußerten Wunsches, „keine posthumen Veröffentlichungen“ zu erlauben, bis zum Jahr 2018<ref>[http://www.deutschlandfunkkultur.de/foucaults-letztes-buch-ethik-ist-ein-kampfplatz.2162.de.html?dram%3Aarticle_id=409961 Foucaults letztes Buch], deutschlandfunkkultur.de, abgerufen am 5. Februar 2018</ref> nicht zur Veröffentlichung freigegeben.
: Der Intelligenzquotient liegt zwischen 35 und 49. Dies entspricht beim Erwachsenen einem Intelligenzalter von 6 bis unter 9 Jahren. Es kommt zu deutlichen Entwicklungsverzögerungen in der Kindheit. Die meisten können aber ein gewisses Maß an Unabhängigkeit erreichen und eine ausreichende Kommunikationsfähigkeit und Ausbildung erwerben. Erwachsene brauchen in unterschiedlichem Ausmaß Unterstützung im täglichen Leben und bei der Arbeit.


; Schwere geistige Behinderung: auch ''schwere Intelligenzminderung'', früher ''Imbezillität'', ''ICD-10 F72''. Der Intelligenzquotient liegt zwischen 20 und 34. Dies entspricht beim Erwachsenen einem Intelligenzalter von 3 bis unter 6 Jahren. Da die Betroffenen nicht lesen und schreiben lernen und keine [[Allgemeinbildung|allgemeinbildende]] Schule besuchen können, besuchen sie eine [[Schule]] für [[praktisch Bildbar]]e (auch ''[[Förderschule (Deutschland)|Förderschule]]''), wo sie lebenspraktische Bildung erhalten. Andauernde Unterstützung ist nötig.
== Überblick ==
Foucault untersuchte, wie Wissen entsteht und Geltung erlangt, wie Macht ausgeübt wird und wie [[Subjekt (Philosophie)|Subjekte]] konstituiert und diszipliniert werden. Bekannt ist Foucault auch für die Einführung neuer Begriffe wie ''[[Dispositiv]]'', ''[[Bio-Macht]]'', ''[[Panoptismus]]'' und ''[[Gouvernementalität]]'' oder die Präzisierung und terminologische Verwendung von Ausdrücken wie ''Macht, Wissen, [[Diskurs]]'' oder ''Archiv''. Seine Analysen richteten sich auf die „Geschichte der Gegenwart“, „Ethnologie unserer Kultur“ und die geschichtliche Entwicklung von „Wahrheitsspielen“. Konkret untersuchte er unter anderem die Geschichte des Begriffs ''[[Wahnsinn]]'' und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Praktiken, insbesondere des Ausschlusses; ferner den Begriff der Krankheit und die Entwicklung medizinischer Techniken, die Entstehung der Humanwissenschaften und ihrer Grundbegriffe, die Institutionen des Gefängnisses und der Bestrafungsverfahren und die Anheizung der Rede über [[Sexualität]].


; Schwerste geistige Behinderung: auch ''schwerste Intelligenzminderung'', früher ''Idiotie'', ''ICD-10 F73''. Der Intelligenzquotient liegt unter 20. Dies entspricht beim Erwachsenen einem Intelligenzalter von unter 3 Jahren. Die eigene Versorgung, [[Kontinenz (Medizin)|Kontinenz]], Kommunikation und Beweglichkeit sind hochgradig beeinträchtigt.
Foucault äußerte sich auch zu grenzüberschreitenden Formen der Literatur, insbesondere bezüglich [[Stéphane Mallarmé]], [[Georges Bataille]], [[Maurice Blanchot]], [[Raymond Roussel]], [[Jean-Pierre Brisset]] und [[Donatien Alphonse François de Sade|Marquis de Sade]].


; [[Wikipedia:Dissoziation (Psychologie)|Dissoziierte]] Intelligenz: ''ICD-10 F74''. Es besteht eine deutliche Diskrepanz von mindestens 15 [[Intelligenzquotient|IQ]]-Punkten beispielsweise zwischen Sprach-IQ und Handlungs-IQ.
Er beschäftigte sich außerdem mit den Möglichkeiten politischer Intervention und der Möglichkeit des Selbstentwurfs von Subjekten, vor allem beim „Gebrauch der Lüste“.


; Andere geistige Behinderung: auch ''andere Intelligenzminderung'', ''ICD-10 F78''. Diese Kategorie sollte nur verwendet werden, wenn die Beurteilung der Intelligenzminderung mit Hilfe der üblichen Verfahren wegen begleitender [[Sinneswahrnehmung|sensorischer]] oder körperlicher Beeinträchtigungen besonders schwierig oder unmöglich ist, wie bei Blinden, Taubstummen, schwer verhaltensgestörten oder körperlich behinderten Personen.
== Darstellung im Einzelnen ==
=== Grundbegriffe ===
In der Durchführung und späteren methodologischen Erläuterung seiner Analysen entwickelte bzw. prägte Foucault zentrale Begriffe, die er teils als „Werkzeuge“ bezeichnete: ''Archäologie und Genealogie, Diskontinuität/Ereignis, Erfahrung, Sagbares, [[Diskurs]], [[Macht/Wissen]], [[Episteme]], Subjektkonstituierungen, Disziplinarmacht, „Systeme von Normalitätsgraden“, [[Gouvernementalität]], [[Dispositiv]], Bio-Politik/[[Bio-Macht]], Technologien des Selbst, [[Sexualitätsdispositiv]], [[Pastoralmacht]], [[Submacht]]''.


; Nicht näher bezeichnete geistige Behinderung: auch ''nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung'', ''ICD-10 F 79''.
=== Erweiterung des herkömmlichen Machtbegriffs ===
: Die Informationen sind nicht ausreichend, um die Intelligenzminderung in eine der oben genannten Kategorien einzuordnen.
Foucault wandte sich Anfang der 1970er Jahre dem Thema gesellschaftlicher Machtverhältnisse zu und erweiterte den herkömmlichen Machtbegriff, der aus seiner Sicht zu sehr an einer [[moral]]ischen, d.&nbsp;h. [[juridisch]]en Sichtweise und auf die Frage der [[Gehorsam|Disziplin]] hin orientiert sei. Vielmehr lasse sich Macht als „produktives Vermögen“ ''von'' und als Kräfteverhältnis ''zwischen'' Menschen verstehen.


== Ursachen ==
Eine solche Sichtweise fragte nicht mehr nach der moralischen und rechtlichen [[Legitimität]] von Machtausübung durch [[souverän]]e Subjekte, wie mächtigen Personen oder dem Staat, die sich dazu Zwangsmaßnahmen bedienen. Stattdessen wurde das Handeln jedes Einzelnen Gegenstand der Untersuchung. Foucault kam zu dem Ergebnis, dass Subjekte Macht mit bestimmten [[Praxis (Philosophie)|Praktiken]] (wie z.&nbsp;B. einer Strafpraxis) innerhalb von [[Die Ordnung des Diskurses|Diskursen]] ausübten. Er thematisierte also die Art und Weise von Handeln statt die [[Ursache]]n von Macht.<ref>Michel Foucault: ''Vorlesung vom 14. Januar 1976'', in: Michel Foucault: ''Analytik der Macht''. Frankfurt am Main, 2005, ISBN 3-518-29359-1, S. 108–125 (S. 113)</ref>
[[Datei:Photo of baby with FAS-2.jpg|mini|Baby mit typischen Gesichtsmerkmalen des [[Fetales Alkoholsyndrom|Fetalen Alkoholsyndroms]], ausgelöst durch Alkoholkonsum in  der Schwangerschaft: Kleine Augen, glattes [[Philtrum]], schmale Oberlippe]]
Als Ursachen für eine geistige Behinderung gelten einerseits [[endogen]]e Faktoren, die meist eine erbliche Grundlage ([[Erbkrankheit]]en) oder [[Chromosomen]]-Besonderheiten wie [[Down-Syndrom]], [[Sotos-Syndrom]] oder [[Katzenschrei-Syndrom]] aufweisen; [[Exogen]]e Faktoren während der [[Schwangerschaft]] sind erworbene [[Gehirn|cerebrale]] Schädigungen des [[Embryo]]s durch beispielsweise
* [[Alkoholkonsum]] der Schwangeren
* [[Gehirnentzündung]]/[[Hirnhautentzündung]]
* Unterernährung der Schwangeren (zum Beispiel durch Hungersnot, [[Essstörung]], rituelles Fasten (z. B. [[Ramadan]]), diese führen zu einer früheren Geburt und geringerem Geburtsgewicht)<ref>Douglas Almond, Bhashkar Mazumder: ''Health Capital and the Prenatal Environment: The Effect of Material Fasting During Pregnancy.'' (Working Paper 14428). National Bureau of Economic Research, 2009.</ref>
* Radioaktive Bestrahlung der Schwangeren (siehe auch [[Strahlenkrankheit]])
* [[Unfall]]
* [[Hypoxie (Medizin)|Sauerstoffmangel]] während der [[Geburt]]


Niedrige [[Vitamin D|Vitamin-D]]-Blutwerte sind möglicherweise ungünstig für die Gehirnleistung. Darauf deuten Daten einer US-Studie mit 858 Teilnehmern über 65 Jahre hin. Bei Teilnehmern mit niedrigen Vitamin-D-25-OH-Werten zu Studienbeginn (unter 25 nmol/l) war nach sechs Jahren die Rate für kognitive Beeinträchtigungen um 60 % höher als bei Teilnehmern mit hohen Werten (über 75 nmol/l) und um 31 % höher als bei ausreichenden Ausgangswerten.<ref>''Archives of Infernal Medicine.'' 2010, 170, S. 1135, zitiert nach Ärztezeitung, 14. Juli 2010, S. 4.</ref> Die häufigste genetische Ursache von geistigen Behinderungen ist das Down-Syndrom. Die häufigste nicht genetische Ursache von geistiger Behinderung ist [[FASD|das fetale Alkoholsyndrom]], das durch Alkoholkonsum der Schwangeren ausgelöst oder verursacht wird.
Zusammenfassend bezeichnete er mit dem Begriff ''Macht'' daher:
{{Zitat|[E]in [[Menge (Mathematik)|Ensemble]] von Handlungen, die sich auf mögliches Handeln richten, und sie operiert in einem Feld von Möglichkeiten für das Verhalten handelnder Subjekte. Sie bietet Anreize, verleitet, verführt, erleichtert oder erschwert, sie erweitert Handlungsmöglichkeiten oder schränkt sie ein, sie erhöht oder senkt Wahrscheinlichkeit von Handlungen, und im Grenzfall erzwingt oder verhindert sie Handlungen, aber stets richtet sie sich auf handelnde Subjekte, insofern sie handeln oder handeln können. Sie ist auf Handeln gerichtetes Handeln.|ref=<ref>Michel Foucault: ''Subjekt und Macht'', in: Michel Foucault: ''Analytik der Macht''. Frankfurt am Main, 2005, ISBN 3-518-29359-1, S. 240–263 (S. 256)</ref>}}


Eindeutige Ursachenzuschreibungen sind manchmal schwierig bzw. nicht möglich. In vielen Fällen sind sie – in Form einer „Schuldzuschreibung“ – auch für eine rechtzeitige [[Frühförderung]] und Förderung eher hinderlich oder kontraproduktiv.
=== Macht und Wissen ===
{{Hauptartikel|Macht/Wissen}}


=== Genetik ===
In seiner ‚archäologischen Phase‘ hatte Foucault ''[[Wissen]]'' ''„als Effekt der Regelstrukturen von Diskursen“'' bezeichnet. Diese Vorstellung von ''Wissen'' ''„als [] Abbild einer tatsächlichen Realität oder als kritischer Maßstab und Korrektiv zur Anklage von Herrschaft“'' wurde so zum „Werkzeug“ eines bestimmten politischen Handelns.
Die häufigste genetische Ursache von verminderter Intelligenz ist das [[Down-Syndrom]] mit einer durchschnittlichen Häufigkeit ([[Prävalenz]]) von etwa 1:500. Auch andere [[Chromosomenaberration]]en können die neuronale Entwicklung beeinträchtigen. Im Gegensatz zu [[Erbkrankheit]]en sind Chromosomenaberrationen erst kurz vorher in einer Eizelle der Mutter entstanden. Erbkrankheiten im engeren Sinn sind seltene bis sehr seltene [[Mutation]]en, die meist bereits über mehrere Generationen übertragen wurden.


Im Folgenden eine Liste der Erbkrankheiten, die zu [[neuronal]]en Entwicklungsstörungen mit verminderter Intelligenz beim Neugeborenen führen können.
Er veränderte seine Sicht seit der ‚genealogischen Phase‘ mit der Veröffentlichung von ''[[Überwachen und Strafen]], 1975''. Inzwischen hielt er Macht für ein subjektives Vermögen, welches das intersubjektive Verhältnis in Diskursen bestimmte. So fügte sich ''Wissen'' nun als Bestandteil ein, d.&nbsp;h. es gehörte zu den Strukturen des Diskurses. Daher beschrieb er ''Wissen'' nun als ''„unumgänglich kontingentes Ergebnis von Kräfteverhältnissen und in sich selbst machthaltiger Zugriff auf die Welt.“'' <ref>Reiner Keller: ''Michel Foucault''. Konstanz 2008.<!--Seite???--></ref>


{| class="wikitable"
Macht bringe Wissen hervor und jede Machtbeziehung lasse ein ‚Wissensfeld‘ entstehen und umgekehrt jedes Wissen setze Machtbeziehungen voraus und schaffe Machtbeziehungen. Für die Untersuchung dieser Beziehungen sei zu berücksichtigen, dass sie den Gegenstand von der Position ''innerhalb'' dieser Beziehungen betrachte.
|-
!Name !! Erbgang !! Häufigkeit !! ICD-10 !! OrphaNet !! Betroffene Gene/Proteine
|-
|[[Börjeson-Forssman-Lehmann-Syndrom]]
| X rezessiv
| ?
| Q87.8
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=127]
| ''PHF6''
|-
|[[Brunner-Syndrom]]
| X rezessiv
| ?
| E70.8 F54
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=3057]
| ''MAOA'' ([[Monoaminooxidase]])
|-
|[[Coffin-Lowry-Syndrom]]
| X rezessiv
| 2 / 100,000
| F78.8
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=192]
| ''RPS6KA3''
|-
|[[Cornelia-de-Lange-Syndrom]]
| X rezessiv / autosomal dominant
| gesamt 1-9 / 100,000
| Q87.1
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=199]
| ''NIPBL'', ''SMC1A'', ''SMC3''
|-
|[[Cri du Chat]]
| Partielle [[Monosomie]] am [[Chromosom]] 5
| 1 / 50,000
| Q93.4
| {{Orphanet|201}}
|
|-
|[[FG-Syndrom]]
| X rezessiv
| >1 / 1,000
| Q87.8
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=323]
| ''BRWD3'', ''CASK'', ''FLNA'', ''MED12'', ''UPF3B''
|-
|[[Fragiles-X-Syndrom]]
| X rezessiv
| 5-9 / 10,000
| Q99.2
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=908]
| ''FMR1'' ([[Fragile-X-Mental-Retardation-1-Protein]])
|-
|[[FRAXE-Syndrom]]
| X rezessiv
| 1-9 / 1,000,000
| -
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=100973]
| ''AFF2''
|-
|[[Hennekam-Syndrom]]
| autosomal rezessiv
| unter 1: 1,000,000
| -
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=2136]
| ''CCB1''
|-
|[[Joubert-Syndrom]]
| sporadisch
| über 100 Fälle
| Q04.3
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=475]
| ''INPP5E''
|-
|[[Lujan-Fryns-Syndrom]]
| X rezessiv
| ?
| F79
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=776]
| ''MED12'', ''UPF3B''
|-
|[[Martsolf-Syndrom]]
| autosomal rezessiv
| unter 20 Fälle
| Q87.8
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=1387]
| ''RAB3GAP2''
|-
|[[MASA-Syndrom]]
| X rezessiv
| 1-9 / 100,000
| G11.4
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=2466]
| ''[[L1CAM]]''
|-
|[[Mikrozephalie]], primäre
| autosomal rezessiv
| gesamt 2-4 / 100,000
| Q02
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=2512]
| ''ASPM'', ''CDK5RAP2'', ''CENPJ'', ''CEP152'', ''MCPH1'', ''STIL''
|-
|[[Morbus Gaucher]]
| autosomal rezessiv
| 1-9 / 100,000
| E75.2
| {{Orphanet|644}}
| ''GBA''
|-
|[[Mukopolysaccharidose]]
| Enzymdefekte, [[Lysosomale Speicherkrankheit]]
|
| E76.0 E76.1 E76.2 E76.3
| {{Orphanet|11239}}
|
|-
|[[Nordisches Epilepsiesyndrom]], ([[Neuronale Ceroid-Lipofuszinose]] Typ&nbsp;8)
| autosomal rezessiv
| unter 1 / 1,000,000
| E75.4
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=1947]
| ''CLN8''
|-
|[[Partington-Syndrom]]
| X rezessiv
| unter 1 / 1,000,000
| -
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=94083]
| ''ARX''
|-
|[[Pierre-Robin-Sequenz]]
| verschiedene Formen
| 1-9 / 100,000
| Q87.0
| {{Orphanet|562}}
|
|-
|[[Renpenning-Syndrom]]
| X rezessiv
| ?
| -
| [http://www.ncbi.nlm.nih.gov/omim/309500]
| ''PQBP1''
|-
|[[Rett-Syndrom]], atypisches
| dominant
| 1-9 / 100,000
| G40.3
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=3095]
| ''CDKL5'', ''FOXG1'', ''MECP2'', ''NTNG1''
|-
|[[Rubinstein-Taybi-Syndrom]]
| autosomal dominant oder unbekannt
| 1-9 / 100,000
| Q87.2
| {{Orphanet|151}}
| ''CBP'', ''p300''
|-
|[[Sjögren-Larsson-Syndrom]]
| autosomal rezessiv
| 1-9 / 1,000,000
| E71.3
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=816]
| ''ALDH3A2'' ([[Fettaldehyd-Dehydrogenase]])
|-
|[[Snyder-Robinson-Syndrom]]
| X rezessiv
| 11 Fälle
| -
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=3063]
| ''SMS''
|-
|[[Tyrosinämie#Tyrosinämie Typ II|Tyrosinämie Typ&nbsp;II]]
| autosomal rezessiv
| <1 / 1,000,000
| E70.2
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=28378]
| ''TAT'' ([[Tyrosin-Aminotransferase]])
|-
|[[West-Syndrom]]
| ?
| 1-9 / 1,000,000
| G40.4
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=3451]
| ''ARX'', ''CDKL5''
|-
|[[Williams-Beuren-Syndrom]]
| autosomal dominant
| 1-20,000-50,000
| Q78.8
| {{Orphanet|145}}
|
|-
|[[XLAG-Syndrom]]
| X rezessiv
| ?
| Q04.0 Q04.3
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=452]
| ''ARX''
|-
|unspez.
| X rezessiv
| gesamt 6-9 / 10,000
| F78
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=777]
| ''ACSL4'', ''AGTR2'', ''ARHGEF6'', ''AP1S2'', ''ARX'', ''ATP6AP2'', ''ATRX'', ''CUL4B'', ''DLG3'', ''FTSJ1'', ''GDI1'', ''[[GRIA3]]'', ''HSD17B10'', ''HUWE1'', ''I1RAPL1'', ''IQSEC2'', ''KDM5C'', ''MAGT1'', ''MECP2'', ''OPHN1'', ''PAK3'', ''PHF8'', ''RAB39B'', ''RPS6KA3'', ''SHROOM4'', ''SLC9A6'', ''SOX3'', ''SYP'', ''TSPAN7'', ''UPF3B'', ''ZNS41'', ''ZNS674'', ''ZNS81''
|-
|unspez.
| autosomal rezessiv
| ?
| -
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=88616]
| ''CC2D1A'', ''CRBN'' ([[Cereblon]]), ''GRIK2'', ''PRSS12'', ''TRAPPC9'', ''TUSC3''
|-
|unspez.
| autosomal dominant
| ?
| -
| [http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=178469]
| ''CDH15'' ([[Cadherin]]-15), ''KIRREL3'', ''MBD5'', ''SYNGAP1''
|}


siehe auch [[Autosomal-rezessive primäre Mikrozephalie]] und [[X-chromosomale mentale Retardierung]].
{{Zitat|das erkennende Subjekt, das zu erkennende Objekt und die Erkenntnisweisen (bilden) jeweils Effekte jener fundamentalen Macht/Wissen-Komplexe und ihrer historischen Transformationen|ref=<ref>Michel Foucault: ''Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses''. Frankfurt am Main 1977, S. 39f.</ref>}}


== Förderung ==
=== Diskurs und Diskursanalyse ===
Um Kinder mit einer geistigen Behinderung in ihrer Entwicklung bestmöglich zu fördern, absolvieren sie oft mit einem möglichst frühen Beginn eine gezielte [[Frühförderung]]. Ihnen stehen im entsprechenden Alter [[Kindergarten|Kindergärten]] offen, mancherorts gibt es integrative Einrichtungen oder spezielle Sonderkindergärten.
Foucault hat den Begriff ''[[Diskurs]]'', der sich durch seine Publikationen zieht, entscheidend geprägt. Sein methodisches Konzept einer „Diskursanalyse“ blieb aber vage bzw. veränderte sich mit der Zeit.


