Brunetto Latini und Katapetasma: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Dante-Brunetto Bargello-Fresko.jpg|mini|250px|Das älteste Porträt [[Dante Alighieri]]s; links sein Lehrer ''Brunetto Latini'': Detail aus dem ''Fresko des Paradieses'' ( 14.Jhdt. ) von [[Wikipedia:Giotto di Bondone|Giotto di Bondone]] ([[Wikipedia:Bargello|Museo del Bargello]]. Maria-Magdalena-Kapelle, [[Wikipedia:Florenz|Florenz]])]]
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'''Brunetto Latini''' (* um [[Wikipedia:1220|1220]] [[Wikipedia:Florenz|Florenz]]; † [[Wikipedia:1294|1294]]) war ein [[italien|italien]]ischer Staatsmann, Schriftsteller, Gelehrter und Lehrer und väterlicher Freund des jungen [[Dante Alighieri]] (1265-1321).
 
== Leben ==
 
Brunetto wurde um [[Wikipedia:1220|1220]] als des ''Bonacorso Latini'' in [[Wikipedia:Florenz|Florenz]] geboren. [[Wikipedia:1260|1260]], kurz nach seiner Heirat, war er als Gesandter in Spanien bei König [[Wikipedia:Alfons X. (Kastilien)|Alfons von Kastilien]]. Auf dem Rückweg in seine Heimatstadt Florenz erhielt er die Nachricht, dass die Partei der [[Wikipedia:Guelfen|Guelfen]], der er selbst angehörte, gestürzt worden sei und dass die [[Wikipedia:Ghibellinen|Ghibellinen]] mit brutaler Gewalt gegen sie vorgingen. Diese Nachricht traf ihn wie ein Schock, dazu kam noch ein leichter Sonnenstich, der seinen [[Ätherleib]] lockerte und ihm den geistigen Blick öffnete. Brunetto konnte in seinem [[Initiation]]s-Erlebnis einen Nachklang der [[Schule von Chartres]] auffangen {{GZ||240|302f}}. Äußerlich war die Schule von Chartres verklungen, aber die Äthersphäre war durchdrungen von ihrem Geist. Es war gerade die kurze Zeit der völligen geistigen Finsternis, die sich um [[1250]] über die Menschheit für wenige Jahre gebreitet hatte, abgelaufen.
 
Nach dem Sieg der Ghibellinen wurde Brunetto Latini verbannt und ging ins Exil nach [[Wikipedia:Paris|Paris]]. Hier schrieb er in [[Französische Sprache|französischer Sprache]] sein Werk ''[[Li Livres Dou Trésor]]'' (''"Buch vom Schatz"''), eine das [[Wissen]] seiner Zeit umspannende [[Enzyklopädie]], und fast gleichzeitig auf [[Wikipedia:Italienischer Sprache|Italienisch]] den ''Tesoretto''. Er trug damit wesentlich zur Entwicklung der italienischen Volkssprache bei. Der italienische Geschichtsschreiber [[Wikipedia:Giovanni Villani|Giovanni Villani]] (1276-1348) bezeichnete ihn deshalb als den ''"Beginner und Meister in der Entwicklung der toskanischen Sprache"''.
 
Nach der Wiedereinsetzung der Guelfen, die [[Wikipedia:1266|1266]] in der [[Wikipedia:Schlacht bei Benevent|Schlacht bei Benevent]] die Ghibellinen bezwangen, konnte Brunetto [[Wikipedia:1267|1267]] nach Florenz zurückkehren, bekleidete hier fortan wichtige Ämter und wurde [[Wikipedia:1287|1287]] zum Sekretär der Republik ernannt. In diese Zeit fällt auch die Erziehung des jungen Dante, der ihm durch Familienbeziehungen nahestand. Auch andere Dichter und Freunde Dantes aus dem Kreis der [[Fedeli d’Amore]] wie z. B. [[Guido Cavalcanti]] und [[Francesco da Barberino]] waren Brunettos Schüler. Dante gedenkt seines verehrten Lehrers in der [[Göttliche Komödie|Göttlichen Komödie]] im 15. Gesang des [[Inferno]]:
 
