Mysterien von Eleusis

Aus AnthroWiki
Blick auf das Demeter- und Kore-Heiligtum und das Telesterion, die Einweihungshalle, die das Zentrum der Eleusinischen Mysterienstätte bildeten. Die meisten Ruinen stammen allerdings von römischen, vor allem unter den Kaisern Hadrian und Marc Aurel errichteten Bauten.

Die Mysterien von Eleusis waren Initiations- und Weiheriten, die sich um den Mysteriengott Jakchos (d.h. Dionysos, s. Dionysoskult) drehten, und die nach dem Demeterheiligtum in Eleusis etwa 30 km nordwestlich von Athen benannt waren. Die Mysterien gehörten zum Staatskult der Athener, wurden jedoch in der Spätantike auch von Reisenden aus allen Ländern besucht.

Pausanias berichtet in seinen Reisebeschreibungen Buch X, 31:

„Die älteren Griechen hielten nämlich die Feier in Eleusis um so viel höher in Ehren als alles, was sonst zur Frömmigkeit gehört, …“

Die Teilnehmer der Mysterienfeiern mussten die Geschehnisse bei der Androhung der Todesstrafe geheim halten und wurden dadurch zu einem exklusiven Zirkel geeint. Sie glaubten, dadurch an der göttlichen Macht teilzuhaben und im Leben nach dem Tode davon zu profitieren. Trotz der Geheimhaltungspflicht konnte aus archäologischen Funden und überlieferten Texten die Abläufe der Feiern weitgehend rekonstruiert werden.

Die Mysterien bestanden aus umfangreichen kultischen Vorbereitungen, auf die ein Umzug von bis zu 3.000 Teilnehmern auf der heiligen Straße von Athen nach Eleusis (griech. „Ankunft“; heißt heute im Neugriechischen Elefsis) folgte. Während des Zuges wurden Szenen nachgestellt, die die Geschichten der Demeter, Persephone und des Dionysos darstellen. Das von Édouard Schuré rekonstruierte und von Marie von Sivers übersetze Heilige Drama von Eleusis wurde von Rudolf Steiner sprachlich eingerichtet und auf dem Münchner Kongress 1907 erstmals aufgeführt.

Hintergrund

Die Mysterien basieren auf dem Mythos der Demeter, der Göttin des Lebens und der Fruchtbarkeit. Ihre Tochter Persephone wurde durch Hades, den Gott der Unterwelt, entführt. Während Demeter nach ihr suchte, vernachlässigte sie ihre Pflichten – die Erde gefror und die Menschen hungerten – der erste Winter. Während dieser Zeit lehrte Demeter Triptolemus die Geheimnisse der Landwirtschaft. Am Ende gelang es ihr, Persephone zurückzuholen und die Erde begann wieder zu leben – der erste Frühling ereignete sich. Während ihrer Entführung gab Hades Persephone einen Granatapfel, von dem sie ein paar Samen aß und deshalb konnte sie seitdem nicht mehr ständig im Land der Lebenden weilen, ein Drittel des Jahres zog es sie in die Unterwelt, den Rest des Jahres verbrachte sie mit ihrer Mutter – so entstanden die Jahreszeiten (die Griechen kannten allerdings nur drei Jahreszeiten, den Herbst unterschlugen sie).

Mit den Mysterien von Eleusis wurde Persephones Rückkehr in die Welt der Lebenden gefeiert, also der Frühlingsbeginn. Da sie während ihres Aufenthaltes in der Unterwelt Samen aß, ein Symbol des Lebens, steht ihre Wiedergeburt symbolisch für die Wiedergeburt allen pflanzlichen Lebens im Frühjahr und im größeren Rahmen allen Lebens auf Erden.

Im homerischen Hymnus an Demeter war König Keleos einer der ursprünglichen Demeter-Priester und einer der ersten, die in die geheimen Riten und Mysterien ihres Kultes eingeweiht wurden. Die anderen der ursprünglichen Priester waren Diokles, Eumolpos, Triptolemus und Polyxeinus. Triptolemus, der das Wissen um die Landwirtschaft ja direkt von Demeter erhalten hatte, gab dieses an das ganze Volk der Griechen weiter.