Da in Deutschland das [[Schulrecht]] eine [[Schulpflicht|Pflicht]] zum Besuch einer Schule für alle Kinder und Jugendlichen vorsieht, beträgt die Schulpflichtzeit auch bei Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung (inklusive Berufsschulstufe) insgesamt zwölf Jahre. Diese Zeit kann jedoch aufgrund besonderer Umstände (bei noch zu erwartender Leistungsentfaltungen) um mehrere Jahre verlängert werden.
=== Gouvernementalität ===
{{Hauptartikel|Gouvernementalität}}


Sprach man bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts Menschen mit einer geistigen Behinderung noch weitgehend die Fähigkeit zur Bildung ab, so entstanden im Laufe der Jahre ab etwa 1960 mehr und mehr spezielle [[Förderschule (Deutschland)|Sonderschulen]]. Die traditionelle Bezeichnung der ''Sonderschule für geistig Behinderte'' wird in den einzelnen [[Bundesland (Deutschland)|Bundesländern]] mittlerweile durch andere Bezeichnungen abgelöst. Spätestens seit den 1990er Jahren bemüht man sich um eine [[schulische Integration]] auch von Kindern und Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung: sie besuchen [[Regelschule]]n. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern (Skandinavien, Italien, Frankreich), die eine Integrationsrate von teilweise über 80 % erreichen, beträgt in Deutschland der Anteil der Schüler mit einer geistigen Behinderung, die in eine Sonderschule gehen, 97 %; lediglich 3 % werden integrativ beschult.<ref>Bundesvereinigung Lebenshilfe: '' {{Webarchiv|text=Schulische Integration ist das Stiefkind deutscher Bildungspolitik |url=http://www.lebenshilfe.de/content/presse/index.cfm?action=show&key=3064 |wayback=20071021162243 |archiv-bot=2018-04-11 18:06:25 InternetArchiveBot }}''. 10. Juli 2007.</ref>
Den Begriff der ''Gouvernementalität'' führt Foucault während seiner Vorlesung am [[Collège de France]] im Studienjahr 1977–1978 ein. Er beschreibt damit einen Machttypus, der eng mit dem Begriff der ''Regierung'' verknüpft ist. Dieser wird als Komplex von [[Diskurs#Michel Foucault|Diskursen]] und Praktiken/Verfahrensweisen beschrieben. Zum anderen bezeichnet ''Gouvernementalität'' das Ergebnis eines historischen Prozesses.<ref>Michel Foucault: ''Die Gouvernementalität'', in: Michel Foucault: ''Analytik der Macht''. Frankfurt am Main, 2005, ISBN 3-518-29359-1, S. 148–179 (S. 171f)</ref>


Im Zuge der Integrationsbewegung ist auch eine [[Erwachsenenbildung]] für Menschen mit einer geistigen Behinderung vielerorts Realität geworden. Im Bereich der [[Pädagogik]] kümmert sich die [[Geistigbehindertenpädagogik]] als Teilgebiet der [[Sonderpädagogik]] oder auch [[Heilpädagogik]] wissenschaftlich um die Belange von Menschen mit einer geistigen Behinderung.
Foucault geht davon aus, dass sich das Regieren mit der Herausbildung moderner Nationalstaaten verändert. Es kommt zu einer Verbindung der christlich-religiösen Machttechnik des [[Pastoralmacht|Pastorats]] mit politischen Machttechniken. Während erstere am Seelenheil Einzelner interessiert ist, zielen letztere auf eine Optimierung der gesellschaftlichen Organisation. Modernes Regieren verknüpft die Führung und Selbstführung Einzelner mit der Herrschaft über die Bevölkerung eines Staates ([[Bio-Macht]]), so dass es von Foucault auch als „Führung von Führungen“ bezeichnet wird.<ref>Michel Foucault: ''Subjekt und Macht'', in: Michel Foucault: ''Analytik der Macht''. Frankfurt am Main, 2005, ISBN 3-518-29359-1, S. 240–263 (S. 247ff)</ref> Beispielhaft hierfür untersucht Foucault die ''[[Neoliberalismus|neoliberale]]'''' Gouvernementalität''.


=== Leichte Sprache ===
Die Analyse der Gouvernementalität ersetzt bei Foucault eine Staatstheorie, da er den Staat nicht als eigenständiges Phänomen, sondern als Produkt historisch gewachsener, spezifischer Machtverhältnisse ansieht.
Menschen mit einer geistigen Behinderung benötigen in der Regel zur selbstständigen Orientierung Texte in [[Leichte Sprache|Leichter Sprache]], sofern sie erfolgreich [[Alphabetisierung (Lesefähigkeit)|Lesen gelernt]] haben.


== Arbeits- und Wohnsituation ==
An das Konzept der Gouvernementalität knüpft die Forschungsrichtung der ''[[Gouvernementalität#Governmentality Studies|governmentality studies]]'' an.
Menschen mit einer geistigen Behinderung ein möglichst [[autonom]]es und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, schließt auch die Forderung nach einer angemessenen Arbeits- und Wohnsituation ein. Mit zunehmendem Schweregrad der Behinderung wächst allerdings der Bedarf an Unterstützung in verschiedenen Lebensbereichen: [[Mobilität]], [[Kontinenz (Medizin)|Kontinenz]] oder [[Kommunikation]] können bis hin zur [[Pflegebedürftigkeit]] beeinträchtigt sein.


Spätestens mit der Gründung von speziellen [[Werkstatt für behinderte Menschen|Werkstätten für behinderte Menschen]] (WfbM) seit den 1960er Jahren gab es flächendeckend in Deutschland entsprechende Arbeitsplätze des [[Zweiter Arbeitsmarkt|zweiten Arbeitsmarktes]]. Zunehmend arbeiten Menschen mit einer geistigen Behinderung auch in Arbeitsstellen des [[Erster Arbeitsmarkt|ersten Arbeitsmarktes]] oder in Integrationsbetrieben.
== Einflüsse anderer Philosophen ==
Als maßgeblich für Foucault gelten [[Kant]], [[Hegel]], [[Marx]], [[Nietzsche]], [[Heidegger]] und [[Althusser]], wobei Foucault sich mit Hegel und Marx kritisch auseinandersetzte und sich von ihnen abgrenzte.<ref>Clemens Kammler/Rolf Parr/Ulrich Johannes Schneider: ''Foucault Handbuch; Leben-Werk-Wirkung'', Verlag J.B. Metzler, Stuttgart/Weimar 2008, ISBN 978-3-476-02192-2, S. 165–178</ref>


Menschen mit geistiger Behinderung werden heute in der Regel nicht mehr in Anstalten oder Krankenhäusern untergebracht, was früher zur Ausgrenzung und regelmäßig zu [[Hospitalismus]] führte. Moderne Wohnformen sollen nur die jeweils notwendige Unterstützung bieten und die Selbstbestimmung fördern. Die Möglichkeiten umfassen das ''[[Betreutes Wohnen|betreute Wohnen]]'' in der eigenen [[Wohnung]] oder in einer [[Wohngemeinschaft]], das ''Wohnheim'' mit individueller Betreuung und Assistenz, das ''Wohnen in [[Pflegefamilie]]n'' (Beispiel: [[Geel]]), in ''integrativen Dörfern'' (Beispiel: [[evangelische Stiftung Alsterdorf]] in Hamburg), oder auch in ''integrativen Wohngemeinschaften'' (wie in München).
== Werke ==
=== Wahnsinn und Gesellschaft ===
''Wahnsinn und Gesellschaft: Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft'' (''Folie et déraison'') erschien 1961&nbsp;– Foucaults erstes größeres Buch, das er während seiner Zeit in Schweden schrieb. Es betrachtet die Art, wie das Konzept des [[Wahnsinn]]s sich im Laufe der Geschichte veränderte.


Während die Aufnahme einer Arbeitsstelle in der Regel nach der Schule erfolgt, verbleiben viele junge Erwachsene noch für viele Jahre in ihrer Ursprungsfamilie.
Foucault thematisierte die Mechanismen der Aussonderung von „Anderem“ durch [[Aufklärung|aufgeklärt]]-rationale Gesellschaften. Der Wahnsinn als das „Andere der Vernunft“ werde von dieser ausgegrenzt und zum Schweigen gebracht und komplexen Prozeduren rationaler Kontrolle und [[Disziplinierung]] ausgesetzt. Die abendländische-neuzeitliche Rationalität habe dabei ausschließende und repressive Funktion. Er beschäftigte sich hierzu im Detail mit der Entwicklung der modernen Klinik und der Geschichte des Gefängnisses. Dabei fand er keine Entwicklung zum Besseren oder ein Anwachsen an Vernünftigkeit, sondern nur einen von Brüchen gekennzeichneten Wandel im Rahmen zeitbedingter, kontingenter Konstrukte.<ref>Ingeborg Breuer, Peter Leusch, Dieter Mersch: ''Welten im Kopf. Profile der Gegenwartsphilosophie''. Rotbuch Verlag, Hamburg 1996, S. 141 f.</ref>


== Rechtslage in Deutschland ==
Eine Kultur definiert sich für Foucault hierbei über das Zurückweisen von außerhalb Liegendem und das Abstecken kultureller Grenzen.<ref>Marcus S. Kleiner: ''Michel Foucault. Eine Einführung in sein Denken''. Campus, 2001, S. 43ff.</ref> Foucault nennt vier Bereiche abendländischer Ausgrenzung: Sexualität, Wahnsinn, den Traum, und den [[Orient]].<ref>Michael C. Frank: ''Kulturelle Einflussangst. Inszenierungen der Grenze in der Reiseliteratur des 19. Jahrhunderts''. Transcript, 2006, S. 31.</ref>
Auch Menschen mit einer geistigen Behinderung wird das Recht der Teilnahme am öffentlichen Leben nicht abgesprochen. Eine [[Entmündigung]], eine [[Vormundschaft]] oder [[Gebrechlichkeitspflegschaft]] gibt es in Deutschland seit 1992 nicht mehr. Bei Zweifeln an der Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung kann das zuständige [[Amtsgericht]] für die jeweilige Person eine [[Betreuung (Recht)|Betreuung]] durch andere einrichten.


Eine [[Schuldfähigkeit]] im [[Strafrecht]], eine [[Deliktsfähigkeit]] und [[Geschäftsfähigkeit]] im [[Zivilrecht]] oder eine [[Handlungsfähigkeit (Deutschland)|Handlungsfähigkeit]] im [[Verwaltungsrecht]] werden allerdings Menschen mit geistiger Behinderung häufig abgesprochen. Entsprechende Regelungen enthalten {{§|19-21|StGB|buzer|text=§§&nbsp;19–21}} [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|StGB]], {{§|104–113|BGB|buzer|text=§§&nbsp;104–113}} [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] und {{§|827–832|BGB|buzer|text=§§&nbsp;827–832}} BGB.
Foucault beginnt mit einer Analyse des Mittelalters, als [[Lepra]]kranke von der Gesellschaft separiert wurden. Später wurden an „Wahnsinn“ Erkrankte zunehmend wie zuvor die Leprakranken behandelt. Eine systematische Ausschließung fände trotzdem erst im Zeitalter der Klassik statt.<ref>Urs Marti: ''Michel Foucault''. Beck, München 1999, S. 18.</ref> Im 17. Jahrhundert ging man dazu über, diese einzusperren.<ref>Arthur Still: ''Rewriting the History of Madness''. Routledge, 1992, S. 119.</ref> Schließlich wurde der Wahnsinn im Rahmen der psychiatrischen Wissenschaft als eine geistige Krankheit definiert.


== Psychische Störungen bei Menschen mit geistiger Behinderung ==
Foucault beschreibt, wie der Wahnsinnige sich von einem akzeptierten, integrierten Teil der gesellschaftlichen Ordnung zu einer Person entwickelte, die eingeschlossen und ausgeschlossen werde:
=== Einführung ===
; Problemstellung: Es ist erwiesen, dass mit einer geistigen Behinderung psychische Störungen bzw. psychische Krankheitsbilder meist einhergehen. Aus Studien von englischen Autoren wie Rutter 1970, Corbett 1979, 1985, Ineichen 1984 und Reid 1980, 1985 geht hervor, dass psychische Störungen bei geistig behinderten Kindern und Erwachsenen vier- bis fünfmal häufiger auftreten als in der Normalbevölkerung. Auch weitere Untersuchungen in anderen Ländern bestätigen eine hohe Vorkommensrate psychischer Erkrankungen bei Menschen mit geistiger Behinderung.


=== Entstehungstheorien ===
{{Zitat|Deshalb kann man sagen, daß Wahnsinn vom Mittelalter bis zur Renaissance innerhalb des gesellschaftlichen Horizonts als ästhetische oder weltliche Tatsache vorhanden war; im siebzehnten Jahrhundert dann folgte eine Phase des Schweigens und des Ausschlusses, die mit der Einsperrung der Wahnsinnigen begann. […] Das zwanzigste Jahrhundert schließlich zügelt den Wahnsinn, reduziert ihn auf eine Naturerscheinung, die zur Wahrheit der Welt in Verbindung steht. Von dieser positivistischen Einstellung leiten sich sowohl die irregeleitete Philanthropie ab, mit der sich die gesamte Psychiatrie dem Geisteskranken nähert, als auch der lyrische Protest dagegen.|ref=<ref>Nach James Miller: ''Die Leidenschaft des Michel Foucault''. Kiepenheuer & Witsch, 1995, S. 142.</ref>}}
==== Erklärungsmodelle von psychischen Störungen bei geistig Behinderten ====
Die Entstehung besonderer psychischer Probleme geistig Behinderter wird entwicklungspsychologisch untersucht, nicht zuletzt, weil sich in den vorangegangenen Jahrzehnten der Schritt vom Defekt-Modell zum Entwicklungsmodell vollzogen hat. Diese neue Sichtweise schreibt geistig behinderten Menschen die Möglichkeit zur Entwicklung zu, wobei sich die Entwicklungsschritte, -phasen und -abfolgen keineswegs von Nichtbehinderten unterscheiden.


In der Entwicklungspsychologie existieren unterschiedliche Entwicklungstheorien, wobei sie sich alle auf die Erkenntnisse der zwei großen Psychiater [[Sigmund Freud]] und [[Adolf Meyer (Psychiater)|Adolf Meyer]] stützen. Das Zusammenwirken beider Richtungen kann als Psychodynamik bezeichnet werden.
Foucault betrachtet psychiatrische Behandlungsmethoden, besonders von [[Philippe Pinel]] und [[Samuel Tuke]]. Er behauptet, dass ihre Methoden nicht weniger Kontrolle ausüben als frühere Behandlungsweisen. Der von Tuke propagierte Rückzug auf das Land bestrafe den Wahnsinnigen solange, bis er normales Verhalten erlerne. In ähnlicher Weise funktioniere Pinels Behandlung des Wahnsinnigen durch [[Aversionstherapie]]. Ihre Bemühungen zielten weniger auf eine Behandlung der Krankheit als darauf ab, den Kranken mit der gesellschaftlichen Konformität zu versöhnen, in die Arbeitswelt einzugliedern und den herrschenden patriarchalischen Moralvorstellungen zu unterwerfen.<ref>Urs Marti: ''Michel Foucault''. Beck, München 1999, S. 21.</ref>


Neben psychodynamischen Aspekten treten in der Entwicklungspsychiatrie genetische Faktoren, organische Eigenschaften, neuropsychologische Zustände, kulturelle Einflüsse, Temperamentsqualitäten und Entwicklungsmuster verschiedener psychischer Funktionen und anderen hinzu. Wie bereits erwähnt, bedienen sich die Untersucher auf dem Gebiet psychischer Beeinträchtigungen geistig behinderter Menschen Methoden vor dem Hintergrund der Entwicklungspsychiatrie. Eine entwicklungsdynamische Betrachtungsweise schließt die psychische Beeinträchtigung mit ein, die durch ein Fehlverhalten der sozialen Umwelt hervorgerufen werden kann.
=== Die Geburt der Klinik ===
Foucaults zweites größeres Buch ''Die Geburt der Klinik: Eine Archäologie des ärztlichen Blicks'' (''Naissance de la clinique: une archéologie du regard médical'') wurde 1963 veröffentlicht. In Fortsetzung von ''Wahnsinn und Gesellschaft'' spürt die ''Geburt der Klinik'' der Entwicklung der [[Medizin]] und besonders der Institution der ''Klinik'' nach, womit hauptsächlich universitäre Lehrkrankenhäuser gemeint sind. Das Konzept des ''Blicks'' (frz. ''regard'') hat einige Folgediskussionen ausgelöst; Foucault distanziert sich von ihm in ''Archäologie des Wissens''.


    biologisches Substrat---Funktionen
=== Die Ordnung der Dinge ===
                |       \  /    |
Foucaults ''[[Die Ordnung der Dinge|Die Ordnung der Dinge: Eine Archäologie der Humanwissenschaften.]]'' (''Les Mots et les choses. Une archéologie des sciences humaines'') wurde 1966 veröffentlicht. Der deutsche Titel entspricht dem Wunsch Foucaults, der sich für die französische Ausgabe den Titel ''L'Ordre des Choses'' wünschte, aber davon auf Wunsch des Herausgebers [[Pierre Nora]] absah.
                |        \/      |
                |        /\      |
                |      /  \    |
              Umfeld ------- Entwicklung
  (Elemente der entwicklungsdynamischen Betrachtung)


Das entwicklungsdynamische Modell hilft dabei die Probleme geistig Behinderter besser zu verstehen. Zur Erklärung des Auftretens von psychischen Störungen bei geistig Behinderten wird bei DOSEN ein multidimensionales Modell der sozio-emotionalen Entwicklung verwendet.
Das Buch beginnt mit einer längeren Besprechung des Bildes ''[[Las Meninas]]'' von [[Diego Velázquez]] und seiner komplexen Anordnung von Sichtlinien, Verborgenem und Sichtbarem. Die Bildbesprechung leitet eine Analyse mehrerer Epochen ein: Der [[Renaissance]], des „klassischen Zeitalters“ (einer in Frankreich üblichen Bezeichnung für die Epoche, die grob den Zeitraum von Mitte des 17. Jahrhunderts bis 1800 umfasst) sowie der Moderne, die Foucault in der ''Ordnung der Dinge'' von etwa 1800 bis ins 20. Jahrhundert verfolgt.<ref>Gary Gutting: ''Michel Foucault’s archaeology of scientific reason''. Cambridge University Press, Cambridge 1989, S. 139f.</ref> Über diese Zeitspanne betrachtet Foucault insbesondere die Entstehung bzw. den Wandel von drei Wissensbereichen, die sich in diesem Zeitraum etablieren: die [[Naturgeschichte]] (bzw. ab 1800 die [[Biologie]]), das Wissen von den Reichtümern (bzw. ab 1800 die [[Ökonomie]]), die Grammatik (bzw. ab 1800 die [[Philologie]]).


Die Reifung des Kindes im sozio-emotionalen, kognitiven und neurophysiologischen Bereich vollzieht sich in Abhängigkeit zueinander. Die Bereiche entwickeln sich in einem Prozess, der in drei Phasen eingeteilt ist, sprich die Adaptionsphase, die Sozialisationsphase und die individuelle Phase. In jeder Phase, also in der Zeit vom ersten zum dritten Lebensjahr, werden wichtige Funktionen ausgebildet und Wesensmerkmale erworben.
In der [[Synchronie|synchronen]] vergleichenden Betrachtung dieser Teilgebiete entdeckt Foucault eine Reihe von Parallelen, für die er den neuen Begriff der ''episteme'' prägt. Die ''episteme'' sind das ''historische Apriori'' des Wissens.<ref>Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Frankfurt a. M. 1981, S. 24, vgl. auch S. 261: „Die Geschichte des Wissens kann nur ausgehend von dem gebildet werden, was ihm gleichzeitig war, und nicht in Termini gegenseitiger Beeinflussung, sondern in Termini von Bedingungen und in der Zeit gebildeter Apriori.“</ref> Seine Kernthese ist, dass die in einer bestimmten Epoche untersuchten unterschiedlichen Wissensgebiete stärker durch diese epochalen Parallelen beeinflusst seien als durch ihre jeweilige Geschichte.


Es wird davon ausgegangen, dass bei geistig Behinderten mit psychischen Störungen die kognitive und sozio-emotionale Seite sich nicht parallel und ausgeglichen ausbilden. Der kognitive Bereich entwickelt sich gegenüber dem sozio-emotionalen Bereich besser. Bei einem ungünstigen Verlauf der sozio-emotionalen Entwicklung d. h. wenn ein Kind von der normalen Entwicklung in einer altersspezifischen Phase (Adaption, Sozialisation und individuelle Phase) abweicht oder stehen bleibt, sind nach Menolascino (1970) psychische Erkrankungen die Folge. Weiterhin kann eine psychische Störung auf eine erworbene Ursache zurückgehen. Bei einer Gruppe von 730 klinisch untergebrachten Kindern stellte man bei 81 % eine psychische Störung fest. Ihre psychischen Erkrankungen wurden nach dem Diagnoseschema von Menolascino eingestuft. Bei 33 % der Probanden ermittelte man eine blockierte sozio-emotionale Entwicklung, ein Anteil von 26 % war der abweichenden sozio-emotionalen Entwicklung zugeordnet und die restlichen 22 % beliefen sich auf erworbene psychische Erkrankungen.
Neben diesem wissenschaftsgeschichtlichen bzw. [[Épistémologie|epistemologischen]] Thema, das Foucault auch als ''archäologisch'' bezeichnet, gehört das Konzept des Menschen zu den Kernthemen des Buches. Um 1800 wurde mit der Ablösung der Naturgeschichte durch die Biologie, des Wissens von den Reichtümern durch die Ökonomie und der allgemeinen Grammatik durch die Philologie der [[Mensch]] zur zentralen Integrationsfigur der Wissenschaften. Foucault spricht in diesem Sinne davon, dass der Mensch vor 1800 nicht existiert habe.<ref>ebd., S. 373: „Vor dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts existiert der Mensch nicht.“ Und: „[E]s gab kein erkenntnistheoretisches Bewußtsein vom Menschen als solchem.“</ref>


==== Blockade der sozio-emotionalen Entwicklung ====
Foucault stellt sich nicht die Frage, ob und inwiefern die Wissenschaft objektiv zu Erkenntnissen gelange:
Bei einer Blockierung bezüglich der sozio-emotionalen Entwicklung reißt die sozio-emotionale Entwicklung ab, während die kognitive weiterläuft. Kommt es in der ersten Adaptionsphase zum Stillstand, so stellt sich beim Kind eine “primäre Kontaktstörung” ein. Eine „sekundäre Kontaktstörung“ liegt vor, wenn sich die Symptome einer Kontaktstörung nach einer ersten Bindungserfahrung zeigen.


==== Abweichende sozio-emotionale Entwicklung ====
{{Zitat|Es wird also nicht die Frage in ihrem Fortschritt zu einer Objektivität beschriebener Erkenntnisse behandelt werden, in der unsere heutige Wissenschaft sich […] wiedererkennen könnte.|ref=<ref name="Michel Foucault 2008">Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Frankfurt a. M. 2008, S. 24:</ref>}}
Unter „abweichende sozio-emotionale Entwicklung“ versteht man, dass die sozio-emotionale Entwicklung des Kindes voranschreitet, aber sich in Qualität und Richtung von einer Normalentwicklung unterscheidet.


