Normative Wissenschaft und Kategorie:Sozialdemokratische Partei Deutschlands: Unterschied zwischen den Seiten

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Eine '''normative Wissenschaft''' strebt danach, klare Normen für bestimmte Lebensbereiche vorzugeben, namentlich im Bereich der [[Ethik]] und des [[Soziales Leben|sozialen Lebens]], des [[Recht]]s, der [[Politik]], der [[Pädagogik]], der [[Ökonomie]] usw. Sie beschäftigt sich ihrem [[Grundprinzip]] nach nicht mit dem ''was ist'', hat also in diesem Sinn keinen [[Empirie|empirischen]] Charakter, sonden deklariert ''was sein soll''. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob eine so verstandene '''Normwissenschaft''' überhaupt möglich ist. [[Rudolf Steiner]] hat in seiner «[[Philosophie der Freiheit]]» sehr deutlich dargestellt, dass das für den Bereich der [[Ethik]] nicht der Fall ist. Ethisches Handeln kann letztlich nur aus einem [[moral]]ischen [[Idee]]nvermögen entspringen, das durch [[moralische Phantasie]] konkretisiert und durch eine entsprechende [[moralische Technik]] verwirklicht werden. Was in der Vergangenheit einzelne Menschheitsführer an moralischen Ideen aus der [[Ideenwelt]] geschöpft haben, legten sie dann als Norm dem [[Soziales Leben|sozialen Leben]] zugrunde. Je mehr der [[Mensch]] die [[Freiheit]] entwickeln wird, indem er die wahren Gründe seines [[Handeln]]s erkennen und gegeneinander abwägen kann und durch [[moralische Intuition]] Gewissheit darüber erlangt, was er als dieses besondere, einzigartige [[Individuum]], das er ist, in einer konkret gegebenen Situation tun kann, umso weniger wird er einer vorgegebenen ethischen Norm bedürfen, sondern einen mit den Anforderungen des Weltgeschehens im Einklang stehenden [[Ethischer Individualismus|ethischen Individualismus]] entwickeln können.


{{GZ|Der ''freie Geist'' handelt nach seinen Impulsen, das sind Intuitionen,
[[Kategorie:Sozialdemokratische Partei Deutschlands|!]]
die aus dem Ganzen seiner Ideenwelt durch das
[[Kategorie:Sozialdemokratische Partei]]
Denken ausgewählt sind. Für den ''unfreien Geist'' liegt der
[[Kategorie:Partei (Deutschland)]]
Grund, warum er aus seiner Ideenwelt eine bestimmte Intuition
aussondert, um sie einer Handlung zugrunde zu
legen, in der ihm gegebenen Wahrnehmungswelt, das heißt
in seinen bisherigen Erlebnissen. Er erinnert sich, bevor er
zu einem Entschluß kommt, daran, was jemand in einem
dem seinigen analogen Falle getan oder zu tun für gut geheißen
hat, oder was Gott für diesen Fall befohlen hat und
so weiter, und danach handelt er. Dem freien Geist sind
diese Vorbedingungen nicht einzige Antriebe des Handelns.
Er faßt einen schlechthin ''ersten'' Entschluß. Es kümmert ihn
dabei ebensowenig, was andere in diesem Falle getan, noch
was sie dafür befohlen haben. Er hat rein ideelle Gründe,
die ihn bewegen, aus der Summe seiner Begriffe gerade einen
bestimmten herauszuheben und ihn in Handlung umzusetzen.
Seine Handlung wird aber der wahrnehmbaren Wirklichkeit
angehören. Was er vollbringt, wird also mit einem
ganz bestimmten Wahrnehmungsinhalte identisch sein. Der
Begriff wird sich in einem konkreten Einzelgeschehnis zu
verwirklichen haben. Er wird als Begriff diesen Einzelfall
nicht enthalten können. Er wird sich darauf nur in der Art
beziehen können, wie überhaupt ein Begriff sich auf eine
Wahrnehmung bezieht, zum Beispiel wie der Begriff des
Löwen auf einen einzelnen Löwen. Das Mittelglied zwischen Begriff und Wahrnehmung ist die ''[[Vorstellung]]'' (vgl.
S. 106 ff.) Dem unfreien Geist ist dieses Mittelglied von
vornherein gegeben. Die Motive sind von vornherein als
Vorstellungen in seinem Bewußtsein vorhanden. Wenn er
etwas ausführen will, so macht er das so, wie er es gesehen
hat, oder wie es ihm für den einzelnen Fall befohlen wird.
Die Autorität wirkt daher am besten durch ''Beispiele'', das
heißt durch Überlieferung ganz bestimmter Einzelhandlungen
an das Bewußtsein des unfreien Geistes. Der Christ
handelt weniger nach den Lehren als nach dem ''Vorbilde'' des
Erlösers. Regeln haben für das positive Handeln weniger
Wert als für das Unterlassen bestimmter Handlungen. Gesetze
treten nur dann in die allgemeine Begriffsform, wenn
sie Handlungen verbieten, nicht aber wenn sie sie zu tun
gebieten. Gesetze über das, was er tun soll, müssen dem unfreien
Geiste in ganz konkreter Form gegeben werden: Reinige
die Straße vor deinem Haustore! Zahle deine Steuern
in dieser bestimmten Höhe bei dem Steueramte X! und so
weiter. Begriffsform haben die Gesetze zur Verhinderung
von Handlungen: Du sollst ''nicht'' stehlen! Du sollst ''nicht''
ehebrechen! Diese Gesetze wirken auf den unfreien Geist
aber auch nur durch den Hinweis auf eine konkrete Vorstellung,
zum Beispiel die der entsprechenden zeitlichen
Strafen, oder der Gewissensqual, oder der ewigen Verdammnis,
und so weiter.
 