Ablauf der Mysterien

Man unterschied zwischen den größeren und den kleineren Mysterien Eleusis. Die kleineren Mysterien, Myesis, wurden im Monat Anthesterion (Februar/März) abgehalten, wobei sich das genaue Datum bei Bedarf gelegentlich änderte. Die Priester läuterten die Kandidaten für die Initiation. Dem ging die Opferung eines Schweines voran; danach reinigten sich die Priester selbst rituell in Agrai durch ein Bad im Fluss Ilissos.

Die größeren Mysterien, die Teletai, fanden im Monat Boedromion (= „um Hilfe laufen“) (~August/September) statt, dem ersten Monat des Attischen Kalenders. Sie dauerten neun Tage. Zu ihrem Auftakt wurden die geheiligten Gegenstände am 14. Boedromion von Eleusis zum Eleusinion, einem Tempel am Fuße der Akropolis in Athen gebracht.

Am 15. Boedromion erklärten die Hierophanten, die Priester des Kults, die Prorrhesis, den offiziellen Beginn der Riten. Die Zeremonien begannen in Athen am 16. Boderomion mit der feierlichen Waschung der Priester im Meer bei Phaleron und der Opferung eines jungen Schweins im Eleusinion am 17. Boedromion.

Zwei Tage später, am 19. Boedromion begann am Athener Friedhof Kerameikos die Prozession zurück nach Eleusis. Hinter den Priestern, die Tafeln des Dionysos hochhielten, zog die Bevölkerung entlang der heiligen Straße und passierte dabei Abschnitte, die man Bakchoi nannte. An einem bestimmten Punkt des Weges riefen sie im Gedenken an Iambe Obszönitäten. Die Magd hatte es geschafft, Demeters Trauer um den Verlust ihrer Tochter mit einem derben Scherz zu erweichen und die Göttin so zu einem Lächeln gebracht. Immer wieder riefen die Teilnehmer Iakch´ o Iakche!, vermutlich als Referenz an Dionysos.

Nachdem die Prozession in Eleusis angekommen war, folgte ein Tag des Fastens in Erinnerung an Demeters Fasten während ihrer Suche nach Persephone. Mit dem Genuss eines besonderen Getränks aus Gerste und Frauenminze, dem Kykeon, wurde das Fasten gebrochen. Am 20. und 21. betraten die zukünftigen Priester die große Halle, das Telesterion, wo ihnen die heiligen Reliquien der Demeter gezeigt wurden und die Priesterinnen ihre Visionen der heiligen Nacht bekannt gaben. Im Zentrum des Telesterions befand sich der Anaktoron, der Palast, bei dem es sich um ein schmales Steingebäude handelte, zu dem nur die Hierophanten zutritt hatten. Im Anaktoron wurden die heiligen Objekte der Demeter aufbewahrt. Die Geschehnisse im Telesterion gehörten zu den geheimsten Teilen der Mysterien und auf Verrat der Geheimnisse stand die Todesstrafe.

Abends folgte die Pannychis, ein großes Fest, das die ganze Nacht andauerte und von Tanz und Fröhlichkeit begleitet wurde. Die zur Weihe bestimmten Jünglinge tanzten auf den Rharischen Feldern wie Dionysos in Mädchenkleidern. Es ging die Sage, die Felder seien der erste Fleck Erde, auf dem Getreide wuchs. Nachts oder am frühen Morgen wurde ein Stier geopfert.

Am Tag nach dem Fest, dem 22. Boedromion, ehrten die Initiaten den Tod durch ein Trankopfer aus besonderen Behältnissen.

Die Mysterien von Eleusis endeten am 23. Bodromion und alle Besucher kehrten wieder heim.

Teilnehmer

Es gab vier Arten von Teilnehmern an den Mysterien von Eleusia:

  1. die Priester, Priesterinnen und Hierophanten
  2. die zur Weihe bestimmten Jünglinge, die an der Zeremonie zum ersten mal teilnahmen
  3. Andere, die schon einmal an der Zeremonie teilgenomen hatten
  4. Die Epopten (griech. εποπται epoptai, „Augenzeugen, Seher“), die an der Epopteia teilgenommen hatten und in geistiger Schau von den großen Geheimnissen der Demeter erfahren hatten

Die Besucher, die die Feiern und insbesondere den Zug entlang der heiligen Straße begleiteten nahmen nicht direkt an den Mysterien teil.