{| align="center" |
|-
| <poem>{{Zeile|82}} Das ''theure, gute Vater-Angesicht'',
Noch seh’ ich’s vor betrübtem Geiste schweben,
Noch denk’ ich, wie ihr mich im heitern Licht
{{Zeile|85}} Gelehrt, wie Menschen ew’gen Ruhm erstreben,
Und wie mir dies noch theuer ist und werth,
Soll kund, so lang’ ich bin, die Zunge geben.
{{Zeile|88}} Was ihr von meiner Laufbahn mich gelehrt,
Bewahr’ ich wohl. –
                              ([http://de.wikisource.org/wiki/Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_086087.jpg Inferno 15,82-88])</poem>
|}
 
Warum Dante seinen geschätzten Lehrmeister in den siebenten Höllenkreis versetzt, wo die ''Gewalttäter wider die Natur'', die [[Wikipedia:Sodomie|Sodomisten]], fürchterliche Qualen leiden, bleibt allerdings unklar. Über etwaige [[Sexualität|sexuelle]] Verfehlungen - nach dem Maßstab der spätmittelalterlichen kirchlichen [[Moral]]lehre - ist nichts bekannt. Vielleicht ist die Ursache auch „nur“ in Dante anstößig erscheinenden Passagen in Brunettos Schriften zu suchen. Oder er sah die „Unzucht“ darin, dass sich Brunetto für sein ''Livre du Trésor'' des Französischen bedient hatte und damit der italienischen Volkssprache untreu geworden war - für Dante durchaus schwerwiegende Gründe.
 
Brunetto starb [[Wikipedia:1294|1294]].
 
Nach einem Hinweis [[Rudolf Steiner]]s soll [[Dante]] im karmischen Zusammenhang mit König [[Wikipedia:Johann (Sachsen)|Johann von Sachsen]] (1801-1873) stehen, der in [[Wikipedia:Dresden|Dresden]], dem [[Wikipedia:Elbflorenz|Elbflorenz]], ab 1854 regierte und unter dem Pseudonym ''Philalethes'' Dantes «[[Göttliche Komödie]]» ins Deutsche übersetzte. Vermutet wird auch der karmische Bezug von dessen Leibarzt [[Carl Gustav Carus]] (1789-1869) zu Brunetto Latini<ref>vgl. dazu: [http://www.perseus.ch/PDF-Dateien/carus2.pdf Ekkehard Meffert: ''Carl Gustav Carus und Brunetto Latini, der Lehrer Dantes''], Der Europäer Jg. 4 / Nr. 1 / November 1999</ref>.
 
== Il Tesoretto ==
[[Datei:Dante sodom.jpg|mini|300px|[[Dante]] und [[Wikipedia:Vergil|Vergil]] sprechen mit Brunetto Latini in der Hölle. Aus einem illustrierten Kommentar zur «[[Göttliche Komödie|Göttlichen Komödie]]», zirka 1345]]
Brunetto Latini hat seine Schau in der Dichtung ''Il Tesoretto'' (''"der kleine Schatz"'') festgehalten, die nach Richard L. John „''unverkennbar die Spuren des [[Templer]]tums an sich''“ trägt<ref>Robert L. John: ''Dante'', S. 12</ref>:
 
Von Schmerzen gebeugt ob der erhaltenen Schreckensbotschaft verliert er wie in Trance den Weg und findet sich endlich in einem abgelegnen, wilden Wald wieder. Als er sich endlich wieder besinnen kann, sieht er sich vor einen Berg gestellt und beobachtet große Scharen seltsamer Tiere, Menschen, Gräser, Blumen, Bäume, Steine und Perlen. Alles ist in ständiger Verwandlung, entsteht und vergeht wieder – und zwar so, wie es ein daneben stehendes weibliches Wesen gebietet, das Brunetto einmal wie verkörpert in wunderschöner Gestalt erscheint, dann wieder riesenhaft und gestaltlos - [[Natura]]. Jetzt lacht ihr Gesicht, dann ist es von Schmerzen verzerrt.
 