==== Erworbene psychische Erkrankungen ====
Vielmehr bilde Wissenschaft mehr oder weniger stabile [[diskurs]]ive Formationen und begriffliche Koordinaten aus, welche determinieren, was – weiterhin kontingent – jeweils diskutierbar, verstehbar, wahr oder falsch sei. Wissenschaft breche jedoch nicht notwendig mit dem gesammelten Wissen aus früherer Zeit, wenn sie auch durch die Geschichte hindurch ihre Wissensformationen ändere.<ref name="Michel Foucault 2008" /> Foucault diskreditierte damit zum Teil die Idee des kontinuierlichen Fortschritts und stellt ihm einen kontingenten Wechsel formativer Strukturen gegenüber.
Die Betroffenen haben hierbei eine Prädisposition für eine bestimmte Abweichung in einem bestimmten Alter erworben, die unter bestimmten Umständen aufbrechen kann.


=== Diagnostik ===
{{Zitat|Die evolutive Geschichtlichkeit, die für viele eine Selbstverständlichkeit ist, hängt selbst an einer Funktionsweise der Macht.|Surveiller et punir}}
; Psychodiagnostik geistig behinderter Patienten: Die Untersuchung geistig behinderter Menschen mit psychischen Krankheiten erfolgt mit dem vorhandenen Instrumentarium der Psychiatrie und klinischen Psychologie. Sie beinhaltet Techniken und Methoden, die hier kurz vorgestellt werden.


In der Anamnese werden der Patient und seine Familie vom Untersucher zur Krankheitsvorgeschichte befragt. Eine Grundmethode der Psychologie zur Persönlichkeitsentwicklung ist die Verhaltensbeobachtung. Der Untersucher kann den Patienten auf ein bestimmtes Verhalten in einer bestimmten Situation hin wahrnehmen. Bei Menschen, die einen IQ unter 50 haben, ist besonders häufig eine Abweichung des ZNS vorzufinden. Da eine Verhaltens- und psychische Störung Ausdruck einer organischen Störung (z. B. Abweichung des ZNS) sein kann, muss durch eine körperliche Untersuchung geprüft werden, ob ein Zusammenhang zwischen den beiden Störungen besteht. Da das Nervensystem alle organischen und psychologischen Vorgänge im Körper beeinflusst, wird hierbei auch eine neuropsychologische Untersuchung notwendig. Des Weiteren folgen verschiedene Zusatzuntersuchungen wie Röntgenaufnahmen des Schädels, EEG, CCT und biochemische Blut- und [[Urinuntersuchung]]en. Psychometrische Tests dienen zur Untersuchung von Persönlichkeitsmerkmalen.
''Die Ordnung der Dinge'' machte Foucault in Frankreich und bald darauf auch international als intellektuelle Figur bekannt.
Auch die Intelligenz fällt darunter und kann mit sogenannten Intelligenztests ermittelt werden.
Sie ziehen damit die Grenze zwischen Normalität und geistiger Behinderung. Ein Proband kann nach seinem errechneten IQ in eine Kategorie mit entsprechendem Ausprägungsgrad eingestuft werden. Lerntests versuchen auch die kognitiven Leistungen des Kindes zu erfassen. Das geschieht, indem das Kind die Aufgaben immer löst. Nach der Feststellung des Leistungsniveaus wird dem Kind geholfen und anschließend wird die Leistung gemessen. Es dient dem Zweck, festzustellen, welche und in welchem Umfang das Kind Hilfe benötigt, um die Aufgabe zu lösen. Mit Hilfe von sozialen und adaptiven Verhaltensskalen können Verhaltensabläufe von geistig Behinderten in ihrer Umgebung registriert werden. Bei der psychiatrischen Untersuchung stehen dem Psychiater zwei Verfahren und Mittel zur Verfügung, die ihm das Erforschen psychischer Erkrankungen erleichtern. Diese werden auch bei Nichtbehinderten kombiniert angewandt. Bevor der Psychiater Tests durchführt, wird er über Kommunikation und Beobachtung notwendige Informationen über seinen Patienten sammeln. Der Psychiater wird das Gespräch dahingehend gestalten, dass der Patient mit emotional beladenen Themen konfrontiert wird. Die Reaktionen des Patienten werden vom Psychiater ausgewertet. Schließlich wird das Gespräch wieder auf entspannte Themen gelenkt und dem Patienten wird Solidarität vermittelt.


=== Syndrome ===
=== Archäologie des Wissens ===
==== Übersicht der bekanntesten Syndrome ====
Die 1969 erschienene Studie zur ''Archäologie des Wissens'' (''L’Archéologie du savoir'') ist Foucaults umfangreichste [[Methodologie|methodologische]] Publikation. Sie erschien noch vor Foucaults Wahl ins [[Collège de France]] und bestimmt die Methode näher, die er in seinen konkreten Studien angewendet hatte.
* ''[[Depressives Syndrom]]''
** Traurigkeit, Gedrücktheit, Gefühllosigkeit, Freudlosigkeit,
** Desinteresse, Antriebslosigkeit,
** Schlafstörungen, Essstörungen,
** körperliche Missempfindungen,
** Suizidalität,
* ''[[Manisches Syndrom]]''
** (Dis-)Euphorie,
** Antriebssteigerung,
** starkes Selbstwertgefühl,
** vermehrte Geldausgabe, „Größenwahn“,
** geringes Schlafbedürfnis,
** ungehemmter Redefluss,
** Enthemmungen,
* ''Paranoid-halluzinatorisches Syndrom''
** Wahnideen,
** Halluzinationen,
** Gedankenausbreitung, -entzug oder -eingebung,
* ''Katatones Syndrom''
** Starre / Erregung,
** Echolalie,
** Echopraxie,
** Bewegungs- und Haltungsstereotypen,
* ''Hypochondrisches Syndrom''
** jammernd, klagend,
** ängstlich,
** genaueste Selbstbeobachtung,
** Angst vor Krankwerden,
* ''Angstsyndrom''
** Angstzustände (diffus oder situationsbedingt),
** Hyperaktivität in diesen Zuständen,
* ''[[Zwangssyndrom]]''
** immer wiederholte Gedanken, die als sinnlos und quälend empfunden werden,
** Impulse, Handlungen,
* ''Hirnorganisches Syndrom''
** Einschränkung kognitiver Funktionen,
** Einschränkung der Denkleistung,
** Orientierungsprobleme,
** Konzentrationsverlust, -schwäche,
* ''[[Delirantes Syndrom]]''
** Orientierungsprobleme, Verwirrtheit,
** motorische Unruhe,
** vegetative Entgleisungen (Schwitzen …),
* ''Konversionssyndrom''
** motorische Störungen (Lähmungen),
** Schmerzlosigkeit, Schmerzzustände


=== Leitprinzipien für Pädagogik und Therapie ===
Sein Vorgehen beschreibt er als Arbeit an „[[Archiv]]en“ oder als „Archäologie“ von Diskursformationen. Die kulturwissenschaftliche Methodendiskussion spricht üblicherweise von ''[[Diskursanalyse]]''.<ref>So etwa Ralf Konersmann in: Michel Foucault: ''Die Ordnung des Diskurses''. Fischer, Frankfurt am Main 2001; und Stichwort ''Diskursanalyse''. In: ''Metzler-Lexikon Literatur- und Kulturtheorie''. Metzler, Stuttgart 2001.</ref>
Pädagogen, Therapeuten und Psychotherapeuten sollten sich bei den Aufgaben und Zielen nicht im Weg stehen, sondern sich gegenseitig unterstützen. Es muss eine gemeinsame Basis gefunden werden, um den Patienten bestmöglich zu helfen. Zur Unterstützung der Therapie dienen neun Leitprinzipien:


# Erwachsenengemäße Orientierung − Erwachsene, die an einer geistigen Behinderung leiden, werden oftmals immer wieder als Kind behandelt. Sie werden als „ewige Kinder“ angesehen und bekommen so nicht den Respekt, den sie verdienen.
Foucault sieht die Archäologie des Wissens als ergänzende Alternative zur herkömmlichen [[Ideengeschichte]], die zeitgleich allerdings ähnlich auch von deren vermeintlichen Vertretern kritisiert und reformiert worden ist, etwa durch den [[Kontextualismus]] oder die [[Begriffsgeschichte]], sodass ein gewisser Generationeneffekt vermutet worden ist, der sich durch eine posttotalitäre Abgrenzung von naiven Ideenvorstellungen auszeichnet und die Herstellung bzw. Verwendung von vermeintlich neutralen Ideen oder objektiven Wahrheiten kritisch reflektiert.<ref>{{Literatur |Autor=Sebastian Huhnholz |Hrsg=Ludwig Gasteiger et al. |Titel=Bielefeld, Paris & Cambridge? Wissenschaftsgeschichtliche Ursprünge und theoriepolitische Konvergenzen der diskurshistoriographischen Methodologien Kosellecks, Foucaults und Skinners |Sammelwerk=Theorie und Kritik. Dialoge zwischen differenten Denkstilen und Disziplinen |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag=Bielefeld |Ort=transcript |Datum=2015 |ISBN= |Seiten=157-182}}</ref> Foucault interessiert sich aber weniger für individuelle Urheber von Ideen („Autoren“). Man kann Foucaults Slogan vom „Tod des Autors“ verbinden mit seiner Metapher vom Tod des durch die Humanwissenschaften hervorgebrachten Begriffs des „Menschen“.<ref>Am bekanntesten hierfür ist der Schlussteil der ''Ordnung der Dinge''.</ref> In dieser Hinsicht ähnelt Foucaults Vorgehen [[Strukturalismus|strukturalistischen]] Ansätzen in der Psychoanalyse, der Ethnologie und der Linguistik. Allerdings bezieht er eine diachrone (historische) Perspektive mit ein.<ref>Gary Gutting: ''Michel Foucault’s archaeology of scientific reason''. Cambridge University Press, Cambridge 1989, S. 227–231.</ref> Foucault sieht sich der [[Annales-Schule]] der [[Historiographie]] nahe. Deren Interesse für mentalitätsgeschichtliche, demographische und andere Entwicklungen über lange Perioden lässt ebenfalls das individuelle Wirken von Personen weniger hervortreten. Auch [[Georges Canguilhem]] und [[Gaston Bachelard]] sieht sich Foucault nahe.
# Subjektzentrierung − Bei der Therapie soll auf den Betroffenen geachtet werden. Seine Wünsche müssen respektiert werden. Die Behinderung darf nicht zum bloßen Objekt der Therapie werden.
# Ich-Du-Bezug − Jede Therapie sollte als partnerschaftliche Beziehung und nicht als Zwang (oder ähnliches) angesehen werden.
# Emanzipatorisches Prinzip − Der Patient soll sich eigenständig zu einem ich-starken Menschen entwickeln. Seine Wünsche und Interessen sollen mit in seine Entwicklung eingehen. Genau wie jeder andere Mensch hat er seinen Platz in der Gesellschaft.
# Assistenz und Kooperation − Der Weg zur Selbständigkeit ist das Ziel. Nicht das Ziel an sich.
# Ganzheitlich-integratives Prinzip − Der geistig behinderte Mensch muss als „Einheit“ angesehen werden. Jede Arbeit der Pädagogik sollte „multiperspektivisch“ angelegt sein.
# Prinzip der Entwicklungsgemäßheit − Die Orientierung am Menschen steht im Vordergrund: In einer für den Patienten angenehmen Situation soll immer eine Stufe mehr erlernt werden.
# Lebensnähe und handelndes Lernen − Der Patient soll im natürlichen Lebensraum sowohl die alltäglichen Hausarbeiten als auch die Lebenswirklichkeit außerhalb des Wohnmilieus erfahren.
# „Sein“–lassen und Vertrauen in die Ressourcen − Nicht nur das Lernen und Verbessern der Fähig- und Fertigkeiten sollte im Vordergrund stehen, sondern auch das zweckfreie und selbstbestimmte Leben. Dem Patienten muss die Möglichkeit gegeben werden sein eigens Leben zu entdecken.


== Geistige Behinderung und Sexualität ==
Neben Autor, Subjekt und humanwissenschaftlichen Orientierungen werden zahlreiche weitere Begriffe der klassischen Ideengeschichte ausgeklammert, etwa Einfluss, Werk oder Tradition. Deren Anwendbarkeit gingen laut Foucault epochenspezifische „diskursive“ Vorgaben voraus. Während der Ausdruck ''[[Diskurs]]'' nur Ensembles von sprachlichen oder schriftlichen Äußerungen (''diskursive Praktiken'') und deren immanente Regeln meint, bildet der Begriff ''[[Dispositiv]]'' (auf den sich Foucault erst in späteren Vorlesungen und Werken bezieht) die Erweiterung des Diskurses um ''nicht-diskursive Praktiken'', die institutionell oder sozial die Handlungsmöglichkeiten anderer beeinflussen.
Sind Menschen mit geistiger Behinderung im rechtlichen Sinne [[Handlungsfähigkeit (Deutschland)|handlungsfähig]] und [[Geschäftsfähigkeit|geschäftsfähig]], so dürfen sie auch durch Heirat eine [[Ehe]] eingehen. Eingriffe in die sexuelle Selbstbestimmung Volljähriger, etwa durch das Personal von Heimen in Form der Verhinderung jeglicher sexueller Betätigung geistig behinderter Bewohner, sind unzulässig.<ref>Julia Zinsmeister: [http://www.profamilia.de/fileadmin/publikationen/Fachpublikationen/expertise_sexuelle_assistenz.pdf ''Sexualassistenz: Angebote im Kontext rechtlicher Grundlagen - Antworten auf die Fragen von pro familia'']. In: pro familia: ''Sexuelle Assistenz für Frauen und Männer mit Behinderungen''. 2005, S. 11–16</ref>


Seit 1992 sind [[Zwangssterilisation]]en von Menschen mit geistiger Behinderung (wie zum Beispiel zur [[Zeit des Nationalsozialismus]], aber auch noch in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik Deutschland üblich) in [[Deutschland]] verboten. Ohne ihre Zustimmung dürfen Menschen nicht mehr sterilisiert werden. Das gilt auch für Minderjährige. Bei nicht einwilligungsfähigen Menschen darf ihr [[Betreuung (Recht)|Betreuer]] nur unter den engen Voraussetzungen des § 1905 [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] einwilligen. Soll eine Sterilisation durchgeführt werden, ist ein zusätzlicher [[Sterilisationsbetreuer]] zu bestellen.
Der Machtbegriff Foucaults ist zu diesem Zeitpunkt noch [[juridisch]]-diskursiv“. Sein wesentliches Kennzeichen besteht darin, dass er restriktiv ist. Er verneint, indem er sich des ausgesprochenen Verbots bedient. Diese Vorstellung verändert sich in den folgenden Jahren. Ab ''Überwachen und Strafen'' stellt er ihm die strategisch-produktive Vorstellung von Macht gegenüber.<ref>Michael Ruoff: ''Foucault Lexikon'', München 2007, S. 146</ref>


Art. 23 Absatz 1c des [[Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen|Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen]] der [[Vereinte Nationen|UNO]] fordert von den Mitgliedsstaaten der UNO eine Garantie, dass „Menschen mit Behinderungen, einschließlich Kindern, gleichberechtigt mit anderen ihre Fruchtbarkeit behalten.“<ref>Institut für Menschenrechte: [http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen/CRPD_behindertenrechtskonvention/crpd_b_de.pdf ''Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 2006'']</ref>
=== Überwachen und Strafen ===
''[[Überwachen und Strafen]]'' wurde 1975 unter dem Titel ''Surveiller et punir'' veröffentlicht. Darin setzt Foucault seine Untersuchungen über die polymorphe Macht, ihre Techniken und Wirkungsweisen v.&nbsp;a. am Beispiel des Gefängnisses fort. Prototypisch hierfür gilt ihm das von [[Jeremy Bentham]] entworfene [[Panoptismus|Panoptikum]]: ein „ideales“ Gefängnis, in dem der Beobachter jeden Zelleninsassen beobachten kann. Foucault arbeitet in diesem Buch die historische Entwicklung von körperlicher und seelischer Gewalt heraus. Mittels Martern wurde bis zum 18. Jh. der Körper grausam zugerichtet und bis zum langsamen Tod hin gequält. Das inszenierte Schauspiel wurde von der Bevölkerung interessiert verfolgt. Später wurde der Mensch zunehmend als Wesen mit einer Seele wahrgenommen, dem eine gewisse Lernfähigkeit zuerkannt wurde. Im körperlosen Strafsystem wurde der Schmerz beseitigt. Die Strafe zielt auf die Zukunft ab und ihre Hauptfunktion dient der Vorbeugung. Die seelische Gewalt dient als Disziplinierungsmaßnahme. Die Strafe wird auf das Delikt abgestimmt. Es besteht die Notwendigkeit zur Individualisierung der Strafe, welche die Umstände und die Intention des Straftäters berücksichtigt. Es erfolgt eine Modulierung des Täters selbst, seiner Natur, seiner Lebens- und Denkweise, seiner Vergangenheit und seines Willens. Die Strafe bringt Entwicklung für den Gewalttätigen. Er lernt in der Einzelhaft durch Reflexion oder durch Arbeit. Das Gefängnis dient zur Verwahrung der Gewalttätigen, die unter Beobachtung stehen. Die soziale Entwurzelung wird als Teil der Strafe berücksichtigt. Die Gesellschaft wird als die Klasse der Herrscher und der Beherrschten definiert. Die Herrscher definieren die Gesetze und somit die Sozialmoral. Ihre Urteilkompetenz beruht auf einer teilweise für die Gesetzlosen nicht verständlichen Sprache. Die Herrscher geben als Leitmotiv vor: „Wer leben will, muss arbeiten“. Die Beherrschten sind Hungernde, die morden, um zu überleben. Durch die Sesshaftigkeit nehmen die Morde ab und Diebstähle und Eigentumsdelikte zu. Die Gewaltverbrecher sind Arbeitsunwillige und Arbeitslose. Der Justiz dient das Strafbuch (1810) als Grundlage und ein Apparat von Aufsehern, Priestern, Psychologen und Psychiatern zur Ausübung von Gewalt. Als Instrument der Strafe dienen Zwangsmaßnahmen und Übungen. Das Individuum wird zum Rechtssubjekt. Durch die Technik des Einzwängens und durch Anwendungen von Dressurmethoden werden Heilung und Besserung erwartet.


== Anliegen für die Zukunft ==
Später verlagerte sich dieser allsehende Blick in die Subjekte. Exemplarisch dafür ist die Funktion der ''[[Pastoralmacht]]'', die der „gute Hirte“ ausübt, wenn er das Gewissen seiner Schafe prüft – eine Technik, die dann „verinnerlicht“ wird. Das Thema der Subjektivierung durch Machtbeziehungen verfolgt Foucault auch in der Analyse der sogenannten ''[[Biomacht]]'' und der ''[[Gouvernementalität]]''.
Die Anliegen, deren Realisierung ein Ziel von Menschen mit unterschiedlichen kognitiven Behinderungen und deren Familien und Freunden ist, lassen sich zusammenfassen in den Leitgedanken:


* Soziale Teilhabe statt Pflege
In anderen Schriften<ref>z.&nbsp;B. [http://books.google.de/books?id=dBLjVhsXBLAC&pg=PA552&lpg=PA552&dq=%22nenne+ich+sie+im+Gegensatz+zu+den+Utopien+die+Heterotopien%22&source=bl&ots=t-4ipf_K0N&sig=RzCWm6jufcw8dLHUilxPax8psIU&hl=de&sa=X&ei=6jroUM-SFMeM4gTmr4GgDw&sqi=2&ved=0CD4Q6AEwAw#v=onepage&q=%22nenne%20ich%20sie%20im%20Gegensatz%20zu%20den%20Utopien%20die%20Heterotopien%22&f=false Michel Foucault: Andere Räume].</ref> äußert sich Foucault zum Thema der [[Utopie]]n und gesellschaftlicher Gegenorte, die er ''[[Heterotopie (Literatur)|Heterotopien]]'' nennt.
* Überlegte Planung statt Barrierenerrichtung
* Achtung und Respekt statt [[Diskriminierung]]
* Integrierte Teilhabe statt vorgeburtlicher Selektion und gesellschaftlich-institutioneller Ausgrenzung


== Diskussionen über den Begriff und das ihm zugrunde liegende Konzept ==
=== Sexualität und Wahrheit ===
=== Veraltete Bezeichnungen ===
Sein Werk ''Sexualität und Wahrheit'' hatte Foucault ursprünglich auf sechs Bände angelegt, zu Lebenszeit als Monographien erschienen sind aber nur drei Bände.
[[Schwachsinn]] ist ein veralteter Fachbegriff für eine ''geistige Behinderung'' oder besser, nach aktueller [[Nomenklatur]], „Intelligenzminderung“. Die alten Begriffe Debilität (von lat. ''debilis'' ‚ungelenk, schwach‘), Imbezillität (von lat. ''imbecillus'' ‚schwach, gebrechlich‘) und Idiotie (von gr. ἰδιώτης ''idiotes'' ‚der abgesondert, für sich Lebende‘) bezeichneten unterschiedliche Grade des Schwachsinns.  Nach heutiger Nomenklatur entspricht die Debilität einer leichten (ICD-10F 70), die Imbezillität einer mittelgradigen (F 71) und schweren (F 72) und die Idiotie einer schwersten Intelligenzminderung (F 73). Die alten Begriffe sind schon lange vollständig aus der Fachsprache verschwunden. Die Begriffe Idiotie und Debilität (weniger Imbezilität) fanden als [[Schimpfwort|Schimpfwörter]] Eingang in die Alltagssprache und waren daher zuletzt aufgrund dieser negativen [[Konnotation]] gar nicht mehr fachsprachlich verwendbar. Der Begriff Schwachsinn ist auch inhaltlich ungeeignet, weil er nur kleine Teilaspekte der geistigen Behinderung bezeichnet, die man früher fälschlicherweise als wesentlich für die Behinderung ansah.


Der Begriff ''Schwachsinn'' findet sich noch im [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|Strafgesetzbuch (StGB)]] der [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]] ({{§|20|stgb|juris}} StGB „[[Schuldfähigkeit|Schuldunfähigkeit]] wegen seelischer Störungen“). Im [[Betreuungsrecht]], das erst 1992 eingeführt wurde, wird demgegenüber der modernere Begriff der geistigen Behinderung in {{§|1896|bgb|juris}} BGB verwendet. Der aktuelle Begriff der „Intelligenzminderung“ hat noch keinen Eingang in Gesetzestexte gefunden.
==== Der Wille zum Wissen ====
Der erste, 1976 erschienene Band analysiert anhand des Diskurses über den Sex exemplarisch die Wirkungsweise von Machtstrukturen. Das Reden über den Sex sei fortwährend angeheizt worden, von mittelalterlichen [[Beichtspiegel|Beichtkatalogen]] bis hin zur modernen [[Psychoanalyse]]. Besondere Berücksichtigung findet in diesem Band die Entwicklung im 19. Jahrhundert. Hier werden vier Hauptelemente oder ''[[Dispositiv]]e'' unterschieden, denen die besondere Aufmerksamkeit der Wissensproduktion gewidmet ist: ''[[Homosexualität]]'', ''[[Masturbation]]'', ''[[Hysterie]] der Frau'' und ''[[Perversion]]''. Abschließend bemerkt Foucault, die Ironie des ''[[Sexualitätsdispositiv]]s'' sei gerade, den Menschen vorzuleben, es ginge dabei um ihre (sexuelle) Befreiung.


