GA 4 und Sender (Information): Unterschied zwischen den Seiten

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Ein '''Absender''' oder ''Sender'' (veraltet '''Adressant''') ist im [[Informationstheorie|informationstheoretischen]] Sinn eines [[Sender-Empfänger-Modell]]s eine [[Person]] oder [[Institution]], die eine [[Nachricht]] oder eine andere [[Information]] übermittelt oder durch ein [[Medium (Kommunikation)|Medium]] zum [[Empfänger (Information)|Empfänger]] (Adressat) übermittelt oder übermitteln lässt.
== Die Philosophie der Freiheit (1894) ==
=== Grundzüge einer modernen Weltanschauung – Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode ===
In seinem [[Philosophie|philosophischen]] Hauptwerk, das zugleich das Fundament der [[Anthroposophie|anthroposophischen Geisteswissenschaft]] bildet, setzt sich [[Rudolf Steiner]] mit Grundfragen des [[Erkenntnis|Erkenntnisprozesses]] auseinander und begründet eine auf die [[Freiheit|freie]] geistige [[Individualität]] gegründete [[Ethik]]. Der Begriff der [[Moralische Intuition|moralischen Intuition]] wird entwickelt und die [[Grundmaxime der freien Menschen]] formuliert.


__TOC__
== Allgemeines ==
Absender und Empfänger können sich am selben [[Ortschaft|Ort]] befinden und dann direkte [[Kommunikation]] miteinander betreiben ([[Gespräch]], [[Verhandlung]], [[Diskussion]]) oder beide sind außer [[Sichtweite|Sicht-]] oder [[Menschliche Stimme|Rufweite]]. Dann benötigen sie zwecks Kommunikation ein [[Kommunikationsmittel]] für ihre [[Telekommunikation]]. Dabei ist zwischen asynchroner und synchroner Telekommunikation zu unterscheiden. Bei der ''asynchronen Telekommunikation'' werden die [[Nachrichten]] aufgezeichnet oder aufgeschrieben, mit zeitlicher Verzögerung zum Empfänger transportiert und erst dann (vielleicht) von ihm rezipiert ([[Brief]], [[E-Mail]], [[Telefax]], [[Anrufbeantworter]]). Die ''synchrone Telekommunikation'' stellt eine wechselseitige Kommunikationsverbindung her, die Absender und Empfänger in direkten [[Soziale Beziehung|Kontakt]] bringt ([[Telefonie]], [[Videokonferenz]], [[Chat]]ten). Absender und Empfänger können im Verlauf einer synchronen Kommunikation ständig ihre Rollen wechseln - der Absender wird zum Empfänger und der Empfänger wird zum Absender.<ref>Julia Haberstroh/Katharina Neumeyer/Johannes Pantel, ''Kommunikation bei Demenz'', 2016, S. 28</ref>


siehe auch -> [[GA 4a|Dokumente zur «Philosophie der Freiheit» (GA 4a)]]
== Kommunikation zwischen Absender und Empfänger ==
Der Absender verfügt bereits über die Information (er hat einen Informationsvorsprung: [[asymmetrische Information]]) und beabsichtigt deren Weitergabe an einen Empfänger. Der Absender benutzt zur [[Nachrichtenübermittlung]] ein bestimmtes [[Trägermedium]] ([[Sprache]], [[Schrift]]), um die Information für den Empfänger transparent zu machen. Bei [[Medium (Kommunikation)|primären Medien]] ist zwischen Absender und Empfänger kein [[Elektrogerät|Gerät]] zwischengeschaltet, ''sekundäre Medien'' erfordern auf der Seite des Absenders technische Geräte, nicht jedoch beim Empfänger. ''Tertiäre Medien'' erfordern ein technisches Gerät sowohl beim Absender als auch beim Empfänger. Benötigt der Absender ein technisches Gerät ([[Telefon]], [[Rundfunksender]], [[Rundfunkveranstalter|Fernsehsender]], [[Computer]] für [[E-Mail]]s), muss er dieses für das Absenden der Information bedienen.


== Inhalt ==  
Absender und Empfänger müssen bei der Informationsübermittlung aktiv sein. Während der Absender sich bemühen muss, eine adressatengerechte und angemessene Kommunikationsebene auszuwählen, muss der Empfänger die Information wahrnehmen ([[Hören]], [[Lesen]]),<ref>[https://books.google.de/books?id=zXnjBAAAQBAJ&pg=PA88&dq=Empf%C3%A4nger+(Information)&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiJloGV58rZAhXPhKYKHcfnD-cQ6AEIOzAD#v=onepage&q=Empf%C3%A4nger%20(Information)&f=false Dietmar Brunner, ''Information, Kommunikation und Planung im Beruf'', 2014, S. 88]</ref> möglicherweise [[Dekodierung|dekodieren]]<ref>Georg Hans Wiebecke, ''Das Interface zwischen F&E und Marketing'', 1989, S. 103</ref> und gegebenenfalls verarbeiten. Werden Informationen vom Absender falsch [[Kodierung|kodiert]] oder vom Empfänger falsch dekodiert, liegt ein [[Missverständnis]] vor. Durch die Kommunikation vom Absender zum Empfänger werden bewertete [[Daten]] zur Information, mit der eine Erweiterung des [[Wissen]]s beim Empfänger verbunden ist.<ref>Helmut Fickenscher, ''Zielorientiertes Informationsmanagement'', 1991, S. 5</ref>


==== Vorrede [zur Neuausgabe 1918] ====
== Postwesen ==
Ein ''Absender'' im postalischen Sinn ist die Angabe des [[Name]]ns und der [[Adresse]] zum Zwecke der Identifikation des Versenders. In Deutschland ist auf einem [[Briefumschlag]] der Absender in der oberen linken Ecke der Vorderseite anzubringen.<ref>{{Webarchiv | url=http://www.deutschepost.de//mlm.nf/dpag/images/f/frankiermaschine/dp_automationsfaehige_briefsendungen_2013.pdf | wayback=20140122180946 | text=Deutsche Post}} (PDF; 1,8&nbsp;MB)</ref> Die Angabe des Absenders ist jedoch nach dem [[Postgesetz]] (PostG) nicht verpflichtend. In der [[Schweiz]] bringt man den Absender ebenfalls in der linken oberen Ecke an.<ref>[https://www.post.ch/-/media/post/gk/dokumente/druckvorlagen-couvert-c4-rechts-adressiert.pdf Schweizer Post] (PDF; 67&nbsp;kB)</ref> In [[Österreich]] ist die Absenderangabe links oben im Bereich bis
40 mm von der Oberkante anzubringen. Wenn vom Platz nicht anders möglich, kann die Absenderangabe in Ausnahmefällen auf der Rückseite angebracht werden.<ref>[https://www.post.at/downloads/Richtig_Adressieren_Folder_mit_Ausklappteil_06_2015.pdf?1475798132 Österreichische Post] (PDF; 748&nbsp;kB)</ref> Bei handschriftlicher Adressierung wird der Absender gelegentlich auch links unten angebracht. Bei einem Kuvert mit [[Sichtfenster]] finden sich die Angaben in der Absenderzeile oben im Sichtfeld.


"Zwei Wurzelfragen des menschlichen Seelenlebens sind es,
Da es früher häufig zu Problemen bei nicht zustellbaren Paketen kam, wurde in der [[DIN 5008]]<ref>Schreib- und Gestaltungsregel, gültig ab 18. Januar 2005</ref> festgehalten, dass der Absender mit vollständigem Namen und Adresse anzugeben ist.
nach denen hingeordnet ist alles, was durch dieses Buch besprochen
werden soll. Die eine ist, ob es eine Möglichkeit
gibt, die menschliche Wesenheit so anzuschauen, daß diese
Anschauung sich als Stütze erweist für alles andere, was
durch Erleben oder Wissenschaft an den Menschen herankommt,
wovon er aber die Empfindung hat, es könne sich
nicht selber stützen. Es könne von Zweifel und kritischem
Urteil in den Bereich des Ungewissen getrieben werden. Die
andere Frage ist die: Darf sich der Mensch als wollendes
Wesen die Freiheit zuschreiben, oder ist diese Freiheit eine
bloße Illusion, die in ihm entsteht, weil er die Fäden der
Notwendigkeit nicht durchschaut, an denen sein Wollen
ebenso hängt wie ein Natur geschehen? Nicht ein künstliches
Gedankengespinst ruft diese Frage hervor. Sie tritt ganz
naturgemäß in einer bestimmten Verfassung der Seele vor
diese hin. Und man kann fühlen, es ginge der Seele etwas
ab von dem, was sie sein soll, wenn sie nicht vor die zwei
Möglichkeiten: Freiheit oder Notwendigkeit des Wollens,
einmal mit einem möglichst großen Frageernst sich gestellt
sähe. In dieser Schrift soll gezeigt werden, daß die Seelenerlebnisse,
welche der Mensch durch die zweite Frage erfahren
muß, davon abhängen, welchen Gesichtspunkt er
gegenüber der ersten einzunehmen vermag. Der Versuch
wird gemacht, nachzuweisen, daß es eine Anschauung über
die menschliche Wesenheit gibt, welche die übrige Erkenntnis
stützen kann; und der weitere, darauf hinzudeuten, daß
mit dieser Anschauung für die Idee der Freiheit des Willens
eine volle Berechtigung gewonnen wird, wenn nur erst das
Seelengebiet gefunden ist, auf dem das freie Wollen sich
entfalten kann." {{GZ||004|7f}}


=== Wissenschaft der Freiheit ===
== Kommunikationstechnik ==
==== I. Das bewußte menschliche Handeln ====
In der [[Kommunikationstechnik|Kommunikations-]] und [[Nachrichtentechnik]] wird prinzipiell nur vom ''Sender'' gesprochen, der die Informationen an den Empfänger übermittelt. Die Übertragung kann hier über eine [[Funkverbindung|Funk-]], [[Kabelnetz|Kabel-]] oder eine [[optische Kommunikation]] erfolgen. Sender und Empfänger müssen aufeinander abgestimmt sein, damit die Informationen überhaupt und korrekt empfangen und ausgewertet werden können.
[[Datei:Spinoza.jpg|miniatur|200px|Porträt des [[Philosoph|Philosophen]] [[Baruch de Spinoza]], Ölgemälde um 1665, im Besitz der [[Wikipedia:Gemäldesammlung|Gemäldesammlung]] der [[Wikipedia:Herzog August Bibliothek|Herzog August Bibliothek]] in [[Wikipedia:Wolfenbüttel|Wolfenbüttel]]]]
[[Bild:Karl Robert Eduard von Hartmann.jpg|thumb|200px|[[Eduard von Hartmann]], Photographie]]
[[Bild:Robert hamerling.jpg|thumb|200px|[[Wikipedia:Robert Hamerling|Robert Hamerling]]]]


Ausgehend von der Grundfrage: "Ist der Mensch in seinem Denken und Handeln ein geistig
== Transportwesen ==
freies Wesen oder steht er unter dem Zwange einer rein
Im Transportwesen ist der Absender Vertragspartner des [[Frachtführer]]s. Für den Frachtführer entsteht aus diesem Vertrag die Verpflichtung, das [[Frachtgut]] an den vereinbarten Ort zu transportieren und dort an den Empfänger auszuliefern. Dem Absender wiederum entsteht aus dem [[Frachtvertrag]] die Verpflichtung, die vereinbarte [[Fracht]] zu bezahlen ({{§|407|hgb|juris}} [[Handelsgesetzbuch|HGB]]).  
naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit?" {{GGZ||004|15}} bespricht [[Rudolf Steiner]] die Standpunkte der [[Philosoph]]en [[Wikipedia:David Friedrich Strauß|David Friedrich Strauß]] und [[Wikipedia:Herbert Spencer|Herbert Spencer]], die die Möglichkeit der menschlichen [[Freiheit]] verneinen, weil der Mensch der [[naturgesetz]]lichen [[Notwendigkeit]] unterliegt. Keimhaft finden sich ihre Ansichten bereits bei [[Baruch Spinoza]]: «Ich
nenne nämlich die Sache ''frei'', die aus der bloßen Notwendigkeit
ihrer Natur besteht und handelt, und ''gezwungen''
nenne ich die, welche von etwas anderem zum Dasein und
Wirken in genauer und fester Weise bestimmt wird. So besteht
zum Beispiel Gott, obgleich notwendig, doch frei, weil
er nur aus der Notwendigkeit seiner Natur allein besteht.» Wohingegen alle erschaffenen Dinge nach Ansicht Spinozas «von äußern Ursachen bestimmt werden, in fester und genauer Weise zu bestehen und zu wirken.» Spinoza bringt das Beispiel eines Steins, der durch einen äußeren Stoß in Bewegung gesetzt wird und dann weiter in dieser Bewegung beharrt: «Nehmen Sie nun, ich bitte, an, daß der Stein, während er
sich bewegt, denkt und weiß, er bestrebe sich, soviel er kann,
in dem Bewegen fortzufahren. Dieser Stein, der nur seines
Strebens sich bewußt ist und keineswegs gleichgültig sich
verhält, wird glauben, daß er ganz frei sei und daß er aus
keinem andern Grunde in seiner Bewegung fortfahre, als
weil er es wolle. Dies ist aber jene menschliche Freiheit, die
alle zu besitzen behaupten und die nur darin besteht, daß
die Menschen ihres Begehrens sich bewußt sind, aber die
Ursachen, von denen sie bestimmt werden, nicht kennen.» Steiner deckt nun den Grundirrtum derartiger Ansichten auf; anders als der Stein kann der [[Mensch]] sehr wohl ein Bewusstsein von den Gründen seines Tuns haben: "Und ein
tiefgreifender Unterschied ist es doch, ob ich weiß, warum
ich etwas tue, oder ob das nicht der Fall ist. Zunächst scheint
das eine ganz selbstverständliche Wahrheit zu sein. Und
doch wird von den Gegnern der Freiheit nie danach gefragt,
ob denn ein Beweggrund meines Handelns, den ich erkenne
und durchschaue, für mich in gleichem Sinne einen Zwang
bedeutet, wie der organische Prozeß, der das Kind veranlaßt,
nach Milch zu schreien."


Ganz andere Argumente gegen die menschliche Freiheit bringt [[Eduard von Hartmann]], für den das [[Wollen]] von zwei Hauptfaktoren abhängt: den augenblicklichen Beweggründen (den [[Motiv]]en) und der [[Charakter|charakterologischen Anlage]]: «Wenn aber auch wir selbst die Vorstellungen
== Siehe auch ==
erst zu Motiven erheben, so tun wir dies doch
* {{WikipediaDE|Absender}}
nicht willkürlich, sondern nach der Notwendigkeit unserer
* {{WikipediaDE|Empfangsgerät}}
charakterologischen Veranlagung, also nichts weniger als
frei». Hier ist nicht mehr die Rede von der Naturnotwendigkeit, aber der Mensch folgt nun, ohne es zu wissen, notwendig seiner Charakteranlage. Aber auch hier besteht nach Steiner ein wesentlicher Unterschied, "zwischen Beweggründen, die ich erst
auf mich wirken lasse, nachdem ich sie mit meinem Bewußtsein
durchdrungen habe, und solchen, denen ich folge, ohne
daß ich ein klares Wissen von ihnen besitze." Es ist also zunächst die Frage zu beantworten: "Was heißt es, ein Wissen von den Gründen seines Handelns haben?"


Eine weitere Ansicht hat der Dichterphilosoph [[Wikipedia:Robert Hamerling|Robert Hamerling]] in seiner «Atomistik des Willens» geäußert: «Der Mensch kann
{{Wiktionary|Absender}}
allerdings ''tun'', was er will - aber er kann nicht ''wollen'', was
er will, weil sein Wille durch ''Motive'' bestimmt ist! [...] Ohne ein bestimmendes Motiv ist der Wille ein
leeres ''Vermögen'': erst durch das Motiv wird er tätig und
reell. Es ist also ganz richtig, daß der menschliche Wille insofern
nicht <frei> ist, als seine Richtung immer durch das
stärkste der Motive bestimmt ist. Aber es muß andererseits
zugegeben werden, daß es absurd ist, dieser <Unfreiheit>
gegenüber von einer denkbaren <Freiheit> des Willens zu
reden, welche dahin ginge, wollen zu können, was man
nicht will.» Aber auch Hamerling unterscheidet nicht zwischen bewussten und unbewussten Motiven.


"Daß eine Handlung nicht frei sein kann, von der der
== Einzelnachweise ==
Täter nicht weiß, warum er sie vollbringt, ist ganz selbstverständlich.
<references />
Wie verhält es sich aber mit einer solchen, von
deren Gründen gewußt wird? Das führt uns auf die Frage:
welches ist der Ursprung und die Bedeutung des Denkens?
Denn ohne die Erkenntnis der denkenden Betätigung der
Seele ist ein Begriff des Wissens von etwas, also auch von
einer Handlung nicht möglich." Die Frage nach dem Wesen des menschlichen Handelns, setzt damit die nach dem Ursprung des [[Denken]]s voraus.


====II. Der Grundtrieb zur Wissenschaft ====
{{Normdaten|TYP=s|GND=4124182-4}}


"Nirgends sind wir mit dem zufrieden, was die
[[Kategorie:Kommunikationswissenschaft]]
Natur vor unseren Sinnen ausbreitet. Wir suchen überall
[[Kategorie:Kommunikationsmodell]]
nach dem, was wir ''Erklärung'' der Tatsachen nennen.
Der Überschuß dessen, was wir in den Dingen suchen,
über das, was uns in ihnen unmittelbar gegeben ist, spaltet
unser ganzes Wesen in zwei Teile; wir werden uns unseres
Gegensatzes zur Welt bewußt. Wir stellen uns als ein selbständiges
Wesen der Welt gegenüber. Das Universum erscheint
uns in den zwei Gegensätzen: ''[[Ich]]'' und ''[[Welt]]''.


Diese Scheidewand zwischen uns und der Welt errichten
{{Wikipedia}}
wir, sobald das Bewußtsein in uns aufleuchtet. Aber niemals
verlieren wir das Gefühl, daß wir doch zur Welt gehören,
daß ein Band besteht, das uns mit ihr verbindet, daß wir
nicht ein Wesen ''außerhalb'', sondern innerhalb des Universums
sind.
 
Dieses Gefühl erzeugt das Streben, den Gegensatz zu
überbrücken. Und in der Überbrückung dieses Gegensatzes
besteht im letzten Grunde das ganze geistige Streben der
Menschheit." {{GGZ||004|28}}
 
Der durch unser [[Selbstbewusstsein]] bedingte [[Dualismus]] tritt in verschiedenste Formen auf, wie z.B. [[Geist]] – [[Materie]], [[Subjekt]] – [[Objekt]], [[Denken]] – [[Erscheinung]], und konnte auch durch den [[Monismus]] des [[Wikipedia:19. Jahrhundert|19. Jahrhundert]]s nicht überwunden werden, sondern führte nur zur Unterdrückung des einen oder des anderen Pols und wurde so zum einseitigen [[Materialismus]] oder zum nicht weniger einseitigen [[Spiritualismus]] oder leugnete die Spaltung, ohne die das Selbstbewusstsein aber nicht bestehen könnte, ganz.
 