Sobald der Antrieb zu einer Handlung in der allgemeinbegrifflichen
Form vorhanden ist (zum Beispiel: du sollst
deinen Mitmenschen Gutes tun! du sollst so leben, daß du
dein Wohlsein am besten beförderst!), dann muß in jedem
einzelnen Fall die konkrete Vorstellung des Handelns (die
Beziehung des Begriffes auf einen Wahrnehmungsinhalt)
erst gefunden werden. Bei dem ''freien Geiste'', den kein
Vorbild und keine Furcht vor Strafe usw. treibt, ist
diese Umsetzung des Begriffes in die Vorstellung immer
notwendig.
 
Konkrete Vorstellungen aus der Summe seiner Ideen
heraus produziert der Mensch zunächst durch die Phantasie.
Was der freie Geist nötig hat, um seine Ideen zu verwirklichen,
um sich durchzusetzen, ist also die ''moralische Phantasie''.
Sie ist die Quelle für das Handeln des freien Geistes.
Deshalb sind auch nur Menschen mit moralischer Phantasie
eigentlich sittlich produktiv. Die bloßen Moralprediger, das
ist: die Leute, die sittliche Regeln ausspinnen, ohne sie zu
konkreten Vorstellungen verdichten zu können, sind moralisch
unproduktiv. Sie gleichen den Kritikern, die verständig
auseinanderzusetzen wissen, wie ein Kunstwerk beschaffen
sein soll, selbst aber auch nicht das geringste zustande bringen
können.
 
Die moralische Phantasie muß, um ihre Vorstellung zu
verwirklichen, in ein bestimmtes Gebiet von Wahrnehmungen
eingreifen. Die Handlung des Menschen schafft keine
Wahrnehmungen, sondern prägt die Wahrnehmungen, die
bereits vorhanden sind, um, erteilt ihnen eine neue Gestalt.
Um ein bestimmtes Wahrnehmungsobjekt oder eine Summe
von solchen, einer moralischen Vorstellung gemäß, umbilden
zu können, muß man den gesetzmäßigen Inhalt (die
bisherige Wirkungsweise, die man neu gestalten oder der
man eine neue Richtung geben will) dieses Wahrnehmungsbildes
begriffen haben. Man muß ferner den Modus finden,
nach dem sich diese Gesetzmäßigkeit in eine neue verwandeln
läßt. Dieser Teil der moralischen Wirksamkeit beruht
auf Kenntnis der Erscheinungswelt, mit der man es zu tun
hat. Er ist also zu suchen in einem Zweige der wissenschaftlichen
Erkenntnis überhaupt. Das moralische Handeln setzt
also voraus neben dem moralischen Ideen vermögen<ref>Nur Oberflächlichkeit könnte im Gebrauch des Wortes Vermögen
an dieser und andern Stellen dieser Schrift einen Rückfall in die Lehre
der alten Psychologie von den Seelenvermögen erblicken. Der Zusammenhang
mit dem S. 95 f. Gesagten ergibt genau die Bedeutung des
Wortes.</ref> und der
moralischen Phantasie die Fähigkeit, die Welt der Wahrnehmungen
umzuformen, ohne ihren naturgesetzlichen Zusammenhang
zu durchbrechen. Diese Fähigkeit ist ''moralische Technik''. Sie ist in dem Sinne lernbar, wie Wissenschaft überhaupt
lernbar ist. Im allgemeinen sind Menschen nämlich
geeigneter, die Begriffe für die schon fertige Welt zu finden,
als produktiv aus der Phantasie die noch nicht vorhandenen
zukünftigen Handlungen zu bestimmen. Deshalb ist es sehr
wohl möglich, daß Menschen ohne moralische Phantasie die
moralischen Vorstellungen von andern empfangen und diese
geschickt der Wirklichkeit einprägen. Auch der umgekehrte
Fall kann vorkommen, daß Menschen mit moralischer
Phantasie ohne die technische Geschicklichkeit sind und sich
dann anderer Menschen zur Verwirklichung ihrer Vorstellungen
bedienen müssen.
 