=== Alternativen für den Begriff „geistig Behinderte“, Interpretations- und Zuordnungsprobleme ===
Er spricht in diesem Zusammenhang über die „Einpflanzung von Perversionen“. Es ist dabei eine wechselseitig sich verstärkende Dynamik derjenigen Instanz, die pathologisierend immer neue „Perversionen“ entwirft, und derjenigen, die dann diesen pathologischen Kategorien gerecht wird und sie sogar verstärken kann. Dadurch entsteht ein „Wesenszug“, der als „Natur“ des Perversen verstanden und dementsprechend behandelt wird.
Auch der Sprachgebrauch im Umgang mit Menschen, die diese [[Behinderung (Sozialrecht)|Behinderung]] haben, hat sich deutlich gewandelt. So wurde in den 1960er Jahren noch von „geistig Behinderten“ oder „Schwachsinnigen“ gesprochen. Da diese Formulierungen jedoch die Behinderung vor dem Menschen betonen und diesen damit stigmatisieren, wurde später vom „Menschen mit geistiger Behinderung“ gesprochen. Damit wird der Mensch in den Vordergrund gestellt und die geistige Behinderung ist eine von vielen Eigenschaften. In der [[DDR]] wurde der Begriff teilweise durch „psychische Behinderung“ ersetzt, da man die Psyche in ihrer Eigenschaft als Körperfunktion unterstreichen wollte und nicht als geistige, körperunabhängige Eigenschaft verstand. Beide Begriffe sind noch gebräuchlich, werden als konnotativ neutral verwendet, bezeichnen jedoch leicht unterschiedliche Dinge, denn die „psychische Behinderung“ bezeichnet auch [[Psychiatrie|psychiatrische]] Krankheitsbilder, die nicht oder unwesentlich mit einer Intelligenzminderung einhergehen, die Person aber in ihrer Alltagstüchtigkeit beeinträchtigen. So können ausgeprägte [[Depression|depressive]] Syndrome – durch Antriebsminderung, Interessenverlust und Konzentrationsminderung – die Lern- und Leistungsfähigkeit so weit behindern, dass man von einer „depressiven Pseudodemenz“ spricht, wobei eine „geistige“ Behinderung nach heutigem Begriffsverständnis aber keineswegs vorliegt.


Auch Sichtweisen, die eine Behinderung als soziale und weniger als personale [[Klassifizierung|Kategorie]] ansehen, haben die Sichtweise von geistiger Behinderung gewandelt. So unterscheidet die [[Weltgesundheitsorganisation]] (WHO) 2001 zwischen der ursächlichen ''Schädigung'', der daraus resultierenden ''Beeinträchtigung der Aktivität'', der ''Beeinträchtigung der Teilhabe'' in einem Lebensbereich oder einer Lebenssituation, sowie den ''Umfeldfaktoren'' in der physikalischen, sozialen und einstellungsbezogenen Umwelt. Damit muss eine Schädigung oder eine Aktivitätsbeeinträchtigung nicht zwingend zu einer sozialen Beeinträchtigung und damit Behinderung führen.
In diesem Werk grenzt er sich von seinem früheren, juridisch-diskursiven Machtbegriff ab, nach dem Macht als repressiv verstanden wurde und auf Gehorsam (z.&nbsp;B. gegenüber Gesetzen) abzielte. Die von ihm geprägte strategisch-produktive Vorstellung von Macht betont hingegen, dass Machtbeziehungen multipel sind, ''überall'' entstehen und wirken. Sie sind allen anderen Arten von Beziehungen (z.&nbsp;B. ökonomischen) immanent und durchziehen somit auch kursierendes Wissen.


In den Empfehlungen der [[Kultusministerkonferenz]] von 1994 und 1998 wird vom ''Förderschwerpunkt geistige Entwicklung'' als Zielgebiet der Sonderpädagogen gesprochen. Als Bezeichnung für entsprechende [[Schüler]] wird weiterhin ''Kinder und Jugendliche mit einer geistigen Behinderung'' verwendet; es tauchen jedoch vereinzelt schon Bezeichnungen auf wie ''Kinder und Jugendliche mit dem Förderbedarf geistige Entwicklung'' oder ''Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf im Bereich ganzheitliche Entwicklung''.
==== Der Gebrauch der Lüste ====
Im zweiten Band (1984) setzt sich Foucault mit der Sexualethik und allgemein dem „Gebrauch der Lüste“ des [[Antikes Griechenland|antiken Griechenlands]] auseinander. Besondere Aufmerksamkeit richtet Foucault auf Homosexualität und [[Knabenliebe]] und deren moralethische Mechanismen. Für das christliche Ideal der [[Askese]] findet er in der [[Hippokrates von Kos|hippokratischen]] [[Diätetik]] (Maßnahmenprogramm für ein gesundes Leben) eine Wurzel; hierbei handele es sich allerdings nicht um historische [[Kontinuitätstheorie (Geschichtswissenschaft)|Kontinuitäten]].


==== Alternativbegriff „Menschen mit einer kognitiven Behinderung“ ====
==== Die Sorge um sich ====
Von einigen Autoren und zunehmend auch Vertretern verschiedener pädagogischer Richtungen wie [[Sonderpädagogik]], [[Sozialpädagogik]] oder Heilpädagogik wird der Begriff ''[[#Diskussion um eine Ablösung des Begriffs|kognitive Behinderung]]'' bevorzugt.
Im dritten Band führt Foucault die Untersuchung des zweiten Bandes fort. Dabei betont er die allgemeine Bedeutung der „Selbstsorge“ in der [[Ethik]] der griechisch-römischen Antike, die er als „Kultur seiner selbst“ als zentrales Motiv der antiken Freiheitspraktiken erkennt. Die Themenfelder, an denen Foucault dieses Motiv untersucht, sind die [[Traumdeutung]], die Gemeinschaft mit den anderen, sowie erneut der Körper, die Frau und der Knabe.


Der Begriff ''kognitive Behinderung'' (cognitive disability) wird von einer Anzahl von Vertretern aus Literatur und Lehre gegenüber der ''geistigen Behinderung'' bevorzugt, da er den qualitativen Unterschied zwischen [[Geist]] und Gehirn oder zwischen geistigen Fähigkeiten und kognitiven Fähigkeiten herausstelle.
==== Die Geständnisse des Fleisches ====
Der vierte und letzte Band, ''Die Geständnisse des Fleisches'' (''Les aveux de la chair''), blieb aufgrund einer testamentarischen Verfügung lange unveröffentlicht und erschien erst im Februar 2018 in Frankreich. Das Buch schließt an die beiden vorigen Bände an. Foucault widmet sich darin Texten aus dem frühen Christentum, etwa von [[Augustinus von Hippo|Augustinus]] oder [[Ambrosius von Mailand]].
In diesem Diskurs über die Sexualität geht es, ähnlich wie in den Texten aus der griechisch-römischen Antike, um Askese und Entsagung.<ref>[http://www.deutschlandfunkkultur.de/foucaults-letztes-buch-ethik-ist-ein-kampfplatz.2162.de.html?dram:article_id=409961 ''"Ethik ist ein Kampfplatz"''], Martin Saar im Gespräch mit René Aguigah, [[Deutschlandfunk Kultur]], 04. Februar 2018</ref>


So zählten zu den ''geistigen'' Fähigkeiten eines Menschen auch das Vermögen, Gefühle – wie etwa [[Wut]], [[Trauer]], [[Freude]], [[Glück]] oder auch [[Empathie]] – zu empfinden beziehungsweise auszudrücken. Dieses Fähigkeitsspektrum ist beispielsweise bei Menschen mit [[Down-Syndrom]] (Trisomie 21), denen bislang das Attribut einer ''geistigen Behinderung'' zugeschrieben wurde, normalerweise gar nicht beeinträchtigt, weshalb die gängige Bezeichnung ihren Kritikern als zu unscharf oder sogar als [[Diskriminierung|diskriminierend]] erscheint.
=== Weitere Schriften ===
Neben den erwähnten größeren Werken existieren zahlreiche kleinere Schriften, darunter Arbeiten zur Literatur und Kommentare zu aktuellen Ereignissen (siehe z.&nbsp;B. [[Ideenreportage]]n), weniger bekannte Werke wie eine Monographie über [[Raymond Roussel]] und zahlreiche erst nach seinem Tod herausgegebene Vorlesungen am Collège de France. Da Foucault posthume Publikationen testamentarisch untersagt hatte, wurden zur Edition die Dokumentation des in Vortragsform „veröffentlichten“ Worts, vor allem also die vorhandenen Tonbänder, herangezogen.


Zu den von einer Behinderung betroffenen ''kognitiven'' Fähigkeiten zählten dagegen [[Aufmerksamkeit]], [[Wahrnehmung]]sfähigkeit, [[Erkennung|Erkenntnisfähigkeit]], [[Schlussfolgerung]], [[Urteilsvermögen|Urteilsfähigkeit]], [[Erinnerungsvermögen]] und [[Gedächtnis|Merkfähigkeit]], [[Lernen|Lernfähigkeit]], [[Abstraktion]]svermögen und [[Rationalität]].
== Wirkungsgeschichte ==
=== Zuordnung ===
Foucault lässt sich nicht eindeutig einer philosophischen Richtung zuordnen und hat sich selbst oft gegen solche Versuche gewandt. Dennoch ist es heute üblich, Foucault als [[Poststrukturalismus|Poststrukturalisten]] zu bezeichnen. Obwohl er besonders in der ''Archäologie des Wissens'' strukturalistische Gedanken und Verfahren verwendete, war er kein [[Strukturalismus|Strukturalist]], wie er selbst wiederholt betonte: ''„In Frankreich beharren gewisse halbgewitzte Kommentatoren darauf, mich als Strukturalisten zu etikettieren. Ich habe es nicht in ihre winzigen Köpfe kriegen können, daß ich keine der Methoden, Begriffe und Schlüsselwörter benutzt habe, die die strukturalistische Analyse charakterisieren.“''<ref>Michel Foucault: ''Die Ordnung der Dinge''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003 [zuerst 1974], S. 15.</ref>


Gegner einer alternativen Sprachregelung führen an, dass auch der neue Begriff Unschärfen berge – so konzentriere er sich auf Fähigkeiten der ''Ratio'', decke aber im Gegensatz zur alten [[Nomenklatur]] Aspekte der emotionalen und sozialen Reife nicht ab, die durchaus von einer ''geistigen Behinderung'' betroffen sein können. Die diskriminierende Wirkung des alten Begriffs unterliege der [[Euphemismus-Tretmühle|Bedeutungsverschlechterung]], die auch jede Neuschöpfung nach längerem Gebrauch erfassen würde und ihrerseits eine Ersetzung erfordere.
Ähnliches gilt für sein Verhältnis zum [[Marxismus]]. In den 1950er Jahren war er für kurze Zeit Mitglied in der [[Parti communiste français|Kommunistischen Partei]].<ref>Didier Eribon: ''Michel Foucault. Eine Biographie''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1991, S. 69.</ref> Später distanzierte er sich vom Marxismus.


Der Stand der Verbreitung des neuen Begriffs in Literatur und Lehre ist sehr unterschiedlich, je nach Autor und [[Fakultät (Hochschule)|Fakultät]]. Während er die meiste Verbreitung unter progressiven Vertretern der Sonder- und Sozialpädagogik findet, ist er etwa im Bereich der Medizin und der Psychiatrie kaum bekannt. In der Terminologie der [[Neurologie]] würde man unter einer kognitiven Behinderung im Wortsinn dagegen auch den isolierten Ausfall einer kognitiven Funktion, etwa eine starke Störung der Merkfähigkeit, verstehen wie sie etwa durch eine Schädigung des Gehirns hervorgerufen werden kann. In den Alltagssprachgebrauch außerhalb der Fachwelt hat der Begriff ''kognitive Behinderung'' noch keinen Einzug gehalten.
=== Zeitkontext ===
Stets sorgten die das traditionelle philosophische Denken unterminierenden Thesen Foucaults sowie deren politische Implikationen für leidenschaftliche Diskussionen. Foucault war einer der ersten, der die damals aktuellen marxistischen Denkfiguren und Geschichtstheorien mit ihrem Begriffsvokabular wie ''[[Dialektik]]'', ''[[Ideologie]]'', ''[[Entfremdung]]'' oder „fortschrittliches Bewusstsein“ vehement zurückwies.<ref>Achim Volkers: Wissen und Bildung bei Foucault. Aufklärung zwischen Wissenschaft und ethisch-ästhetischen Bildungsprozessen, VS Verlag, 2008, S. 27</ref> Dies brachte ihn in Opposition zur französischen Linken und ihrer Galionsfigur [[Sartre]] sowie zu den Theoretikern der [[Frankfurter Schule]].


==== Alternativbegriff „Praktisch Bildbare“ ====
=== Rezeption ===
Im [[Land (Deutschland)|Land]] [[Hessen]] wurde 1962 offiziell eine neue Schulform eingerichtet, die „Schule für [[Praktisch bildbar|Praktisch Bildbare]] (Sonderschule)“.<ref>[http://sonderpaedagogik.bildung.hessen.de/unterstuetzung/Lehrplaene/RichtliniePB1983.pdf ''Richtlinien für den Unterricht in der Schule für Praktisch Bildbare (Sonderschule) vom 21. November 1983'']</ref> Durch diese neue Schulform wurde nicht nur anerkannt, dass auch Menschen, die aller Voraussicht nach nie lesen, schreiben und rechnen können werden, ein Recht auf Bildung besitzen, wenn sich diese auch weitgehend auf praktische [[Fertigkeit]]en beschränkt, die die betreffenden Menschen erlernen können. Zugleich wird durch die Begriffswahl sprachlich das Wortfeld „Behinderung“ gemieden. Der Begriff „praktisch Bildbare“ ist bis heute im amtlichen Sprachgebrauch in Hessen üblich.
Explizit diskutiert wird Foucaults Diskursbegriff. In Anlehnung an seine Theorie wurden zahlreiche Ansätze der [[Diskursanalyse]] in verschiedenen Disziplinen entwickelt. In der deutschen Forschung sind z.&nbsp;B. die Namen [[Jürgen Link]] und [[Siegfried Jäger]] zu nennen. In den Geistes- und Sozialwissenschaften wird die Diskursanalyse erst in den letzten Jahren zu einer etablierten Methode und es entstehen zunehmend Arbeiten, die sich auf Foucault stützen.


==== Alternativbegriff „Menschen mit Lernschwierigkeiten“ ====
Ebenfalls wurde Foucaults Methodik der Analyse in der ''Archäologie des Wissens'' rezipiert, die aber eine rückblickende Methodenreflexion und -kritik ist und sich als methodisches Lehrbuch wenig eignet.
Die Self-Advocacy-Bewegung (Selbstvertretung behinderter Menschen), in Deutschland am stärksten vertreten durch den Verein [[Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland|People First e.V.]], lehnt den Ausdruck „geistige Behinderung“ ebenfalls aufgrund der ihm zugeschriebenen Diskriminierung ab und setzt sich für seine Abschaffung ein. Sie fordert, den Begriff „Menschen mit Lernschwierigkeiten“ zu verwenden und damit den Unterschied zu Menschen mit Lernbehinderungen aufzuheben, weil es so etwas wie „geistige Behinderung“ gar nicht gebe.<ref>Gudrun Erlinger: ''Selbstbestimmung und Selbstvertretung von Menschen mit Lernschwierigkeiten''. 2004. http://bidok.uibk.ac.at/library/erlinger-selbstbestimmung.html#id3010089</ref> Der Unterschied zwischen Sachverhalten, die üblicherweise als „geistige Behinderung“ bezeichnet werden, und üblicherweise als „[[Lernbehinderung]]“ bezeichneten Sachverhalten wird dabei bewusst verwischt.


Andere Selbsthilfegruppen haben den Impuls von „Mensch zuerst“ wohlwollend aufgegriffen:
=== Kritik an Foucault ===
* Foucaults Denken wird von Marxisten – wohl auch wegen Foucaults [[Kritik am Marxismus]] – einer Logik des fortgeschrittenen Kapitalismus zugeschrieben.<ref>Didier Eribon: ''Michel Foucault. Eine Biographie''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1991, S. 251.</ref> Gleichzeitig kritisierte man, er stelle das kritische Denken durch ein [[Fiktionalismus|fiktionalistisches]] Festschreiben subjektiven Erkennens, also durch Ununterscheidbarkeit, in Frage.
* Nach dem Erfolg von ''Die Ordnung der Dinge'' attackierte [[Jean-Paul Sartre]] in einer aufsehenerregenden Rezension Foucault. Sartre, der sich als Vertreter des [[Existenzialismus]] dem [[Humanismus]] gegenüber verpflichtet sah, richtete seine Kritik auf Foucaults Absage an den Humanismus. Aus der Perspektive Foucaults ist der Humanismus im 20. Jahrhundert theoretisch unfruchtbar und praktisch-politisch – im Osten wie im Westen – eine reaktionäre Mystifikation. Insbesondere im Erziehungssystem schneide er den Menschen von der Realität der technisch-wissenschaftlichen Welt ab.<ref name="Marti58">Urs Marti: ''Michel Foucault''. 2. Auflage, Bremen 1999, ISBN 3-406-45543-3, S. 58 und 129f.</ref> Zu beachten ist dabei allerdings, dass Foucault bei seiner Kritik weniger den Humanismus an sich, sondern eher die [[Humanwissenschaften]] in den Fokus nahm.<ref name="Marti58" />
* In der [[Foucault-Habermas-Debatte]] sieht der Philosoph [[Jürgen Habermas]] Foucault in der Tradition einer radikalen [[Vernunftkritik]], die von [[Nietzsche]] ausgehend zu den französischen Neostrukturalisten führe. Foucaults Machttheorie verfange sich dabei in unauflösbare Selbstwidersprüche.<ref>Jürgen Habermas ''Der philosophische Diskurs der Moderne'', Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Frankfurt a.&nbsp;M. 1985, S. 279ff.</ref>
* Der Linguist, Sozial- und Sprachphilosoph [[Noam Chomsky]], der wie Foucault über die französische Grammatik und Logik der Barockzeit gearbeitet, gleichartige Themen der politischen Philosophie behandelt hatte und mit diesem u.&nbsp;a. 1971 eine Fernsehdebatte über Anthropologie führte,<ref>Vgl. mit weiteren einschlägigen Beiträgen Noam Chomsky / Michel Foucault / John Rajchman (Hrsg.): ''The Chomsky-Foucault Debate: On Human Nature'', New Press, New York 2006, ISBN 1-59558-134-0.</ref> gestand Foucault zu, noch der verständlichste und gehaltvollste der französischen Poststrukturalisten und Postmodernisten zu sein; jedoch seien weite Teile seiner Arbeiten unklar, falsch oder wiederholten nur in prätentiöser rhetorischer Aufbereitung bereits bekannte, eher triviale Gedanken und Forschungsergebnisse anderer.<ref>http://www.cscs.umich.edu/~crshalizi/chomsky-on-postmodernism.html</ref>
* 1998 belegte der deutsche Historiker [[Hans-Ulrich Wehler]] Foucault und sein Werk mit harscher Kritik.<ref>Hans-Ulrich Wehler: ''Die Herausforderung der Kulturgeschichte''. München 1998, S. 45–95.</ref> Wehler sieht in Foucault einen schlechten Philosophen, der sich in den Geistes- und Sozialwissenschaften zu Unrecht großer Resonanz erfreue. Seine Arbeiten seien nicht nur in ihren empirisch-historischen Aspekten unzulänglich, sondern auch an zahlreichen Stellen von begrifflichen Konfusionen und inneren Widersprüchen durchzogen. Auch leide Foucaults Werk unter einem [[Frankozentrismus]], was schon daran erkennbar sei, dass Foucault die Arbeiten zentraler Theoretiker der Sozialwissenschaften wie [[Max Weber]] und [[Norbert Elias]] nicht zur Kenntnis genommen habe.
: An Foucaults Diskurstheorie kritisiert Wehler vor allem, dass sich die Diskurse verselbständigen würden. [[Subjekt (Philosophie)|Subjekte]] seien aber nicht die Diskurse selbst, sondern die ''Träger'' der Diskurse, von denen bei Foucault keine Rede sei. Den Machtbegriff Foucaults hält Wehler für „zum Verzweifeln undifferenziert“.<ref>Hans-Ulrich Wehler: ''Die Herausforderung der Kulturgeschichte''. München 1998, S. 81.</ref> Foucaults These der „Disziplinargesellschaft“ sei überhaupt nur dadurch möglich, dass Foucault keine Unterscheidung von [[Autorität]], Zwang, [[Gewalt]], [[Macht]], [[Herrschaft]] und [[Legitimität]] kenne. Hinzu komme, dass sich diese These auf eine einseitige Quellenauswahl (psychiatrische Anstalten, Gefängnisse) stütze und andere Organisationstypen wie beispielsweise [[Fabrik]]en außen vor lasse.
: Insgesamt kommt Wehler zu dem Ergebnis, dass Foucault „wegen der endlosen Mängelserie seiner sogenannten empirischen Studien […] ein intellektuell unredlicher, empirisch absolut unzuverlässiger, kryptonormativistischer ‚Rattenfänger‘ für die Postmoderne“ sei.<ref>Hans-Ulrich Wehler: ''Die Herausforderung der Kulturgeschichte''. München 1998, S. 91.</ref>
* Der Politikwissenschaftler Urs Marti, der 1999 ein Buch über Foucault veröffentlichte, meint, Foucault habe in Anlehnung an [[Friedrich Nietzsche]] einen anarchistischen [[Nihilismus]] vertreten.<ref>Urs Marti: ''Michel Foucault''. 2. Auflage, Bremen 1999, S. 149f.</ref> Er würdigt aber die „befreienden Impulse“, die von seinem Werk ausgegangen seien, insbesondere seine „archäologisch-genealogischen“ Analysen der Humanwissenschaften und der Aspekte des Regierens.<ref name="Marti130">Urs Marti: ''Michel Foucault''. 2. Auflage, Bremen 1999, S. 130 und 165.</ref> Er sei kein Vertreter der Gegenaufklärung, sondern habe es für absurd gehalten, in der [[Aufklärung]] eine Ursache des [[Totalitarismus]] zu sehen.<ref name="Marti130" />
* [[Klaus Dörner]] attestierte Foucault in ''Bürger und Irre'' 1969 eine beschränkende Wirklichkeitsstrukturierung. Es sei außerdem unzulässig, alle von der Aufklärung unternommenen Anstrengungen als ideologisch zu verwerfen, da dadurch keinerlei gesellschaftlich verändernde Praxis mehr entwickelt werden könne. Ähnlich argumentierte [[Sartre]], als er Foucault ein fatalistisches Geschichtsbild vorwarf, das politische Praxis unmöglich mache.<ref>Ingeborg Breuer, Peter Leusch, Dieter Mersch: Welten im Kopf. Profile der Gegenwartsphilosophie. Rotbuch Verlag, Hamburg 1996, S. 114</ref>
* Foucault wurde auch ein allzu selektiver Umgang mit historischen Daten vorgeworfen, der es ihm erst ermögliche, seine Periodisierungen vorzunehmen.<ref>Urs Marti: Michel Foucault. Beck, München 1999, S. 23</ref>
* [[Michel de Certeau]] hat Foucaults Theorien in zahlreichen Schriften aufgegriffen und sowohl kritisiert als auch weiterentwickelt. Insbesondere in [[Die Kunst des Handelns]] setzt er Foucaults Überwachungs-Konzept einen Fokus auf Alltagspraxis als kreativen Spielraum entgegen, worin sich eine Form von Freiheit formiere, die der soziologischen Forschung genauso wie den Kontrollmechanismen und Überwachern verborgen bliebe.<ref>Certeau, Michel De. Kunst des Handelns. Berlin: Merve Verlag, 1988.</ref>
* Der Soziologe [[Daniel Zamora]] warf Foucault vor, er habe mit seiner Kritik an Ausgrenzungsmechanismen des Wohlfahrtsstaats dem [[Neoliberalismus]] Stichworte geliefert.<ref>[http://www.revue-ballast.fr/peut-on-critiquer-foucault/ ''Peut-on critiquer Foucault''], Interview mit Daniel Zamora, Ballast, 3. Dezember 2014 (französisch)</ref><ref>[http://eu.wiley.com/WileyCDA/WileyTitle/productCd-1509501770.html ''Foucault and Neoliberalism''], Daniel Zamora, Michael C. Behrent, [[John Wiley & Sons]], Hoboken 2016, ISBN 978-1-5095-0177-9. Buchvorstellung auf der Seite von Wiley&Sons</ref> Er habe ausschließlich die Ausgrenzung im Blick gehabt, die Ausbeutung als deren Grundlage aber vernachlässigt<sub>;</sub> ferner habe er den Wohlfahrtsstaat als zu teuer bezeichnet.<ref>[http://www.zfmedienwissenschaft.de/online/review-zamoras-%C2%ABcritiquer-foucault%C2%BB ''Review of Zamora’s «Critiquer Foucault»''], Jan Teurlings, Zeitschrift für Medienwissenschaft, [[Diaphanes]]-Verlag, 29. Juli 2015; [https://pure.uva.nl/ws/files/2594277/171521_Zeitschrift_f_r_Medienwissenschaft_Jan_Teurlings_Review_of_Zamora_s_Critiqu.pdf PDF], Rezension von: Critiquer Foucault: Les Années 1980 et la tentation néolibérale.
Von Loic Wacquant, Jan Rehmann, Michael Scott Christofferson, Michael C. Behrent, Jean-Loup Amselle, Daniel Zamora, Brüssel 2014, ISBN 978-2-8059-2067-7</ref> Damit habe er zu dessen Zerstörung aktiv beigetragen und gleichzeitig die Unfähigkeit der Linken zur Opposition dagegen mitverursacht. Foucaults Verteidiger werfen Zamora eine ahistorische, oberflächliche und ideologische Lesart seiner Schriften vor.<ref>[https://lareviewofbooks.org/article/searching-foucault-age-inequality/ ''Searching for Foucault in an Age of Inequality''], Daniel Steinmetz-Jenkins, Alexander Arnold, Los Angeles Review of Books, 18. März 2015</ref>