"Der ''Materialismus'' kann niemals eine befriedigende Welterklärung
liefern. Denn jeder Versuch einer Erklärung muß
damit beginnen, daß man sich Gedanken über die Welterscheinungen
bildet. Der Materialismus macht deshalb den
Anfang mit dem Gedanken derMaterie oder der materiellen
Vorgänge. Damit hat er bereits zwei verschiedene Tatsachengebiete
vor sich: die materielle Welt und die Gedanken
über sie. Er sucht die letzteren dadurch zu begreifen,
daß er sie als einen rein materiellen Prozeß auffaßt. Er
glaubt, daß das Denken im Gehirne etwa so zustande komme,
wie die Verdauung in den animalischen Organen. So wie er
der Materie mechanische und organische Wirkungen zuschreibt,
so legt er ihr auch die Fähigkeit bei, unter bestimmten
Bedingungen zu denken. Er vergißt, daß er nun das
Problem nur an einen andern Ort verlegt hat. Statt sich
selbst, schreibt er die Fähigkeit des Denkens der Materie zu.
Und damit ist er wieder an seinem Ausgangspunkte." {{GGZ||004|30f}}
 
"Der reine Spiritualist
leugnet die Materie in ihrem selbständigen Dasein
und faßt sie nur als Produkt des Geistes auf. Wendet er diese
Weltanschauung auf die Enträtselung der eigenen menschlichen
Wesenheit an, so wird er in die Enge getrieben. Dem
Ich, das auf die Seite des Geistes gestellt werden kann, steht
unvermittelt gegenüber die sinnliche Welt. Zu dieser scheint
ein geistiger Zugang sich nicht zu eröffnen, sie muß durch
materielle Prozesse von dem Ich wahrgenommen und erlebt
werden. Solche materielle Prozesse findet das «Ich» in sich
nicht, wenn es sich nur als geistige Wesenheit gelten lassen
will. Was es geistig sich erarbeitet, in dem ist nie die Sinneswelt
drinnen. Es scheint das «Ich» zugeben zu müssen, daß
ihm die Welt verschlossen bliebe, wenn es nicht sich auf ungeistige
Art zu ihr in ein Verhältnis setzte. Ebenso müssen
wir, wenn wir ans Handeln gehen, unsere Absichten mit
Hilfe der materiellen Stoffe und Kräfte in Wirklichkeit um-
setzen. Wir sind also auf die Außenwelt angewiesen. Der
extremste Spiritualist, oder wenn man will, der durch den
absoluten Idealismus sich als extremer Spiritualist darstellende
Denker ist Johann Gottlieb Fichte. Er versuchte das
ganze Weltgebäude aus dem «Ich» abzuleiten. Was ihm
dabei wirklich gelungen ist, ist ein großartiges Gedankenbild
der Welt, ohne allen Erfahrungsinhalt." {{GGZ||004|31f}}
 
"Die dritte Form des Monismus ist die, welche in dem
einfachsten Wesen ([[Atom]]) bereits die beiden Wesenheiten,
Materie und Geist, vereinigt sieht. Damit ist aber auch
nichts erreicht, als daß die Frage, die eigentlich in unserem
Bewußtsein entsteht, auf einen anderen Schauplatz versetzt
wird. Wie kommt das einfache Wesen dazu, sich in einer
zweifachen Weise zu äußern, wenn es eine ungetrennte
Einheit ist?" {{GGZ||004|33}}
 
"Allen diesen Standpunkten gegenüber muß geltend gemacht
werden, daß uns der Grund- und Urgegensatz zuerst
in unserem eigenen Bewußtsein entgegentritt. Wir sind es
selbst, die wir uns von dem Mutterboden der Natur loslösen,
und uns als «Ich» der «Welt» gegenüberstellen." {{GGZ||004|33}}
 
So haben wir uns einerseits der Natur entfremdet, fühlen aber doch, dass wir in ihr sind und zu ihr gehören.
 
"Wir müssen den Weg zu ihr zurück wieder finden. Eine
einfache Überlegung kann uns diesen Weg weisen. Wir haben
uns zwar losgerissen von der Natur; aber wir müssen doch
etwas mit herübergenommen haben in unser eigenes Wesen.
Dieses Naturwesen in uns müssen wir aufsuchen, dann werden
wir den Zusammenhang auch wieder finden. Das versäumt
der Dualismus. Er hält das menschliche Innere für ein
der Natur ganz fremdes Geistwesen und sucht dieses an die
Natur anzukoppeln. Kein Wunder, daß er das Bindeglied
nicht finden kann. Wir können die Natur außer uns nur finden,
wenn wir sie in uns erst kennen." {{GGZ||004|34}}
 
====III. Das Denken im Dienste der Weltauffassung ====
 
"Wenn ich beobachte, wie eine Billardkugel, die gestoßen wird,
ihre Bewegung auf eine andere überträgt, so bleibe ich auf
den Verlauf dieses beobachteten Vorganges ganz ohne Einfluß.
Die Bewegungsrichtung und Schnelligkeit der zweiten
Kugel ist durch die Richtung und Schnelligkeit der ersten
bestimmt. Solange ich mich bloß als Beobachter verhalte,
weiß ich über die Bewegung der zweiten Kugel erst dann
etwas zu sagen, wenn dieselbe eingetreten ist. Anders ist die
Sache, wenn ich über den Inhalt meiner Beobachtung nachzudenken
beginne. Mein Nachdenken hat den Zweck, von
dem Vorgange Begriffe zu bilden... So gewiß es nun ist, daß sich der Vorgang
unabhängig von mir vollzieht, so gewiß ist es, daß sich der
begriffliche Prozeß ohne mein Zutun nicht abspielen kann." (S 36)
 
"Ob dies Tun in Wahrheit unser
Tun ist, oder ob wir es einer unabänderlichen Notwendigkeit
gemäß vollziehen, lassen wir vorläufig dahingestellt.
Daß es uns zunächst als das unsrige erscheint, ist ohne Frage." (S 37)
 
"Die Frage ist nun: was gewinnen wir dadurch, daß wir zu
einem Vorgange ein begriffliches Gegenstück hinzufinden?
 
Es ist ein tiefgreifender Unterschied zwischen der Art,
wie sich für mich die Teile eines Vorganges zueinander verhalten
vor und nach der Auffindung der entsprechenden
Begriffe. Die bloße Beobachtung kann die Teile eines gegebenen
Vorganges in ihrem Verlaufe verfolgen; ihr Zusammenhang
bleibt aber vor der Zuhilfenahme von Begriffen dunkel... Dieser Zusammenhang wird erst ersichtlich, wenn sich die
Beobachtung mit dem Denken verbindet." (S 37f)
 
"'''[[Beobachtung]] und [[Denken]] sind die beiden Ausgangspunkte für alles geistige Streben des Menschen, insoferne er sich eines solchen bewußt ist.'''" (S 38)
 
"Was für ein Prinzip wir auch aufstellen mögen: wir müssen
es irgendwo als von uns beobachtet nachweisen, oder in
Form eines klaren Gedankens, der von jedem anderen nachgedacht
werden kann, aussprechen." (S 38)
 
"Ob das Denken oder irgend
etwas anderes Hauptelement der Weltentwickelung ist, darüber
werde hier noch nichts ausgemacht. Daß aber der Philosoph
ohne das Denken kein Wissen darüber gewinnen kann,
das ist von vornherein klar." (S 39)
 
"Was nun die Beobachtung betrifft, so liegt es in unserer
Organisation, daß wir derselben bedürfen. Unser Denken
über ein Pferd und der Gegenstand Pferd sind zwei Dinge,
die für uns getrennt auftreten. Und dieser Gegenstand ist
uns nur durch Beobachtung zugänglich. So wenig wir durch
das bloße Anstarren eines Pferdes uns einen Begriff von
demselben machen können, ebensowenig sind wir imstande,
durch bloßes Denken einen entsprechenden Gegenstand hervorzubringen.
 
Zeitlich geht die Beobachtung sogar dem Denken voraus... Alles was in
den Kreis unserer Erlebnisse eintritt, werden wir durch die
Beobachtung erst gewahr. Der Inhalt von [[Empfindung]]en,
[[Wahrnehmung]]en, [[Anschauung]]en, die [[Gefühl]]e, [[Wille]]nsakte,
[[Traum]]- und [[Phantasie]]gebilde, [[Vorstellung]]en, [[Begriff]]e und
[[Ideen]], sämtliche [[Illusion]]en und [[Halluzination]]en werden
uns durch die ''Beobachtung'' gegeben." (S 39)
 
"Nur unterscheidet sich das Denken als Beobachtungsobjekt
doch wesentlich von allen andern Dingen. Die Beobachtung
eines Tisches, eines Baumes tritt bei mir ein,
sobald diese Gegenstände auf dem Horizonte meiner Erlebnisse
auftauchen. Das Denken aber über diese Gegenstände
beobachte ich nicht gleichzeitig. Den Tisch beobachte ich,
das Denken über den Tisch führe ich aus, aber ich beobachte
es nicht in demselben Augenblicke. Ich muß mich erst auf
einen Standpunkt außerhalb meiner eigenen Tätigkeit versetzen,
wenn ich neben dem Tische auch mein Denken über
den Tisch beobachten will." (S 40)
 
"'''Das ist die eigentümliche Natur des Denkens, daß der Denkende das Denken vergißt, während er es ausübt.''' Nicht
das Denken beschäftigt ihn, sondern der Gegenstand des
Denkens, den er beobachtet.
Die erste Beobachtung, die wir über das Denken machen,
ist also die, daß es das unbeobachtete Element unseres gewöhnlichen
Geisteslebens ist.
 
Der Grund, warum wir das Denken im alltäglichen
Geistesleben nicht beobachten, ist kein anderer als der, daß
es auf unserer eigenen Tätigkeit beruht. Was ich nicht selbst
hervorbringe, tritt als ein Gegenständliches in mein Beobachtungsfeld
ein. Ich sehe mich ihm als einem ohne mich
zustande Gekommenen gegenüber; es tritt an mich heran;
ich muß es als die Voraussetzung meines Denkprozesses hinnehmen. Während ich über den Gegenstand nachdenke, bin
ich mit diesem beschäftigt, mein Bück ist ihm zugewandt.
Diese Beschäftigung ist eben die denkende Betrachtung.
Nicht auf meine Tätigkeit, sondern auf das Objekt dieser
Tätigkeit ist meine Aufmerksamkeit gerichtet. Mit anderen
Worten: wahrend ich denke, sehe ich nicht auf mein Denken,
das ich selbst hervorbringe, sondern auf das Objekt des
Denkens, das ich nicht hervorbringe.
 
Ich bin sogar in demselben Fall, wenn ich den Ausnahmezustand
eintreten lasse, und über mein Denken selbst nachdenke.
'''Ich kann mein gegenwärtiges Denken nie beobachten'''; sondern nur die Erfahrungen, die ich über meinen Denkprozeß gemacht habe, kann ich nachher zum Objekt des Denkens machen. Ich müßte mich in zwei Persönlichkeiten
spalten: in eine, die denkt, und in die andere, welche sich
bei diesem Denken selbst zusieht, wenn ich mein gegenwärtiges
Denken beobachten wollte. Das kann ich nicht. Ich
kann das nur in zwei getrennten Akten ausführen. Das
Denken, das beobachtet werden soll, ist nie das dabei in
Tätigkeit befindliche, sondern ein anderes." (S 42f)
 
"'''Der Grund, der es uns unmöglich macht, das Denken in seinem jeweilig gegenwärtigen Verlauf zu beobachten, ist der gleiche wie der, der es uns unmittelbarer und intimer erkennen läßt als jeden andern Prozeß der Welt.''' Eben weil
wir es selbst hervorbringen, kennen wir das Charakteristische
seines Verlaufs, die Art, wie sich das dabei in Betracht
kommende Geschehen vollzieht. Was in den übrigen Beobachtungssphären
nur auf mittelbare Weise gefunden werden
kann: der sachlich-entsprechende Zusammenhang und das
Verhältnis der einzelnen Gegenstände, das wissen wir beim
Denken auf ganz unmittelbare Weise. Warum für meine
Beobachtung der Donner auf den Blitz folgt, weiß ich nicht
ohne weiteres; warum mein Denken den Begriff Donner
mit dem des Blitzes verbindet, weiß ich unmittelbar aus den
Inhalten der beiden Begriffe. Es kommt natürlich, gar nicht
darauf an, ob ich die richtigen Begriffe von Blitz und Donner
habe. Der Zusammenhang derer, die ich habe, ist mir
klar, und zwar durch sie selbst.
 
Diese durchsichtige Klarheit in bezug auf den Denkprozeß
ist ganz unabhängig von unserer Kenntnis der physiologischen
Grundlagen des Denkens. Ich spreche hier von
dem Denken, insoferne es sich aus der Beobachtung unserer
geistigen Tätigkeit ergibt. Wie ein materieller Vorgang
meines Gehirns einen andern veranlaßt oder beeinflußt,
während ich eine Gedankenoperation ausführe, kommt dabei
gar nicht in Betracht. Was ich am Denken beobachte, ist
nicht: welcher Vorgang in meinem Gehirne den Begriff des
Blitzes mit dem des Donners verbindet, sondern, was mich
veranlaßt, die beiden Begriffe in ein bestimmtes Verhältnis
zu bringen." (S 44f)
 
"Für jeden aber, der die Fähigkeit hat, das Denken zu
beobachten - und bei gutem Willen hat sie jeder normal
organisierte Mensch —, ist diese Beobachtung die allerwichtigste,
die er machen kann. Denn er beobachtet etwas, dessen
Hervorbringer er selbst ist; er sieht sich nicht einem zunächst
fremden Gegenstande, sondern seiner eigenen Tätigkeit
gegenüber. Er weiß, wie das zustande kommt, was er beobachtet.
Er durchschaut die Verhältnisse und Beziehungen.
Es ist ein fester Punkt gewonnen, von dem aus man mit
begründeter Hoffnung nach der Erklärung der übrigen
Welterscheinungen suchen kann." (S 46)
 
[[Datei:Frans Hals - Portret van René Descartes.jpg|miniatur|[[Wikipedia:René Descartes|René Descartes]] (Porträt von [[Wikipedia:Frans Hals|Frans Hals]], 1648)]]
"Das Gefühl, einen solchen festen Punkt zu haben, veranlaßte
den Begründer der neueren Philosophie, [[Wikipedia:René Descartes|Renatus Cartesius]], das ganze menschliche Wissen auf den Satz zu
gründen: ''Ich denke, also bin ich.'' Alle andern Dinge, alles
andere Geschehen ist ohne mich da; ich weiß nicht, ob als
Wahrheit, ob als Gaukelspiel und Traum. Nur eines weiß
ich ganz unbedingt sicher, denn ich bringe es selbst zu seinem
sichern Dasein: mein Denken. Mag es noch einen andern
Ursprung seines Daseins haben, mag es von Gott oder
anderswoher kommen; daß es in dem Sinne da ist, in dem
ich es selbst hervorbringe, dessen bin ich gewiß." (S 46)
 
"Wenn man das Denken zum Objekt der Beobachtung
macht, fügt man zu dem übrigen beobachteten Weltinhalte
etwas dazu, was sonst der Aufmerksamkeit entgeht; man
ändert aber nicht die Art, wie sich der Mensch auch den
andern Dingen gegenüber verhält. Man vermehrt die Zahl
der Beobachtungsobjekte, aber nicht die Methode des Beobachtens. Während wir die andern Dinge beobachten,
mischt sich in das Weltgeschehen - zu dem ich jetzt das Beobachten
mitzähle - ein Prozeß, der übersehen wird. Es ist
etwas von allem andern Geschehen verschiedenes vorhanden,
das nicht mitberücksichtigt wird. Wenn ich aber mein
Denken betrachte, so ist kein solches unberücksichtigtes Element
vorhanden. Denn was jetzt im Hintergrunde schwebt,
ist selbst wieder nur das Denken. Der beobachtete Gegenstand
ist qualitativ derselbe wie die Tätigkeit, die sich auf
ihn richtet. Und das ist wieder eine charakteristische Eigentümlichkeit
des Denkens. Wenn wir es zum Betrachtungsobjekt
machen, sehen wir uns nicht gezwungen, dies mit
Hilfe eines Qualitativ-Verschiedenen zu tun, sondern wir
können in demselben Element verbleiben." (S 47f)
 
[[Datei:Nb pinacoteca stieler friedrich wilhelm joseph von schelling.jpg|miniatur|[[Friedrich Wilhelm Schelling]], Gemälde von [[Wikipedia:Joseph Karl Stieler|Joseph Karl Stieler]], 1835]]
"''Schelling'' sagt: Die Natur erkennen, heißt die Natur
schaffen. - Wer diese Worte des kühnen Naturphilosophen
wörtlich nimmt, wird wohl zeitlebens auf alles Naturerkennen
verzichten müssen. Denn die Natur ist einmal da, und
um sie ein zweites Mal zu schaffen, muß man die Prinzipien
erkennen, nach denen sie entstanden ist. Für die Natur, die
man erst schaffen wollte, müßte man der bereits bestehenden
die Bedingungen ihres Daseins abgucken. Dieses Abgucken,
das dem Schaffen vorausgehen müßte, wäre aber das Erkennen
der Natur, und zwar auch dann, wenn nach erfolgtem
Abgucken das Schaffen ganz unterbliebe. Nur eine noch
nicht vorhandene Natur könnte man schaffen, ohne sie vorher
zu erkennen.
 
Was bei der Natur unmöglich ist: das Schaffen vor dem
Erkennen; beim Denken vollbringen wir es. Wollten wir
mit dem Denken warten, bis wir es erkannt haben, dann
kämen wir nie dazu. Wir müssen resolut darauf losdenken,
um hinterher mittels der Beobachtung des Selbstgetanen zu
seiner Erkenntnis zu kommen. Der Beobachtung des Denkens
schaffen wir selbst erst ein Objekt. Für das Vorhandensein
aller anderen Objekte ist ohne unser Zutun gesorgt
worden." (S 48f)
 
"Es ist also zweifellos: in dem Denken halten wir das Weltgeschehen
an einem Zipfel, wo wir dabei sein müssen, wenn
etwas Zustandekommen soll. Und das ist doch gerade das,
worauf es ankommt. Das ist gerade der Grund, warum mir
die Dinge so rätselhaft gegenüberstehen: daß ich an ihrem
Zustandekommen so unbeteiligt bin. Ich finde sie einfach
vor; beim Denken aber weiß ich, wie es gemacht wird. Daher
gibt es keinen ursprünglicheren Ausgangspunkt für das
Betrachten alles Weltgeschehens als das Denken." (S 49f)
 
"Die meisten Philosophen der Gegenwart werden
mir einwenden: bevor es ein Denken gibt, muß es ein [[Bewusstsein|Bewußtsein]]
geben. Deshalb sei vom Bewußtsein und nicht
vom Denken auszugehen. Es gebe kein Denken ohne Bewußtsein.
Ich muß dem gegenüber erwidern: Wenn ich darüber
Aufklärung haben will, welches Verhältnis zwischen
Denken und Bewußtsein besteht, so muß ich darüber nachdenken.
Ich setze das Denken damit voraus." (S 51f)
 
"'''Ehe anderes begriffen werden kann, muß es das Denken werden.'''" (S 53)
 
====IV. Die Welt als Wahrnehmung ====
[[Datei:Hegel portrait by Schlesinger 1831.jpg|miniatur|200px|[[Georg Wilhelm Friedrich Hegel]] (Porträt von Jakob Schlesinger, 1831)]]
[[Datei:George_Berkeley_by_John_Smibert.jpg|mini|200px|[[Wikipedia:George Berkeley|George Berkeley]] als Bischof]]
[[Datei:Immanuel Kant (painted portrait).jpg|miniatur|200px|[[Immanuel Kant]]]]
[[Datei:Schopenhauer.jpg|miniatur|200px|[[Wikipedia:Arthur Schopenhauer|Arthur Schopenhauer]], 1859]]
 
"Durch das Denken entstehen ''[[Begriff]]e'' und ''[[Ideen]]''. Was ein
Begriff ist, kann nicht mit Worten gesagt werden. Worte
können nur den Menschen darauf aufmerksam machen, daß
er Begriffe habe... Die Begriffe stehen aber durchaus nicht vereinzelt da.
Sie schließen sich zu einem gesetzmäßigen Ganzen zusammen... Auf diese
Weise verbinden sich die einzelnen Begriffe zu einem geschlossenen
Begriffssystem, in dem jeder seine besondere
Stelle hat. Ideen sind qualitativ von Begriffen nicht verschieden.
Sie sind nur inhaltsvollere, gesättigtere und umfangreichere
Begriffe. Ich muß einen besonderen Wert darauf
legen, daß hier an dieser Stelle beachtet werde, daß ich als
meinen Ausgangspunkt das ''[[Denken]]'' bezeichnet habe und
nicht ''Begriffe'' und ''Ideen'', die erst durch das Denken gewonnen
werden. Diese setzen das Denken bereits voraus." (S 57) In letzterem Punkt unterscheidet sich Steiners Methode vom System [[Hegel]]s.
 