Zeit und Ende der Mysterienfeiern

Man vermutet, dass die Mysterien seit dem Mykenischen Zeitalter, seit 1500 v. Chr. gefeiert wurden. Sie wurden jährlich über eine Zeit von rund zweitausend Jahren abgehalten. Unter Peisistratos von Athen wurden die Mysterien von Eleusis zu einer panhellenischen Veranstaltung und Pilger aus ganz Griechenland und darüber hinaus nahmen an den Feiern teil.

Ungefähr seit 300 v. Chr. lag die Kontrolle der Mysterien beim Staat und insbesondere zwei Familien hatten besonderen Einfluss auf die Veranstaltung: die Eumolpidae und die Kerykes. Das führte zu einem starken Ansteigen der Weiheadepten, deren einzige Voraussetzungen war, dass sie keine Blutschuld haben und keine Barbaren sein durften. Das heißt, sie durften nie einen Mord begangen haben und mussten griechisch sprechen können. Männer, Frauen und auch Sklaven war es erlaubt, als Adepten die Weihen zu empfangen.

Augustus wurde in die eleusischen Mysterien eingeweiht und Claudius wollte den Kult nach Rom verlegen. Nero, in Griechenland weilend, vermied den Besuch in Eleusis nach dem Mord an seiner Mutter. Der letzte römische Kaiser, der in die Mysterien eingeweiht wurde, war Julian Apostata. Die Feiern wurden im Jahr 392 nach Christus durch den römischen Kaiser Theodosius I. per Dekret verboten. Mit der Zerstörung des Tempels in Eleusis durch den Gotenkönig Alarich 395, in dessen Gefolge sich arianische Christen befanden, geraten diese Mysterien in Vergessenheit.

Vom Ende der Mysterien von Eleusia berichtete im vierten Jahrhundert Eunapios, ein Historiker und Biograph griechischer Philosophen. Eunapios selbst wurde vom letzten legitimen Hierophanten geweiht. Auch der christliche Kirchenvater Hippolyt von Rom berichtet in seinen Philosophumena von den Eleusinischen Mysterien. Halbversteckte Aussagen über den Ablauf der Mysterien finden wir unter anderem z. B. bei Pindar, Aischylos und Sophokles. Einer der das auferlegte Schweigegelübde brach, war z. B. Diagoras von Melos, der „Gottlose“ genannt, und schrieb ein Buch über die Mysterien, wobei jedoch selbst jede Kopie dieses Buches aufgespürt und vernichtet wurde. Im Jahr 364 erließ der christlich-römische Kaiser Valentinian I. ein Edikt, das alle nächtlichen heidnischen Zeremonien verbot, dessen Durchsetzung jedoch von dem römische Prokonsul Vettius Agorius Praetextatus verhindert wurde.

Verfall der Mysterien unter den Römern

„Wenn wir nach Griechenland hinübergehen, da haben wir, ich möchte sagen, als die populärsten Mysterien die Eleusinischen Mysterien, die Mysterien von Eleusis. Sie waren diejenigen Mysterien, die sozusagen am meisten den Weg zum Geistigen hin populär gemacht hatten. Und diejenigen, die in die Eleusinischen Mysterien eingeweiht waren, das waren die Telesten; sie waren in Eleusis eingeweiht. Schauen wir uns einmal an, erstens was in dieser Benennung «Eleusis» steckt und zweitens was in dieser Benennung «Telesten» steckt.

Eleusis ist ja nur die etwas sprachliche Umwandlung von Elosis und heißt eigentlich: der Ort, wo die Kommenden sind, diejenigen, die die Zukunft in sich tragen wollen. Eleusis heißt: das Kommende. Und die Telesten sind die Kommenden, die eleusisch Eingeweihten sind die Kommenden. Das deutet darauf hin, daß der Mensch das Bewußtsein hatte, er ist so, wie er da steht, mehr ein Unvollkommener und er muß ein Kommender werden, einer der die Zukunft in sich trägt. Telos nimmt die Zukunft voraus, das, was erst in der Zukunft allmählich sich realisiert. So daß in den Eleusinischen Mysterien in der Stätte des Kommens, in der Stätte der Kommenden, die unvollkommenen Menschen zu vollkommenen ausgebildet wurden. Telesten waren sie.