{{Zitat|[G]eistig Behinderte‘ werden oft nicht ernst genommen. Man redet mit ihnen dann wie mit Kindern. Oder man redet gar nicht mit ihnen selbst. Oft werden nur ihre Begleiter angesprochen. Die Leute von der Selbsthilfeorganisation ‚Mensch zuerst (People First)‘ sagen: Die Bezeichnung ‚Menschen mit Lernschwierigkeiten‘ ist besser. Das finden wir auch.|Verein berlin inklusion e.V.<ref>[http://www.berlin-inklusion.de/inklusion/inklusion01.html]</ref>}}
== Schriften ==
=== Einzelne Veröffentlichungen Foucaults (Auswahl) ===
* ''Maladie mentale et personnalité.'' Presses universitaires de France, Paris 1954; ab 2. Auflage 1962: ''Maladie mentale et psychologie''.
** ''Psychologie und Geisteskrankheit.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1968.
* ''Histoire de la folie à l’âge classique: Folie et déraison.'' Plon, Paris 1961.
** ''Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1969.
* ''Naissance de la clinique: Une archéologie du regard médical.'' Presses universitaires de France, Paris 1963.
** ''Die Geburt der Klinik: Eine Archäologie des ärztlichen Blicks.'' Hanser, München 1973.
* ''Les mots et les choses: Une archéologie des sciences humaines.'' Gallimard, Paris 1966.
** ''[[Die Ordnung der Dinge|Die Ordnung der Dinge: Eine Archäologie der Humanwissenschaften.]]'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1971.
* ''La pensée du dehors.'' In: ''Critique.'' Revue: 1966, S. 523–546.
* ''Ceci n’est pas une pipe.'' In: ''Les cahiers du chemin.'' 1968, H. 2, S. 79–105.
**''Dies ist keine Pfeife''. Mit einem Nachwort von [[Walter Seitter]], Hanser, München 1974; Ullstein, Frankfurt/M. 1989; Hanser, München/Wien 1997, ISBN 3-446-18904-1
* ''L’archéologie du savoir.'' Gallimard, Paris 1969.
** ''Archäologie des Wissens.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1973.
* ''L’ordre du discours: Leçon inaugurale au Collège de France prononcée le 2 décembre 1970.'' Gallimard, Paris 1972.
** ''[[Die Ordnung des Diskurses]]: Inauguralvorlesung am Collège de France, 2. Dezember 1970.'' Hanser, München 1974.
* ''Von der Subversion des Wissens.'' Hanser, München 1974 (vereinigt Dokumente zu Foucaults Bildungsweg bis zum Ende der sechziger Jahre und zu seiner nach dem Pariser Mai vollzogenen Wende zu Politik).
* ''Schriften zur Literatur'' Nymphenburger, München 1974.
* ''Surveiller et punir: Naissance de la prison.'' Gallimard, Paris 1975.
** ''[[Überwachen und Strafen|Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses.]]'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1976.
* ''Histoire de la sexualité'' / ''Sexualität und Wahrheit'':
** Bd. 1: ''La volonté de savoir.'' Gallimard, Paris 1976
*** ''Der Wille zum Wissen.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983.
** Bd. 2: ''L’usage des plaisirs.'' Gallimard, Paris 1984.
*** ''Der Gebrauch der Lüste.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986.
** Bd. 3: ''Le souci de soi.'' Gallimard, Paris 1984.
*** ''Die Sorge um sich.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986.
* ''Mikrophysik der Macht. Über Strafjustiz, Psychiatrie und Medizin.'' Merve, Berlin 1976 (enthält verschiedene Texte und Interviews von Michel Foucault).
* mit [[Gilles Deleuze]]: ''Der Faden ist gerissen.'' Merve, Berlin 1977.
* ''Dispositive der Macht. Michel Foucault über Sexualität, Wissen und Wahrheit.'' Merve, Berlin 1978.
* ''Von der Freundschaft als Lebensweise: Michel Foucault im Gespräch.'' Merve, Berlin 1984.
* ''Vom Licht des Krieges zur Geburt der Geschichte.'' Merve, Berlin 1986 (enthält Vorlesungen vom 21. und 28. Januar 1976 am Collège de France in Paris).
* ''[[Was ist Aufklärung? (Foucault)|Was ist Aufklärung?]]'' In: Eva Erdmann, Rainer Forst, Axel Honneth (Hrsg.): ''Ethos der Moderne. Foucaults Kritik der Aufklärung.'' Campus, Frankfurt am Main/New York 1990, S. 35–54.
* ''[[Was ist Kritik?]]'' Merve, Berlin 1992.
* ''Einleitung zu Ludwig Binswanger: Traum und Existenz''. Mit einem Nachwort von [[Walter Seitter]]. Gachnang & Springer, Bern-Berlin 1992, ISBN 3-906127-31-1
* ''Dumézils Strukturalismus''. In: Tumult 18: Georges Dumézil – Historiker, Seher (Hg. [[Walter Seitter]]). Turia & Kant, Wien 1993, ISBN 3-85132-048-4
* ''La vérité et les formes juridiques.'' 1994.
** ''Die Wahrheit und die juristischen Formen.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003.
* ''Diskurs und Wahrheit: Die Problematisierung der Parrhesia. 6 Vorlesungen, gehalten im Herbst 1983 an der Universität von Berkeley/Kalifornia.'' Merve, Berlin 1996.
* mit [[Walter Seitter]]: ''Das Spektrum der Genealogie'', Philo, Bodenheim 1996, ISBN 3-8257-0025-9
* ''Die Malerei von Manet.'' Merve, Berlin 1999.
* ''Der anthropologische Zirkel.'' Merve, Berlin 2003.
* ''Analytik der Macht.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 2005.
* ''Kritik des Regierens. Schriften zur Politik.'' Ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von [[Ulrich Bröckling]]. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009.


Der Begriff „Menschen mit Lernschwierigkeiten“ hat auch Eingang in wissenschaftliche Studien gefunden.
=== Vorlesungen am Collège de France ===
* ''La Volonté de savoir'' (1970–1971) – (''Über den Willen zum Wissen.'' Aus dem Französischen von Michael Bischoff. Berlin 2012).
* ''Théories et institutions pénales'' (1971–1972)
* ''La Société punitive'' (1972–1973) – (''Die Strafgesellschaft.'' Aus dem Französischen von Andrea Hemminger. Berlin 2015).
* ''Le Pouvoir psychiatrique'' (1973–1974) – (''Die Macht der Psychiatrie.'' Aus dem Französischen von Claudia Brede-Konersmann und Jürgen Schröder. Frankfurt a. M. 2005).
* ''Les Anormaux'' (1974–1975) – (''Die Anormalen.'' Aus dem Französischen von Michaela Ott, Frankfurt a. M. 2003).
* ''Il faut défendre la société'' (1975–1976) – (''[[In Verteidigung der Gesellschaft]]''. Aus dem Französischen von Michaela Ott. Frankfurt a. M. 1999).
* ''Sécurité, territoire et population'' (1977–1978) – (''Geschichte der Gouvernementalität I: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung. ''Aus dem Französischen von Claudia Brede-Konersmann und Jürgen Schröder. Frankfurt a. M. 2004).
* ''Naissance de la biopolitique'' (1978–1979) – (''Geschichte der Gouvernementalität II: Die Geburt der Biopolitik. '' Aus dem Französischen von Jürgen Schröder. Frankfurt a. M. 2004).
* ''Du Gouvernement des vivants'' (1979–1980) – (''Die Regierung der Lebenden'', aus dem Französischen von Andrea Hemminger. Suhrkamp, Berlin 2013).<ref>''Die Macht allein macht es auch nicht''. Rezension von Cord Riechelmann in [[Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung]] vom 13. Juli 2014, Seite 40</ref>
* ''Subjectivité et vérité'' (1980–1981) – (''Subjektivität und Wahrheit'', aus dem Französischen von Andrea Hemminger. Suhrkamp, Berlin 2016).
* ''L’Herméneutique du sujet'' (1981–1982) – (''Hermeneutik des Subjekts. ''Aus dem Französischen von Ulrike Bokelmann. Frankfurt a. M. 2009.)
* ''Le Gouvernement de soi et des autres'' (1982–1983) – (''Die Regierung des Selbst und der anderen.'' Aus dem Französischen von Jürgen Schröder. Frankfurt am Main 2009).
* ''Le Gouvernement de soi et des autres: le courage de la vérité'' (1983–1984) – (''Der Mut zur Wahrheit. Die Regierung des Selbst und der anderen II.'' Aus dem Französischen von Jürgen Schröder. Frankfurt a. M. 2010).


Einige Ortsverbände der [[Lebenshilfe Deutschland|Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung]] haben, aufgrund ihrer Öffnung für andere Behindertenrichtungen, den Begriff „geistige“ aus ihrem Namen gestrichen, während andere bei der alten Bezeichnung geblieben sind. In einer von der Bundesvereinigung Lebenshilfe herausgebrachten Informationsbroschüre<ref>''Gemeinsam kommen wir weiter - Lebenshilfe auf dem Weg in die Zukunft''. Dezember 2005.</ref> wird bereits eingeräumt, dass {{"|geistige Behinderung … vielleicht kein Wort für die Zukunft}} sei und man es nur so lange weiter verwende, bis ein besserer Begriff gefunden wird.
[Anmerkung: Im Jahr 1976/77 hatte Foucault ein Forschungsfreisemester und hat deshalb keine Vorlesung gehalten.]


Die ''Lebenshilfe Österreich'' hat sich bereits dazu entschlossen, sich auf Bundesebene nunmehr „Lebenshilfe für Menschen mit Behinderung“ zu nennen und auf das „geistiger“ vollständig zu verzichten. Momentan wird über Alternativen nachgedacht; es soll {{"|eine neue Definition und eine Klassifikation gefunden werden, die auf der Beschreibung von [[kognitiv]]en Fähigkeiten}} basiert.<ref>''Lebenshilfe-Zeitung'', 12/2005, S. 10.</ref> Auch andere Selbsthilfeorganisation halten den Kompromiss für akzeptabel, den Begriff „Behinderung“ (ohne Attribut) beizubehalten, zumal er ein Schlüsselbegriff des deutschen Sozialrechts sei, ohne dessen Benutzung man keine brauchbaren Aussagen über die Rechtslage machen könne.<ref>berliner STARThilfe e.V.: {{Webarchiv|text=''"Menschen mit Behinderungen" - ein Definitionsversuch'' |url=http://www.berlinerstarthilfe.org/e359/ |wayback=20150928030007 |archiv-bot=2018-04-11 18:06:25 InternetArchiveBot }}</ref>
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Michel Foucault}}
* {{WikipediaDE|Michel Foucault}}
* {{WikipediaDE|Foucault und Recht}}
 
== Literatur ==
=== Biographie ===
* [[Gilles Deleuze]]: ''Foucault.'' Aus dem Französischen übersetzt von Hermann Kocyba. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-518-57830-8.
* [[Didier Eribon]]: ''Michel Foucault. Eine Biographie.'' Aus dem Französischen übersetzt von Hans-Horst Henschen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-518-40335-4.
* [[Didier Eribon]]: ''Michel Foucault und seine Zeitgenossen.'' Aus dem Französischen übersetzt von Michael von Killisch-Horn. Boer, München 1998, ISBN 3-924963-82-7.
* [[Michael Fisch]]: ''Michel Foucault – Bibliographie der deutschsprachigen Veröffentlichungen in chronologischer Folge (1954–1988).'' Aisthesis, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89528-677-3.
* [[Michael Fisch]]: ''Werke und Freuden. Michel Foucault – Eine Biographie.'' Transcript, Bielefeld 2011, ISBN 978-3-8376-1900-3 <ref>Besprechung von Philipp Sarasin in der Süddeutschen Zeitung vom 30. Dezember 2011, von Martin Kindtner in ''Sehepunkte'' vom 17. Januar 2012 und von Roman Veressov in der Neuen Zürcher Zeitung vom 25. Januar 2012.</ref>
* [[James Miller (Journalist)|James Miller]]: ''Die Leidenschaft des Michel Foucault.'' Biographie. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Michael Büsges. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1995, ISBN 3-462-02455-8.
* [[Bernhard H. F. Taureck]]: ''Michel Foucault in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten.'' Rowohlt, Reinbek 1997, ISBN 978-3-499-50506-5.
* [[Reiner Keller (Soziologe)|Reiner Keller]]: ''Michel Foucault. (1926–1984).'' – In: Aktuelle Theorien der Soziologie. Hrsg. von [[Dirk Kaesler]]. München: C.H.Beck 2005. ISBN 3-406-52822-8
* [[Paul Veyne]]: ''Foucault. Der Philosoph als Samurai.'' Biographie. Aus dem Französischen von Ursula Blank-Sangmeister. Reclam, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-15-010684-6.


Ein Problem bei dem völligen Verzicht auf das Wortfeld „Behinderung“ im Zusammenhang mit dem Begriff „Menschen mit Lernschwierigkeiten“ besteht darin, dass einer Studie zufolge 20 bis 25 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland von „Lernschwierigkeiten“ betroffen sein sollen.<ref>Andreas Gold: [https://www.uni-goettingen.de/en/prof-dr-a-gold-lernschwierigkeiten---ursache-diagnose-pr%C3%A4vention-und-intervention/488001.html ''Lernschwierigkeiten. Ursachen, Diagnostik und Intervention'']. 13. Juni 2014, S. 7</ref> Die meisten dieser jungen Menschen gelten nicht als behindert. Eigentlich werden von Psychologen „eher temporäre, partielle und leichtere Formen der Lernerschwernis“ als „Lernschwierigkeiten“ bezeichnet.<ref>David Fürst / Magdalena Müller / Debora Fürst: {{Webarchiv|text=''Schule & Behinderung: Lernbehinderung'' |url=http://www.psych.rwth-aachen.de/ifp-zentral/upload/spijkers/lernbehinderung_3nov.pdf |wayback=20160304223519 |archiv-bot=2018-04-11 18:06:25 InternetArchiveBot }}. Institut für Psychologie der Rheinisch-Westfälischen Hochschule Aachen, 10. November 2006</ref> Wenn die Formulierung „Mensch mit Lernschwierigkeiten“ im Sinne von „Mensch zuerst“ zum gängigen Sprachgebrauch wird, versteht z.&nbsp;B. nur derjenige, der weiß, dass Ausbildungsgänge zum [[Fachpraktiker]] in der Regel nicht für Menschen mit geistigen Behinderungen geeignet sind, auf Anhieb, dass mit der Aussage: „Die Ausbildung zum/zur ‚Fachpraktiker/-in Service in sozialen Einrichtungen‘ dauert zwei Jahre und richtet sich an Haupt- und Förderschüler/-innen ab 16 Jahren mit Lernschwierigkeiten“<ref>Malteser Krankenhaus Seliger Gerhard Bonn/Rhein-Sieg: [http://www.malteser-krankenhaus-bonn.de/aktuelles/newsdetails/article/29794.html ''Echte Chance auf dem 1. Arbeitsmarkt. Neue Ausbildung für junge Menschen mit Lernschwierigkeiten auch in Bonn'']</ref> geistig behinderte Schulabsolventen nicht mitgemeint sind. (An anderer Stelle im zitierten Text ist allerdings davon die Rede, dass der Ausbildungsgang „jungen, lernbehinderten [sic!] Menschen eine echte Chance auf dem 1. Arbeitsmarkt ermöglichen“ solle).
=== Einführungen ===
* [[Hubert L. Dreyfus]], [[Paul Rabinow]]: ''Michel Foucault. Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik.'' Weinheim: Beltz 1987, ISBN 3-610-00732-X.
* Hinrich Fink-Eitel: ''Michel Foucault zur Einführung.'' 4. Auflage. Hamburg: Junius 2002, ISBN 3-88506-372-7.
* [[Marvin Chlada]] / Gerd Dembowski (Hrsg.): ''Das Foucaultsche Labyrinth. Eine Einführung.'' Aschaffenburg: Alibri 2002, ISBN 3-932710-32-0.
* [[Petra Gehring]]: ''Foucault – Die Philosophie im Archiv.'' Frankfurt a.&nbsp;M.: Campus 2004, ISBN 3-593-37393-9.
* [[Achim Geisenhanslüke]]: ''Michel Foucault.'' In: [[Matías Martínez]], [[Michael Scheffel]] (Hrsg.): ''Klassiker der modernen Literaturtheorie. Von Sigmund Freud bis Judith Butler'' (= ''Beck’sche Reihe.'' 1822). Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-60829-2, S. 259–279.
* [[Gary Gutting]] (Hrsg.): ''The Cambridge Companion to Foucault.'' Cambridge: Cambridge University Press 2005.
* [[Reiner Keller (Soziologe)|Reiner Keller]]: ''Michel Foucault.'' Konstanz: UVK 2008, ISBN 978-3-89669-549-9.
* Hans Herbert Kögler: ''Michel Foucault.'' Stuttgart: Metzler 2004, ISBN 3-476-12281-6.
* [[Achim Landwehr]]: ''Historische Diskursanalyse.'' Frankfurt am Main: Campus 2008, ISBN 978-3-593-38451-1.
* [[Thomas Lemke (Soziologe)|Thomas Lemke]]: ''Eine Kritik der politischen Vernunft: Foucaults Analyse der modernen Gouvernementalität''. Hamburg: Argument 1997. ISBN 3-88619-251-2
* Reiner Ruffing: ''Michel Foucault.'' Stuttgart: UTB 2008, ISBN 978-3-8252-3000-5.
* Michael Ruoff: ''Foucault-Lexikon. Entwicklung – Kernbegriffe – Zusammenhänge.'' UTB, München 2007, ISBN 978-3-8252-2896-5.
* [[Philipp Sarasin]]: ''Michel Foucault zur Einführung.'' 5. vollständig überarbeitete Auflage. Hamburg: Junius 2013, ISBN 978-3-88506-066-6.
* [[Ulrich Johannes Schneider]]: ''Michel Foucault.'' Darmstadt: Primus und Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2004, ISBN 3-89678-517-6.
* [[Walter Seitter]]: ''Michel Foucault – Von den Geisteswissenschaften zum Denken des Politischen''. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie. Monatszeitschrift der internationalen philosophischen Forschung 38/90, Berlin 1990, {{ISSN|0012-1045}}
* Walter Seitter: ''Michel Foucault – Von der Subversion des Wissens''. Hanser, München 1974, Ullstein Frankfurt 1974, Fischer Frankfurt 1978, ISBN 978-3-446-11864-5


==== Alternativbegriffe „anders Begabte“ und „Menschen mit besonderen Fähigkeiten“ ====
=== Kompendien ===
Zunehmend werden Menschen mit einer geistigen Behinderung von institutioneller Seite als „anders Begabte“ oder als „Menschen mit besonderen Fähigkeiten“ bezeichnet. Diese Bezeichnung ist durchaus ernsthaft gemeint. Anerkannt ist das [[künstler]]ische Schaffen geistig behinderter Menschen, dessen Ergebnisse dem Sammelbegriff ''[[Art brut]]'' zugeordnet werden. Es gibt eine Reihe von Ansätzen, das kreative und künstlerische Potenzial geistig Behinderter gesellschaftlich bewusst zu machen und zu fördern. So ist das Projekt „Spinnst du?“, in dem geistig Behinderte künstlerisch aktiv werden, mit dem „Förderungspreis für Kunst- und Kulturprojekte zur Integration von Menschen mit Behinderung 2006“ der Republik Österreich und mit einem Preis der Unruhe Privatstiftung der „[[SozialMarie|SozialMarie 2008]]“ ausgezeichnet worden.<ref>[http://cm.wvnet.at/wvnet/page.asp/1873.htm cm.wvnet.at]</ref> Diese Begriffe haben sich im Alltagsgebrauch der Mehrheitsbevölkerung allerdings noch nicht durchgesetzt.
* Clemens Kammler, [[Rolf Parr]], [[Ulrich Johannes Schneider]] (Hrsg.): ''Foucault-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung.'' Metzler, Stuttgart, Weimar 2008, ISBN 978-3-476-02192-2.