"'''Der Begriff kann nicht aus der Beobachtung gewonnen werden.''' Das geht schon aus dem Umstande hervor, daß der
heranwachsende Mensch sich langsam und allmählich erst
die Begriffe zu den Gegenständen bildet, die ihn umgeben.
Die Begriffe werden zu der Beobachtung hinzugefügt." (S 58)
 
"Wenn man von einer «streng objektiven Wissenschaft»
fordert, daß sie ihren Inhalt nur der Beobachtung entnehme,
so muß man zugleich fordern, daß sie auf alles Denken verzichte.
Denn dieses geht seiner Natur nach über das Beobachtete
hinaus." (S 59)
 
"'''Das menschliche Bewußtsein ist der Schauplatz, wo Begriff und Beobachtung einander begegnen und wo sie miteinander verknüpft werden.'''
Dadurch ist aber dieses (menschliche) Bewußtsein zugleich
charakterisiert. Es ist der Vermittler zwischen Denken und
Beobachtung. Insoferne der Mensch einen Gegenstand beobachtet,
erscheint ihm dieser als gegeben, insoferne er denkt,
erscheint er sich selbst als tätig. Er betrachtet den Gegenstand als ''[[Objekt]]'', sich selbst als das denkende ''[[Subjekt]]''. Weil
er sein Denken auf die Beobachtung richtet, hat er Bewußtsein
von den Objekten; weil er sein Denken auf sich richtet,
hat er Bewußtsein seiner selbst oder ''[[Selbstbewusstsein|Selbstbewußtsein]]''. Das
menschliche Bewußtsein muß notwendig zugleich Selbstbewußtsein
sein, weil es ''denkendes'' Bewußtsein ist." (S 59f)
 
"Nun darf aber nicht übersehen werden, daß wir uns nur
mit Hilfe des Denkens als Subjekt bestimmen und uns den
Objekten entgegensetzen können. Deshalb darf das Denken
niemals als eine bloß subjektive Tätigkeit aufgefaßt werden.
Das Denken ist jenseits von Subjekt und Objekt. Es
bildet diese beiden Begriffe ebenso wie alle anderen." (S 60)
 
"Das nächste wird nun sein, uns zu fragen: Wie kommt
das andere Element, das wir bisher bloß als Beobachtungsobjekt
bezeichnet haben, und das sich mit dem Denken im
Bewußtsein begegnet, in das letztere?" (S 61)
 
"Wir müssen uns vorstellen, daß ein Wesen mit vollkommen
entwickelter menschlicher Intelligenz aus dem Nichts
entstehe und der Welt gegenübertrete. Was es da gewahr
würde, bevor es das Denken in Tätigkeit bringt, das ist der
reine Beobachtungsinhalt. Die Welt zeigte dann diesem
Wesen nur das bloße zusammenhanglose Aggregat von
''Empfindungsobjekten'': Farben, Töne, Druck-, Wärme-, Geschmacks-
und Geruchsempfindungen; dann Lust- und Unlustgefühle.
Dieses Aggregat ist der Inhalt der reinen, gedankenlosen
Beobachtung." (S 61)
 
In [[Wahrheit und Wissenschaft]] ([[GA 3]]) hat Steiner diesbezüglich von dem '''unmittelbar gegebenen Weltbild''' gesprochen<ref>"Ein solcher Anfang kann aber nur mit dem unmittelbar gegebenen Weltbilde gemacht
werden, d. i. jenem Weltbilde, das dem Menschen vorliegt, bevor er es in irgendeiner
Weise dem Erkenntnisprozesse unterworfen hat, also bevor er auch nur die allergeringste
Aussage über dasselbe gemacht, die allergeringste gedankliche Bestimmung mit
demselben vorgenommen hat. Was da an uns vorüberzieht, und woran wir vorüberziehen,
dieses zusammenhanglose und doch auch nicht in individuelle Einzelheiten
gesonderte Weltbild, in dem nichts voneinander unterschieden, nichts aufeinander
bezogen ist, nichts durch ein anderes bestimmt erscheint: das ist das unmittelbar
Gegebene. Auf dieser Stufe des Daseins - wenn wir diesen Ausdruck gebrauchen dürfen -
ist kein Gegenstand, kein Geschehnis wichtiger, bedeutungsvoller als ein anderer bzw.
ein anderes. Das rudimentäre Organ des Tieres, das vielleicht für eine spätere, schon
durch das Erkennen erhellte Stufe des Daseins ohne alle Bedeutung für die Entwicklung
und das Leben desselben ist, steht gerade mit demselben Anspruch auf Beachtung da, wie
der edelste, notwendigste Teil des Organismus. Vor aller erkennenden Tätigkeit stellt
sich im Weltbilde nichts als Substanz, nichts als Akzidenz, nichts als Ursache oder
Wirkung dar; die Gegensätze von Materie und Geist, von Leib und Seele sind noch nicht
geschaffen. Aber auch jedes andere Prädikat müssen wir von dem auf dieser Stufe
festgehaltenen Weltbilde fernhalten. Es kann weder als Wirklichkeit noch als Schein,
weder als subjektiv noch als objektiv, weder als zufällig noch als notwendig aufgefaßt
werden; ob es «Ding an sich» oder bloße Vorstellung ist, darüber ist auf dieser Stufe
nicht zu entscheiden. Denn dass die Erkenntnisse der Physik und Physiologie, die zur Subsummierung des Gegebenen unter eine der obigen Kategorien verleiten, nicht an die Spitze der Erkenntnistheorie gestellt werden dürfen, haben wir bereits gesehen.<br>
Wenn ein Wesen mit vollentwickelter, menschlicher Intelligenz plötzlich aus dem Nichts geschaffen würde und der Welt gegenüberträte, so wäre der erste Eindruck, den letztere auf seine Sinne und sein Denken machte, etwa das, was wir mit dem unmittelbar gegebenen Weltbilde bezeichnen. Dem Menschen liegt dasselbe allerdings in keinem Augenblicke seines Lebens in dieser Gestalt wirklich vor; es ist in seiner Entwicklung nirgends eine Grenze zwischen reinem, passiven Hinauswenden zum unmittelbar Gegebenen und dem denkenden Erkennen desselben vorhanden. Dieser Umstand könnte Bedenken gegen unsere Aufstellung eines Anfangs der Erkenntnistheorie erregen [...] Dagegen ist aber einzuwenden, dass das Weltbild, das wir am Beginne der philosophischen Reflexion haben, schon Prädikate trägt, die nur durch das Erkennen vermittelt sind. Diese dürfen nicht kritiklos hingenommen, sondern müssen sorgfältig aus dem Weltbilde herausgeschält werden, damit es ganz rein von allem durch den Erkenntnisprozess Hinzugefügten erscheint. Die Grenze zwischen Gegebenem und Erkanntem wird überhaupt mit keinem Augenblicke der menschlichen Entwicklung zusammenfallen, sondern sie muss künstlich gezogen werden. Dies aber kann auf jeder Entwicklungsstufe geschehen, wenn wir nur den Schnitt zwischen dem, was ohne gedankliche Bestimmung vor dem Erkennen an uns herantritt, und dem, was durch letzteres erst daraus gemacht wird, richtig führen.<br>
Nun kann man uns vorwerfen, dass wir eine ganze Reihe von gedanklichen Bestimmungen bereits angehäuft haben, um jenes angeblich unmittelbare Weltbild aus dem durch erkennende Bearbeitung von den Menschen vervollständigten herauszuschälen. Aber dagegen ist folgendes zu sagen: was wir an Gedanken aufgebracht haben, sollte ja nicht jenes Weltbild etwa charakterisieren, sollte gar keine Eigenschaft desselben angeben, überhaupt nichts über dasselbe aussagen, sondern nur unsere Betrachtung so lenken, dass sie bis zu jener Grenze geführt wird, wo sich das Erkennen an seinen Anfang gestellt sieht. Von Wahrheit oder Irrtum, Richtigkeit oder Unrichtigkeit jener Ausführungen, die nach unserer Auffassung dem Augenblicke vorangehen, in dem wir am Beginne der Erkenntnistheorie stehen, kann daher nirgends die Rede sein. Dieselben haben nur die Aufgabe, zweckmäßig zu diesem Anfange hinzuleiten. Niemand, der im Begriffe steht, sich mit erkenntnistheoretischen Problemen zu befassen, steht zugleich dem mit Recht so genannten Anfange des Erkennens gegenüber, sondern er hat bereits, bis zu einem gewissen Grade, entwickelte Erkenntnisse. Aus diesen alles zu entfernen, was durch die Arbeit des Erkennens gewonnen ist, und den vor derselben liegenden Anfang festzustellen, kann nur durch begriffliche Erwägungen geschehen. Aber den Begriffen kommt auf dieser Stufe kein Erkenntniswert zu, sie haben die rein negative Aufgabe, alles aus dem Gesichtsfelde zu entfernen, was der Erkenntnis angehört, und dahin zu leiten, wo die letztere erst einsetzt. Diese Erwägungen sind die Wegweiser zu jenem Anfang, an den der Akt des Erkennens herantritt, gehören aber demselben noch nicht an. Bei allem, was der Erkenntnistheoretiker vor der Feststellung des Anfangs vorzubringen hat, gibt es also nur Zweckmäßigkeit oder Unzweckmäßigkeit, nicht Wahrheit oder Irrtum. Aber auch in diesem Anfangspunkte selbst ist aller Irrtum ausgeschlossen, denn der letztere kann erst mit dem Erkennen beginnen, also nicht vor demselben liegen." {{G|003|49f|45}}</ref><ref name="Traube">Offen lässt Steiner hier die Frage, inweit die Wahrnehmung selbst nicht bereits ein ''vorbegriffliches Erkenntnisvermögen'' darstellt. Hartmut Traube merkt dazu kritisch an:<br>
<blockquote>"Steiner ist es offenbar
gänzlich entgangen, dass die Wahrnehmung ein vorbegriffliches Erkenntnisvermögen
ist, das nach eigenen Gesetzen, den Wahrnehmungsgesetzen,
Gestalten und Beziehungen in Raum und Zeit organisiert. Für Kant ist die
Wahrnehmung deshalb eben auch ein Vermögen der Synthesis. Ihr vorgelagert
liegen die noch elementareren „Synopsen" der Sinne. Nur stehen diese Syntheseleistungen,
insbesondere die der Wahrnehmung, nicht unmittelbar unter der
Einheit des Verstandes, das heißt der transzendentalen Apperzeption, sondern
unter der Einheit der Formen sinnlicher Anschauung. In ihnen durchläuft die
Einbildungskraft das „Mannigfaltige der Anschauung" und fasst es in „Apprehensionssynthesen"
zu sinnlichen Gestalten und Vorstelllungen zusammen ([http://korpora.zim.uni-duisburg-essen.de/kant/aa04/076.html AA IV, 76]). Es ist Steiners bleibendes und für seine Erkenntnistheorie verhängnisvolles
Missverständnis, zu glauben, dass sich jenseits der Welt tätigen Denkens
und Erkennens unmittelbar der gähnende Abgrund des unvermittelten und jede
Unterscheidung verschlingenden Chaos auftue. Verhängnisvoll ist dieses Missverständnis
deshalb, weil durch die Unkenntnis dieser in sich differenzierten
und komplexen Theorie der Wahrnehmung den begrifflichen Synthese- und
Konstitutionsleistungen einerseits eine Erklärungslast im Hinblick auf Erkenntnisse
aufgetragen wird, die ihre Möglichkeiten bei weitem überschreitet, und die
lichtvolle und durchaus geordnete Welt sinnlicher Wahrnehmung in Raum und
Zeit andererseits in der differenzlosen Nacht eines undurchdringlichen Tohuwabohus
versinkt."<br>
(Hartmut Traube: ''Philosophie und Anthroposophie'', Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2011, S 75f)</blockquote>
Für Steiner stellt sich allerdings ''diese'' Frage im Sinne seiner ''bewusstseins-phänomenologischen'' Methode gar nicht - und das zu Recht. ''Vorbewusste'' oder ''vorbegriffliche'' Prozesse ''als solche'' fallen für Steiner eben gerade ''nicht'' in den Bereich der [[Erkenntnis]] - hier liegt auch seine Differenz zu Kants diesbezüglichen Ausführungen. Eine Erkenntnis derartige Prozesse ist nämlich, wie Steiner klar gezeigt hat, ebenfalls nur durch die gedankliche Durchdringung entsprechender [[sinnlich]]er und [[seelisch]]er [[Beobachtung]]en (z.B. der neurophysiologischen und psychologischen Grundlagen der Sinneswahrnehmung) möglich, aber keinesfalls durch rein [[philosophisch]]e Erwägungen.</ref>.
 
"Ich werde die unmittelbaren Empfindungsobjekte,
die ich oben genannt habe, insoferne das bewußte
Subjekt von ihnen durch Beobachtung Kenntnis nimmt,
Wahrnehmungen nennen. Also nicht den Vorgang der Beobachtung,
sondern das Objekt dieser Beobachtung bezeichne
ich mit diesem Namen.
 
Ich wähle den Ausdruck Empfindung nicht, weil dieser in
der Physiologie eine bestimmte Bedeutung hat, die enger
ist als die meines Begriffes von Wahrnehmung. Ein Gefühl
in mir selbst kann ich wohl als Wahrnehmung, nicht aber
als Empfindung im physiologischen Sinne bezeichnen." (S 62)
 
Das Wahrnehmungsbild, das wir durch Beobachtung gewinnen, ist von unserem Standort und von unserer [[leib]]lichen Organisation abhängig.
 
"Es ist für eine Allee ganz gleichgültig, wo ich stehe.
Das Bild aber, das ich von ihr erhalte, ist wesentlich davon
abhängig. Ebenso ist es für die Sonne und das Planetensystem
gleichgültig, daß die Menschen sie gerade von der
Erde aus ansehen. Das Wahrnehmungsbild aber, das sich
diesen darbietet, ist durch diesen ihren Wohnsitz bestimmt." (S 64)
 
"Der Physiker
zeigt uns, daß innerhalb des Raumes, in dem wir einen
Schall hören, Schwingungen der Luft stattfinden, und daß
auch der Körper, in dem wir den Ursprung des Schalles
suchen, eine schwingende Bewegung seiner Teile aufweist.
Wir nehmen diese Bewegung nur als Schall wahr, wenn wir
ein normal organisiertes Ohr haben. Ohne ein solches bliebe
uns die ganze Welt ewig stumm. Die Physiologie belehrt uns
darüber, daß es Menschen gibt, die nichts wahrnehmen von
der herrlichen Farbenpracht, die uns umgibt. Ihr Wahrnehmungsbild
weist nur Nuancen von Hell und Dunkel
auf. Andere nehmen nur eine bestimmte Farbe, zum Beispiel
das Rot, nicht wahr. Ihrem Weltbilde fehlt dieser Farbenton,
und es ist daher tatsächlich ein anderes als das eines
Durchschnittsmenschen." (S 64)
 
"Meine Wahrnehmungsbilder sind also zunächst subjektiv." [[Wikipedia:George Berkeley|George Berkeley]] hat daraus geschlossen, dass es überhaupt keine objektive Aussenwelt gibt, dass sich alles [[Sein]] im (subjektiven) [[Wahrnehmen]] erschöpft. Er sagt: «Einige
Wahrheiten liegen so nahe und sind so einleuchtend, daß
man nur die Augen zu öffnen braucht, um sie zu sehen. Für
eine solche halte ich den wichtigen Satz, daß der ganze Chor
am Himmel und alles, was zur Erde gehört, mit einem
Worte alle die Körper, die den gewaltigen Bau der Welt
zusammensetzen, keine Subsistenz außerhalb des Geistes
haben, daß ihr Sein in ihrem Wahrgenommen- oder Erkanntwerden
besteht, daß sie folglich, solange sie nicht
wirklich von mir wahrgenommen werden oder in meinem
Bewußtsein oder dem eines anderen geschaffenen Geistes
existieren, entweder überhaupt keine Existenz haben oder
in dem Bewußtsein eines ewigen Geistes existieren.»" (S 64f)
 
Zu untersuchen ist also, welches die Funktion unseres Wahrnehmens beim Zustandekommen einer Wahrnehmung ist.
 
"Damit wird unsere Betrachtung von dem Objekt der
Wahrnehmung auf das Subjekt derselben abgeleitet. Ich
nehme nicht nur andere Dinge wahr, sondern ich nehme
mich selbst wahr. Die Wahrnehmung meiner selbst hat zunächst
den Inhalt, daß ich das Bleibende bin gegenüber den
immer kommenden und gehenden Wahrnehmungsbildern.
Die Wahrnehmung des Ich kann in meinem Bewußtsein
stets auftreten, während ich andere Wahrnehmungen habe." (S 67)
 
"Ich
sehe nicht bloß einen Baum, sondern ich weiß auch, daß ich
es bin, der ihn sieht. Ich erkenne auch, daß in mir etwas
vorgeht, während ich den Baum beobachte. Wenn der Baum
aus meinem Gesichtskreise verschwindet, bleibt für mein
Bewußtsein ein Rückstand von diesem Vorgange: ein Bild
des Baumes. Dieses Bild hat sich während meiner Beobachtung
mit meinem Selbst verbunden. Mein Selbst hat sich
bereichert; sein Inhalt hat ein neues Element in sich aufgenommen.
Dieses Element nenne ich meine [[Vorstellung]] von
dem Baume." (S 67f)
 
"Die Vorstellung nehme ich an meinem Selbst wahr, in
dem Sinne, wie Farbe, Ton usw. an andern Gegenständen.
Ich kann jetzt auch den Unterschied machen, daß ich diese
andern Gegenstände, die sich mir gegenüberstellen, ''Außenwelt''
nenne, wahrend ich den Inhalt meiner Selbstwahrnehmung
als ''Innenwelt'' bezeichne. Die Verkennung des Verhältnisses
von Vorstellung und Gegenstand hat die größten
Mißverständnisse in der neueren [[Philosophie]] herbeigeführt." (S 68)
 
"Der naive Mensch
glaubt, daß die Gegenstände, so wie er sie wahrnimmt, auch
außerhalb seines Bewußtseins vorhanden sind. Die Physik,
Physiologie und Psychologie scheinen aber zu lehren, daß zu
unseren Wahrnehmungen unsere Organisation notwendig
ist, daß wir folglich von nichts wissen können, als von dem,
was unsere Organisation uns von den Dingen überliefert.
Unsere Wahrnehmungen sind somit Modifikationen unserer
Organisation, nicht Dinge an sich." (S 70)
 
Auf dem Weg von den [[Sinnesorgan]]en zum [[Gehirn]] wird der Reiz mannigfaltig verändert. Aber auch die Gehirnvorgänge nehmen wir nicht als solche war, sondern wir erleben [[Sinnesempfindung]]en ([[Qualia]]), die nicht die geringste Ähnlichkeit mit diesen haben und daraus nicht ableitbar sind. Sie werden zuletzt nach außen an den Körper verlegt, womit ein vollständiger Kreis durchlaufen ist. [[Kant]], als Begründer des [[Kritischer Idealismus|kritischen Idealismus]], hatte daraus geschlossen, das uns das [[Ding an sich]] grundsätzlich unzugänglich ist und [[Eduard von Hartmann]] meinte: «Was das Subjekt wahrnimmt, sind also immer nur Modifikationen seiner eigenen psychischen Zustände und nichts anderes.» (S 73) Bei genauer Prüfung fällt dieses Gedankengebäude aber in nichts zusammen, denn "Konsequenterweise sind dann aber auch meine Sinnesorgane
und die Vorgänge in ihnen bloß subjektiv. Ich habe
kein Recht, von einem wirklichen Auge zu sprechen, sondern
nur von meiner Vorstellung des Auges. Ebenso ist es
mit der Nervenleitung und dem Gehirnprozeß und nicht
weniger mit dem Vorgange in der Seele selbst, durch den
aus dem Chaos der mannigfaltigen Empfindungen Dinge
aufgebaut werden sollen. Durchlaufe ich unter Voraussetzung
der Richtigkeit des ersten Gedankenkreisganges die
Glieder meines Erkenntnisaktes nochmals, so zeigt sich der
letztere als ein Gespinst von Vorstellungen, die doch als
solche nicht aufeinander wirken können. Ich kann nicht
sagen: meine Vorstellung des Gegenstandes wirkt auf meine
Vorstellung des Auges, und aus dieser Wechselwirkung geht
die Vorstellung der Farbe hervor." (S 75f)
 
"Außerdem enthält die ganze Schlußfolgerung einen
Sprung. Ich bin in der Lage, die Vorgänge in meinem Organismus
bis zu den Prozessen in meinem Gehirne zu verfolgen,
wenn auch meine Annahmen immer hypothetischer
werden, je mehr ich mich den zentralen Vorgängen des Gehirnes
nähere. Der Weg der ''äußeren'' Beobachtung hört mit
dem Vorgange in meinem Gehirne auf, und zwar mit jenem,
den ich wahrnehmen würde, wenn ich mit physikalischen,
chemischen usw. Hilfsmitteln und Methoden das Gehirn
behandeln könnte. Der Weg der ''inneren'' Beobachtung fängt
mit der Empfindung an und reicht bis zum Aufbau der
Dinge aus dem Empfindungsmaterial. Beim Übergang von
dem Hirnprozeß zur Empfindung ist der Beobachtungsweg
unterbrochen." (S 76f)
 
"Noch weniger aber darf der Satz: «Die wahrgenommene
Welt ist meine Vorstellung» als durch sich selbst einleuchtend
und keines Beweises bedürftig hingestellt werden" (S 78), wie es etwa [[Wikipedia:Arthur Schopenhauer|Arthur Schopenhauer]] in seinem Werk «[[Wikipedia:Die Welt als Wille und Vorstellung|Die Welt als Wille und Vorstellung]]» getan hatte.
 