{{GZ|Nun
schildert Brunetto Latini, wie die Schöpfung sich um den Berg ausbreitet,
wie ihm auf dem Berg eine riesige Frauengestalt erscheint,
auf deren Worte hin, auf deren Wortangaben hin sich diese Schöpfung,
die um den Berg ist, wandelt und ändert, andere Formen annimmt.
Und so wie Brunetto Latini spricht, so erkennt man: er spricht
so über diese Frauengestalt, wie in den alten Einweihungsmysterien
gesprochen worden ist über Proserpina. Nur hat die Vorstellung über
die Proserpina eben die Wandlung durchgemacht von der alten Griechenzeit
bis zum Ausgang der griechisch-lateinischen Zeit. Nicht so
wie die alten griechischen Dichter die Proserpina schildern, schildert
Brunetto Latini sie; er schildert sie eben so, wie sie in den menschlichen
Seelen lebte im Ausgang des griechisch-lateinischen Zeitalters.
Und dennoch: Das, was der alte Ägypter anhörte, wenn ihm die
Beschreibung der Isis, und was der Grieche anhörte, wenn ihm die
Beschreibung der Proserpina nahetrat durch die Einweihung, man
kann es vergleichen mit dem, was Brunetto Latini erzählt von dieser
Frauengestalt, auf deren Geheiß und Worte hin sich die Gestalten
der Schöpfung wandeln.|187|121f|122}}
 
<center>
{|width="800px" 
|-
| <div style="-moz-column-count: 2; -webkit-column-count: 2; column-count: 2;"><poem>Und ich in solcher Trauer
mit geneigtem Haupte nachdenkend,
verlor den großen Weg
und gelangte quer
{{Zeile|190}} durch einen seltsamen Wald.
 
Aber zurückkehrend zur Besinnung
wandte ich mich und heftete meinen Sinn
ringsherum auf das Gebirge
und sah eine grosse Menge
{{Zeile|195}} von verschiedenen Tieren;
welche, kann ich nicht gut sagen,
aber Männchen und Weibchen,
wilde Tiere, Schlangen und Raubtiere
und Fische in grossen Scharen
{{Zeile|200}} und alle Arten
fliegender Vögel
und Gräser und Früchte und Blumen
und Steine und Sternblumen,
die sehr wohltuend sind,
{{Zeile|205}} und so viel andere Dinge,
dass kein sprechender Mensch
sie nennen,
noch einteilen kann.
Aber so viel kann ich davon sagen,
{{Zeile|210}} dass ich sie gehorchen sah,
enden und beginnen,
sterben und erzeugen
und ihre Natur annehmen
nach dem Befehl einer Gestalt,
{{Zeile|215}} die ich sah.
Und sie schien mir,
als wenn sie verkörpert wäre,
manchmal ungeformt,
manchmal den Himmel berührend,
{{Zeile|220}} der ihr Schleier zu sein schien;
und bisweilen verwandelte sie ihn
und bisweilen bewegte sie ihn.
Auf ihr Geheiß
bewegte sich das Firmament.
{{Zeile|225}} Und bisweilen breitete sie sich aus,
dass die ganze Welt in ihren Armen schien.
Einmal lachte das Gesicht,
dann wieder war es von Gram und Schmerz durchzogen,
{{Zeile|230}} schliesslich nahm es seinen früheren Ausdruck an.
 
[...]
 
Aber dann, als sie mich sah
lachte ihr Angesicht,
{{Zeile|285}} Zu mir wandte sie sich
sehr gütig und sagte:
Ich bin die Natur
{{Zeile|290}} und bin ein Werk
des höchsten Schöpfers,
er ist mein Schöpfer,
durch ihn wurde ich geschaffen
und begonnen,
{{Zeile|295}} aber seine große Macht
war ohne Anfang:
sie endigt weder, noch stirbt sie.
Aber meine ganze Arbeit ist,
dass, sobald ich sie entzünde,
{{Zeile|300}} sie sich verzehren muss.
Er ist allmächtig,
aber ich bin nichts,
wenn er es nicht gewährt.
Er sorgt vor für alles
{{Zeile|305}} und ist an jedem Ort
und weiß das, was vergangen
und die Zukunft und die Gegenwart,
aber ich bin nicht wissend,
außer um das, was er will,
{{Zeile|310}} Zeige mir, wie du es zu tun pflegst,
das, was du willst, das ich machen möge,
und das, was ich zerstören möge.
Durch ihn bin ich seine Arbeiterin,
deshalb befiehlt er mir;
{{Zeile|315}} so auf Erden und in der Luft
hat er mich zu seinem Stellvertreter gemacht.
Er ordnet die Welt
und ich nach seinem Befehl
{{Zeile|320}} leite es nach seinem Geist.</poem>
</div>
|}
</center>
 
