Anselm von Canterbury

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Miniatur des Anselm von Canterbury aus dem Monologion (spätes 11. Jahrhundert)

Anselm von Canterbury OSB (lat. Anselmus Cantuariensis; nach seinem Geburtsort auch Anselm von Aosta oder nach seinem Kloster Anselm von Bec genannt; * um 1033 in Aosta; † 21. April 1109 in Canterbury) war ein mittelalterlicher Philosoph, Theologe und Mystiker. 1093 wurde er von William II. zum Erzbischof von Canterbury ernannt. Wegen des Investiturstreit 1097 aus England verbannt, konnte er erst 1100 nach dem Tod Williams II. zurückkehren.

Vater der Scholastik

Anselm von Canterbury gilt vielfach als „Vater der Scholastik. Als Hauptrepräsentant der Frühscholastik vertrat er einen starken Ideenrealismus, während sein großer Gegner Roscelin (um 1050-1124) einen ebenso starken Nominalismus vertrat.

„Einen Träger des Realismus kann man Anselm von Canterbury nennen. Für ihn sind die allgemeinen Gedanken, welche sich der Mensch macht, wenn er die Welt betrachtet, nicht bloße Bezeichnungen, die sich die Seele bildet, sondern sie wurzeln in einem realen Leben. Wenn man sich den allgemeinen Begriff des «Löwen» bildet, um alle Löwen damit zu bezeichnen, so haben im Sinne des Sinnenseins gewiß nur die einzelnen Löwen Wirklichkeit; aber der allgemeine Begriff «Löwe» ist doch nicht eine bloße zusammenfassende Bezeichnung, die nur für den Gebrauch der menschlichen Seele eine Bedeutung hat. Er wurzelt in einer geistigen Welt, und die einzelnen Löwen der Sinneswelt sind mannigfaltige Verkörperungen der einen «Löwennatur», die in der «Idee des Löwen» sich ausdrückt.“ (Lit.:GA 18, S. 94)

Nachhaltig bekannt ist Anselm vor allem durch seinen ontologischen Gottesbeweis und durch zwei Sätze aus der Vorrede zu seinem Proslogion, in denen er das für die Scholastik typische Verhältnis von Glaube und Vernunft wie folgt umreisst:

„Die Einverleibung der Bewußtseinsseele bewirkte durch ganz Europa hindurch auch eine Störung in den religiösen Bekenntnis- wie in den Kulterlebnissen. Man sieht um die Wende des elften und zwölften Jahrhunderts eine deutliche Ankündigung dieser Störung in dem Auftauchen des «Gottesbeweises» (besonders durch Anselm von Canterbury). Die Existenz Gottes sollte durch Verstandesgründe bewiesen werden. Eine solche Sehnsucht konnte nur eintreten, als die alte Art, «Gott» mit den Kräften seiner Seele zu erleben, im Schwinden war. Denn, was man so erlebt, das beweist man nicht logisch.

Die vorige Art war, die wesenhaften Intelligenzen - bis zur Gottheit hinauf-seelisch wahrzunehmen; die neue Art wurde die, auf intellektuelle Art über die «Urgründe» des Weltalls sich Gedanken auszubilden. Für die erstere Art hatte man in dem an den Erdbereich unmittelbar angrenzenden geistigen Bereich die Kräfte Michaels, welche die Seele hinter den auf das Sinnliche gerichteten Gedankenkräften mit Fähigkeiten ausrüsteten, das wesenhaft Intelligente im Weltall wahrzunehmen; für die zweite Art mußte erst der Zusammenschluß der Seele mit den Michael-Kräften ausgebildet werden.“ (Lit.:GA 26, S. 141)

1494 wurde Anselm heiliggesprochen und 1720 von Clemens XI. zum Kirchenlehrer ernannt.[3]

Werke

  • Monologion (Gottes- u. Trinitätslehre)
  • Proslogion
  • liber contra insipientem auch Liber apologeticus contra Gaunilonem (Verteidigung und Ergänzung des ontologischen Gottesbeweises des Proslogion)
  • De grammatico (u. a. Unterscheidung zwischen significatio (Sinn) und appelatio (Bedeutung))
  • De veritate (Über die Wahrheit)
  • De libertate arbitrii
  • De casu diaboli (über den Ursprung des Bösen)
  • De fide trinitatis et incarnatione verbi (gegen Roscelin v. Compiègne)
  • Cur deus homo (1094 begonnen, 1098 in der Verbannung bei Capua vollendet)
  • De conceptu virginali et originali peccato (behandelt die Frage, wie Gottes Sohn habe Mensch werden können, ohne damit Sünder zu werden)
  • De concordia praescientiae et praedestinationis et gratiae Dei cum libero arbitrio (dogmatische Schriften)
  • Homilien[4]
  • Meditationen (Betrachtungen)
  • Orationen (Gebete)
  • Briefe
  • MS-B-203 - (Ps.-)Anselmus Cantuariensis. Bonaventura. (Ps.-)Augustinus. (Ps.-)Bernardus Claraevallensis. Arnulfus de Boeriis. Petrus de Alliaco (Theologische Sammelhandschrift). Kreuzherrenkonvent (?), Düsseldorf [um 1508] Digitalisat

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Commons: Anselm von Canterbury - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wikisource: Anselmus – Quellen und Volltexte (latina)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 http://www.thelatinlibrary.com/anselmproslogion.html Zuletzt aufgerufen am 12. August 2009
  2. 2,0 2,1 Christoph Helferich: Geschichte der Philosophie: Von den Anfängen bis zur Gegenwart und Östliches Denken. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1999, S. 91, ISBN 3-423-30706-4
  3. Joachim Schäfer: Art. Anselm von Canterbury, in: Ökumenisches Heiligenlexikon, abgerufen am 29. August 2014.
  4. Nach Josef Pieper, Scholastik, dtv, München 1978, S. 51 Fn. 1 sollen alle Homilien unecht sein.
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