====V. Das Erkennen der Welt ====
[[Datei:Friedrich_Bury_-_Johann_Gottlieb_Fichte_1801.jpg|miniatur|200px|[[Johann Gottlieb Fichte]]]]
 
"Wenn
der Philosoph als kritischer Idealist überhaupt ein Sein
gelten läßt, dann geht sein Erkenntnisstreben mit mittelbarer
Benutzung der Vorstellungen allein auf dieses Sein.
Sein Interesse überspringt die subjektive Welt der Vorstellungen und geht auf das Erzeugende dieser Vorstellungen
los.
 
Der kritische Idealist kann aber so weit gehen, daß er
sagt: ich bin in meine Vorstellungswelt eingeschlossen und
kann aus ihr nicht hinaus. Wenn ich ein Ding hinter meinen
Vorstellungen denke, so ist dieser Gedanke doch auch weiter
nichts als meine Vorstellung. Ein solcher Idealist wird dann
das Ding an sich entweder ganz leugnen oder wenigstens
davon erklären, daß es für uns Menschen gar keine Bedeutung
habe, das ist, so gut wie nicht da sei, weil wir nichts
von ihm wissen können.
 
Einem kritischen Idealisten dieser Art erscheint die ganze
Welt als ein Traum, dem gegenüber jeder Erkenntnisdrang
einfach sinnlos wäre...
 
Der kritische Idealist kommt dann zu der Behauptung:
«Alle Realität verwandelt sich in einen wunderbaren
Traum, ohne ein Leben, von welchem geträumt wird, und
ohne einen Geist, dem da träumt; in einen Traum, der in
einem Traume von sich selbst zusammenhängt» (vergleiche
Fichte, Die Bestimmung des Menschen)...
 
Während aber für denjenigen,
der mit dem Traume das uns zugängliche All erschöpft
glaubt, alle Wissenschaft ein Unding ist, wird für den andern,
der sich befugt glaubt, von den Vorstellungen auf die
Dinge zu schließen, die Wissenschaft in der Erforschung dieser
«Dinge an sich» bestehen. Die erstere Weltansicht kann
mit dem Namen absoluter Illusionismus bezeichnet werden,
die zweite nennt ihr konsequentester Vertreter, Eduard von
Hartmann, transzendentalen Realismus<ref>Transzendental wird im Sinne dieser Weltanschauung eine Erkenntnis
genannt, welche sich bewußt glaubt, daß über die Dinge
an sich nicht direkt etwas ausgesagt werden könne, sondern welche
indirekt Schlüsse von dem bekannten Subjektiven auf das Unbekannte,
jenseits des Subjektiven Liegende (Transzendente) macht. Das Ding
an sich ist nach dieser Ansicht jenseits des Gebietes der uns unmittelbar
erkennbaren Welt, d. i. transzendent. Unsere Welt kann aber auf das
Transzendente transzendental bezogen werden. Realismus heißt Hartmanns
Anschauung, weil sie über das Subjektive, Ideale hinaus, auf
das Transzendente, Reale geht.</ref>.
 
Diese beiden Ansichten haben mit dem naiven Realismus
das gemein, daß sie Fuß in der Welt zu fassen suchen durch
eine Untersuchung der Wahrnehmungen. Sie können aber
innerhalb dieses Gebietes nirgends einen festen Punkt finden.
 
Eine Hauptfrage für den Bekenner des transzendentalen
Realismus müßte sein: wie bringt das Ich aus sich selbst die
Vorstellungswelt zustande? Für eine uns gegebene Welt von
Vorstellungen, die verschwindet, sobald wir unsere Sinne
der Außenwelt verschließen, kann ein ernstes Erkenntnisstreben
sich insofern erwärmen, als sie das Mittel ist, die
Welt des an sich seienden Ich mittelbar zu erforschen. Wenn
die Dinge unserer Erfahrung Vorstellungen wären, dann
gliche unser alltägliches Leben einem Traume und die Erkenntnis
des wahren Tatbestandes dem Erwachen. Auch unsere
Traumbilder interessieren uns so lange, als wir träumen,
folglich die Traumnatur nicht durchschauen [...]
 
In ähnlicher Weise
muß der Philosoph, sobald er von dem Vorstellungscharakter
der gegebenen Welt überzeugt ist, von dieser sofort auf
die dahinter steckende wirkliche Seele überspringen. Schlimmer
steht die Sache allerdings, wenn der Illusionismus das
Ich an sich hinter den Vorstellungen ganz leugnet, oder es
wenigstens für unerkennbar hält. Zu einer solchen Ansicht
kann sehr leicht die Beobachtung führen, daß es dem Träumen
gegenüber zwar den Zustand des Wachens gibt, in dem
wir Gelegenheit haben, die Träume zu durchschauen und
auf reale Verhältnisse zu beziehen, daß wir aber keinen zu
dem wachen Bewußtseinsleben in einem ähnlichen Verhältnisse
stehenden Zustand haben. Wer zu dieser Ansicht sich
bekennt, dem geht die Einsicht ab, daß es etwas gibt, das
sich in der Tat zum bloßen Wahrnehmen verhält wie das
Erfahren im wachen Zustande zum Träumen. Dieses Etwas
ist das ''Denken'' [...]
 
Den Grund, warum das Denken bei der Betrachtung der
Dinge zumeist übersehen wird, haben wir bereits angegeben
(vergleiche Seite 42 f.). Er liegt in dem Umstände, daß wir
nur auf den Gegenstand, über den wir denken, nicht aber
zugleich auf das Denken unsere Aufmerksamkeit richten.
Das naive Bewußtsein behandelt daher das Denken wie
etwas, das mit den Dingen nichts zu tun hat, sondern ganz
abseits von denselben steht und seine Betrachtungen über
die Welt anstellt. Das Bild, das der Denker von den Erscheinungen
der Welt entwirft, gilt nicht als etwas, was zu
den Dingen gehört, sondern als ein nur im Kopfe des Menschen
existierendes; die Welt ist auch fertig ohne dieses Bild.
Die Welt ist fix und fertig in allen ihren Substanzen und
Kräften; und von dieser fertigen Welt entwirft der Mensch
ein Bild. Die so denken, muß man nur fragen: mit welchem
Rechte erklärt ihr die Welt für fertig, ohne das Denken?
Bringt nicht mit der gleichen Notwendigkeit die Welt das
Denken im Kopfe des Menschen hervor, wie die Blüte an
der Pflanze? [...]
 
Es ist ganz willkürlich, die Summe dessen, was wir von
einem Dinge durch die bloße Wahrnehmung erfahren, für
eine Totalität, für ein Ganzes zu halten, und dasjenige, was
sich durch die denkende Betrachtung ergibt, als ein solches
Hinzugekommenes, das mit der Sache selbst nichts zu tun
habe [...]
 
Ebensowenig ist es statthaft, die Summe der Wahrnehmungsmerkmale
für die Sache zu erklären...
 
Daß sich der Stein gerade in einer Parabel bewegt,
das ist eine Folge der gegebenen Bedingungen und folgt mit
Notwendigkeit aus diesen. Die Form der Parabel gehört zur
ganzen Erscheinung, wie alles andere, was an derselben in
Betracht kommt...
 
Nicht an den Gegenständen liegt es, daß sie uns zunächst
ohne die entsprechenden Begriffe gegeben werden, sondern
an unserer geistigen Organisation. Unsere totale Wesenheit
funktioniert in der Weise, daß ihr bei jedem Dinge der
Wirklichkeit von zwei Seiten her die Elemente zufließen,
die für die Sache in Betracht kommen: von Seiten des ''[[Wahrnehmen]]s''
und des ''[[Denken]]s''...
 
Mein
Selbstwahrnehmen schließt mich innerhalb bestimmter Grenzen
ein; mein Denken hat nichts zu tun mit diesen Grenzen.
In diesem Sinne bin ich ein Doppelwesen. Ich bin eingeschlossen
in das Gebiet, das ich als das meiner Persönlichkeit
wahrnehme, aber ich bin Träger einer Tätigkeit, die von
einer höheren Sphäre aus mein begrenztes Dasein bestimmt.
Unser Denken ist nicht individuell wie unser Empfinden
und Fühlen. Es ist universell. Es erhält ein individuelles Gepräge
in jedem einzelnen Menschen nur dadurch, daß es auf
sein individuelles Fühlen und Empfinden bezogen ist. Durch
diese besonderen Färbungen des universellen Denkens unterscheiden
sich die einzelnen Menschen voneinander. Ein Dreieck
hat nur einen einzigen Begriff. Für den Inhalt dieses Begriffes
ist es gleichgültig, ob ihn der menschliche Bewußtseinsträger
A oder B faßt. Er wird aber von jedem der zwei
Bewußtseinsträger in individueller Weise erfaßt werden...
 
In dem Denken haben wir das Element gegeben, das
unsere besondere Individualität mit dem Kosmos zu einem
Ganzen zusammenschließt. Indem wir empfinden und fühlen
(auch wahrnehmen), sind wir einzelne, indem wir denken,
sind wir das all-eine Wesen, das alles durchdringt...
 
Dadurch, daß das Denken in uns übergreift über unser
Sondersein und auf das allgemeine Weltensein sich bezieht,
entsteht in uns der Trieb der Erkenntnis. Wesen ohne Denken
haben diesen Trieb nicht... Bei
denkenden Wesen stößt dem Außendinge gegenüber der
Begriff auf. Er ist dasjenige, was wir von dem Dinge nicht
von außen, sondern von innen empfangen. Den Ausgleich,
die Vereinigung der beiden Elemente, des inneren und des
äußeren, soll die Erkenntnis liefern.
Die Wahrnehmung ist also nichts Fertiges, Abgeschlossenes,
sondern die eine Seite der totalen Wirklichkeit. Die
andere Seite ist der Begriff. Der Erkenntnisakt ist die Synthese
von Wahrnehmung und Begriff. Wahrnehmung und
Begriff eines Dinges machen aber erst das ganze Ding aus.
 
Am tiefsten eingewurzelt in das naive Menschheitsbewußtsein
ist die Meinung: das Denken sei abstrakt, ohne
allen konkreten Inhalt. Es könne höchstens ein «ideelles»
Gegenbild der Welteinheit liefern, nicht etwa diese selbst.
Wer so urteilt, hat sich niemals klar gemacht, was die Wahrnehmung
ohne den Begriff ist. Sehen wir uns nur diese Welt
der Wahrnehmung an: als ein bloßes Nebeneinander im
Raum und Nacheinander in der Zeit, ein Aggregat zusammenhangloser
Einzelheiten erscheint sie... Die einzelnen Tatsachen treten in ihrer Bedeutung in sich
und für die übrigen Teile der Welt erst hervor, wenn das
Denken seine Fäden zieht von Wesen zu Wesen. '''Diese Tätigkeit des Denkens ist eine ''inhaltvolle'''''. Denn nur durch einen
ganz bestimmten konkreten Inhalt kann ich wissen, warum
die Schnecke auf einer niedrigeren Organisationsstufe steht
als der Löwe. Der bloße Anblick, die Wahrnehmung gibt
mir keinen Inhalt, der mich über die Vollkommenheit der
Organisation belehren könnte [...]
 
Ein Ding ''erklären, verständlich machen'' heißt nichts anderes, als es in den Zusammenhang hinein versetzen, aus
dem es durch die oben geschilderte Einrichtung unserer Organisation
herausgerissen ist. Ein von dem Weltganzen abgetrenntes
Ding gibt es nicht. Alle Sonderung hat bloß subjektive
Geltung für unsere Organisation. Für uns legt sich
das Weltganze auseinander in: oben und unten, vor und
nach, Ursache und Wirkung, Gegenstand und Vorstellung,
Stoff und Kraft, Objekt und Subjekt usw. Was uns in der
Beobachtung an Einzelheiten gegenübertritt, das verbindet
sich durch die zusammenhängende, einheitliche Welt unserer
Intuitionen Glied für Glied; und wir fügen durch das Denken
alles wieder in eins zusammen, was wir durch das Wahrnehmen
getrennt haben [...]
 
Was ist also die Wahrnehmung? Diese Frage ist, im allgemeinen
gestellt, absurd. Die Wahrnehmung tritt immer
als eine ganz bestimmte, als konkreter Inhalt auf. Dieser
Inhalt ist unmittelbar gegeben, und erschöpft sich in dem
Gegebenen. Man kann in bezug auf dieses Gegebene nur
fragen, was es außerhalb der Wahrnehmung, das ist: für
das Denken ist. Die Frage nach dem «Was» einer Wahrnehmung
kann also nur auf die begriffliche Intuition gehen, die
ihr entspricht. Unter diesem Gesichtspunkte kann die Frage
nach der Subjektivität der Wahrnehmung im Sinne des
kritischen Idealismus gar nicht aufgeworfen werden. Als
subjektiv darf nur bezeichnet werden, was als zum Subjekte
gehörig wahrgenommen wird. Das Band zu bilden zwischen
Subjektivem und Objektivem kommt keinem im naiven
Sinn realen Prozeß, das heißt einem wahrnehmbaren Geschehen
zu, sondern allein dem Denken. Es ist also für uns
objektiv, was sich für die Wahrnehmung als außerhalb des
Wahrnehmungssubjektes gelegen darstellt. Mein Wahrnehmungssubjekt
bleibt für mich wahrnehmbar, wenn der Tisch,
der soeben vor mir steht, aus dem Kreise meiner Beobachtung
verschwunden sein wird. Die Beobachtung des Tisches
hat eine, ebenfalls bleibende, Veränderung in mir hervorgerufen.
Ich behalte die Fähigkeit zurück, ein Bild des Tisches
später wieder zu erzeugen. Diese Fähigkeit der Hervorbringung
eines Bildes bleibt mit mir verbunden. Die Psychologie
bezeichnet dieses Bild als Erinnerungsvorstellung. Es ist
aber dasjenige, was allein mit Recht ''[[Vorstellung]]'' des Tisches
genannt werden kann... Die Vorstellung ist also eine subjektive Wahrnehmung im
Gegensatz zur objektiven Wahrnehmung bei Anwesenheit
des Gegenstandes im Wahrnehmungshorizonte. Das Zusammenwerfen
jener subjektiven mit dieser objektiven Wahrnehmung führt zu dem Mißverständnisse des Idealismus:
die Welt ist meine Vorstellung." (S 81ff)
 
====VI. Die menschliche Individualität ====
 
"Die ''Vorstellung'' ist nichts anderes als eine auf eine
bestimmte Wahrnehmung bezogene Intuition, ein Begriff,
der einmal mit einer Wahrnehmung verknüpft war, und
dem der Bezug auf diese Wahrnehmung geblieben ist. Mein
Begriff eines Löwen ist nicht aus meinen Wahrnehmungen
von Löwen gebildet. Wohl aber ist meine Vorstellung vom
Löwen an der Wahrnehmung gebildet. Ich kann jemandem
den Begriff eines Löwen beibringen, der nie einen Löwen
gesehen hat. Eine lebendige Vorstellung ihm beizubringen,
wird mir ohne sein eigenes Wahrnehmen nicht gelingen.
 
Die ''Vorstellung'' ist also ein individualisierter Begriff [...]
 
Die Vorstellung steht also zwischen Wahrnehmung und
Begriff. Sie ist der bestimmte, auf die Wahrnehmung deutende
Begriff.
 
Die Summe desjenigen, worüber ich Vorstellungen bilden
kann, darf ich meine [[Erfahrung]] nennen. Derjenige Mensch
wird die reichere Erfahrung haben, der eine größere Zahl
individualisierter Begriffe hat. Ein Mensch, dem jedes Intuitionsvermögen
fehlt, ist nicht geeignet, sich Erfahrung
zu erwerben. Er verliert die Gegenstände wieder aus seinem
Gesichtskreise, weil ihm die Begriffe fehlen, die er zu ihnen
in Beziehung setzen soll. Ein Mensch mit gut entwickeltem
Denkvermögen, aber mit einem infolge grober Sinneswerkzeuge
schlecht funktionierenden Wahrnehmen, wird ebensowenig
Erfahrung sammeln können. Er kann sich zwar auf
irgendeine Weise Begriffe erwerben; aber seinen Intuitionen
fehlt der lebendige Bezug auf bestimmte Dinge." (S 107f)
 
"Das Vorstellen gibt unserem Begriffsleben bereits ein individuelles
Gepräge. Jedermann hat ja einen eigenen Standort,
von dem aus er die Welt betrachtet. An seine Wahrnehmungen
schließen sich seine Begriffe an. Er wird auf
seine besondere Art die allgemeinen Begriffe denken." (S 110)
 
"Wenn sich unsere Persönlichkeit bloß als erkennend
äußerte, so wäre die Summe alles Objektiven in Wahrnehmung,
Begriff und Vorstellung gegeben.
 
Wir begnügen uns aber nicht damit, die Wahrnehmung
mit Hilfe des Denkens auf den Begriff zu beziehen, sondern
wir beziehen sie auch auf unsere besondere Subjektivität,
auf unser individuelles Ich. Der Ausdruck dieses individuellen
Bezuges ist das Gefühl, das sich als Lust oder Unlust
auslebt.
 