Natura schildert dann, wie [[Gott]] durch das [[Sechstagewerk]] die ganze [[Schöpfung]] hervorgebracht hat, alle [[Pflanzen]] und [[Tiere]] und zuletzt den [[Mensch]]en als sein Ebenbild. Sie berichtet von der gestaltenden Vernunft und den engelhaften Wesenheiten, aber auch vom Hochmut [[Luzifer]]s und wie alle, die ihm folgen, ins ewige Feuer des [[Inferno]]s gestoßen werden. Sie spricht vom [[Sündenfall]] und seinen Folgen, der Vertreibung aus dem [[Paradies]], und vom Entschluss Gottes, zu sterben, um die Menschen wieder zu heilen.
 
Brunetto Latini erneuert so im [[Christentum|christlichen]] Sinn das, was der Ägypter mit der [[Isis]] verband und der Grieche schilderte im [[Proserpina-Persephone-Mythos]], die ihrer Mutter [[Demeter]] das Gewand webt. Der Unterschied besteht darin, dass man in alten Zeiten das Augenmerk vor allem auf das Ruhende, auf das in allem Wechsel Bleibende legte, während Brunetto gerade auf das sich Wandelnde schaut. Es sind aber immer die Seelenkräfte gemeint, die als Begleiter des Nus, des Weltengeistes, schaffend die Welt durchweben. Natura ist eine Schwester der Urania, des Sternenhimmels. So wie Urania die kosmische Beraterin des Nus ist, so wird Nus in den irdischen Bereichen von Natura beraten.
 
=== Der Initiationsweg des Brunetto Latini ===
 
{{GZ|Dasjenige, was man später abstrakt die Naturgesetzlichkeit
nannte, wovon man sich später durchaus nicht hat vorstellen
wollen, daß etwas Wesenhaftes dahinter ist, das sah Brunetto Latini in
Form der Imagination von einer Frau, aus deren Geiste, wie in einem
diese von ihm auch imaginierte Natur beherrschenden Worte, dasjenige
hervorging, was später in abstrakter Form als Naturgesetzmäßigkeit
empfunden wurde. Diese Frau sagte ihm dann - so erzählt er -, er solle
seine Seelenkräfte vertiefen, dann werde er immer tiefer in sich hineinkommen.
- Und nun ist es interessant, wie sie, gleichsam ihre Kraft über
ihn ausstrahlend, ihm die Möglichkeit gibt, immer tiefer in sich hineinzukommen.
Es ist das Untertauchen in die eigene Wesenheit. Und die
Reihenfolge, die er angibt, ist wirklich für gewisse Verhältnisse die
richtige Reihenfolge der Initiation.|161|52}}
 
Es sollen nun die einzelnen Stufen des Initiationsweges des Brunetto Latini genauer beschrieben werden.
 