Allerdings besteht die Gefahr einer Euphemismus-Tretmühle und, dass der Begriff „Menschen mit besonderen Fähigkeiten“ auf herkömmliche Weise interpretiert wird. Mit diesem Begriff werden traditionell eher Hochbegabte und Menschen mit ausgeprägten Spezialtalenten bezeichnet.
=== Einzelne Aspekte ===
* [[Philipp Sarasin]]: ''Darwin und Foucault. Genealogie und Geschichte im Zeichen der Biologie.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009 ISBN 978-3-518-58522-1
* [[Nora Sternfeld]]: ''Das pädagogische Unverhältnis. Lehren und lernen bei [[Rancière]], [[Gramsci]] und Foucault.'' Turia + Kant, Wien 2009 ISBN 978-3-85132-530-0
* [[Dieter Teichert]]: ''Zwischen Wissenschaftskritik und Hermeneutik – Foucaults Humanwissenschaften''. [[Zeitschrift für philosophische Forschung]] Jg. 47, 2, 1993, S. 204–222
* François Caillat: ''Foucault gegen Foucault.'' Übers. Isolde Schmitt. Passagen, Wien 2017


== Länderspezifische Situation ==
=== Rezeption ===
Während ein hoher medizinischer und pädagogischer Standard und ein verbessertes Wissen um Entwicklungsmöglichkeiten es Menschen mit geistiger Behinderung mittlerweile in vielen Ländern ermöglicht, ein gutes und langes Leben zu führen, sieht es in manchen Regionen dahingehend noch sehr schlecht aus. In [[Russland]] beispielsweise wird auch heute noch Eltern eines behinderten Kindes geraten, es in ein Heim zu geben. Durch unzureichende personelle und materielle Ausstattung, [[Mangelernährung]] und wenig Bewegungsfreiheit und so gut wie keine pädagogische Zuwendung, Förderung und Therapie werden viele Entwicklungsschritte nicht erreicht (Laufen und Sprechen). Oftmals versterben die Kinder bereits vor dem Erreichen der Pubertät, da sie medizinisch kaum oder ungenügend behandelt werden. Eine Schulbildung ist wenn überhaupt nur für leicht beeinträchtigte Kinder und Jugendliche vorgesehen und Arbeitsmöglichkeiten für erwachsene Menschen mit Behinderung sind nur sporadisch vorhanden.<ref>[http://www.iwanuschka.de/infomaterialien/die-situation-behinderter-kinder-und-die-entwicklung-der-heilpaedagogik-in-russland/ iwanuschka.de]</ref>
* Michael C. Behrent, Daniel Zamora: ''Foucault and Neoliberalism''. John Wiley & Sons, Inc., 2015, ISBN 978-1-5095-0177-9
* Arnold Davidson (Hrsg.): ''Foucault and His Interlocutors.'' University of Chicago Press, Chicago 1997. Beiträge von [[Noam Chomsky]], [[Georges Canguilhem]], [[Gilles Deleuze]], [[Jacques Derrida]], [[Pierre Hadot]], [[Michel Serres]], [[Paul Veyne]].
* [[Axel Honneth]], Martin Saar (Hrsg.): ''Michel Foucault. Zwischenbilanz einer Rezeption: Frankfurter Foucault-Konferenz 2001.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003.
* David Hoy (Hrsg.): ''Foucault. A Critical Reader.'' Blackwell, Oxford 1986. Beiträge u.&nbsp;a. von [[Michael Walzer]], [[Charles Taylor (Philosoph)|Charles Taylor]], [[Jürgen Habermas]], [[Ian Hacking]], [[Richard Rorty]], [[Hubert L. Dreyfus]], [[Paul Rabinow]].
* Bo Isenberg: ''Die kritischen Bemerkungen von Jürgen Habermas zu Michel Foucault.'' In: ''Deutsche Zeitschrift für Philosophie.'' 39. Jg., Heft 12, S. 1386–1399.
* Marc Rölli: ''Kritik der anthropologischen Vernunft.'' Matthes & Seitz, Berlin 2011, ISBN 978-3-88221-539-7.
* [[Wilhelm Schmid (Philosoph)|Wilhelm Schmid]]: ''Auf der Suche nach einer neuen Lebenskunst – Die Frage nach dem Grund und die Neubegründung der Ethik bei Foucault'', Suhrkamp st1487, Frankfurt/M. (3. Aufl.) 2008, ISBN 978-3-518-29087-3.
* Karsten Schubert: ''Freiheit als Kritik. Sozialphilosophie nach Foucault.'' transcript, Bielefeld 2018, ISBN 978-3-8376-4317-6, zugl. Dissertation, Universität Leipzig, 2017.
* Gerhard Unterthurner: ''Foucaults Archäologie und Kritik der Erfahrung.'' Turia + Kant, Wien 2007, ISBN 978-3-85132-443-3.


== Kinder- und Jugendliteratur ==
== Weblinks ==
* Rachna Gilmore: ''Eine Freundin wie Zilla''. Klopp, München 1997, ISBN 3-7817-0660-5.
* {{DNB-Portal|11853453X}}
* Karin Jaeckel: ''Mitleid? Nein danke!'' 1990, für Jugendalter.
* {{DDB|Person|11853453X}}
* Elizabeth Laird: ''Ben lacht''. 1999, ab 14 Jahre.
* {{SUDOC|026870290}}
* Grete Randsborg-Jenseg: ''Lieber Niemand''. 1997, ab 14 Jahre.
* Inge Obermayer: ''Georgie''. Ueberreuter, Wien 1989, ISBN 3-8000-2305-9.
* Renate Welsh: ''Drachenflügel''. dtv, München 1992.
* Sarah Weeks: ''So B. It''. Hanser, München 2005, ISBN 3-446-20643-4.


== Siehe auch ==
'''Primärliteratur'''
* {{WikipediaDE|Geistige Behinderung}}
{{Wikiquote}}
{{Commonscat}}
* [http://www.lib.berkeley.edu/MRC/audiofiles.html#foucault Michel Foucault: The Culture of the Self]&nbsp;– Vorträge von Michel Foucault am Berkeley Language Center (12./13. April 1983) anhören (englisch)
* [https://foucault.info/ Werke] und weitere Materialien (engl.)


== Literatur ==
'''Sekundärliteratur'''
* A. Dosen: ''Psychische Störungen bei geistig behinderten Menschen.'' Gustav Fischer Verlag, 1997.
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/foucault/|Michel Foucault|Gary Gutting}}
* Georg Feuser: ''Geistigbehinderte gibt es nicht! Projektionen und Artefakte in der Geistigbehindertenpädagogik.'' In: ''Geistige Behinderung.'' 1/1996, S. 18–25.
* {{IEP|http://www.iep.utm.edu/foucault/|Michel Foucault (1926–1984)|Mark Kelly}}
* Albert Lingg, Georg Theunissen: ''Psychische Störung bei geistig Behinderten''. Freiburg im Breisgau 1993.
* Clare O'Farrell: [http://www.foucault.qut.edu.au/ Materialien] inklusive umfangreicher Bibliographie (engl.)
* Otto Speck: ''System Heilpädagogik. Eine ökologisch reflexive Grundlegung.'' München/ Basel 1998.
* Marc-Christian Jäger: [http://www.die-grenze.com/foucault_webkatalog/ Die-Grenze.com]&nbsp;– Linkverzeichnis zu deutsch- und englischsprachigen Artikeln von und über Michel Foucault
* Erhard Fischer (Hrsg.): ''Pädagogik für Menschen mit geistiger Behinderung. Sichtweisen Theorien – aktuelle Herausforderungen.'' Oberhausen 2003.
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== Weblinks ==
'''Blogs'''
* [http://www.kindergesundheit-info.de/index.php?id=7635 Verzögerungen in der Entwicklung und Behinderung] – kindergesundheit-info.de: unabhängiges Informationsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
* [http://www.fsw.uzh.ch/foucaultblog/ Foucault-Blog] an der [[Universität Zürich]]
* [http://www.sonderpaedagoge.de/geschichte/deutschland/gb/index.htm Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Pädagogik bei geistiger Behinderung in Deutschland]
* [http://www.lebenshilfe.de/ Webpräsenz der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e. V.]
* [http://bidok.uibk.ac.at/library/q?subjects=1 bidok: Digitale Volltextbibliothek zu Behinderten- und Integrationspädagogik]
* [http://www.georg-feuser.com/conpresso/_rubric/index.php?rubric=Downloads Prof. Dr. Georg Feuser: Verschiedene Texte zum Download]
* [http://bidok.uibk.ac.at/library/grill-soziogene-dipl.html Arbeit zur Diagnose(erstellung) „Geistige Behinderung“]
* [http://www.angela-moll.com/informationen-ueber-die-autorin-und-das-buch Sexualität und geistige Behinderung – behinderte Sexualität?]
* [http://www.termine-meduniwien.at/mediafiles/34/Barrierefreie_Unis-Carpenter-European_Manifest_German.pdf Europäisches Manifest „Minimale Bedingungen für die Gesundheitsfürsorge von Menschen mit geistiger Behinderung“]


== Einzelnachweise ==
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<references />
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Version vom 24. Juli 2018, 14:25 Uhr

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Michel Foucault

Paul-Michel Foucault [miˈʃɛl fuˈko] (15. Oktober 1926 in Poitiers – 25. Juni 1984 in Paris) war ein französischer Philosoph des Poststrukturalismus, Psychologe, Soziologe und gilt als Begründer der Diskursanalyse.

Leben

Kindheit, Schulzeit und Studium

Foucault war das zweite Kind von Paul-André Foucault, Chirurg und Universitätsprofessor der Anatomie, und Anne-Marie Foucault, geborene Malapert. Aus Opposition zum Vater durchbrach er die Tradition, Mediziner zu werden. Er fasste den Entschluss, Geschichte zu studieren. Nach seiner Schulzeit in Poitiers begann er 1946, Philosophie und Psychologie an der elitären École normale supérieure in Paris zu studieren. Sein Philosophielehrer wurde Louis Althusser. Ab 1947 besuchte er Veranstaltungen bei Maurice Merleau-Ponty. 1949 erwarb er einen Abschluss in Psychologie an der Sorbonne.[1] 1951 bestand er die Zulassungsprüfung in Philosophie für Hochschulen und wurde noch im gleichen Jahr Nachfolger von Merleau-Ponty. An seinen Vorlesungen nahmen Paul Veyne, Jacques Derrida und Gérard Genette teil.

Parallel dazu machte er Praktika im Krankenhaus Sainte-Anne und im Gefängnis Fresnes. Er lernte elektroenzephalographische Experimente durchzuführen und erwarb so 1952/53 eine psychiatrische Zusatzausbildung mit diplomiertem Abschluss. 1950 wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs. Foucault nahm an Vorlesungen von Jacques Lacan teil und las Heidegger, Marx, Freud und Nietzsche. 1954 veröffentlichte er die Übersetzung von Traum und Existenz von Ludwig Binswanger und gleichzeitig seine erste eigene Schrift Psychologie und Geisteskrankheit (Maladie mentale et personnalité). Konflikte mit Parteigenossen und eine beginnende Freundschaft mit Georges Dumézil – der bereits in Schweden arbeitete – veranlassten ihn, die Kommunistische Partei und Frankreich zu verlassen. 1954 übernahm er in Uppsala (Schweden) ein Lektorat für Romanistik.

Ab 1955: Die ersten Tätigkeiten und Veröffentlichungen

Darauf folgten Auslandsaufenthalte in Warschau (als Direktor des centre français) und Hamburg (1959/60 als Leiter des Institut Français). Ab 1960 war er Privatdozent für Psychologie an der Universität Clermont-Ferrand. Seine Dissertation erschien 1961 unter dem Titel Folie et déraison. Histoire de la folie à l'âge classique (dt. Wahnsinn und Gesellschaft). Er thematisierte darin die Geschichte des Wahnsinns und das Zustandekommen einer Abgrenzung von geistiger Gesundheit und Krankheit und die damit einhergehenden sozialen Mechanismen. Foucaults Doktorvater war Georges Canguilhem.[2]

1962 wurde Foucault auf eine Professur in Clermont-Ferrand berufen; dort lernte er seinen späteren Lebensgefährten Daniel Defert[3] kennen, mit dem er bis zu seinem Tod eine offene Beziehung führte.

1963 wurde Foucault zusammen mit Roland Barthes und Michel Deguy Redaktionsmitglied der Zeitschrift Critique. Außerdem nahm er enge Kontakte zur literaturkritischen Bewegung Tel Quel auf, mit deren Absichten er sich weitgehend identifizierte.

1966 übernahm Foucault eine Lehrtätigkeit an der Universität von Tunis. Mit Les mots et les choses (dt. Die Ordnung der Dinge) 1966 erzielte er seinen ersten großen Erfolg. In seiner folgenden Arbeit L'archéologie du savoir (dt. Archäologie des Wissens) 1969 reflektierte er systematisch die Methodik dieses Werkes.

1968 kehrte Foucault nach Frankreich zurück und wurde Dozent und Leiter der Abteilung für Philosophie an der neugegründeten Reform-Universität Paris VIII in Vincennes, die aus der 68er-Bewegung hervorgegangen war.

1969 hielt Foucault am Collège de France den Vortrag Was ist ein Autor?, der einen wichtigen Beitrag zur Debatte um die Rolle des Autors in der modernen Literatur leistete (siehe Tod des Autors).

Ab 1970: Professur am Collège de France

1970 wurde er auf den Lehrstuhl Geschichte der Denksysteme am Collège de France berufen, den er bis zu seinem Tod durch AIDS 1984 hielt. Wie am Collège üblich, definierte er seinen Arbeitsbereich neu. In seiner Antrittsvorlesung L’ordre du discours (dt. Die Ordnung des Diskurses) formulierte er ein Forschungsprogramm, dessen Diskursbegriff einen Übergang zwischen der Archäologie des Wissens und den späteren machtanalytischen Arbeiten markiert. Er engagierte sich in der Öffentlichkeit für die Rechte von Gefangenen. 1975 erschien sein Buch Surveiller et punir. La naissance de la prison (dt. Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses) mit einer Analyse der Entstehung von Disziplinartechniken und Machtpraktiken in der Neuzeit.[4]

Stein zur Erinnerung an Michel Foucault, geschaffen von dem Künstler Tom Fecht

Ab 1976: Der Wille zum Wissen

1976 veröffentlichte er den ersten Teil – La volonté de savoir (dt. Der Wille zum Wissen) – seines letzten umfassenden Werkes Histoire de la sexualité (dt. Sexualität und Wahrheit). Ab dieser Phase seines Werkes setzte Foucault sich vertieft mit der Beziehung zwischen Macht und Wissen auseinander (siehe auch Wissenssoziologie).[5]

Danach folgte eine längere Pause in der Veröffentlichungstätigkeit, in der er in seinen Forschungen immer weiter in der Geschichte zurückging. Die Frage nach dem Begehren des Menschen weicht der Erörterung der Generierung des Menschen des Begehrens oder des begehrenden Menschen.

Erst 1983 erschienen die Bände zwei und drei von ‚Sexualität und Wahrheit‘: L’usage des plaisirs (dt. Der Gebrauch der Lüste) und Le souci de soi (dt. Die Sorge um sich), in denen er untersuchte, wie das Sexualverhalten vom klassischen griechischen Denken als Bereich moralischen Ermessens und moralischer Wahl geprägt worden ist.

Der vierte und letzte Band Les aveux de la chair (dt. Die Geständnisse des Fleisches) lag zu diesem Zeitpunkt in bereits weitgehend redigierter Form vor. In diesem Band wird die Rolle untersucht, die die Hermeneutik und die reinigende Enträtselung der Begierde – in den ersten Jahrhunderten des Christentums – bei der Konstitution sexueller Erfahrung spielten. Der Text wurde von den Erben aufgrund Foucaults quasi-testamentarisch geäußerten Wunsches, „keine posthumen Veröffentlichungen“ zu erlauben, bis zum Jahr 2018[6] nicht zur Veröffentlichung freigegeben.

Überblick

Foucault untersuchte, wie Wissen entsteht und Geltung erlangt, wie Macht ausgeübt wird und wie Subjekte konstituiert und diszipliniert werden. Bekannt ist Foucault auch für die Einführung neuer Begriffe wie Dispositiv, Bio-Macht, Panoptismus und Gouvernementalität oder die Präzisierung und terminologische Verwendung von Ausdrücken wie Macht, Wissen, Diskurs oder Archiv. Seine Analysen richteten sich auf die „Geschichte der Gegenwart“, „Ethnologie unserer Kultur“ und die geschichtliche Entwicklung von „Wahrheitsspielen“. Konkret untersuchte er unter anderem die Geschichte des Begriffs Wahnsinn und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Praktiken, insbesondere des Ausschlusses; ferner den Begriff der Krankheit und die Entwicklung medizinischer Techniken, die Entstehung der Humanwissenschaften und ihrer Grundbegriffe, die Institutionen des Gefängnisses und der Bestrafungsverfahren und die Anheizung der Rede über Sexualität.

Foucault äußerte sich auch zu grenzüberschreitenden Formen der Literatur, insbesondere bezüglich Stéphane Mallarmé, Georges Bataille, Maurice Blanchot, Raymond Roussel, Jean-Pierre Brisset und Marquis de Sade.

Er beschäftigte sich außerdem mit den Möglichkeiten politischer Intervention und der Möglichkeit des Selbstentwurfs von Subjekten, vor allem beim „Gebrauch der Lüste“.

Darstellung im Einzelnen

Grundbegriffe

In der Durchführung und späteren methodologischen Erläuterung seiner Analysen entwickelte bzw. prägte Foucault zentrale Begriffe, die er teils als „Werkzeuge“ bezeichnete: Archäologie und Genealogie, Diskontinuität/Ereignis, Erfahrung, Sagbares, Diskurs, Macht/Wissen, Episteme, Subjektkonstituierungen, Disziplinarmacht, „Systeme von Normalitätsgraden“, Gouvernementalität, Dispositiv, Bio-Politik/Bio-Macht, Technologien des Selbst, Sexualitätsdispositiv, Pastoralmacht, Submacht.

Erweiterung des herkömmlichen Machtbegriffs

Foucault wandte sich Anfang der 1970er Jahre dem Thema gesellschaftlicher Machtverhältnisse zu und erweiterte den herkömmlichen Machtbegriff, der aus seiner Sicht zu sehr an einer moralischen, d. h. juridischen Sichtweise und auf die Frage der Disziplin hin orientiert sei. Vielmehr lasse sich Macht als „produktives Vermögen“ von und als Kräfteverhältnis zwischen Menschen verstehen.

Eine solche Sichtweise fragte nicht mehr nach der moralischen und rechtlichen Legitimität von Machtausübung durch souveräne Subjekte, wie mächtigen Personen oder dem Staat, die sich dazu Zwangsmaßnahmen bedienen. Stattdessen wurde das Handeln jedes Einzelnen Gegenstand der Untersuchung. Foucault kam zu dem Ergebnis, dass Subjekte Macht mit bestimmten Praktiken (wie z. B. einer Strafpraxis) innerhalb von Diskursen ausübten. Er thematisierte also die Art und Weise von Handeln statt die Ursachen von Macht.[7]

Zusammenfassend bezeichnete er mit dem Begriff Macht daher:

„[E]in Ensemble von Handlungen, die sich auf mögliches Handeln richten, und sie operiert in einem Feld von Möglichkeiten für das Verhalten handelnder Subjekte. Sie bietet Anreize, verleitet, verführt, erleichtert oder erschwert, sie erweitert Handlungsmöglichkeiten oder schränkt sie ein, sie erhöht oder senkt Wahrscheinlichkeit von Handlungen, und im Grenzfall erzwingt oder verhindert sie Handlungen, aber stets richtet sie sich auf handelnde Subjekte, insofern sie handeln oder handeln können. Sie ist auf Handeln gerichtetes Handeln.“[8]

Macht und Wissen

In seiner ‚archäologischen Phase‘ hatte Foucault Wissen „als Effekt der Regelstrukturen von Diskursen“ bezeichnet. Diese Vorstellung von Wissen „als […] Abbild einer tatsächlichen Realität oder als kritischer Maßstab und Korrektiv zur Anklage von Herrschaft“ wurde so zum „Werkzeug“ eines bestimmten politischen Handelns.

Er veränderte seine Sicht seit der ‚genealogischen Phase‘ mit der Veröffentlichung von Überwachen und Strafen, 1975. Inzwischen hielt er Macht für ein subjektives Vermögen, welches das intersubjektive Verhältnis in Diskursen bestimmte. So fügte sich Wissen nun als Bestandteil ein, d. h. es gehörte zu den Strukturen des Diskurses. Daher beschrieb er Wissen nun als „unumgänglich kontingentes Ergebnis von Kräfteverhältnissen und in sich selbst machthaltiger Zugriff auf die Welt.“ [9]

Macht bringe Wissen hervor und jede Machtbeziehung lasse ein ‚Wissensfeld‘ entstehen und umgekehrt jedes Wissen setze Machtbeziehungen voraus und schaffe Machtbeziehungen. Für die Untersuchung dieser Beziehungen sei zu berücksichtigen, dass sie den Gegenstand von der Position innerhalb dieser Beziehungen betrachte.