''Denken'' und ''[[Fühlen]]'' entsprechen der Doppelnatur unseres
Wesens, der wir schon gedacht haben. Das ''Denken'' ist das
Element, durch das wir das allgemeine Geschehen des Kosmos mitmachen; das ''Fühlen'' das, wodurch wir uns in die
Enge des eigenen Wesens zurückziehen können.
Unser Denken verbindet uns mit der Welt; unser Fühlen
führt uns in uns selbst zurück, macht uns erst zum Individuum.
Wären wir bloß denkende und wahrnehmende Wesen,
so müßte unser ganzes Leben in unterschiedloser Gleichgültigkeit
dahinfließen. Wenn wir uns bloß als Selbst erkennen
könnten, so wären wir uns vollständig gleichgültig. Erst
dadurch, daß wir mit der Selbsterkenntnis das Selbstgefühl,
mit der Wahrnehmung der Dinge Lust und Schmerz empfinden,
leben wir als individuelle Wesen, deren Dasein nicht
mit dem Begriffsverhältnis erschöpft ist, in dem sie zu der
übrigen Welt stehen, sondern die noch einen besonderen
Wert für sich haben." (S 108f)
 
"'''Eine wahrhafte Individualität wird derjenige sein, der am weitesten hinaufreicht mit seinen Gefühlen in die Region des Ideellen.''' Es gibt Menschen,
bei denen auch die allgemeinsten Ideen, die in ihrem
Kopfe sich festsetzen, noch jene besondere Färbung tragen,
die sie unverkennbar als mit ihrem Träger im Zusammenhange
zeigt. Andere existieren, deren Begriffe so ohne jede
Spur einer Eigentümlichkeit an uns herankommen, als wären
sie gar nicht aus einem Menschen entsprungen, der Fleisch
und Blut hat." (S 110)
 
"Ein völlig gedankenleeres Gefühlsleben müßte allmählich
allen Zusammenhang mit der Welt verlieren. Die Erkenntnis
der Dinge wird bei dem auf Totalität angelegten Menschen Hand in Hand gehen mit der Ausbildung und Entwicklung
des Gefühlslebens.
 
'''Das Gefühl ist das Mittel, wodurch die Begriffe zunächst konkretes ''Leben'' gewinnen.'''" (S 110f)
 
====VII. Gibt es Grenzen des Erkennens? ====
 
"Unsere Organisation bedingt
es, wie wir gesehen haben, daß uns die volle, totale
Wirklichkeit, einschließlich unseres eigenen Subjektes, zunächst
als Zweiheit erscheint. Das Erkennen überwindet
diese Zweiheit, indem es aus den beiden Elementen der
Wirklichkeit: der Wahrnehmung und dem durch das Denken
erarbeiteten Begriff das ganze Ding zusammenfügt. Nennen
wir die Weise, in der uns die Welt entgegentritt, bevor sie
durch das Erkennen ihre rechte Gestalt gewonnen hat, die
Welt der Erscheinung im Gegensatz zu der aus Wahrnehmung
und Begriff einheitlich zusammengesetzten Wesenheit.
Dann können wir sagen; Die Welt ist uns als Zweiheit
(dualistisch) gegeben, und das Erkennen verarbeitet sie zur
Einheit (monistisch). Eine Philosophie, welche von diesem
Grundprinzip ausgeht, kann als monistische Philosophie
oder ''[[Monismus]]'' bezeichnet werden." (S 112)
 
"'''Es folgt aus dem Begriffe des Erkennens, wie wir ihn bestimmt haben, daß von Erkenntnisgrenzen nicht gesprochen werden kann.''' Das Erkennen ist keine allgemeine Weltangelegenheit,
sondern ein Geschäft, das der Mensch mit
sich selbst abzumachen hat. Die Dinge verlangen keine Erklärung.
Sie existieren und wirken aufeinander nach den
Gesetzen, die durch das Denken auffindbar sind. Sie existieren
in unzertrennlicher Einheit mit diesen Gesetzen. Da
tritt ihnen unsere Ichheit gegenüber und erfaßt von ihnen
zunächst nur das, was wir als Wahrnehmung bezeichnet
haben. Aber in dem Innern dieser Ichheit findet sich die
Kraft, um auch den andern Teil der Wirklichkeit zu finden.
Erst wenn die Ichheit die beiden Elemente der Wirklichkeit,
die in der Welt unzertrennlich verbunden sind, auch für
sich vereinigt hat, dann ist die Erkenntnisbefriedigung eingetreten:
das Ich ist wieder bei der Wirklichkeit angelangt." (S 115)
 
"Die Vorbedingungen zum Entstehen des Erkennens sind
also ''durch'' und ''für'' das Ich... Stellen wir uns Fragen, die wir nicht beantworten können, so kann der Inhalt der Frage nicht in allen
seinen Teilen klar und deutlich sein. Nicht die Welt stellt an
uns die Fragen, sondern wir selbst stellen sie." (S 115f)
 
"Der Monismus kommt gar nicht in die Lage, außer Wahrnehmung
und Begriff nach anderen Erklärungsprinzipien
der Wirklichkeit zu fragen. Er weiß, daß sich im ganzen Bereiche der Wirklichkeit ''kein Anlaß'' dazu findet. Er sieht in
der Wahrnehmungswelt, wie sie unmittelbar dem Wahrnehmen
vorliegt, ein halbes Wirkliches; in der Vereinigung
derselben mit der Begriffswelt findet er die volle Wirklichkeit." (S 124f)
 
;Zusatz zur Neuauflage (1918)
Dem scheint entgegenzustehen, dass die Fähigkeiten unserer [[Sinne]] durchaus auf einen engen Weltbereich beschränkt sind. Von den weiteren Weltbereichen können wir aber durch geeignete Messinstrumente indirekt Kenntnis erlangen. Das Prinzip bleibt das gleiche, auch wenn die ''unmittelbare'' Wahrnehmung fehlt.
 
"Eine Vermehrung
oder Andersgestaltung der menschlichen Sinne würde ein
anderes Wahrnehmungsbild ergeben, eine Bereicherung oder
Andersgestaltung der menschlichen Erfahrung; aber eine
wirkliche Erkenntnis müßte auch ''dieser'' Erfahrung gegenüber
durch die Wechselwirkung von Begriff und Wahrnehmung
gewonnen werden. Die ''Vertiefung'' der Erkenntnis
hängt von den im Denken sich auslebenden Kräften der Intuition (vergleiche Seite 95) ab. Diese Intuition kann in
demjenigen ''Erleben'', das im Denken sich ausgestaltet, in
tiefere oder weniger tiefe Untergründe der Wirklichkeit
tauchen. Durch die Erweiterung des Wahrnehmungsbildes
kann dieses Untertauchen Anregungen empfangen und auf
diese Art mittelbar gefördert werden. Allein ''niemals'' sollte
das Tauchen in die Tiefe, als das Erreichen der Wirklichkeit,
verwechselt werden mit dem Gegenüberstehen von weiterem
oder engerem Wahrnehmungsbild, in dem ''stets'' nur eine
halbe Wirklichkeit, wie sie von der erkennenden Organisation
bedingt wird, vorliegt. Wer nicht in ''Abstraktionen'' sich
verliert, der wird einsehen, wie auch die Tatsache für die
Erkenntnis des Menschenwesens in Betracht kommt, daß
für die Physik im Wahrnehmungsfelde Elemente ''erschlossen''
werden müssen, für welche nicht ein Sinn wie für Farbe
oder Ton unmittelbar abgestimmt ist. Das ''konkrete'' Wesen
des Menschen ist nicht nur durch dasjenige bestimmt, was er
durch seine Organisation sich als unmittelbare Wahrnehmung
gegenüberstellt, sondern auch dadurch, daß er anderes
von dieser unmittelbaren Wahrnehmung ausschließt." (S 131f)
 
=== Die Wirklichkeit der Freiheit ===
====VIII. Die Faktoren des Lebens ====
 
"Rekapitulieren wir das in den vorangehenden Kapiteln Gewonnene.
Die Welt tritt dem Menschen als eine Vielheit
gegenüber, als eine Summe von Einzelheiten. Eine von diesen
Einzelheiten, ein Wesen unter Wesen, ist er selbst. Diese
Gestalt der Welt bezeichnen wir schlechthin als gegeben,
und insofern wir sie nicht durch bewußte Tätigkeit entwickeln,
sondern vorfinden, als Wahrnehmung. Innerhalb
der Welt der Wahrnehmungen nehmen wir uns selbst wahr.
Diese Selbstwahrnehmung bliebe einfach als eine unter den
vielen anderen Wahrnehmungen stehen, wenn nicht aus der
Mitte dieser Selbstwahrnehmung etwas auftauchte, das sich
geeignet erweist, die Wahrnehmungen überhaupt, also auch
die Summe aller anderen Wahrnehmungen mit der unseres
Selbst zu verbinden. Dieses auftauchende Etwas ist nicht
mehr bloße Wahrnehmung; es wird auch nicht gleich den
Wahrnehmungen einfach vorgefunden. Es wird durch Tätigkeit
hervorgebracht. Es erscheint zunächst an das gebunden,
was wir als unser Selbst wahrnehmen. Seiner inneren Bedeutung
nach greift es aber über das Selbst hinaus. Es fügt
den einzelnen Wahrnehmungen ideelle Bestimmtheiten bei,
die sich aber aufeinander beziehen, die in einem Ganzen
gegründet sind. Das durch Selbstwahrnehmung Gewonnene
bestimmt es auf gleiche Weise ideell wie alle andern Wahrnehmungen
und stellt es als Subjekt oder «Ich» den Objekten
gegenüber. Dieses Etwas ist das Denken, und die ideellen
Bestimmtheiten sind die Begriffe und Ideen. Das Denken
äußert sich daher zunächst an der Wahrnehmung des Selbst;
ist aber nicht bloß subjektiv; denn das Selbst bezeichnet sich
erst mit Hilfe des Denkens als Subjekt. Diese gedankliche
Beziehung auf sich selbst ist eine Lebensbestimmung unserer
Persönlichkeit. Durch sie führen wir ein rein ideelles Dasein.
Wir fühlen uns durch sie als denkende Wesen. Diese Lebensbestimmung
bliebe eine rein begriffliche (logische), wenn
keine anderen Bestimmungen unseres Selbst hinzuträten.
Wir wären dann Wesen, deren Leben sich in der Herstellung
rein ideeller Beziehungen zwischen den Wahrnehmungen
untereinander und den letztern und uns selbst erschöpfte." (S 137f)
 
"Die Voraussetzung trifft aber nicht zu. Wir beziehen die
Wahrnehmungen nicht bloß ideell auf uns, durch den Begriff,
sondern auch noch durch das Gefühl, wie wir gesehen
haben. Wir sind also nicht Wesen mit bloß begrifflichem
Lebensinhalt. Der naive Realist sieht sogar in dem Gefühlsleben
ein wirklicheres Leben der Persönlichkeit als in dem
rein ideellen Element des Wissens. Und er hat von seinem
Standpunkte aus ganz recht, wenn er in dieser Weise sich
die Sache zurechtlegt. Das Gefühl ist auf subjektiver Seite
zunächst genau dasselbe, was die Wahrnehmung auf objektiver
Seite ist. Nach dem Grundsatz des naiven Realismus:
Alles ist wirklich, was wahrgenommen werden kann, ist
daher das Gefühl die Bürgschaft der Realität der eigenen
Persönlichkeit. Der hier gemeinte Monismus muß aber dem
Gefühle die gleiche Ergänzung angedeihen lassen, die er für
die Wahrnehmung notwendig erachtet, wenn sie als vollkommene
Wirklichkeit sich darstellen soll. Für diesen Monismus ist das Gefühl ein unvollständiges Wirkliches, das in
der ersten Form, in der es uns gegeben ist, seinen zweiten
Faktor, den Begriff oder die Idee, noch nicht mitenthält.
Deshalb tritt im Leben auch überall das Fühlen gleichwie
das Wahrnehmen vor dem Erkennen auf. Wir fühlen uns
zuerst als Daseiende; und im Laufe der allmählichen Entwicklung
ringen wir uns erst zu dem Punkte durch, wo uns
in dem dumpf gefühlten eigenen Dasein der Begriff unseres
Selbst aufgeht. Was für uns erst später hervortritt, ist aber
ursprünglich mit dem Gefühle unzertrennlich verbunden." (S 138f)
 
"Da das Gefühl etwas
ganz Individuelles ist, etwas der Wahrnehmung Gleichkommendes,
so macht der Gefühlsphilosoph ein Prinzip, das
nur innerhalb seiner Persönlichkeit eine Bedeutung hat,
zum Weltprinzipe. Er sucht die ganze Welt mit seinem
eigenen Selbst zu durchdringen [...]
 
Die hiermit gekennzeichnete Richtung, die Philosophie
des Gefühls, wird oft als ''[[Mystik]]'' bezeichnet. Der Irrtum
einer bloß auf das Gefühl gebauten mystischen Anschauungsweise
besteht darinnen, daß sie ''erleben'' will, was sie
wissen soll, daß sie ein Individuelles, das Gefühl, zu einem
Universellen erziehen will." (S 139f)
 
"Es gibt noch eine andere Äußerung der menschlichen Persönlichkeit.
Das Ich lebt durch sein Denken das allgemeine
Weltleben mit; es bezieht durch dasselbe rein ideell (begrifflich)
die Wahrnehmungen auf sich, sich auf die Wahrnehmungen.
Im Gefühl erlebt es einen Bezug der Objekte auf
sein Subjekt; im [[Wille]]n ist das Umgekehrte der Fall. Im
Wollen haben wir ebenfalls eine Wahrnehmung vor uns,
nämlich die des individuellen Bezugs unseres Selbstes auf
das Objektive. Was am Wollen nicht rein ideeller Faktor ist,
das ist ebenso bloß Gegenstand des Wahrnehmens wie das
bei irgendeinem Dinge der Außenwelt der Fall ist.
 
Dennoch wird der naive Realismus auch hier wieder ein
weit wirklicheres Sein vor sich zu haben glauben, als durch
das Denken erlangt werden kann. Er wird in dem Willen
ein Element erblicken, in dem er ein Geschehen, ein Verursachen
unmittelbar gewahr wird, im Gegensatz zum Denken,
das das Geschehen erst in Begriffe faßt... Der Wille wird zum Weltprinzip
wie in der Gefühlsmystik das Gefühl zum Erkenntnisprinzip.
Diese Anschauungsweise ist ''[[Willensphilosophie]]'' ([[Thelismus]]).
Was sich nur individuell erleben läßt, das wird durch
sie zum konstituierenden Faktor der Welt gemacht.
 
So wenig die Gefühlsmystik Wissenschaft genannt werden
kann, so wenig kann es die Willensphilosophie." (S 140)
 
"Die Willensphilosophie wird zum metaphysischen Realismus,
wenn sie den Willen auch in die Daseinssphären verlegt,
in denen ein unmittelbares Erleben desselben nicht wie
in dem eigenen Subjekt möglich ist. Sie nimmt ein Prinzip
außer dem Subjekt hypothetisch an, für das das subjektive
Erleben das einzige Wirklichkeitskriterium ist." (S 142)
 
;Zusatz zur Neuauflage (1918)
 
"Die Schwierigkeit, das
Denken in seinem Wesen beobachtend zu erfassen, liegt
darin, daß dieses Wesen der betrachtenden Seele nur allzu
leicht schon entschlüpft ist, wenn diese es in die Richtung
ihrer Aufmerksamkeit bringen will. Dann bleibt ihr nur
das tote Abstrakte, die Leichname des lebendigen Denkens.
Sieht man nur auf dieses Abstrakte, so wird man leicht ihm
gegenüber sich gedrängt finden, in das «lebensvolle» Element
der Gefühlsmystik, oder auch der Willensmetaphysik
einzutreten. Man wird es absonderlich finden, wenn jemand
in «bloßen Gedanken» das Wesen der Wirklichkeit ergreifen
will. Aber wer sich dazu bringt, das ''Leben im Denken''
wahrhaft zu haben, der gelangt zur Einsicht, daß dem inneren Reichtum und der in sich ruhenden, aber zugleich in sich
bewegten ''[[Erfahrung]]'' innerhalb dieses Lebens das Weben in
bloßen Gefühlen oder das Anschauen des Willenselementes
nicht einmal verglichen werden kann, geschweige denn, daß
diese über jenes gesetzt werden dürften. Gerade von diesem
Reichtum, von dieser inneren Fülle des Erlebens rührt es
her, daß sein Gegenbild in der gewöhnlichen Seeleneinstellung
tot, abstrakt aussieht... Doch dies ist eben
nur der stark sich geltend machende Schatten seiner lichtdurchwobenen,
warm in die Welterscheinungen untertauchenden
Wirklichkeit. Dieses Untertauchen geschieht mit
einer in der Denkbetätigung selbst dahinfließenden Kraft,
welche Kraft der [[Liebe]] in geistiger Art ist. Man darf nicht
einwendend sagen, wer so Liebe im tätigen Denken sieht,
der verlegt ein Gefühl, die Liebe, in dasselbe. Denn dieser
Einwand ist in Wahrheit eine Bestätigung des hier geltend
Gemachten. Wer nämlich zum ''wesenhaften'' Denken sich hinwendet,
der findet in demselben sowohl Gefühl wie Willen,
die letztern auch in den Tiefen ihrer Wirklichkeit; wer von
dem Denken sich ab- und nur dem «bloßen» Fühlen und
Wollen zuwendet, der verliert aus diesen die wahre Wirklichkeit.
Wer im Denken ''intuitiv erleben'' will, der wird auch
dem gefühlsmäßigen und willensartigen Erleben gerecht ..." (S 142f)
 
====IX. Die Idee der Freiheit ====
 
"Wer nötig findet, zur Erklärung
des Denkens als solchem etwas anderes herbeizuziehen, wie
etwa physische Gehirnvorgänge, oder hinter dem beobachteten
bewußten Denken liegende unbewußte geistige Vorgänge,
der verkennt, was ihm die unbefangene Beobachtung
des Denkens gibt. Wer das Denken beobachtet, lebt während
der Beobachtung unmittelbar in einem geistigen, sich
selbst tragenden Wesensweben darinnen. Ja, man kann
sagen, wer die Wesenheit des Geistigen in der Gestalt, in
der sie sich dem Menschen ''zunächst'' darbietet, erfassen will,
kann dies in dem auf sich selbst beruhenden Denken." (S 145)
 
"Im Betrachten des Denkens selbst fallen in eines zusammen,
was sonst immer getrennt auftreten muß: Begriff und
Wahrnehmung. Wer dies nicht durchschaut, der wird in an
Wahrnehmungen erarbeiteten Begriffen, nur schattenhafte
Nachbildungen dieser Wahrnehmungen sehen können, und
die Wahrnehmungen werden ihm die wahre Wirklichkeit
vergegenwärtigen... Wer aber
durchschaut, was bezüglich des Denkens vorliegt, der wird
erkennen, daß in der Wahrnehmung nur ein Teil der Wirklichkeit
vorliegt und daß der andere zu ihr gehörige Teil,
der sie erst als volle Wirklichkeit erscheinen läßt, in der denkenden
Durchsetzung der Wahrnehmung ''erlebt'' wird. Er
wird in demjenigen, das als Denken im Bewußtsein auftritt,
nicht ein schattenhaftes Nachbild einer Wirklichkeit sehen,
sondern eine auf sich ruhende geistige Wesenhaftigkeit. Und
von dieser kann er sagen, daß sie ihm durch ''[[Intuition]]'' im Bewußtsein
gegenwärtig wird. ''Intuition'' ist das im rein Geistigen
verlaufende bewußte Erleben eines rein geistigen Inhaltes.
Nur durch eine Intuition kann die Wesenheit des
Denkens erfaßt werden.
 