{{GZ|Brunetto Latini hat vor sich dieses Zeitalter, in dem wir jetzt
drinnen leben. Er naht sich Florenz. Er weiß, dasjenige, was Florenz
geworden ist unter dem Impuls des unmittelbaren menschlichen
Lebens, der unmittelbaren intellektuellen Antriebe, das soll begraben
werden unter dem Aufkommen von Institutionen, die aus der
Abstraktion hervorgehen. Er naht sich Florenz. Der Schmerz macht,
so schildert er, daß er sich in einem Walde verirrt, in einem öden
Walde. Als er zur Besinnung kommt, bemerkt er inmitten einer großartigen
Weltenschöpfung - die seine Imagination ist - einen Weg und
eine riesige Frauengestalt. Wir hören, daß er unter dieser riesigen
Frauengestalt die «wahre Natur» anredet, nicht jene Natur, welche
die heutige Naturwissenschaft beschreibt, sondern die «wahre Natur».
Diese «wahre Natur» erteilt ihm Lehren über dasjenige, was im
Menschen lebt, über die Geheimnisse der menschlichen Seele, über
die Geheimnisse der vier menschlichen Temperamente, über die Geheimnisse
der menschlichen Sinne, über die Geheimnisse der Elemente,
über die Geheimnisse der Planeten. Sie führt ihn dann hinaus
über den Planetenbereich in den Ozean des Weltendaseins bis an die
Säulen des Herkules, wohlgemerkt: in einer Zeit, in der es noch nicht
den Kopernikanismus gegeben hat, in einer Zeit, in der Amerika
noch nicht wieder neu entdeckt worden war. Dann wird er darauf
aufmerksam gemacht, daß er alles das, also die ganze sichtbare Welt, zu
verlassen hat. Dann werde er erst erkennen die Geheimnisse von Gut
und Böse; dann werde er erst erkennen den Gott der Liebe und so
weiter. Man möchte sagen, diese Betrachtungsweise Brunetto Latinis
ist eine richtige Silvesterbetrachtung des vierten nachatlantischen
Zeitraums in der kosmischen Neujahrszeit des Heranrückens des
fünften nachatlantischen Zeitraums.|180|122f}}
 
Indem Natura ihre Kräfte über Brunetto ausgießt, durchlebt er die einzelnen Stufen seiner Initiation. Er steigt erlebend in sein Inneres hinein und lernt zunächst seine Seelenkräfte zu schauen als [[Imagination]] wilder [[Tier]]e. Brunetto schaut also den [[Astralleib]] bzw. zuerst die in den Astralleib eingebetteten Seelenglieder: [[Empfindungsseele]], [[Verstandesseele]] und [[Bewusstseinsseele]], die durch die noch unbewusste Arbeit des [[Ich]] an den Leibeshüllen gebildet werden. Indem das Ich den Astralleib umwandelt, entsteht zunächst die Empfindungsseele, durch Umwandlung des Ätherleibes bildet sich die Verstandesseele und die Bewusstseinsseele kommt dadurch zustande, das das Ich bis in den [[Physischer Leib|physischen Körper]] hinein arbeitet. Namentlich arbeitet der [[Intellekt]] beständig in das physische [[Gehirn]] hinein und bildet dort geordnete Strukturen. Früh erworbene starre Denkmuster sind sehr tief eingegraben und es bedarf hoher Willensanstrengung, um sie wieder aufzulösen. Das Denken muss beweglich werden, Denkmuster müssen kristallklar ausgebildet, aber auch immer wieder überwunden werden. Durch diese intensive Arbeitet am physischen Gehirn wird das Bewusstsein gesteigert. Zur Wahrnehmung der geistigen Außenwelt in Gedankenform (platonische [[Ideenschau]]) kommt es aber erst, wenn das Denken rein im Ätherischen abläuft und der Ätherleib gleichsam mit seinen ätherischen Fangarmen die äußere Ätherwelt abtastet. Trotzdem müssen diese Erlebnisse hereingeholt und anschließend mit dem physischen Verstand gefasst werden. Nur dadurch, eben durch diese Arbeit am physischen Leib, wird die Bewusstseinsseele immer stärker ausgebildet und zwar jetzt so, dass wir auch Gedanken bewusst erfassen können, die sich auf rein Geistiges beziehen.
 
Brunetto steigt also erlebend in sein Inneres hinein und lernt zuerst seine Seelenkräfte zu schauen ([[Astralleib]], Tier-Imaginationen) und dann die 4 [[Temperamente]] ([[Ätherleib]]), um anschließend durch die Tore der 5 [[Sinne]] ([[physischer Leib]]) in die geistige Außenwelt vorzustoßen. Zunächst in die Welt der 4 [[Elemente]], dann durch die 7 [[Planetensphären]] zum [[Tierkreis]], um schließlich, den 4 [[Vier Paradiesesströme|Paradiesesströmen]] folgend, den Ozean, den [[Okeanos]], zu durchschreiten, d.h. jene übersinnliche Sphäre, die überhaupt kein sinnlich-äußeres Korrelat mehr hat, die jenseits der [[Fixsternsphäre]] liegt, dorthin, wo man sonst nur unbewusst im tiefen Schlaf ist (vgl. Faust II: finstere Galerie). Es ist das Reich der gestaltlosen Urbilder, der höchsten [[Platonische Ideen|platonischen Ideen]] – das obere [[Devachan]] in anthroposophischer Ausdrucksweise. Dieses Hinausgehen in den [[Okeanos]] hat man früher bezeichnet als das Durchschreiten durch die "[[Säulen des Herakles]]" (im [[Hebräisch]]en als [[Jakim und Boas]]-Säulen beschrieben):
 