„das erkennende Subjekt, das zu erkennende Objekt und die Erkenntnisweisen (bilden) jeweils Effekte jener fundamentalen Macht/Wissen-Komplexe und ihrer historischen Transformationen“[10]

Diskurs und Diskursanalyse

Foucault hat den Begriff Diskurs, der sich durch seine Publikationen zieht, entscheidend geprägt. Sein methodisches Konzept einer „Diskursanalyse“ blieb aber vage bzw. veränderte sich mit der Zeit.

Gouvernementalität

Den Begriff der Gouvernementalität führt Foucault während seiner Vorlesung am Collège de France im Studienjahr 1977–1978 ein. Er beschreibt damit einen Machttypus, der eng mit dem Begriff der Regierung verknüpft ist. Dieser wird als Komplex von Diskursen und Praktiken/Verfahrensweisen beschrieben. Zum anderen bezeichnet Gouvernementalität das Ergebnis eines historischen Prozesses.[11]

Foucault geht davon aus, dass sich das Regieren mit der Herausbildung moderner Nationalstaaten verändert. Es kommt zu einer Verbindung der christlich-religiösen Machttechnik des Pastorats mit politischen Machttechniken. Während erstere am Seelenheil Einzelner interessiert ist, zielen letztere auf eine Optimierung der gesellschaftlichen Organisation. Modernes Regieren verknüpft die Führung und Selbstführung Einzelner mit der Herrschaft über die Bevölkerung eines Staates (Bio-Macht), so dass es von Foucault auch als „Führung von Führungen“ bezeichnet wird.[12] Beispielhaft hierfür untersucht Foucault die neoliberale' Gouvernementalität.

Die Analyse der Gouvernementalität ersetzt bei Foucault eine Staatstheorie, da er den Staat nicht als eigenständiges Phänomen, sondern als Produkt historisch gewachsener, spezifischer Machtverhältnisse ansieht.

An das Konzept der Gouvernementalität knüpft die Forschungsrichtung der governmentality studies an.

Einflüsse anderer Philosophen

Als maßgeblich für Foucault gelten Kant, Hegel, Marx, Nietzsche, Heidegger und Althusser, wobei Foucault sich mit Hegel und Marx kritisch auseinandersetzte und sich von ihnen abgrenzte.[13]

Werke

Wahnsinn und Gesellschaft

Wahnsinn und Gesellschaft: Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft (Folie et déraison) erschien 1961 – Foucaults erstes größeres Buch, das er während seiner Zeit in Schweden schrieb. Es betrachtet die Art, wie das Konzept des Wahnsinns sich im Laufe der Geschichte veränderte.

Foucault thematisierte die Mechanismen der Aussonderung von „Anderem“ durch aufgeklärt-rationale Gesellschaften. Der Wahnsinn als das „Andere der Vernunft“ werde von dieser ausgegrenzt und zum Schweigen gebracht und komplexen Prozeduren rationaler Kontrolle und Disziplinierung ausgesetzt. Die abendländische-neuzeitliche Rationalität habe dabei ausschließende und repressive Funktion. Er beschäftigte sich hierzu im Detail mit der Entwicklung der modernen Klinik und der Geschichte des Gefängnisses. Dabei fand er keine Entwicklung zum Besseren oder ein Anwachsen an Vernünftigkeit, sondern nur einen von Brüchen gekennzeichneten Wandel im Rahmen zeitbedingter, kontingenter Konstrukte.[14]

Eine Kultur definiert sich für Foucault hierbei über das Zurückweisen von außerhalb Liegendem und das Abstecken kultureller Grenzen.[15] Foucault nennt vier Bereiche abendländischer Ausgrenzung: Sexualität, Wahnsinn, den Traum, und den Orient.[16]

Foucault beginnt mit einer Analyse des Mittelalters, als Leprakranke von der Gesellschaft separiert wurden. Später wurden an „Wahnsinn“ Erkrankte zunehmend wie zuvor die Leprakranken behandelt. Eine systematische Ausschließung fände trotzdem erst im Zeitalter der Klassik statt.[17] Im 17. Jahrhundert ging man dazu über, diese einzusperren.[18] Schließlich wurde der Wahnsinn im Rahmen der psychiatrischen Wissenschaft als eine geistige Krankheit definiert.

Foucault beschreibt, wie der Wahnsinnige sich von einem akzeptierten, integrierten Teil der gesellschaftlichen Ordnung zu einer Person entwickelte, die eingeschlossen und ausgeschlossen werde:

„Deshalb kann man sagen, daß Wahnsinn vom Mittelalter bis zur Renaissance innerhalb des gesellschaftlichen Horizonts als ästhetische oder weltliche Tatsache vorhanden war; im siebzehnten Jahrhundert dann folgte eine Phase des Schweigens und des Ausschlusses, die mit der Einsperrung der Wahnsinnigen begann. […] Das zwanzigste Jahrhundert schließlich zügelt den Wahnsinn, reduziert ihn auf eine Naturerscheinung, die zur Wahrheit der Welt in Verbindung steht. Von dieser positivistischen Einstellung leiten sich sowohl die irregeleitete Philanthropie ab, mit der sich die gesamte Psychiatrie dem Geisteskranken nähert, als auch der lyrische Protest dagegen.“[19]

Foucault betrachtet psychiatrische Behandlungsmethoden, besonders von Philippe Pinel und Samuel Tuke. Er behauptet, dass ihre Methoden nicht weniger Kontrolle ausüben als frühere Behandlungsweisen. Der von Tuke propagierte Rückzug auf das Land bestrafe den Wahnsinnigen solange, bis er normales Verhalten erlerne. In ähnlicher Weise funktioniere Pinels Behandlung des Wahnsinnigen durch Aversionstherapie. Ihre Bemühungen zielten weniger auf eine Behandlung der Krankheit als darauf ab, den Kranken mit der gesellschaftlichen Konformität zu versöhnen, in die Arbeitswelt einzugliedern und den herrschenden patriarchalischen Moralvorstellungen zu unterwerfen.[20]

Die Geburt der Klinik

Foucaults zweites größeres Buch Die Geburt der Klinik: Eine Archäologie des ärztlichen Blicks (Naissance de la clinique: une archéologie du regard médical) wurde 1963 veröffentlicht. In Fortsetzung von Wahnsinn und Gesellschaft spürt die Geburt der Klinik der Entwicklung der Medizin und besonders der Institution der Klinik nach, womit hauptsächlich universitäre Lehrkrankenhäuser gemeint sind. Das Konzept des Blicks (frz. regard) hat einige Folgediskussionen ausgelöst; Foucault distanziert sich von ihm in Archäologie des Wissens.

Die Ordnung der Dinge

Foucaults Die Ordnung der Dinge: Eine Archäologie der Humanwissenschaften. (Les Mots et les choses. Une archéologie des sciences humaines) wurde 1966 veröffentlicht. Der deutsche Titel entspricht dem Wunsch Foucaults, der sich für die französische Ausgabe den Titel L'Ordre des Choses wünschte, aber davon auf Wunsch des Herausgebers Pierre Nora absah.

Das Buch beginnt mit einer längeren Besprechung des Bildes Las Meninas von Diego Velázquez und seiner komplexen Anordnung von Sichtlinien, Verborgenem und Sichtbarem. Die Bildbesprechung leitet eine Analyse mehrerer Epochen ein: Der Renaissance, des „klassischen Zeitalters“ (einer in Frankreich üblichen Bezeichnung für die Epoche, die grob den Zeitraum von Mitte des 17. Jahrhunderts bis 1800 umfasst) sowie der Moderne, die Foucault in der Ordnung der Dinge von etwa 1800 bis ins 20. Jahrhundert verfolgt.[21] Über diese Zeitspanne betrachtet Foucault insbesondere die Entstehung bzw. den Wandel von drei Wissensbereichen, die sich in diesem Zeitraum etablieren: die Naturgeschichte (bzw. ab 1800 die Biologie), das Wissen von den Reichtümern (bzw. ab 1800 die Ökonomie), die Grammatik (bzw. ab 1800 die Philologie).

In der synchronen vergleichenden Betrachtung dieser Teilgebiete entdeckt Foucault eine Reihe von Parallelen, für die er den neuen Begriff der episteme prägt. Die episteme sind das historische Apriori des Wissens.[22] Seine Kernthese ist, dass die in einer bestimmten Epoche untersuchten unterschiedlichen Wissensgebiete stärker durch diese epochalen Parallelen beeinflusst seien als durch ihre jeweilige Geschichte.

Neben diesem wissenschaftsgeschichtlichen bzw. epistemologischen Thema, das Foucault auch als archäologisch bezeichnet, gehört das Konzept des Menschen zu den Kernthemen des Buches. Um 1800 wurde mit der Ablösung der Naturgeschichte durch die Biologie, des Wissens von den Reichtümern durch die Ökonomie und der allgemeinen Grammatik durch die Philologie der Mensch zur zentralen Integrationsfigur der Wissenschaften. Foucault spricht in diesem Sinne davon, dass der Mensch vor 1800 nicht existiert habe.[23]

Foucault stellt sich nicht die Frage, ob und inwiefern die Wissenschaft objektiv zu Erkenntnissen gelange:

„Es wird also nicht die Frage in ihrem Fortschritt zu einer Objektivität beschriebener Erkenntnisse behandelt werden, in der unsere heutige Wissenschaft sich […] wiedererkennen könnte.“[24]

Vielmehr bilde Wissenschaft mehr oder weniger stabile diskursive Formationen und begriffliche Koordinaten aus, welche determinieren, was – weiterhin kontingent – jeweils diskutierbar, verstehbar, wahr oder falsch sei. Wissenschaft breche jedoch nicht notwendig mit dem gesammelten Wissen aus früherer Zeit, wenn sie auch durch die Geschichte hindurch ihre Wissensformationen ändere.[24] Foucault diskreditierte damit zum Teil die Idee des kontinuierlichen Fortschritts und stellt ihm einen kontingenten Wechsel formativer Strukturen gegenüber.

„Die evolutive Geschichtlichkeit, die für viele eine Selbstverständlichkeit ist, hängt selbst an einer Funktionsweise der Macht.“

Surveiller et punir

Die Ordnung der Dinge machte Foucault in Frankreich und bald darauf auch international als intellektuelle Figur bekannt.

Archäologie des Wissens

Die 1969 erschienene Studie zur Archäologie des Wissens (L’Archéologie du savoir) ist Foucaults umfangreichste methodologische Publikation. Sie erschien noch vor Foucaults Wahl ins Collège de France und bestimmt die Methode näher, die er in seinen konkreten Studien angewendet hatte.

Sein Vorgehen beschreibt er als Arbeit an „Archiven“ oder als „Archäologie“ von Diskursformationen. Die kulturwissenschaftliche Methodendiskussion spricht üblicherweise von Diskursanalyse.[25]

Foucault sieht die Archäologie des Wissens als ergänzende Alternative zur herkömmlichen Ideengeschichte, die zeitgleich allerdings ähnlich auch von deren vermeintlichen Vertretern kritisiert und reformiert worden ist, etwa durch den Kontextualismus oder die Begriffsgeschichte, sodass ein gewisser Generationeneffekt vermutet worden ist, der sich durch eine posttotalitäre Abgrenzung von naiven Ideenvorstellungen auszeichnet und die Herstellung bzw. Verwendung von vermeintlich neutralen Ideen oder objektiven Wahrheiten kritisch reflektiert.[26] Foucault interessiert sich aber weniger für individuelle Urheber von Ideen („Autoren“). Man kann Foucaults Slogan vom „Tod des Autors“ verbinden mit seiner Metapher vom Tod des durch die Humanwissenschaften hervorgebrachten Begriffs des „Menschen“.[27] In dieser Hinsicht ähnelt Foucaults Vorgehen strukturalistischen Ansätzen in der Psychoanalyse, der Ethnologie und der Linguistik. Allerdings bezieht er eine diachrone (historische) Perspektive mit ein.[28] Foucault sieht sich der Annales-Schule der Historiographie nahe. Deren Interesse für mentalitätsgeschichtliche, demographische und andere Entwicklungen über lange Perioden lässt ebenfalls das individuelle Wirken von Personen weniger hervortreten. Auch Georges Canguilhem und Gaston Bachelard sieht sich Foucault nahe.

Neben Autor, Subjekt und humanwissenschaftlichen Orientierungen werden zahlreiche weitere Begriffe der klassischen Ideengeschichte ausgeklammert, etwa Einfluss, Werk oder Tradition. Deren Anwendbarkeit gingen laut Foucault epochenspezifische „diskursive“ Vorgaben voraus. Während der Ausdruck Diskurs nur Ensembles von sprachlichen oder schriftlichen Äußerungen (diskursive Praktiken) und deren immanente Regeln meint, bildet der Begriff Dispositiv (auf den sich Foucault erst in späteren Vorlesungen und Werken bezieht) die Erweiterung des Diskurses um nicht-diskursive Praktiken, die institutionell oder sozial die Handlungsmöglichkeiten anderer beeinflussen.

Der Machtbegriff Foucaults ist zu diesem Zeitpunkt noch „juridisch-diskursiv“. Sein wesentliches Kennzeichen besteht darin, dass er restriktiv ist. Er verneint, indem er sich des ausgesprochenen Verbots bedient. Diese Vorstellung verändert sich in den folgenden Jahren. Ab Überwachen und Strafen stellt er ihm die strategisch-produktive Vorstellung von Macht gegenüber.[29]

Überwachen und Strafen

Überwachen und Strafen wurde 1975 unter dem Titel Surveiller et punir veröffentlicht. Darin setzt Foucault seine Untersuchungen über die polymorphe Macht, ihre Techniken und Wirkungsweisen v. a. am Beispiel des Gefängnisses fort. Prototypisch hierfür gilt ihm das von Jeremy Bentham entworfene Panoptikum: ein „ideales“ Gefängnis, in dem der Beobachter jeden Zelleninsassen beobachten kann. Foucault arbeitet in diesem Buch die historische Entwicklung von körperlicher und seelischer Gewalt heraus. Mittels Martern wurde bis zum 18. Jh. der Körper grausam zugerichtet und bis zum langsamen Tod hin gequält. Das inszenierte Schauspiel wurde von der Bevölkerung interessiert verfolgt. Später wurde der Mensch zunehmend als Wesen mit einer Seele wahrgenommen, dem eine gewisse Lernfähigkeit zuerkannt wurde. Im körperlosen Strafsystem wurde der Schmerz beseitigt. Die Strafe zielt auf die Zukunft ab und ihre Hauptfunktion dient der Vorbeugung. Die seelische Gewalt dient als Disziplinierungsmaßnahme. Die Strafe wird auf das Delikt abgestimmt. Es besteht die Notwendigkeit zur Individualisierung der Strafe, welche die Umstände und die Intention des Straftäters berücksichtigt. Es erfolgt eine Modulierung des Täters selbst, seiner Natur, seiner Lebens- und Denkweise, seiner Vergangenheit und seines Willens. Die Strafe bringt Entwicklung für den Gewalttätigen. Er lernt in der Einzelhaft durch Reflexion oder durch Arbeit. Das Gefängnis dient zur Verwahrung der Gewalttätigen, die unter Beobachtung stehen. Die soziale Entwurzelung wird als Teil der Strafe berücksichtigt. Die Gesellschaft wird als die Klasse der Herrscher und der Beherrschten definiert. Die Herrscher definieren die Gesetze und somit die Sozialmoral. Ihre Urteilkompetenz beruht auf einer teilweise für die Gesetzlosen nicht verständlichen Sprache. Die Herrscher geben als Leitmotiv vor: „Wer leben will, muss arbeiten“. Die Beherrschten sind Hungernde, die morden, um zu überleben. Durch die Sesshaftigkeit nehmen die Morde ab und Diebstähle und Eigentumsdelikte zu. Die Gewaltverbrecher sind Arbeitsunwillige und Arbeitslose. Der Justiz dient das Strafbuch (1810) als Grundlage und ein Apparat von Aufsehern, Priestern, Psychologen und Psychiatern zur Ausübung von Gewalt. Als Instrument der Strafe dienen Zwangsmaßnahmen und Übungen. Das Individuum wird zum Rechtssubjekt. Durch die Technik des Einzwängens und durch Anwendungen von Dressurmethoden werden Heilung und Besserung erwartet.

Später verlagerte sich dieser allsehende Blick in die Subjekte. Exemplarisch dafür ist die Funktion der Pastoralmacht, die der „gute Hirte“ ausübt, wenn er das Gewissen seiner Schafe prüft – eine Technik, die dann „verinnerlicht“ wird. Das Thema der Subjektivierung durch Machtbeziehungen verfolgt Foucault auch in der Analyse der sogenannten Biomacht und der Gouvernementalität.

In anderen Schriften[30] äußert sich Foucault zum Thema der Utopien und gesellschaftlicher Gegenorte, die er Heterotopien nennt.

Sexualität und Wahrheit

Sein Werk Sexualität und Wahrheit hatte Foucault ursprünglich auf sechs Bände angelegt, zu Lebenszeit als Monographien erschienen sind aber nur drei Bände.

Der Wille zum Wissen

Der erste, 1976 erschienene Band analysiert anhand des Diskurses über den Sex exemplarisch die Wirkungsweise von Machtstrukturen. Das Reden über den Sex sei fortwährend angeheizt worden, von mittelalterlichen Beichtkatalogen bis hin zur modernen Psychoanalyse. Besondere Berücksichtigung findet in diesem Band die Entwicklung im 19. Jahrhundert. Hier werden vier Hauptelemente oder Dispositive unterschieden, denen die besondere Aufmerksamkeit der Wissensproduktion gewidmet ist: Homosexualität, Masturbation, Hysterie der Frau und Perversion. Abschließend bemerkt Foucault, die Ironie des Sexualitätsdispositivs sei gerade, den Menschen vorzuleben, es ginge dabei um ihre (sexuelle) Befreiung.

Er spricht in diesem Zusammenhang über die „Einpflanzung von Perversionen“. Es ist dabei eine wechselseitig sich verstärkende Dynamik derjenigen Instanz, die pathologisierend immer neue „Perversionen“ entwirft, und derjenigen, die dann diesen pathologischen Kategorien gerecht wird und sie sogar verstärken kann. Dadurch entsteht ein „Wesenszug“, der als „Natur“ des Perversen verstanden und dementsprechend behandelt wird.

In diesem Werk grenzt er sich von seinem früheren, juridisch-diskursiven Machtbegriff ab, nach dem Macht als repressiv verstanden wurde und auf Gehorsam (z. B. gegenüber Gesetzen) abzielte. Die von ihm geprägte strategisch-produktive Vorstellung von Macht betont hingegen, dass Machtbeziehungen multipel sind, überall entstehen und wirken. Sie sind allen anderen Arten von Beziehungen (z. B. ökonomischen) immanent und durchziehen somit auch kursierendes Wissen.

Der Gebrauch der Lüste

Im zweiten Band (1984) setzt sich Foucault mit der Sexualethik und allgemein dem „Gebrauch der Lüste“ des antiken Griechenlands auseinander. Besondere Aufmerksamkeit richtet Foucault auf Homosexualität und Knabenliebe und deren moralethische Mechanismen. Für das christliche Ideal der Askese findet er in der hippokratischen Diätetik (Maßnahmenprogramm für ein gesundes Leben) eine Wurzel; hierbei handele es sich allerdings nicht um historische Kontinuitäten.

Die Sorge um sich

Im dritten Band führt Foucault die Untersuchung des zweiten Bandes fort. Dabei betont er die allgemeine Bedeutung der „Selbstsorge“ in der Ethik der griechisch-römischen Antike, die er als „Kultur seiner selbst“ als zentrales Motiv der antiken Freiheitspraktiken erkennt. Die Themenfelder, an denen Foucault dieses Motiv untersucht, sind die Traumdeutung, die Gemeinschaft mit den anderen, sowie erneut der Körper, die Frau und der Knabe.

Die Geständnisse des Fleisches

Der vierte und letzte Band, Die Geständnisse des Fleisches (Les aveux de la chair), blieb aufgrund einer testamentarischen Verfügung lange unveröffentlicht und erschien erst im Februar 2018 in Frankreich. Das Buch schließt an die beiden vorigen Bände an. Foucault widmet sich darin Texten aus dem frühen Christentum, etwa von Augustinus oder Ambrosius von Mailand. In diesem Diskurs über die Sexualität geht es, ähnlich wie in den Texten aus der griechisch-römischen Antike, um Askese und Entsagung.[31]

Weitere Schriften

Neben den erwähnten größeren Werken existieren zahlreiche kleinere Schriften, darunter Arbeiten zur Literatur und Kommentare zu aktuellen Ereignissen (siehe z. B. Ideenreportagen), weniger bekannte Werke wie eine Monographie über Raymond Roussel und zahlreiche erst nach seinem Tod herausgegebene Vorlesungen am Collège de France. Da Foucault posthume Publikationen testamentarisch untersagt hatte, wurden zur Edition die Dokumentation des in Vortragsform „veröffentlichten“ Worts, vor allem also die vorhandenen Tonbänder, herangezogen.

Wirkungsgeschichte

Zuordnung

Foucault lässt sich nicht eindeutig einer philosophischen Richtung zuordnen und hat sich selbst oft gegen solche Versuche gewandt. Dennoch ist es heute üblich, Foucault als Poststrukturalisten zu bezeichnen. Obwohl er besonders in der Archäologie des Wissens strukturalistische Gedanken und Verfahren verwendete, war er kein Strukturalist, wie er selbst wiederholt betonte: „In Frankreich beharren gewisse halbgewitzte Kommentatoren darauf, mich als Strukturalisten zu etikettieren. Ich habe es nicht in ihre winzigen Köpfe kriegen können, daß ich keine der Methoden, Begriffe und Schlüsselwörter benutzt habe, die die strukturalistische Analyse charakterisieren.“[32]

Ähnliches gilt für sein Verhältnis zum Marxismus. In den 1950er Jahren war er für kurze Zeit Mitglied in der Kommunistischen Partei.[33] Später distanzierte er sich vom Marxismus.