Nur wenn man sich zu der in der unbefangenen Beobachtung
gewonnenen Anerkennung dieser Wahrheit über die
intuitive Wesenheit des Denkens hindurchgerungen hat, gelingt
es, den Weg frei zu bekommen für eine Anschauung
der menschlichen leiblich seelischen Organisation. Man erkennt, daß diese Organisation an dem ''[[Wesen]]'' des Denkens
nichts bewirken kann. Dem ''scheint'' zunächst der ganz offenbare
Tatbestand zu widersprechen. Das menschliche Denken
tritt für die gewöhnliche Erfahrung nur an und durch diese
Organisation auf. Dieses Auftreten macht sich so stark
geltend, daß es in seiner wahren Bedeutung nur von demjenigen
durchschaut werden kann, der erkannt hat, wie im
Wesenhaften des Denkens nichts von dieser Organisation
mitspielt. Einem solchen wird es dann aber auch nicht mehr
entgehen können, wie eigentümlich geartet das Verhältnis
der menschlichen Organisation zum Denken ist. Diese bewirkt
nämlich nichts an dem Wesenhaften des Denkens, sondern
sie weicht, wenn die Tätigkeit des Denkens auftritt,
zurück; sie hebt ihre eigene Tätigkeit auf, sie macht einen
Platz frei; und an dem freigewordenen Platz tritt das Denken
auf. Dem Wesenhaften, das im Denken wirkt, obliegt
ein Doppeltes: Erstens drängt es die menschliche Organisation
in deren eigener Tätigkeit zurück, und zweitens setzt
es sich selbst an deren Stelle. Denn auch das erste, die Zurückdrängung
der Leibesorganisation, ist Folge der Denktätigkeit.
Und zwar desjenigen Teiles derselben, der das
''Erscheinen'' des Denkens vorbereitet. Man ersieht aus diesem,
in welchem Sinne das Denken in der Leibesorganisation sein
Gegenbild findet." (S 146f)
 
"Aber eine bedeutungsvolle Frage taucht hier auf. Wenn
an dem ''Wesen'' des Denkens der menschlichen Organisation
kein Anteil zukommt, welche Bedeutung hat diese Organisation
innerhalb der Gesamtwesenheit des Menschen? Nun,
was in dieser Organisation durch das Denken geschieht, hat
wohl mit der Wesenheit des Denkens nichts zu tun, wohl
aber mit der Entstehung des Ich-Bewußtseins aus diesem
Denken heraus. Innerhalb des Eigenwesens des Denkens
liegt wohl das wirkliche «Ich», nicht aber das Ich-Bewußtsein.
Dies durchschaut derjenige, der eben unbefangen das
Denken beobachtet. Das «Ich» ist innerhalb des Denkens
zu finden; das «Ich-Bewußtsein» tritt dadurch auf, daß im
allgemeinen Bewußtsein sich die Spuren der Denktätigkeit
in dem oben gekennzeichneten Sinne eingraben. (Durch die
Leibesorganisation entsteht also das Ich-Bewußtsein. Man
verwechsele das aber nicht etwa mit der Behauptung, daß
das einmal entstandene Ich-Bewußtsein von der Leibesorganisation
abhängig bleibe. Einmal entstanden, wird es in
das Denken aufgenommen und teilt fortan dessen geistige
Wesenheit.)" (S 148)
 
"Das «Ich-Bewußtsein» ist auf die menschliche Organisation gebaut. Aus dieser erfließen die Willenshandlungen." (S 148f)
 
"Für den einzelnen Willensakt kommt in Betracht: das
[[Motiv]] und die Triebfeder. Das Motiv ist ein begrifflicher
oder vorstellungsgemäßer Faktor; die Triebfeder ist der in
der menschlichen Organisation unmittelbar bedingte Faktor
des Wollens. Der begriffliche Faktor oder das Motiv ist der
augenblickliche Bestimmungsgrund des Wollens; die Triebfeder
der bleibende Bestimmungsgrund des Individuums.
Motiv des Wollens kann ein reiner Begriff oder ein Begriff
mit einem bestimmten Bezug auf das Wahrnehmen sein, das
ist eine Vorstellung. Allgemeine und individuelle Begriffe
(Vorstellungen) werden dadurch zu Motiven des Wollens,
daß sie auf das menschliche Individuum wirken und dasselbe
in einer gewissen Richtung zum Handeln bestimmen.
Ein und derselbe Begriff, beziehungsweise eine und dieselbe
Vorstellung wirkt aber auf verschiedene Individuen verschieden.
Sie veranlassen verschiedene Menschen zu verschiedenen
Handlungen. Das Wollen ist also nicht bloß ein Ergebnis
des Begriffes oder der Vorstellung, sondern auch der
individuellen Beschaffenheit des Menschen. Diese individuelle
Beschaffenheit wollen wir - man kann in bezug darauf
Eduard von Hartmann folgen - die charakterologische
Anlage nennen. Die Art, wie Begriff und Vorstellung auf
die charakterologische Anlage des Menschen wirken, gibt
seinem Leben ein bestimmtes moralisches oder ethisches Gepräge.
 
Die charakterologische Anlage wird gebildet durch den
mehr oder weniger bleibenden Lebensgehalt unseres Subjektes,
das ist durch unseren Vorstellungs- und Gefühlsinhalt." (S 149f)
 
"Die Triebfedern der Sittlichkeit können wir dadurch
finden, daß wir nachsehen, aus welchen Elementen sich das
individuelle Leben zusammensetzt.
 
Die erste Stufe des individuellen Lebens ist das ''Wahrnehmen'',
und zwar das Wahrnehmen der Sinne. Wir stehen
hier in jener Region unseres individuellen Lebens, wo sich
das Wahrnehmen unmittelbar, ohne Dazwischentreten eines
Gefühles oder Begriffes in Wollen umsetzt. Die Triebfeder
des Menschen, die hierbei in Betracht kommt, wird als ''[[Trieb]]''
schlechthin bezeichnet. Die Befriedigung unserer niederen,
rein animalischen Bedürfnisse (Hunger, Geschlechtsverkehr
usw.) kommt auf diesem Wege zustande. Das Charakteristische
des Trieblebens besteht in der Unmittelbarkeit, mit der
die Einzelwahrnehmung das Wollen auslöst. Diese Art der
Bestimmung des Wollens, die ursprünglich nur dem niedrigeren
Sinnenleben eigen ist, kann auch auf die Wahrnehmungen
der höheren Sinne ausgedehnt werden. Wir lassen
auf die Wahrnehmung irgendeines Geschehens in der Außenwelt, ohne weiter nachzudenken und ohne daß sich uns an
die Wahrnehmung ein besonderes Gefühl knüpft, eine Handlung
folgen, wie das namentlich im konventionellen Umgange
mit Menschen geschieht. Die Triebfeder dieses Handelns
bezeichnet man als ''Takt'' oder ''sittlichen Geschmack''." (S 151f)
 
"Die zweite Sphäre des menschlichen Lebens ist das ''Fühlen''.
An die Wahrnehmungen der Außenwelt knüpfen sich
bestimmte Gefühle. Diese Gefühle können zu Triebfedern
des Handelns werden. Wenn ich einen hungernden Menschen
sehe, so kann mein Mitgefühl mit demselben die Triebfeder
meines Handelns bilden. Solche Gefühle sind etwa:
das Schamgefühl, der Stolz, das Ehrgefühl, die Demut, die
Reue, das Mitgefühl, das Rache- und Dankbarkeitsgefühl,
die Pietät, die Treue, das Liebes- und Pflichtgefühl." (S 152)
 
"Die dritte Stufe des Lebens endlich ist das ''Denken'' und
''Vorstellen''. Durch bloße Überlegung kann eine Vorstellung
oder ein Begriff zum Motiv einer Handlung werden. Vorstellungen
werden dadurch Motive, daß wir im Laufe des
Lebens fortwährend gewisse Ziele des Wollens an Wahrnehmungen
knüpfen, die in mehr oder weniger modifizierter
Gestalt immer wiederkehren. Daher kommt es, daß bei
Menschen, die nicht ganz ohne Erfahrung sind, stets mit
bestimmten Wahrnehmungen auch die Vorstellungen von
Handlungen ins Bewußtsein treten, die sie in einem ähnlichen
Fall ausgeführt oder ausführen gesehen haben. Diese
Vorstellungen schweben ihnen als bestimmende Muster bei
allen späteren Entschließungen vor, sie werden Glieder
ihrer charakterologischen Anlage. Wir können die damit
bezeichnete Triebfeder des Wollens die ''praktische Erfahrung''
nennen. Die praktische Erfahrung geht allmählich in das
rein taktvolle Handeln über." (S 152f)
 
"Die höchste Stufe des individuellen Lebens ist das begriffliche
Denken ohne Rücksicht auf einen bestimmten Wahrnehmungsgehalt.
Wir bestimmen den Inhalt eines Begriffes
durch reine Intuition aus der ideellen Sphäre heraus. Ein
solcher Begriff enthält dann zunächst keinen Bezug auf bestimmte
Wahrnehmungen... Wenn wir unter dem Einflüsse von
Intuitionen handeln, so ist die Triebfeder unseres Handelns
das ''[[Reines Denken|reine Denken]]''. Da man gewohnt ist, das reine Denkvermögen
in der Philosophie als Vernunft zu bezeichnen, so ist
es wohl auch berechtigt, die auf dieser Stufe gekennzeichnete
moralische Triebfeder die ''praktische Vernunft'' zu nennen." (S 153)
 
"Es ist klar, daß ein solcher Antrieb nicht mehr im strengen
Wortsinne zu dem Gebiete der charakterologischen Anlagen
gerechnet werden kann. Denn was hier als Triebfeder wirkt,
ist nicht mehr ein bloß Individuelles in mir, sondern der
ideelle und folglich allgemeine Inhalt meiner Intuition." (S 154)
 
"Zu einem wirklichen Willensakt kommt es nur dann,
wenn ein augenblicklicher Antrieb des Handelns in Form
eines Begriffes oder einer Vorstellung auf die charakterologische
Anlage einwirkt. Ein solcher Antrieb wird dann zum
Motiv des Wollens." (S 154)
 
"Wir haben unter den Stufen der charakterologischen Anlage
diejenige als die höchste bezeichnet, die als ''reines Denken'',
als ''praktische Vernunft'' wirkt. Unter den Motiven
haben wir jetzt als das höchste die ''begriffliche Intuition'' bezeichnet.
Bei genauerer Überlegung stellt sich alsbald heraus,
daß auf dieser Stufe der Sittlichkeit Triebfeder und Motiv
zusammenfallen, das ist, daß weder eine vorher bestimmte
charakterologische Anlage, noch ein äußeres, normativ angenommenes
sittliches Prinzip auf unser Handeln wirken.
Die Handlung ist also keine schablonenmäßige, die nach
irgendwelchen Regeln ausgeführt wird, und auch keine
solche, die der Mensch auf äußeren Anstoß hin automatenhaft
vollzieht, sondern eine schlechthin durch ihren idealen
Gehalt bestimmte.
 
Zur Voraussetzung hat eine solche Handlung die Fähigkeit
der [[Moralische Intuition|moralischen Intuitionen]]. Wem die Fähigkeit fehlt,
für den einzelnen Fall die besondere Sittlichkeitsmaxime zu
erleben, der wird es auch nie zum wahrhaft individuellen
Wollen bringen.
 
Der gerade Gegensatz dieses Sittlichkeitsprinzips ist das
Kantsche: Handle so, daß die Grundsätze deines Handelns
für alle Menschen gelten können. Dieser Satz ist der Tod
aller individuellen Antriebe des Handelns. Nicht wie alle
Menschen handeln würden, kann für mich maßgebend sein,
sondern was für mich in dem individuellen Falle zu tun ist." (S 158f)
 
"Die Summe
der in uns wirksamen Ideen, den realen Inhalt unserer Intuitionen,
macht das aus, was bei aller Allgemeinheit der
Ideenwelt in jedem Menschen individuell geartet ist. Insofern
dieser intuitive Inhalt auf das Handeln geht, ist er der
Sittlichkeitsgehalt des Individuums. Das Auslebenlassen
dieses Gehalts ist die höchste moralische Triebfeder und zugleich
das höchste Motiv dessen, der einsieht, daß alle andern
Moralprinzipien sich letzten Endes in diesem Gehalte
vereinigen. Man kann diesen Standpunkt den ''[[Ethischer Individualismus|ethischen Individualismus]]''
nennen." (S 160)
 
"Eine Handlung wird als eine freie empfunden, soweit
deren Grund aus dem ideellen Teil meines individuellen
Wesens hervorgeht; jeder andere Teil einer Handlung,
gleichgültig, ob er aus dem Zwange der Natur oder aus der
Nötigung einer sittlichen Norm vollzogen wird, wird als
''unfrei'' empfunden.
 
Frei ist nur der Mensch, insofern er in jedem Augenblicke
seines Lebens sich selbst zu folgen in der Lage ist. Eine sittliche
Tat ist nur ''meine'' Tat, wenn sie in dieser Auffassung
eine freie genannt werden kann." (S 164)
 
"Die Handlung aus Freiheit schließt die sittlichen Gesetze
nicht etwa aus, sondern ein; sie erweist sich nur als höherstehend
gegenüber derjenigen, die nur von diesen Gesetzen
diktiert ist." (S 165)
 
"Wie ist aber ein Zusammenleben der Menschen möglich,
wenn jeder nur bestrebt ist, seine Individualität zur Geltung
zu bringen? Damit ist ein Einwand des falsch verstandenen
Moralismus gekennzeichnet. Dieser glaubt, eine Gemeinschaft
von Menschen sei nur möglich, wenn sie alle vereinigt
sind durch eine gemeinsam festgelegte sittliche Ordnung.
Dieser Moralismus versteht eben die Einigkeit der Ideenwelt
nicht. Er begreift nicht, daß die Ideenwelt, die in mir
tätig ist, keine andere ist, als die in meinem Mitmenschen...
Der Unterschied
zwischen mir und meinem Mitmenschen liegt durchaus nicht
darin, daß wir in zwei ganz verschiedenen Geisteswelten
leben, sondern daß er aus der uns gemeinsamen Ideenwelt
andere Intuitionen empfangt als ich. Er will ''seine'' Intuitionen
ausleben, ich die ''meinigen''. Wenn wir beide wirklich aus
der Idee schöpfen und keinen äußeren (physischen oder geistigen)
Antrieben folgen, so können wir uns nur in dem
gleichen Streben, in denselben Intentionen begegnen. Ein
sittliches Mißverstehen, ein Aufeinanderprallen ist bei sittlich
''freien'' Menschen ausgeschlossen. Nur der sittlich Unfreie,
der dem Naturtrieb oder einem angenommenen
Pflichtgebot folgt, stößt den Nebenmenschen zurück, wenn
er nicht dem gleichen Instinkt und dem gleichen Gebot folgt.
'''''Leben'' in der Liebe zum Handeln und ''Lebenlassen'' im Verständnisse des fremden Wollens ist die Grundmaxime der ''freien Menschen'''''. Sie kennen kein anderes Sollen als dasjenige,
mit dem sich ihr Wollen in intuitiven Einklang versetzt;
wie sie in einem besonderen Falle wollen werden, das
wird ihnen ihr Ideenvermögen sagen." (S 165f)
 
"Es wird viele geben, die da sagen: der Begriff des freien
Menschen, den du da entwirfst, ist eine Schimäre, ist nirgends
verwirklicht... Ich bezweifle das keineswegs... Aber mitten aus der
Zwangsordnung heraus erheben sich die Menschen, die ''freien Geister'', die ''sich'' selbst finden in dem Wust von Sitte, Gesetzeszwang,
Religionsübung und so weiter. ''Frei'' sind sie, insofern
sie nur sich folgen, ''unfrei'', insofern sie sich unterwerfen.
Wer von uns kann sagen, daß er in allen seinen Handlungen
wirklich frei ist? Aber in jedem von uns wohnt eine
tiefere Wesenheit, in der sich der freie Mensch ausspricht." (S 167)
 
"Der Standpunkt der freien Sittlichkeit behauptet also
nicht, daß der freie Geist die einzige Gestalt ist, in der ein
Mensch existieren kann. Sie sieht in der freien Geistigkeit
nur das letzte Entwicklungsstadium des Menschen. Damit
ist nicht geleugnet, daß das Handeln nach Normen als Entwicklungsstufe
seine Berechtigung habe. Es kann nur nicht
als absoluter Sittlichkeitsstandpunkt anerkannt werden. Der
freie Geist aber überwindet die Normen in dem Sinne, daß
er nicht nur Gebote als Motive empfindet, sondern sein
Handeln nach seinen Impulsen (Intuitionen) einrichtet." (S 170)
 
"Es darf nicht die Formel geprägt werden, der Mensch sei
dazu da, um eine von ihm abgesonderte sittliche Weltordnung
zu verwirklichen." (S 172)
 
"Das menschliche Individuum ist Quell aller Sittlichkeit
und Mittelpunkt des Erdenlebens. Der Staat, die Gesellschaft
sind nur da, weil sie sich als notwendige Folge des
Individuallebens ergeben. Daß dann der Staat und die
Gesellschaft wieder zurückwirken auf das Individualleben,
ist ebenso begreiflich, wie der Umstand, daß das Stoßen,
das durch die Hörner da ist, wieder zurückwirkt auf die
weitere Entwicklung der Hörner des Stieres, die bei längerem
Nichtgebrauch verkümmern würden. Ebenso müßte das
Individuum verkümmern, wenn es außerhalb der menschlichen
Gemeinschaft ein abgesondertes Dasein führte. Darum
bildet sich ja gerade die gesellschaftliche Ordnung, um
im günstigen Sinne wieder zurück auf das Individuum zu
wirken." (S 172f)
 
====X. Freiheitsphilosophie und Monismus ====
 
"Der Monismus ist also im Gebiete des wahrhaft sittlichen
Handelns ''Freiheitsphilosophie''. Weil er Wirklichkeitsphilosophie
ist, so weist er ebenso gut die metaphysischen, unwirklichen Einschränkungen des freien Geistes zurück, wie
er die physischen und historischen (naiv-wirklichen) des
naiven Menschen anerkennt. Weil er den Menschen nicht als
abgeschlossenes Produkt, das in jedem Augenblicke seines
Lebens sein volles Wesen entfaltet, betrachtet, so scheint ihm
der Streit, ob der Mensch als solcher ''frei ist oder nicht'', nichtig.
Er sieht in dem Menschen ein sich entwickelndes Wesen
und fragt, ob auf dieser Entwickelungsbahn auch die Stufe
des freien Geistes erreicht werden kann." (S 179f)
 
;1. Zusatz zur Neuauflage (1918).
 
"Eine Schwierigkeit in
der Beurteilung des in beiden vorangehenden Abschnitten
Dargestellten kann dadurch entstehen, daß man sich einem
Widerspruch gegenübergestellt glaubt. Auf der einen Seite
wird von dem Erleben des Denkens gesprochen, das von
allgemeiner, für jedes menschliche Bewußtsein gleich geltender
Bedeutung empfunden wird; auf der andern Seite wird
hier darauf hingewiesen, daß die Ideen, welche im sittlichen
Leben verwirklicht werden und die mit den im Denken
erarbeiteten Ideen von gleicher Art sind, auf individuelle
Art sich in jedem menschlichen Bewußtsein ausleben...
 