Der ganze Sinn dieses Einweihens erlitt einen Bruch, als es hinüberkam ins Römertum. In Griechenland wies noch alles in der Einweihung auf die Zukunft, auf das Erdenende hin. Man sollte sich mit einem starken inneren Impuls ausgestalten, damit man den Weg nach dem Erdenende in der richtigen Weise findet. Dann war man ein Telest, einer, der nach dem Erdenende hin in der richtigen Weise sich entwickeln sollte.

Indem das nach dem Römertum hinüberkam, wurde der Ausdruck der Telesten allmählich der der Initiierten - Initium, Anfang. Es wurde das Ziel sozusagen von dem Erdenende nach dem Erdenanfang verlegt. Die Telesten wurden Initiierte. Diejenigen, die eingeweiht waren in die Geheimnisse des Kommenden, wurden Wissende des Vergangenen. Die prometheisch Strebenden wurden epimetheisch, nach dem Wissen des Vergangenen Strebende. Vom Vergangenen kann aber nur das abstrakte Wissen bleiben; wenn man in die Zukunft hin will, braucht man ein lebendiges, willengetragenes Wissen, denn da muß der Wille sich hineinentwickeln. Das Vergangene ist vergangen. Da kann man ein höheres Wissen gewinnen, wenn man zu dem Initium, zu dem Vergangenen zurückgeht; aber es bleibt ein Wissen; es wird immer abstrakter und abstrakter.

Und damit zog der Impuls nach der Abstraktion, also nach jener Vertotlichung, die vom 4. nachchristlichen Jahrhundert an und dann immer mehr und mehr eingetreten ist, in die lateinische Sprache ein. Man wollte nach der Vergangenheit zurück, wo noch die Ideen mit dem Leben verbunden waren, weil man wußte, jetzt sind sie nicht mehr mit dem Leben verbunden, jetzt tritt man in ein unlebendiges Reden ein, wenn man sich zu den Ideen erhebt. Und initiiert werden in Griechenland hieß ein höheres Leben in seiner Seele empfangen. Initiiert werden im Römertum, hieß resignieren für das Erdenleben auf ein höheres Tun und nur sich Gedanken darüber zu bilden: Im Erdenanfange, da hatte der Mensch einmal ein höheres Tun, aber von dem ist er heruntergegangen; man kann nicht ein Tuender, höchstens ein Wissender in bezug auf das höhere Wissen sein.“ (Lit.:GA 225, S. 112f)

Literatur

  • O. A.: Herder Lexikon. Griechische und römische Mythologie. Götter, Helden, Ereignisse, Schauplätze. Freiburg im Breisgau 2001 (1981)
  • Preka Alexandri: Eleusis 1991
  • J. N. Bremmer: Götter, Mythen und Heiligtümer im antiken Griechenland. 1996
  • W. Burkert: Antike Mysterien. Funktionen und Gehalt. 1990
  • K. Clinton: Myth and Cult. The Iconography of the Eleusian Mysteries. 1992
  • K. Clinton: Stages of initiation in the Eleusinian and Samothracian Mysteries; In: Greek Mysteries. The Archaeology and Ritual of Ancient Greek Secret Cult. 2002, S. 50-78.
  • Mircea Eliade: Schamanen, Götter und Mysterien. Die Welt der alten Griechen. 1992
  • H. Gsänger: Mysterienstätten der Menschheit – Eleusis. 1961
  • Carl Kerenyi: Eleusis: archetypal image of mother and daughter, (in seiner Reihe Archetypal Images in Greek religion) 1967
  • Hans Kloft: Mysterienkulte der Antike. Götter – Menschen – Rituale. München 1999
  • K. Kourouniotes: Eleusis. A guide to the Excavations and the Museum 1936
  • Diether Lauenstein: "Die Mysterien von Eleusis", Urachhaus 1987
  • George E. Mylonas.: Eleusis and the eleusinian Mysteries. Princeton 1961
  • F. Noack: Eleusis. Die Baugeschichtliche Entwicklung des Heiligtums. 1927
  • Carl Schneider: Die antiken Mysterien in ihrer Einheit und Vielfalt. Wesen und Wirkung der Einweihung. Hamburg 1979
  • Wasson, Ruck, Hofmann: "Der Weg nach Eleusis. Das Geheimnis der Mysterien" Insel-Verlag, Frankfurt/M. 1984
  • Waldemar von Uxkull, Die Eleusinischen Mysterien, Büdingen-Gettenbach: Avalon o. J. [1956]

Weblinks


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Mysterien von Eleusis aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.