Zeitkontext

Stets sorgten die das traditionelle philosophische Denken unterminierenden Thesen Foucaults sowie deren politische Implikationen für leidenschaftliche Diskussionen. Foucault war einer der ersten, der die damals aktuellen marxistischen Denkfiguren und Geschichtstheorien mit ihrem Begriffsvokabular wie Dialektik, Ideologie, Entfremdung oder „fortschrittliches Bewusstsein“ vehement zurückwies.[34] Dies brachte ihn in Opposition zur französischen Linken und ihrer Galionsfigur Sartre sowie zu den Theoretikern der Frankfurter Schule.

Rezeption

Explizit diskutiert wird Foucaults Diskursbegriff. In Anlehnung an seine Theorie wurden zahlreiche Ansätze der Diskursanalyse in verschiedenen Disziplinen entwickelt. In der deutschen Forschung sind z. B. die Namen Jürgen Link und Siegfried Jäger zu nennen. In den Geistes- und Sozialwissenschaften wird die Diskursanalyse erst in den letzten Jahren zu einer etablierten Methode und es entstehen zunehmend Arbeiten, die sich auf Foucault stützen.

Ebenfalls wurde Foucaults Methodik der Analyse in der Archäologie des Wissens rezipiert, die aber eine rückblickende Methodenreflexion und -kritik ist und sich als methodisches Lehrbuch wenig eignet.

Kritik an Foucault

  • Foucaults Denken wird von Marxisten – wohl auch wegen Foucaults Kritik am Marxismus – einer Logik des fortgeschrittenen Kapitalismus zugeschrieben.[35] Gleichzeitig kritisierte man, er stelle das kritische Denken durch ein fiktionalistisches Festschreiben subjektiven Erkennens, also durch Ununterscheidbarkeit, in Frage.
  • Nach dem Erfolg von Die Ordnung der Dinge attackierte Jean-Paul Sartre in einer aufsehenerregenden Rezension Foucault. Sartre, der sich als Vertreter des Existenzialismus dem Humanismus gegenüber verpflichtet sah, richtete seine Kritik auf Foucaults Absage an den Humanismus. Aus der Perspektive Foucaults ist der Humanismus im 20. Jahrhundert theoretisch unfruchtbar und praktisch-politisch – im Osten wie im Westen – eine reaktionäre Mystifikation. Insbesondere im Erziehungssystem schneide er den Menschen von der Realität der technisch-wissenschaftlichen Welt ab.[36] Zu beachten ist dabei allerdings, dass Foucault bei seiner Kritik weniger den Humanismus an sich, sondern eher die Humanwissenschaften in den Fokus nahm.[36]
  • In der Foucault-Habermas-Debatte sieht der Philosoph Jürgen Habermas Foucault in der Tradition einer radikalen Vernunftkritik, die von Nietzsche ausgehend zu den französischen Neostrukturalisten führe. Foucaults Machttheorie verfange sich dabei in unauflösbare Selbstwidersprüche.[37]
  • Der Linguist, Sozial- und Sprachphilosoph Noam Chomsky, der wie Foucault über die französische Grammatik und Logik der Barockzeit gearbeitet, gleichartige Themen der politischen Philosophie behandelt hatte und mit diesem u. a. 1971 eine Fernsehdebatte über Anthropologie führte,[38] gestand Foucault zu, noch der verständlichste und gehaltvollste der französischen Poststrukturalisten und Postmodernisten zu sein; jedoch seien weite Teile seiner Arbeiten unklar, falsch oder wiederholten nur in prätentiöser rhetorischer Aufbereitung bereits bekannte, eher triviale Gedanken und Forschungsergebnisse anderer.[39]
  • 1998 belegte der deutsche Historiker Hans-Ulrich Wehler Foucault und sein Werk mit harscher Kritik.[40] Wehler sieht in Foucault einen schlechten Philosophen, der sich in den Geistes- und Sozialwissenschaften zu Unrecht großer Resonanz erfreue. Seine Arbeiten seien nicht nur in ihren empirisch-historischen Aspekten unzulänglich, sondern auch an zahlreichen Stellen von begrifflichen Konfusionen und inneren Widersprüchen durchzogen. Auch leide Foucaults Werk unter einem Frankozentrismus, was schon daran erkennbar sei, dass Foucault die Arbeiten zentraler Theoretiker der Sozialwissenschaften wie Max Weber und Norbert Elias nicht zur Kenntnis genommen habe.
An Foucaults Diskurstheorie kritisiert Wehler vor allem, dass sich die Diskurse verselbständigen würden. Subjekte seien aber nicht die Diskurse selbst, sondern die Träger der Diskurse, von denen bei Foucault keine Rede sei. Den Machtbegriff Foucaults hält Wehler für „zum Verzweifeln undifferenziert“.[41] Foucaults These der „Disziplinargesellschaft“ sei überhaupt nur dadurch möglich, dass Foucault keine Unterscheidung von Autorität, Zwang, Gewalt, Macht, Herrschaft und Legitimität kenne. Hinzu komme, dass sich diese These auf eine einseitige Quellenauswahl (psychiatrische Anstalten, Gefängnisse) stütze und andere Organisationstypen wie beispielsweise Fabriken außen vor lasse.
Insgesamt kommt Wehler zu dem Ergebnis, dass Foucault „wegen der endlosen Mängelserie seiner sogenannten empirischen Studien […] ein intellektuell unredlicher, empirisch absolut unzuverlässiger, kryptonormativistischer ‚Rattenfänger‘ für die Postmoderne“ sei.[42]
  • Der Politikwissenschaftler Urs Marti, der 1999 ein Buch über Foucault veröffentlichte, meint, Foucault habe in Anlehnung an Friedrich Nietzsche einen anarchistischen Nihilismus vertreten.[43] Er würdigt aber die „befreienden Impulse“, die von seinem Werk ausgegangen seien, insbesondere seine „archäologisch-genealogischen“ Analysen der Humanwissenschaften und der Aspekte des Regierens.[44] Er sei kein Vertreter der Gegenaufklärung, sondern habe es für absurd gehalten, in der Aufklärung eine Ursache des Totalitarismus zu sehen.[44]
  • Klaus Dörner attestierte Foucault in Bürger und Irre 1969 eine beschränkende Wirklichkeitsstrukturierung. Es sei außerdem unzulässig, alle von der Aufklärung unternommenen Anstrengungen als ideologisch zu verwerfen, da dadurch keinerlei gesellschaftlich verändernde Praxis mehr entwickelt werden könne. Ähnlich argumentierte Sartre, als er Foucault ein fatalistisches Geschichtsbild vorwarf, das politische Praxis unmöglich mache.[45]
  • Foucault wurde auch ein allzu selektiver Umgang mit historischen Daten vorgeworfen, der es ihm erst ermögliche, seine Periodisierungen vorzunehmen.[46]
  • Michel de Certeau hat Foucaults Theorien in zahlreichen Schriften aufgegriffen und sowohl kritisiert als auch weiterentwickelt. Insbesondere in Die Kunst des Handelns setzt er Foucaults Überwachungs-Konzept einen Fokus auf Alltagspraxis als kreativen Spielraum entgegen, worin sich eine Form von Freiheit formiere, die der soziologischen Forschung genauso wie den Kontrollmechanismen und Überwachern verborgen bliebe.[47]
  • Der Soziologe Daniel Zamora warf Foucault vor, er habe mit seiner Kritik an Ausgrenzungsmechanismen des Wohlfahrtsstaats dem Neoliberalismus Stichworte geliefert.[48][49] Er habe ausschließlich die Ausgrenzung im Blick gehabt, die Ausbeutung als deren Grundlage aber vernachlässigt; ferner habe er den Wohlfahrtsstaat als zu teuer bezeichnet.[50] Damit habe er zu dessen Zerstörung aktiv beigetragen und gleichzeitig die Unfähigkeit der Linken zur Opposition dagegen mitverursacht. Foucaults Verteidiger werfen Zamora eine ahistorische, oberflächliche und ideologische Lesart seiner Schriften vor.[51]

Schriften

Einzelne Veröffentlichungen Foucaults (Auswahl)

  • Maladie mentale et personnalité. Presses universitaires de France, Paris 1954; ab 2. Auflage 1962: Maladie mentale et psychologie.
    • Psychologie und Geisteskrankheit. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1968.
  • Histoire de la folie à l’âge classique: Folie et déraison. Plon, Paris 1961.
    • Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1969.
  • Naissance de la clinique: Une archéologie du regard médical. Presses universitaires de France, Paris 1963.
    • Die Geburt der Klinik: Eine Archäologie des ärztlichen Blicks. Hanser, München 1973.
  • Les mots et les choses: Une archéologie des sciences humaines. Gallimard, Paris 1966.
  • La pensée du dehors. In: Critique. Revue: 1966, S. 523–546.
  • Ceci n’est pas une pipe. In: Les cahiers du chemin. 1968, H. 2, S. 79–105.
    • Dies ist keine Pfeife. Mit einem Nachwort von Walter Seitter, Hanser, München 1974; Ullstein, Frankfurt/M. 1989; Hanser, München/Wien 1997, ISBN 3-446-18904-1
  • L’archéologie du savoir. Gallimard, Paris 1969.
    • Archäologie des Wissens. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1973.
  • L’ordre du discours: Leçon inaugurale au Collège de France prononcée le 2 décembre 1970. Gallimard, Paris 1972.
  • Von der Subversion des Wissens. Hanser, München 1974 (vereinigt Dokumente zu Foucaults Bildungsweg bis zum Ende der sechziger Jahre und zu seiner nach dem Pariser Mai vollzogenen Wende zu Politik).
  • Schriften zur Literatur Nymphenburger, München 1974.
  • Surveiller et punir: Naissance de la prison. Gallimard, Paris 1975.
  • Histoire de la sexualité / Sexualität und Wahrheit:
    • Bd. 1: La volonté de savoir. Gallimard, Paris 1976
      • Der Wille zum Wissen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983.
    • Bd. 2: L’usage des plaisirs. Gallimard, Paris 1984.
      • Der Gebrauch der Lüste. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986.
    • Bd. 3: Le souci de soi. Gallimard, Paris 1984.
      • Die Sorge um sich. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986.
  • Mikrophysik der Macht. Über Strafjustiz, Psychiatrie und Medizin. Merve, Berlin 1976 (enthält verschiedene Texte und Interviews von Michel Foucault).
  • mit Gilles Deleuze: Der Faden ist gerissen. Merve, Berlin 1977.
  • Dispositive der Macht. Michel Foucault über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Merve, Berlin 1978.
  • Von der Freundschaft als Lebensweise: Michel Foucault im Gespräch. Merve, Berlin 1984.
  • Vom Licht des Krieges zur Geburt der Geschichte. Merve, Berlin 1986 (enthält Vorlesungen vom 21. und 28. Januar 1976 am Collège de France in Paris).
  • Was ist Aufklärung? In: Eva Erdmann, Rainer Forst, Axel Honneth (Hrsg.): Ethos der Moderne. Foucaults Kritik der Aufklärung. Campus, Frankfurt am Main/New York 1990, S. 35–54.
  • Was ist Kritik? Merve, Berlin 1992.
  • Einleitung zu Ludwig Binswanger: Traum und Existenz. Mit einem Nachwort von Walter Seitter. Gachnang & Springer, Bern-Berlin 1992, ISBN 3-906127-31-1
  • Dumézils Strukturalismus. In: Tumult 18: Georges Dumézil – Historiker, Seher (Hg. Walter Seitter). Turia & Kant, Wien 1993, ISBN 3-85132-048-4
  • La vérité et les formes juridiques. 1994.
    • Die Wahrheit und die juristischen Formen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003.
  • Diskurs und Wahrheit: Die Problematisierung der Parrhesia. 6 Vorlesungen, gehalten im Herbst 1983 an der Universität von Berkeley/Kalifornia. Merve, Berlin 1996.
  • mit Walter Seitter: Das Spektrum der Genealogie, Philo, Bodenheim 1996, ISBN 3-8257-0025-9
  • Die Malerei von Manet. Merve, Berlin 1999.
  • Der anthropologische Zirkel. Merve, Berlin 2003.
  • Analytik der Macht. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2005.
  • Kritik des Regierens. Schriften zur Politik. Ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Ulrich Bröckling. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009.

Vorlesungen am Collège de France

  • La Volonté de savoir (1970–1971) – (Über den Willen zum Wissen. Aus dem Französischen von Michael Bischoff. Berlin 2012).
  • Théories et institutions pénales (1971–1972)
  • La Société punitive (1972–1973) – (Die Strafgesellschaft. Aus dem Französischen von Andrea Hemminger. Berlin 2015).
  • Le Pouvoir psychiatrique (1973–1974) – (Die Macht der Psychiatrie. Aus dem Französischen von Claudia Brede-Konersmann und Jürgen Schröder. Frankfurt a. M. 2005).
  • Les Anormaux (1974–1975) – (Die Anormalen. Aus dem Französischen von Michaela Ott, Frankfurt a. M. 2003).
  • Il faut défendre la société (1975–1976) – (In Verteidigung der Gesellschaft. Aus dem Französischen von Michaela Ott. Frankfurt a. M. 1999).
  • Sécurité, territoire et population (1977–1978) – (Geschichte der Gouvernementalität I: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung. Aus dem Französischen von Claudia Brede-Konersmann und Jürgen Schröder. Frankfurt a. M. 2004).
  • Naissance de la biopolitique (1978–1979) – (Geschichte der Gouvernementalität II: Die Geburt der Biopolitik. Aus dem Französischen von Jürgen Schröder. Frankfurt a. M. 2004).
  • Du Gouvernement des vivants (1979–1980) – (Die Regierung der Lebenden, aus dem Französischen von Andrea Hemminger. Suhrkamp, Berlin 2013).[52]
  • Subjectivité et vérité (1980–1981) – (Subjektivität und Wahrheit, aus dem Französischen von Andrea Hemminger. Suhrkamp, Berlin 2016).
  • L’Herméneutique du sujet (1981–1982) – (Hermeneutik des Subjekts. Aus dem Französischen von Ulrike Bokelmann. Frankfurt a. M. 2009.)
  • Le Gouvernement de soi et des autres (1982–1983) – (Die Regierung des Selbst und der anderen. Aus dem Französischen von Jürgen Schröder. Frankfurt am Main 2009).
  • Le Gouvernement de soi et des autres: le courage de la vérité (1983–1984) – (Der Mut zur Wahrheit. Die Regierung des Selbst und der anderen II. Aus dem Französischen von Jürgen Schröder. Frankfurt a. M. 2010).

[Anmerkung: Im Jahr 1976/77 hatte Foucault ein Forschungsfreisemester und hat deshalb keine Vorlesung gehalten.]

Siehe auch

Literatur

Biographie

Einführungen

Kompendien

Einzelne Aspekte

Rezeption

Weblinks

Primärliteratur

Commons: Michel Foucault - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Sekundärliteratur

Blogs

Einzelnachweise

  1. Hartmut Rosa, David Strecker und Andrea Kottmann: Soziologische Theorien, UTB, Stuttgart, 2. Aufl., 2013, Seite 276f.
  2. http://www.egs.edu/library/georges-canguilhem/biography
  3. Daniel Defert über Michel Foucault: „Er kämpfte immer mit der Polizei“; TAZ, 13. 10. 2015
  4. Urs Marti: Michel Foucault. Beck, München 1999, S. 185.
  5. Heather Dundas: Foucault im Death Valley In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 8. Oktober 2017.
  6. Foucaults letztes Buch, deutschlandfunkkultur.de, abgerufen am 5. Februar 2018
  7. Michel Foucault: Vorlesung vom 14. Januar 1976, in: Michel Foucault: Analytik der Macht. Frankfurt am Main, 2005, ISBN 3-518-29359-1, S. 108–125 (S. 113)
  8. Michel Foucault: Subjekt und Macht, in: Michel Foucault: Analytik der Macht. Frankfurt am Main, 2005, ISBN 3-518-29359-1, S. 240–263 (S. 256)
  9. Reiner Keller: Michel Foucault. Konstanz 2008.
  10. Michel Foucault: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt am Main 1977, S. 39f.
  11. Michel Foucault: Die Gouvernementalität, in: Michel Foucault: Analytik der Macht. Frankfurt am Main, 2005, ISBN 3-518-29359-1, S. 148–179 (S. 171f)
  12. Michel Foucault: Subjekt und Macht, in: Michel Foucault: Analytik der Macht. Frankfurt am Main, 2005, ISBN 3-518-29359-1, S. 240–263 (S. 247ff)
  13. Clemens Kammler/Rolf Parr/Ulrich Johannes Schneider: Foucault Handbuch; Leben-Werk-Wirkung, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart/Weimar 2008, ISBN 978-3-476-02192-2, S. 165–178
  14. Ingeborg Breuer, Peter Leusch, Dieter Mersch: Welten im Kopf. Profile der Gegenwartsphilosophie. Rotbuch Verlag, Hamburg 1996, S. 141 f.
  15. Marcus S. Kleiner: Michel Foucault. Eine Einführung in sein Denken. Campus, 2001, S. 43ff.
  16. Michael C. Frank: Kulturelle Einflussangst. Inszenierungen der Grenze in der Reiseliteratur des 19. Jahrhunderts. Transcript, 2006, S. 31.
  17. Urs Marti: Michel Foucault. Beck, München 1999, S. 18.
  18. Arthur Still: Rewriting the History of Madness. Routledge, 1992, S. 119.
  19. Nach James Miller: Die Leidenschaft des Michel Foucault. Kiepenheuer & Witsch, 1995, S. 142.
  20. Urs Marti: Michel Foucault. Beck, München 1999, S. 21.
  21. Gary Gutting: Michel Foucault’s archaeology of scientific reason. Cambridge University Press, Cambridge 1989, S. 139f.
  22. Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Frankfurt a. M. 1981, S. 24, vgl. auch S. 261: „Die Geschichte des Wissens kann nur ausgehend von dem gebildet werden, was ihm gleichzeitig war, und nicht in Termini gegenseitiger Beeinflussung, sondern in Termini von Bedingungen und in der Zeit gebildeter Apriori.“
  23. ebd., S. 373: „Vor dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts existiert der Mensch nicht.“ Und: „[E]s gab kein erkenntnistheoretisches Bewußtsein vom Menschen als solchem.“
  24. 24,0 24,1 Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Frankfurt a. M. 2008, S. 24:
  25. So etwa Ralf Konersmann in: Michel Foucault: Die Ordnung des Diskurses. Fischer, Frankfurt am Main 2001; und Stichwort Diskursanalyse. In: Metzler-Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Metzler, Stuttgart 2001.
  26.  Sebastian Huhnholz: Bielefeld, Paris & Cambridge? Wissenschaftsgeschichtliche Ursprünge und theoriepolitische Konvergenzen der diskurshistoriographischen Methodologien Kosellecks, Foucaults und Skinners. In: Theorie und Kritik. Dialoge zwischen differenten Denkstilen und Disziplinen. Bielefeld, transcript 2015, S. 157-182.
  27. Am bekanntesten hierfür ist der Schlussteil der Ordnung der Dinge.
  28. Gary Gutting: Michel Foucault’s archaeology of scientific reason. Cambridge University Press, Cambridge 1989, S. 227–231.
  29. Michael Ruoff: Foucault Lexikon, München 2007, S. 146
  30. z. B. Michel Foucault: Andere Räume.
  31. "Ethik ist ein Kampfplatz", Martin Saar im Gespräch mit René Aguigah, Deutschlandfunk Kultur, 04. Februar 2018
  32. Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003 [zuerst 1974], S. 15.
  33. Didier Eribon: Michel Foucault. Eine Biographie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1991, S. 69.
  34. Achim Volkers: Wissen und Bildung bei Foucault. Aufklärung zwischen Wissenschaft und ethisch-ästhetischen Bildungsprozessen, VS Verlag, 2008, S. 27
  35. Didier Eribon: Michel Foucault. Eine Biographie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1991, S. 251.
  36. 36,0 36,1 Urs Marti: Michel Foucault. 2. Auflage, Bremen 1999, ISBN 3-406-45543-3, S. 58 und 129f.
  37. Jürgen Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Frankfurt a. M. 1985, S. 279ff.
  38. Vgl. mit weiteren einschlägigen Beiträgen Noam Chomsky / Michel Foucault / John Rajchman (Hrsg.): The Chomsky-Foucault Debate: On Human Nature, New Press, New York 2006, ISBN 1-59558-134-0.
  39. http://www.cscs.umich.edu/~crshalizi/chomsky-on-postmodernism.html
  40. Hans-Ulrich Wehler: Die Herausforderung der Kulturgeschichte. München 1998, S. 45–95.
  41. Hans-Ulrich Wehler: Die Herausforderung der Kulturgeschichte. München 1998, S. 81.
  42. Hans-Ulrich Wehler: Die Herausforderung der Kulturgeschichte. München 1998, S. 91.
  43. Urs Marti: Michel Foucault. 2. Auflage, Bremen 1999, S. 149f.
  44. 44,0 44,1 Urs Marti: Michel Foucault. 2. Auflage, Bremen 1999, S. 130 und 165.
  45. Ingeborg Breuer, Peter Leusch, Dieter Mersch: Welten im Kopf. Profile der Gegenwartsphilosophie. Rotbuch Verlag, Hamburg 1996, S. 114
  46. Urs Marti: Michel Foucault. Beck, München 1999, S. 23
  47. Certeau, Michel De. Kunst des Handelns. Berlin: Merve Verlag, 1988.
  48. Peut-on critiquer Foucault, Interview mit Daniel Zamora, Ballast, 3. Dezember 2014 (französisch)
  49. Foucault and Neoliberalism, Daniel Zamora, Michael C. Behrent, John Wiley & Sons, Hoboken 2016, ISBN 978-1-5095-0177-9. Buchvorstellung auf der Seite von Wiley&Sons
  50. Review of Zamora’s «Critiquer Foucault», Jan Teurlings, Zeitschrift für Medienwissenschaft, Diaphanes-Verlag, 29. Juli 2015; PDF, Rezension von: Critiquer Foucault: Les Années 1980 et la tentation néolibérale. Von Loic Wacquant, Jan Rehmann, Michael Scott Christofferson, Michael C. Behrent, Jean-Loup Amselle, Daniel Zamora, Brüssel 2014, ISBN 978-2-8059-2067-7
  51. Searching for Foucault in an Age of Inequality, Daniel Steinmetz-Jenkins, Alexander Arnold, Los Angeles Review of Books, 18. März 2015
  52. Die Macht allein macht es auch nicht. Rezension von Cord Riechelmann in Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 13. Juli 2014, Seite 40
  53. Besprechung von Philipp Sarasin in der Süddeutschen Zeitung vom 30. Dezember 2011, von Martin Kindtner in Sehepunkte vom 17. Januar 2012 und von Roman Veressov in der Neuen Zürcher Zeitung vom 25. Januar 2012.


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