Für eine Einsicht,
die durchschaut, wie Ideen intuitiv ''erlebt'' werden als ein auf
sich selbst beruhendes Wesenhaftes, wird klar, daß der
Mensch im Umkreis der Ideenwelt ''beim Erkennen'' sich in
ein für alle Menschen Einheitliches hineinlebt, daß er aber,
wenn er aus dieser Ideenwelt die Intuitionen für seine Willensakte
entlehnt, ein Glied dieser Ideenwelt ''durch dieselbe Tätigkeit'' individualisiert, die er im geistig-ideellen Vorgang
beim Erkennen als eine allgemein-menschliche entfaltet.
Was als logischer Widerspruch erscheint, die allgemeine
Artung der Erkenntnis-Ideen und die individuelle der Sitten-
Ideen: das wird, indem es ''in seiner Wirklichkeit'' angeschaut
wird, gerade zum lebendigen Begriff. Darin liegt ein
Kennzeichen der menschlichen Wesenheit, daß das intuitiv
zu Erfassende ''im Menschen'' wie im lebendigen Pendelschlag
sich hin- und herbewegt zwischen der allgemein geltenden
Erkenntnis und dem individuellen Erleben dieses Allgemeinen.
Wer den einen Pendelausschlag in seiner Wirklichkeit
nicht schauen kann, für den bleibt das Denken nur eine subjektive
menschliche Betätigung; wer den andern nicht erfassen
kann, für den scheint mit der Betätigung des Menschen
im Denken alles individuelle Leben verloren." (S 181f)
 
====XI. Weltzweck und Lebenszweck (Bestimmung des Menschen) ====
 
"Der Monismus weist den Zweckbegriff auf allen Gebieten
mit alleiniger Ausnahme des menschlichen Handelns zurück.
Er sucht nach Naturgesetzen, aber nicht nach Naturzwecken.
Naturzwecke sind willkürliche Annahmen wie die unwahrnehmbaren
Kräfte (S. 120 f.). Aber auch Lebenszwecke, die
der Mensch sich nicht selbst setzt, sind vom Standpunkte des
Monismus unberechtigte Annahmen. Zweckvoll ist nur dasjenige,
was der Mensch erst dazu gemacht hat, denn nur
durch Verwirklichung einer Idee entsteht Zweckmäßiges.
Wirksam im realistischen Sinne wird die Idee aber nur im
Menschen. Deshalb hat das Menschenleben nur den Zweck
und die Bestimmung, die der Mensch ihm gibt. Auf die
Frage: was hat der Mensch für eine Aufgabe im Leben?
kann der Monismus nur antworten: die, die er sich
selbst setzt. Meine Sendung in der Welt ist keine vorherbestimmte,
sondern sie ist jeweilig die, die ich mir erwähle.
Ich trete nicht mit gebundener Marschroute meinen Lebensweg
an." (S 186)
 
"Wer ein Ding deshalb zweckmäßig nennt, weil es
gesetzmäßig gebildet ist, der mag die Naturwesen eben auch
mit dieser Bezeichnung belegen. Nur darf diese Gesetzmäßigkeit
nicht mit jener des subjektiven menschlichen
Handelns verwechselt werden. Zum Zweck ist eben durchaus
notwendig, daß die wirkende Ursache ein Begriff ist,
und zwar der der Wirkung. In der Natur sind aber nirgends
Begriffe als Ursachen nachzuweisen; der Begriff erweist sich
stets nur als der ideelle Zusammenhang von Ursache und
Wirkung. Ursachen sind in der Natur nur in Form von
Wahrnehmungen vorhanden." (S 188f)
 
;Zusatz zur Neuausgabe 1918.
 
"Man wird bei vorurteilslosem
Durchdenken des hier Ausgeführten nicht zu der
Ansicht kommen können, daß der Verfasser dieser Darstellung
mit seiner Ablehnung des Zweckbegriffs für außermenschliche
Tatsachen auf dem Boden derjenigen Denker
stand, die durch das Verwerfen dieses Begriffes sich die
Möglichkeit schaffen, alles außerhalb des Menschenhandelns
liegende - und dann dieses selbst - als ''nur'' natürliches Geschehen
aufzufassen... Wenn hier auch für die geistige,
außerhalb des menschlichen Handelns liegende Welt der
Zweckgedanke abgelehnt wird, so geschieht es, weil in dieser
Welt ein ''höheres'' als der Zweck, der sich im Menschentum
verwirklicht, zur Offenbarung kommt." (S 189)
 
====XII. Die moralische Phantasie (Darwinismus und Sittlichkeit) ====
[[Datei:Charles Darwin portrain by John Collier, 1883 copy.jpg|miniatur|[[Wikipedia:Charles Darwin|Charles Darwin]] kurz vor seinem Tod, Porträt von [[Wikipedia:John Collier (Maler)|John Collier]]]]
[[Datei:Ernst Haeckel 2.jpg|miniatur|200px|[[Ernst Haeckel]]]]
 
"Der ''freie Geist'' handelt nach seinen Impulsen, das sind Intuitionen,
die aus dem Ganzen seiner Ideenwelt durch das
Denken ausgewählt sind. Für den unfreien Geist liegt der
Grund, warum er aus seiner Ideenwelt eine bestimmte Intuition
aussondert, um sie einer Handlung zugrunde zu
legen, in der ihm gegebenen Wahrnehmungswelt, das heißt
in seinen bisherigen Erlebnissen. Er erinnert sich, bevor er
zu einem Entschluß kommt, daran, was jemand in einem
dem seinigen analogen Falle getan oder zu tun für gut geheißen
hat, oder was Gott für diesen Fall befohlen hat und
so weiter, und danach handelt er. Dem freien Geist sind
diese Vorbedingungen nicht einzige Antriebe des Handelns.
Er faßt einen schlechthin ''ersten'' Entschluß. Es kümmert ihn
dabei ebensowenig, was andere in diesem Falle getan, noch
was sie dafür befohlen haben. Er hat rein ideelle Gründe,
die ihn bewegen, aus der Summe seiner Begriffe gerade einen
bestimmten herauszuheben und ihn in Handlung umzusetzen.
Seine Handlung wird aber der wahrnehmbaren Wirklichkeit
angehören. Was er vollbringt, wird also mit einem
ganz bestimmten Wahrnehmungsinhalte identisch sein. Der
Begriff wird sich in einem konkreten Einzelgeschehnis zu
verwirklichen haben. Er wird als Begriff diesen Einzelfall
nicht enthalten können... Das Mittelglied zwischen Begriff und Wahrnehmung ist die ''[[Vorstellung]]'' (vgl.
S. 106 ff.) Dem unfreien Geist ist dieses Mittelglied von
vornherein gegeben. Die Motive sind von vornherein als
Vorstellungen in seinem Bewußtsein vorhanden. Wenn er
etwas ausführen will, so macht er das so, wie er es gesehen
hat, oder wie es ihm für den einzelnen Fall befohlen wird.
Die Autorität wirkt daher am besten durch Beispiele, das
heißt durch Überlieferung ganz bestimmter Einzelhandlungen
an das Bewußtsein des unfreien Geistes." (S 191f)
 
"Sobald der Antrieb zu einer Handlung in der allgemeinbegrifflichen
Form vorhanden ist (zum Beispiel: du sollst
deinen Mitmenschen Gutes tun! du sollst so leben, daß du
dein Wohlsein am besten beförderst!), dann muß in jedem
einzelnen Fall die konkrete Vorstellung des Handelns (die
Beziehung des Begriffes auf einen Wahrnehmungsinhalt)
erst gefunden werden. Bei dem ''freien Geiste'', den kein
Vorbild und keine Furcht vor Strafe usw. treibt, ist
diese Umsetzung des Begriffes in die Vorstellung immer
notwendig.
 
Konkrete Vorstellungen aus der Summe seiner Ideen
heraus produziert der Mensch zunächst durch die [[Phantasie]].
Was der freie Geist nötig hat, um seine Ideen zu verwirklichen,
um sich durchzusetzen, ist also die ''[[moralische Phantasie]]''.
Sie ist die Quelle für das Handeln des freien Geistes.
Deshalb sind auch nur Menschen mit moralischer Phantasie
eigentlich sittlich produktiv. Die bloßen Moralprediger, das
ist: die Leute, die sittliche Regeln ausspinnen, ohne sie zu
konkreten Vorstellungen verdichten zu können, sind moralisch
unproduktiv. Sie gleichen den Kritikern, die verständig
auseinanderzusetzen wissen, wie ein Kunstwerk beschaffen
sein soll, selbst aber auch nicht das geringste zustande bringen
können.
 
Die moralische Phantasie muß, um ihre Vorstellung zu
verwirklichen, in ein bestimmtes Gebiet von Wahrnehmungen
eingreifen. Die Handlung des Menschen schafft keine
Wahrnehmungen, sondern prägt die Wahrnehmungen, die
bereits vorhanden sind, um, erteilt ihnen eine neue Gestalt.
Um ein bestimmtes Wahrnehmungsobjekt oder eine Summe
von solchen, einer moralischen Vorstellung gemäß, umbilden
zu können, muß man den gesetzmäßigen Inhalt (die
bisherige Wirkungsweise, die man neu gestalten oder der
man eine neue Richtung geben will) dieses Wahrnehmungsbildes
begriffen haben. Man muß ferner den Modus finden,
nach dem sich diese Gesetzmäßigkeit in eine neue verwandeln
läßt. Dieser Teil der moralischen Wirksamkeit beruht
auf Kenntnis der Erscheinungswelt, mit der man es zu tun
hat. Er ist also zu suchen in einem Zweige der wissenschaftlichen
Erkenntnis überhaupt. Das moralische Handeln setzt
also voraus neben dem moralischen Ideenvermögen und der
moralischen Phantasie die Fähigkeit, die Welt der Wahrnehmungen
umzuformen, ohne ihren naturgesetzlichen Zusammenhang
zu durchbrechen. Diese Fähigkeit ist ''[[moralische Technik]]''. Sie ist in dem Sinne lernbar, wie Wissenschaft überhaupt
lernbar ist." (S 192ff)
 
"Die moralische Phantasie und das moralische Ideenvermögen
können erst Gegenstand des Wissens werden, nachdem
sie vom Individuum produziert sind. Dann aber regeln sie nicht mehr das Leben, sondern haben es bereits geregelt.
Sie sind als wirkende Ursachen wie alle andern aufzufassen
(Zwecke sind sie bloß für das Subjekt). Wir beschäftigen
uns mit ihnen als mit einer ''Naturlehre der moralischen Vorstellungen''.
 
Eine Ethik als Normwissenschaft kann es daneben nicht
geben." (S 194f)
 
"Die ethische
Norm kann also zunächst nicht wie ein Naturgesetz erkannt,
sondern sie muß geschaffen werden. Erst wenn sie da
ist, kann sie Gegenstand des Erkennens werden." (S 198)
 
"Der ethische Individualismus steht also nicht im Gegensatz
zu einer recht verstandenen [[Entwickelungstheorie]], sondern
folgt direkt aus ihr." (S 198)
 
"Der ethische Individualismus ist somit die Krönung des
Gebäudes, das ''Darwin'' und ''Haeckel'' für die Naturwissenschaft
erstrebt haben. Er ist vergeistigte Entwicklungslehre
auf das sittliche Leben übertragen." (S 200)
 
====XIII. Der Wert des Lebens (Pessimismus und Optimismus) ====
 
"Ein Gegenstück zu der Frage nach dem Zwecke oder der
Bestimmung des Lebens (vgl. S. 184 ff.) ist die nach dessen
Wert." (S 205)
 
"Die auf den Pessimismus sich aufbauende Ethik entspringt
aus der Mißachtung der moralischen Phantasie. Wer
den individuellen Menschengeist nicht für fähig hält, sich
selbst den Inhalt seines Strebens zu geben, nur der kann die
Summe des Wollens in der Sehnsucht nach Lust suchen. Der
phantasielose Mensch schafft keine sittlichen Ideen. Sie müssen
ihm gegeben werden. Daß er nach Befriedigung seiner
niederen Begierden strebt: dafür aber sorgt die physische
Natur. Zur Entfaltung des ''ganzen'' Menschen gehören aber
auch die aus dem Geiste stammenden Begierden. Nur wenn
man der Meinung ist, daß diese der Mensch überhaupt nicht
hat, kann man behaupten, daß er sie von außen empfangen
soll. Dann ist man auch berechtigt, zu sagen, daß er verpflichtet
ist, etwas zu tun, was er nicht will. Jede Ethik, die
von dem Menschen fordert, daß er sein Wollen zurückdränge, um Aufgaben zu erfüllen, die er nicht will, rechnet
nicht mit dem ''ganzen'' Menschen, sondern mit einem solchen,
dem das geistige Begehrungsvermögen fehlt. Für den harmonisch
entwickelten Menschen sind die sogenannten Ideen
des Guten nicht ''außerhalb'', sondern ''innerhalb'' des Kreises
seines Wesens. Nicht in der Austilgung eines einseitigen
Eigenwillens liegt das sittliche Handeln, sondern in der ''vollen''
Entwickelung der Menschennatur. Wer die sittlichen
Ideale nur für erreichbar hält, wenn der Mensch seinen
Eigenwillen ertötet, der weiß nicht, daß diese Ideale ebenso
von dem Menschen gewollt sind, wie die Befriedigung der
sogenannten tierischen Triebe." (S 233f)
 
"Dieser ausgereifte Mensch gibt seinen Wert sich selbst.
Nicht die Lust erstrebt er, die ihm als Gnadengeschenk von
der Natur oder von dem Schöpfer gereicht wird; und auch
nicht die abstrakte Pflicht erfüllt er, die er als solche erkennt,
nachdem er das Streben nach Lust abgestreift hat. Er handelt,
wie er will, das ist nach Maßgabe seiner ethischen Intuitionen;
und er empfindet die Erreichung dessen, was er
will, als seinen wahren Lebensgenuß. Den Wert des Lebens
bestimmt er an dem Verhältnis des Erreichten zu dem Erstrebten.
Die Ethik, welche an die Stelle des Wollens das
bloße Sollen, an die Stelle der Neigung die bloße Pflicht
setzt, bestimmt folgerichtig den Wert des Menschen an dem
Verhältnis dessen, was die Pflicht fordert, zu dem, was er
erfüllt. Sie mißt den Menschen an einem außerhalb seines
Wesens gelegenen Maßstab. - Die hier entwickelte Ansicht
weist den Menschen auf sich selbst zurück. Sie erkennt nur
das als den wahren Wert des Lebens an, was der einzelne
nach Maßgabe seines Wollens als solchen ansieht. Sie weiß
ebensowenig von einem nicht vom Individuum anerkannten
Wert des Lebens wie von einem nicht aus diesem entsprungenen
Zweck des Lebens. Sie sieht in dem allseitig durchschauten
wesenhaften Individuum seinen eigenen Herrn und
seinen eigenen Schätzer." (S 235)
 
====XIV. Individualität und Gattung ====
 
"Der Ansicht, daß der Mensch zu einer vollständigen in sich
geschlossenen, freien Individualität veranlagt ist, stehen
scheinbar die Tatsachen entgegen, daß er als Glied innerhalb
eines natürlichen Ganzen auftritt (Rasse, Stamm, Volk,
Familie, männliches und weibliches Geschlecht), und daß er
innerhalb eines Ganzen wirkt (Staat, Kirche und so weiter).
Er trägt die allgemeinen Charaktereigentümlidikeiten der
Gemeinschaft, der er angehört, und gibt seinem Handeln
einen Inhalt, der durch den Platz, den er innerhalb einer
Mehrheit einnimmt, bestimmt ist." (S 237)
 
"Von diesem Gattungsmäßigen macht sich aber der Mensch
frei. Denn das menschlich Gattungsmäßige ist, vom Menschen richtig erlebt, nichts seine Freiheit Einschränkendes,
und soll es auch nicht durch künstliche Veranstaltungen sein.
Der Mensch entwickelt Eigenschaften und Funktionen an
sich, deren Bestimmungsgrund wir nur in ihm selbst suchen
können. Das Gattungsmäßige dient ihm dabei nur als Mittel,
um seine besondere Wesenheit in ihm auszudrücken. Er
gebraucht die ihm von der Natur mitgegebenen Eigentümlichkeiten
als Grundlage und gibt ihm die seinem eigenen
Wesen gemäße Form. Wir suchen nun vergebens den Grund
für eine Äußerung dieses Wesens in den Gesetzen der Gattung.
Wir haben es mit einem Individuum zu tun, das nur
durch sich selbst erklärt werden kann." (S 237f)
 
"Wer die Menschen nach Gattungscharakteren beurteilt,
der kommt eben gerade bis zu der Grenze, über welcher sie anfangen, Wesen zu sein, deren Betätigung auf freier Selbstbestimmung
beruht. Was unterhalb dieser Grenze liegt, das
kann natürlich Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung
sein. Die Rassen-, Stammes-, Volks- und Geschlechtseigentümlichkeiten
sind der Inhalt besonderer Wissenschaften.
Nur Menschen, die allein als Exemplare der Gattung leben
wollten, könnten sich mit einem allgemeinen Bilde decken,
das durch solche wissenschaftliche Betrachtung zustande
kommt. Aber alle diese Wissenschaften können nicht vordringen
bis zu dem besonderen Inhalt des einzelnen Individuums.
Da, wo das Gebiet der Freiheit (des Denkens und
Handelns) beginnt, hört das Bestimmen des Individuums
nach Gesetzen der Gattung auf." (S 239f)
 
"Für den Teil, für den sich der Mensch aber eine solche
Freiheit nicht erobern kann, bildet er ein Glied innerhalb
des Natur- und Geistesorganismus. Er lebt in dieser Hinsicht, wie er es andern abguckt, oder wie sie es ihm befehlen.
Einen im wahren Sinne ethischen Wert hat nur der
Teil seines Handelns, der aus seinen Intuitionen entspringt.
Und was er an moralischen Instinkten durch Vererbung
sozialer Instinkte an sich hat, wird ein Ethisches dadurch,
daß er es in seine Intuitionen aufnimmt. Aus individuellen
ethischen Intuitionen und deren Aufnahme in Menschengemeinschaften
entspringt alle sittliche Betätigung der
Menschheit. Man kann auch sagen: das sittliche Leben der
Menschheit ist die Gesamtsumme der moralischen Phantasieerzeugnisse
der freien menschlichen Individuen. Dies ist
das Ergebnis des Monismus." (S 241f)
 
====Die letzten Fragen====
====Die Konsequenzen des Monismus ====
 
"Der Monismus sieht in einer Wissenschaft,
die sich darauf beschränkt, die Wahrnehmungen zu
beschreiben, ohne zu den ideellen Ergänzungen derselben
vorzudringen, eine Halbheit. Aber er betrachtet ebenso als
Halbheiten alle abstrakten Begriffe, die ihre Ergänzung
nicht in der Wahrnehmung finden und sich nirgends in das
die beobachtbare Welt umspannende Begriffsnetz einfügen.
Er kennt daher keine Ideen, die auf ein jenseits unserer Erfahrung
liegendes Objektives hindeuten, und die den Inhalt
einer bloß hypothetischen Metaphysik bilden sollen. Alles,
was die Menschheit an solchen Ideen erzeugt hat, sind ihm
Abstraktionen aus der Erfahrung, deren Entlehnung aus
derselben von ihren Urhebern nur übersehen wird.
Ebensowenig können nach monistischen Grundsätzen die
Ziele unseres Handelns aus einem außermenschlichen Jenseits
entnommen werden. Sie müssen, insofern sie gedacht
sind, aus der menschlichen Intuition stammen. Der Mensch
macht nicht die Zwecke eines objektiven (jenseitigen) Urwesens
zu seinen individuellen Zwecken, sondern er verfolgt
seine eigenen, ihm von seiner moralischen Phantasie gegebenen.
Die in einer Handlung sich verwirklichende Idee löst
der Mensch aus der einigen Ideenwelt los und legt sie seinem
Wollen zugrunde. In seinem Handeln leben sich also nicht
die aus dem Jenseits dem Diesseits eingeimpften Gebote aus,
sondern die der diesseitigen Welt angehörigen menschlichen
Intuitionen. Der Monismus kennt keinen solchen Weltenlenker,
der außerhalb unserer selbst unseren Handlungen
Ziel und Richtung setzte." (S 252)
 
Somit gilt für den ''freien Menschen'':
 