:::::*Seelenkräfte
:::::*vier Temperamente
:::::*fünf Sinne
:::::*vier Elemente
:::::*sieben Planeten
:::::*Okeanos
 
Alle diese Initiations-Schritte unternimmt Brunetto auf Geheiß der Frau, die ihm in der Imagination erscheint. Und dann, und das ist besonders wichtig und typisch, nachdem er den geistigen Ozean durchschwommen hat, erwacht er wieder in der physischen Welt! Er findet sich wieder in seinem Wald. Doch gleich steht Natura wieder neben ihm und ermahnt in, nach rechts weiterzureiten. Dann werde er die großen Lehre in ganz neuem Licht schauen: die Philosophie, die 4 (platonischen) Tugenden (also Weisheit, Mut, Mäßigkeit und Gerechtigkeit) und endlich den Gott der Liebe. Entscheidend ist also, dass Brunetto jetzt seine geistige Erkenntnis in das wache Tagesbewusstsein mitnehmen kann.
 
Brunetto erlebt das nun so: er kommt zunächst in eine Wüste. Hier sind keine Menschen, keine Tiere, keine Pflanzen, kein Fluß und kein Bach. Schließlich schaut er Kaiser, Könige, Gelehrte, über allen aber die Kaiserin, Tugend genannt, mit ihren vier Königstöchtern. Bald erscheint sie ihm als ein einziges Wesen, dann wieder als vier Wesen. Brunetto kommt dann weiter in das Reich des Glücks und der Liebe. Von einem Pfeil des Liebesgottes getroffen, wünscht Brunetto zu entfliehen und wird von Ovid (Metamorphosen!) von diesem Ort befreit.
 
Der Tesoretto nimmt dann noch einen weiteren Fortgang, wo Brunetto schildert, wie er im Kloster zu Montpellier, wo auch [[Alanus ab Insulis]] gewirkt hatte, den Mönchen seine Sünden beichtet. Endlich schildert Brunetto, wie er eine weitere Reise unternimmt, um die 7 freien Künste zu schauen. An einem Festtag reitet er wieder in den Wald, erschaut dort den Berg Olymp, die vier Elemente und schließlich begegnet er [[Ptolemäus]], redet ihn an ... und damit bricht unvollendet das Werk ab.
 
Bedeutsam ist Brunettos Werk als allerletztes Beispiel dafür, wie man im Mittelalter noch aus dem inneren Erleben zu einem geistigen Schauen der Natur durchbrechen konnte. Dann kam das Zeitalter der äußeren Naturwissenschaft. Und das hat auch Konsequenzen für den Initiations-Weg. Um heute einen ähnlichen Weg wie Brunetto gehen zu können, bedarf es einer weiteren Vorbereitung. Würden wir so wie er durch die Tore der Sinne in die geistige Außenwelt hinaustreten, würde sich eine ziemliche geistige Finsternis ausbreiten. Damit das nicht geschieht, bedarf es folgender Einschiebung auf dem Initiationsweg: man muss sich darin üben, Geistig-Ideelles als äußere Wirklichkeit in der Metamorphose der Gestaltungen der Welt zu schauen – also das, was [[Goethe]] mit seiner [[Metamorphosenlehre]] angestrebt hat.
 