Insofern zum moralischen Handeln die Kenntnis der Objekte
unseres Handelnsgebietes notwendig ist, beruht unser
Handeln auf dieser Kenntnis. Was hier in Betracht kommt,
sind ''[[Naturgesetz]]e''. Wir haben es mit Naturwissenschaft zu
tun, nicht mit Ethik.
 
Die moralische Phantasie und das moralische Ideenvermögen
können erst Gegenstand des Wissens werden, ''nachdem''
sie vom Individuum produziert sind. Dann aber regeln
sie nicht mehr das Leben, sondern haben es bereits geregelt.
Sie sind als wirkende Ursachen wie alle andern aufzufassen
(Zwecke sind sie bloß für das Subjekt). Wir beschäftigen
uns mit ihnen als mit einer ''Naturlehre der moralischen Vorstellungen''.
 
'''Eine Ethik als Normwissenschaft kann es daneben nicht geben'''.
 
Man hat den normativen Charakter der moralischen Gesetze
wenigstens insofern halten wollen, daß man die Ethik
im Sinne der Diätetik auffaßte, welche aus den Lebensbedingungen
des Organismus allgemeine Regeln ableitet,
um auf Grund derselben dann den Körper im besonderen
zu beeinflussen (Paulsen, System der Ethik). Dieser Vergleich
ist falsch, weil unser moralisches Leben sich nicht mit
dem Leben des Organismus vergleichen läßt. Die Wirksamkeit
des Organismus ist ohne unser Zutun da; wir finden
dessen Gesetze in der Welt fertig vor, können sie also suchen,
und dann die gefundenen anwenden. Die moralischen Gesetze
werden aber von uns erst ''geschaffen''. Wir können sie
nicht anwenden, bevor sie geschaffen sind. Der Irrtum entsteht
dadurch, daß die moralischen Gesetze nicht in jedem
Momente inhaltlich neu geschaffen werden, sondern sich
forterben. Die von den Vorfahren übernommenen erscheinen
dann gegeben wie die Naturgesetze des Organismus. Sie
werden aber durchaus nicht mit demselben Rechte von einer
späteren Generation wie diätetische Regeln angewendet.
Denn sie gehen auf das Individuum und nicht wie das
Naturgesetz auf das Exemplar einer Gattung. Als Organismus
bin ich ein solches Gattungsexemplar, und ich werde
naturgemäß leben, wenn ich die Naturgesetze der Gattung
in meinem besonderen Falle anwende; als sittliches
Wesen bin ich Individuum und habe meine ganz eigenen
Gesetze<ref>Wenn Paulsen (S. 15 des angeführten Buches) sagt: «Verschiedene
Naturanlagen und Lebensbedingungen erfordern wie eine verschiedene
leibliche so auch eine verschiedene geistig-moralische Diät», so ist er
der richtigen Erkenntnis ganz nahe, trifft aber den entscheidenden
Punkt doch nicht. Insofern ich Individuum bin, brauche ich keine Diät.
Diätetik heißt die Kunst, das besondere Exemplar mit den allgemeinen
Gesetzen der Gattung in Einklang zu bringen. Als Individuum bin ich
aber kein Exemplar der Gattung.</ref>.|4|191ff}}
 
== Literatur ==
# Rudolf Steiner: ''Die Philosophie der Freiheit'', [[GA 4]] (1995), ISBN 3-7274-0040-4 {{Schriften|004}}
# Rudolf Steiner: Schriften. Kritische Ausgabe / Band 2: Philosophische Schriften: Wahrheit und Wissenschaft. Die Philosophie der Freiheit, frommann-holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt 2016, ISBN 978-3772826320
# Rudolf Steiner: ''Die Philosophie der Freiheit'', Mit beiden Ausgaben (1894 u. 1918) im Vergleich, Rudolf Steiner Ausgaben, 3. Aufl. 2015, ISBN 978-3-86772-072-4
 
== Einzelnachweise ==
 
<references />
 
[[Kategorie:Ethik]]

Version vom 4. August 2018, 16:54 Uhr