Eine weitere Einschiebung auf dem [[Schulungsweg]] ist heute notwendig, bevor man die «Säulen des Herakles» durchschreitet. Man muss einen festen inneren Schwerpunkt, eine ungeheure Vertiefung seines eigenen Wesens erfahren, etwas was einem dann die Orientierung geben, die Richtung weisen kann in dem ungeheuren geistigen Ozean. Und es muss dabei die ganz starke Empfindung entstehen, das es äußere Dinge geben kann, die einem subjektiv gar nichts angehen, die man aber doch so intensiv und begeistert miterlebt, als würden sie einem selbst zutieftst betreffen. So erwirbt man sich ein Werkzeug der Orientierung, einen Kompass für die geistige Welt. Es geht also um die Stärkung der Ich-Kraft und der damit verbundenen Liebes-Kraft. Dann kann sich das Wort von Goethes Faust erfüllen: "In deinem Nichts hoff’ ich das All zu finden!" Damit stellt sich der moderne Initiationsweg insgesamt so dar:
 
:::::*Seelenkräfte
:::::*vier Temperamente
::::::*'''Metamorphosen des Lebens'''
:::::*fünf Sinne
:::::*vier Elemente
:::::*sieben Planeten
::::::*'''Werkzeug der Orientierung (Kompass)''' [[Ich]]
:::::*Okeanos
 
Berühmt wurde Brunetto allerdings nicht des ''Tesorettos'' wegen, sondern wegen des "großen Schatzes", des ''«Trésor»'', einem enzyklopädischen Werk, das die gesamte damalige Welterkenntnis zu umfassen strebte, und das Brunetto später in Frankreich in französischer Sprache verfasst hat. In späteren Jahren bekleidete Brunetto wieder öffentliche Ämter in Florenz und wurde hier der Freund und Lehrer des Dante. Der Einfluß auf Dantes "[[Göttliche Komödie]]" ist unübersehbar.
 
== Werke (Auswahl) ==
 
* ''Il Tesoretto e il Favolello'', hersg. von B. von Wiese, in: Zeitschrift für romanische Philologie 7, S. 236 ss.
* ''Li livres dou Trésor'', herausgegeben von [[Wikipedia:Polycarpe Chabaille|Polycarpe Chabaille]], Paris 1863.
 
== Anmerkungen ==
 
<references />
 
==Literatur==
 
# Robert L. John: ''Dante'', Springer-Verlag, Wien 1946, ISBN 978-3-211-80023-2
# Brunetto Latini, Dora Baker (Übers.): ''Tesoretto. Die Geschichte einer Einweihung an der Schwelle der Neuzeit'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1979 ISBN 978-3772507069
#Rudolf Steiner: ''Wege der geistigen Erkenntnis und der Erneuerung künstlerischer Weltanschauung'', [[GA 161]] (1980), Dornach, 30. Januar 1915 {{Vorträge|161}}
#Rudolf Steiner: ''Mysterienwahrheiten und Weihnachtsimpulse. Alte Mythen und ihre Bedeutung'', [[GA 180]] (1980), ISBN 3-7274-1800-1 {{Vorträge|180}}
#Rudolf Steiner: ''Wie kann die Menschheit den Christus wiederfinden? Das dreifache Schattendasein unserer Zeit und das neue Christus-Licht'', [[GA 187]], Dornach, 29. Dezember 1918 {{Vorträge|187}}
#Rudolf Steiner: ''Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge. Sechster Band'', [[GA 240]] (1992), ISBN 3-7274-2401-X {{Vorträge|240}}
 
{{GA}}
 
== Weblinks ==
 
* {{DNB-Portal|118516108}}
* {{Google Buch|BuchID=_drXNr_wEw0C|Linktext=Brunetto Latini: ''Il Tesoretto - The Little Treasure'' (italienisch/englisch)}}
* [http://www.perseus.ch/PDF-Dateien/carus2.pdf Carl Gustav Carus und Brunetto Latini, der Lehrer Dantes] - Hinweise auf eine spätere Inkarnation Brunetto Latinis als Carl Gustav Carus.
 
[[Kategorie:Eingeweihter]] [[Kategorie:Dante]] [[Kategorie:Italiener]] [[Kategorie:Geboren um 1220]] [[Kategorie:Gestorben 1294]] [[Kategorie:Mann]]

Aktuelle Version vom 16. November 2011, 12:19 Uhr

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