"Er wird, wenn er über sein sinnliches Triebleben
und über die Ausführung der Befehle anderer Menschen
hinauskommt, durch nichts, als durch sich selbst bestimmt.
Er muß aus einem von ihm selbst gesetzten, durch
nichts anderes bestimmten Antrieb handeln. Ideell ist dieser
Antrieb allerdings in der einigen Ideenwelt bestimmt; aber
faktisch kann er nur durch den Menschen aus dieser abgeleitet
und in Wirklichkeit umgesetzt werden. Für die aktuelle
Umsetzung einer Idee in Wirklichkeit durch den Menschen
kann der Monismus nur in dem Menschen selbst den Grund
rinden.Daß eine Idee zur Handlung werde, muß der Mensch
erst wollen, bevor es geschehen kann. Ein solches Wollen hat
seinen Grund also nur in dem Menschen selbst. Der Mensch
ist dann das letzte Bestimmende seiner Handlung. Er ist
''frei''." (S 253)
 
====Erster Anhang ====
 
"Es gibt Denker, welche der Meinung sind, daß sich eine besondere
Schwierigkeit ergäbe, wenn man begreifen will, wie ein
anderes menschliches Seelenleben auf das eigene (des Betrachters)
wirken könne. Sie sagen: meine bewußte Welt ist
in mir abgeschlossen; eine andere bewußte Welt ebenso in
sich. Ich kann in die Bewußtseinswelt eines andern nicht
hineinsehen. Wie komme ich dazu, mich mit ihm in einer
gemeinsamen Welt zu wissen?" (S 258)
 
Rudolf Steiner verweist hier auf das [[Urphänomen der Sozialwissenschaft]], das von fundamentaler Bedeutung für das [[sozial]]e Zusammensein der [[Mensch]]en ist:
 
"Was habe ich
denn zunächst vor mir, wenn ich einer andern Persönlichkeit
gegenüberstehe? Ich sehe auf das nächste. Es ist die mir als
Wahrnehmung gegebene sinnliche Leibeserscheinung der andern
Person; dann noch etwa die Gehörwahrnehmung dessen,
was sie sagt, und so weiter. Alles dies starre ich nicht
bloß an, sondern es setzt meine denkende Tätigkeit in Bewegung.
Indem ich denkend vor der andern Persönlichkeit
stehe, kennzeichnet sich mir die Wahrnehmung gewissermaßen
als seelisch durchsichtig. Ich bin genötigt, im denkenden
Ergreifen der Wahrnehmung mir zu sagen, daß sie dasjenige
gar nicht ist, als was sie den äußeren Sinnen erscheint.
Die Sinneserscheinung offenbart in dem, was sie unmittelbar
ist, ein anderes, was sie mittelbar ist. Ihr Sich-vor-mich-
Hinstellen ist zugleich ihr Auslöschen als bloße Sinneserscheinung.
Aber was sie in diesem Auslöschen zur Erscheinung
bringt, das zwingt mich als denkendes Wesen, mein
Denken für die Zeit ihres Wirkens auszulöschen und an dessen
Stelle ihr Denken zu setzen. Dieses ihr Denken aber ergreife
ich in meinem Denken als Erlebnis wie mein eigenes. Ich
habe das Denken des andern wirklich wahrgenommen. Denn
die als Sinneserscheinung sich auslöschende unmittelbare
Wahrnehmung wird von meinem Denken ergriffen, und es
ist ein vollkommen in meinem Bewußtsein liegender Vorgang,
der darin besteht, daß sich an die Stelle meines Denkens das andere Denken setzt. Durch das Sich-Auslöschen
der Sinneserscheinung wird die Trennung zwischen den beiden
Bewußtseinssphären tatsächlich aufgehoben. Das repräsentiert
sich in meinem Bewußtsein dadurch, daß ich im
Erleben des andern Bewußtseinsinhaltes mein eigenes Bewußtsein
ebensowenig erlebe, wie ich es im traumlosen
Schlafe erlebe. Wie in diesem mein Tagesbewußtsein ausgeschaltet
ist, so im Wahrnehmen des fremden Bewußtseinsinhaltes
der eigene. Die Täuschung, als ob dies nicht so sei,
rührt nur davon her, daß im Wahrnehmen der andern Person
erstens an die Stelle der Auslöschung des eigenen Bewußtseinsinhaltes
nicht Bewußtlosigkeit tritt wie im Schlafe,
sondern der andere Bewußtseinsinhalt, und zweitens, daß
die Wechselzustände zwischen Auslöschen und Wieder-Aufleuchten
des Bewußtseins von mir selbst zu schnell aufeinander
folgen, um für gewöhnlich bemerkt zu werden. - Das
ganze hier vorliegende Problem löst man nicht durch künstliche
Begriffskonstruktionen, die von Bewußtem auf solches
schließen, das nie bewußt werden kann, sondern durch wahres
Erleben dessen, was sich in der Verbindung von Denken
und Wahrnehmung ergibt." (S 260f)
 
====Zweiter Anhang ====
 
"Alle wirklichen Philosophen
waren ''Begriffskünstler''. Für sie wurden die menschlichen
Ideen zum Kunstmateriale und die wissenschaftliche
Methode zur künstlerischen Technik. Das abstrakte Denken
gewinnt dadurch konkretes, individuelles Leben. Die Ideen
werden Lebensmächte. Wir haben dann nicht bloß ein Wissen
von den Dingen, sondern wir haben das Wissen zum
realen, sich selbst beherrschenden Organismus gemacht;
unser wirkliches, tätiges Bewußtsein hat sich über ein bloß
passives Aufnehmen von Wahrheiten gestellt.
 
Wie sich die Philosophie als Kunst zur Freiheit des Menschen
verhält, was die letztere ist, und ob wir ihrer teilhaftig
sind oder es werden können: das ist die Hauptfrage meiner
Schrift. Alle anderen wissenschaftlichen Ausführungen stehen
hier nur, weil sie zuletzt Aufklärung geben über jene, meiner Meinung nach, den Menschen am nächsten liegenden
Fragen. Eine ''«Philosophie der Freiheit»'' soll in diesen Blättern
gegeben werden.
 
Alle Wissenschaft wäre nur Befriedigung müßiger Neugierde,
wenn sie nicht auf die ''Erhöhung des Daseinswertes der menschlichen Persönlichkeit'' hinstrebte. Den wahren
Wert erhalten die Wissenschaften erst durch eine Darstellung
der menschlichen Bedeutung ihrer Resultate. Nicht die
Veredlung eines einzelnen Seelenvermögens kann Endzweck
des Individuums sein, sondern die Entwicklung aller in uns
schlummernden Fähigkeiten. Das Wissen hat nur dadurch
Wert, daß es einen Beitrag liefert zur ''allseitigen'' Entfaltung
der ''ganzen'' Menschennatur.
 
Diese Schrift faßt deshalb die Beziehung zwischen Wissenschaft
und Leben nicht so auf, daß der Mensch sich der
Idee zu beugen hat und seine Kräfte ihrem Dienst weihen
soll, sondern in dem Sinne, daß er sich der Ideenwelt bemächtigt,
um sie zu seinen ''menschlichen'' Zielen, die über die
bloß wissenschaftlichen hinausgehen, zu gebrauchen.
 
'''Man muß sich der Idee erlebend gegenüberstellen können; ''sonst'' gerät man unter ihre Knechtschaft.'''" (S 270f)
 
== Ergänzende Bemerkungen Rudolf Steiners über die «Philosophie der Freiheit» ==
 
=== Imaginationen des Knochensystems ===
 
<div style="margin-left:20px">
"Meine «[[Philosophie der Freiheit]]» ist wenig verstanden worden,
weil die Leute nicht verstanden haben, sie zu lesen. Sie haben sie so
gelesen, wie man ein anderes Buch liest, aber meine «Philosophie der
Freiheit» ist nicht so gemeint wie andere Bücher. Meine «Philosophie
der Freiheit» lebt zunächst in Gedanken, aber in richtig erlebten Gedanken.
Nichterlebte Gedanken, abstrakte, logische Gedanken, wie
man sie heute in der Wissenschaft ganz allgemein hat, die erlebt man im
Gehirn. Solche Gedanken, wie ich sie in meiner «Philosophie der Freiheit
» ausgesprochen habe - jetzt kommt das Paradoxe -, erlebt man als
ganzer Mensch in seinem Knochensystem. Richtig als ganzer Mensch in
seinem Knochensystem. Und das noch Paradoxere möchte ich aussprechen
— das ist natürlich selbstverständlich geschehen, nur haben Sie es
nicht beachtet, weil Sie es nicht in Zusammenhang damit gebracht
haben -: wenn die Menschen meine «Philosophie der Freiheit» verstanden haben, haben sie mehrmals im Laufe des Lesens, und besonders
wenn sie fertig waren, von Skeletten geträumt. Das hängt zusammen
moralisch mit der ganzen Stellung der «Philosophie der Freiheit» gegenüber
der Freiheit der Welt. Freiheit besteht schon darin, daß man
von den Knochen aus die Muskeln des Menschen in der äußeren Weit
fortbewegt. Der Unfreie folgt seinen Trieben und Instinkten. Der Freie
richtet sich nach den Forderungen und Erfordernissen der Welt, die er
zuerst lieben muß. Er muß ein Verhältnis gewinnen zu dieser Welt. Das
drückt sich in der Imagination des Knochensystems aus. Innerlich ist
das Knochensystem dasjenige, was die erlebten Gedanken eben erlebt.
Also erlebte Gedanken erlebt man mit dem Knochensystem, mit seinem
ganzen Menschen, namentlich mit seinem ganzen eigentlich erdenfesten
Menschen. Es hat Leute gegeben, die wollten Bilder malen aus
meinen Büchern; sie haben mir allerlei Sachen gezeigt. Sie haben die
Gedanken der «Philosophie der Freiheit» in Bildform vorführen wollen.
Wenn man ihren Inhalt so malen will, muß man dramatische Szenen
aufführen, welche von menschlichen Skeletten ausgeführt werden.
Geradeso wie die Freiheit selbst etwas ist, wobei man sich alles bloß
Instinktiven entledigen muß, so ist dasjenige, was der Mensch erlebt,
indem er die Gedanken der Freiheit hat, etwas, wobei er sich seines
Fleisches und Blutes entledigen muß. Er muß Skelett werden, muß
erdhaft werden, die Gedanken müssen wirklich erdhaft werden." {{Lit|{{G|316|113f}}}}
</div>
 
== Anmerkungen ==
 
<references/>
 
== Literatur zur Philosophie der Freiheit==
 
* [[Herbert Witzenmann]]: Die Philosophie der Freiheit als Grundlage künstlerischen Schaffens, Spicker-Verlag 1988, 2. erw. Auflage, ISBN 38-57041-52-8
* [[Karl-Martin Dietz]]: Rudolf Steiners Philosophie der Freiheit: Eine Menschenkunde des höheren Selbst, Verlag Freies Geistesleben 1993, ISBN 37-72511-64-3
* [[Thomas Kracht]]: Erfahrung des Denkens: Zum Studium der "Philosophie der Freiheit" Rudolf Steiners. Band 1: Kapitel 1-3, Verlag Freies Geistesleben 1996, ISBN 10: 37-72516-01-7
* [[Frank Teichmann]]: Auferstehung im Denken: Der Christusimpuls in der "Philosophie der Freiheit" und in der Bewusstseinsgeschichte, Verlag Freies Geistesleben 1996, ISBN 37-72516-00-9
* [[Peter Selg]]: Rudolf Steiners innere Situation zur Zeit der "Philosophie der Freiheit", Verlag am Goetheanum 2007, ISBN 3-7235-1307-7
* [[Sergej O. Prokofieff]]: Anthroposophie und die "Philosophie der Freiheit", Verlag am Goetheanum 2006), ISBN 3-7235-1248-8
* [[Heinrich Leiste]]: Von der Philosophie der Freiheit zur Christosophie, Philosophisch Anthroposophischer Verlag am Goetheanum 1933
* [[Otto Palmer]]: Rudolf Steiner über seine 'Philosophie der Freiheit', Verlag Freies Geistesleben 1984, ISBN 3-7725-0665-8
* [[Eduard von Hartmann]] u.a.: Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Nr. 85/86, Zur "Philosophie der Freiheit". Kommentare und Randbemerkungen von Eduard von Hartmann, Briefwechsel zwischen Rudolf Steiner und Vincenz Knauer (1893), und anderes. Dornach (1984), (PDF:[http://fvn-rs.net/PDF/Beitraege/BE-085.086-1984.pdf]), Nachtrag/zusätzliches Material in Beiträge Nr. 87 [http://fvn-rs.net/PDF/Beitraege/BE-087-1985.pdf]
* Hartmut Traube: ''Philosophie und Anthroposophie. Die philosophische Weltanschauung Rudolf Steiners - Grundlegung und Kritik'', Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-17-022019-5
 
== Literatur ==
# Rudolf Steiner: ''Die Philosophie der Freiheit'', [[GA 4]] (1995), ISBN 3-7274-0040-4; '''Tb 627''', ISBN 978-3-7274-6271-9 {{Schriften|004}}
# {{Bibliothek|Rudolf Steiner/Werke/GA 4 Die Philosophie der Freiheit|GA 4 Die Philosophie der Freiheit}}
 
;Ergänzende Bemerkungen über die «Philosophie der Freiheit»
 
#Rudolf Steiner: ''Meditative Betrachtungen und Anleitungen zur Vertiefung der Heikunst'', [[GA 316]] (2003), ISBN 3-7274-3160-1 {{Vorträge|316}}
 
{{GA}}
 
== Weblinks ==
* [http://www.anthroweb.info/rudolf-steiner-werke/ga04-philosophie-der-freiheit.html Die Philosophie der Freiheit] - Der gesamte Text online
* http://anthroposophie.byu.edu/schriften/004.pdf - Der gesamte Text als PDF-Dokument
 
Kritische Weblinks
* [http://www.studienzuranthroposophie.de/PdFInhalt.html Michael Muschalle: ''Rudolf Steiners Philosophie der Freiheit. Eine Einführung'']
 
'''Russisch:'''
* [http://bdn-steiner.ru/modules.php?name=Steiner&go=page&pid=04 GA 4, russisch]
 
'''Bulgarisch:'''
* [http://anthroposophie.byu.edu/bulg/004.pdf GA-4 - Философия на свободата]
 
'''Englisch:'''
* [http://www.philosophyoffreedom.com/ www.philosophyoffreedom.com] - englischsprachige Website zu Steiners "Philosophie der Freiheit"
* [http://www.philosophyoffreedom.com/files/POF_Wilson.pdf The Philosophy of Freedom] - translated by Michael Wilson
* [http://wn.rsarchive.org/Books/GA004/English/AP1986/GA004_index.html The Philosophy of Spiritual Activity] - translated by William Lindeman
* [http://steinerbooks.org/research/archive/intuitive_thinking/intuitive_thinking.pdf The Philosophy of Freedom - Intuitive Thinking as a Spiritual Path] - translated by Michael Lipson
 
'''Spanisch:'''
* [http://www.upasika.com/docs/steiner/Steiner%20Rudolf%20-%20La%20Filosofia%20de%20La%20Libertad.pdf La filosofía de la libertad] - Traducción: Blanca S. de Muniaín, revisada con la versión inglesa de Michael Wilson de 1964 para Rudolf Steiner. Press por Antonio Aretxabala.
 
=== Videos ===
 
* [http://www.youtube.com/playlist?list=PL9C92F3DAD4F586A0 Philosophy of Freedom, Rudolf Steiner] - Playlist mit 21 Videos in englischer Sprache
 
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Aktuelle Version vom 25. November 2019, 13:13 Uhr

Ein Absender oder Sender (veraltet Adressant) ist im informationstheoretischen Sinn eines Sender-Empfänger-Modells eine Person oder Institution, die eine Nachricht oder eine andere Information übermittelt oder durch ein Medium zum Empfänger (Adressat) übermittelt oder übermitteln lässt.

Allgemeines

Absender und Empfänger können sich am selben Ort befinden und dann direkte Kommunikation miteinander betreiben (Gespräch, Verhandlung, Diskussion) oder beide sind außer Sicht- oder Rufweite. Dann benötigen sie zwecks Kommunikation ein Kommunikationsmittel für ihre Telekommunikation. Dabei ist zwischen asynchroner und synchroner Telekommunikation zu unterscheiden. Bei der asynchronen Telekommunikation werden die Nachrichten aufgezeichnet oder aufgeschrieben, mit zeitlicher Verzögerung zum Empfänger transportiert und erst dann (vielleicht) von ihm rezipiert (Brief, E-Mail, Telefax, Anrufbeantworter). Die synchrone Telekommunikation stellt eine wechselseitige Kommunikationsverbindung her, die Absender und Empfänger in direkten Kontakt bringt (Telefonie, Videokonferenz, Chatten). Absender und Empfänger können im Verlauf einer synchronen Kommunikation ständig ihre Rollen wechseln - der Absender wird zum Empfänger und der Empfänger wird zum Absender.[1]

Kommunikation zwischen Absender und Empfänger

Der Absender verfügt bereits über die Information (er hat einen Informationsvorsprung: asymmetrische Information) und beabsichtigt deren Weitergabe an einen Empfänger. Der Absender benutzt zur Nachrichtenübermittlung ein bestimmtes Trägermedium (Sprache, Schrift), um die Information für den Empfänger transparent zu machen. Bei primären Medien ist zwischen Absender und Empfänger kein Gerät zwischengeschaltet, sekundäre Medien erfordern auf der Seite des Absenders technische Geräte, nicht jedoch beim Empfänger. Tertiäre Medien erfordern ein technisches Gerät sowohl beim Absender als auch beim Empfänger. Benötigt der Absender ein technisches Gerät (Telefon, Rundfunksender, Fernsehsender, Computer für E-Mails), muss er dieses für das Absenden der Information bedienen.

Absender und Empfänger müssen bei der Informationsübermittlung aktiv sein. Während der Absender sich bemühen muss, eine adressatengerechte und angemessene Kommunikationsebene auszuwählen, muss der Empfänger die Information wahrnehmen (Hören, Lesen),[2] möglicherweise dekodieren[3] und gegebenenfalls verarbeiten. Werden Informationen vom Absender falsch kodiert oder vom Empfänger falsch dekodiert, liegt ein Missverständnis vor. Durch die Kommunikation vom Absender zum Empfänger werden bewertete Daten zur Information, mit der eine Erweiterung des Wissens beim Empfänger verbunden ist.[4]

Postwesen

Ein Absender im postalischen Sinn ist die Angabe des Namens und der Adresse zum Zwecke der Identifikation des Versenders. In Deutschland ist auf einem Briefumschlag der Absender in der oberen linken Ecke der Vorderseite anzubringen.[5] Die Angabe des Absenders ist jedoch nach dem Postgesetz (PostG) nicht verpflichtend. In der Schweiz bringt man den Absender ebenfalls in der linken oberen Ecke an.[6] In Österreich ist die Absenderangabe links oben im Bereich bis 40 mm von der Oberkante anzubringen. Wenn vom Platz nicht anders möglich, kann die Absenderangabe in Ausnahmefällen auf der Rückseite angebracht werden.[7] Bei handschriftlicher Adressierung wird der Absender gelegentlich auch links unten angebracht. Bei einem Kuvert mit Sichtfenster finden sich die Angaben in der Absenderzeile oben im Sichtfeld.

Da es früher häufig zu Problemen bei nicht zustellbaren Paketen kam, wurde in der DIN 5008[8] festgehalten, dass der Absender mit vollständigem Namen und Adresse anzugeben ist.

Kommunikationstechnik

In der Kommunikations- und Nachrichtentechnik wird prinzipiell nur vom Sender gesprochen, der die Informationen an den Empfänger übermittelt. Die Übertragung kann hier über eine Funk-, Kabel- oder eine optische Kommunikation erfolgen. Sender und Empfänger müssen aufeinander abgestimmt sein, damit die Informationen überhaupt und korrekt empfangen und ausgewertet werden können.

Transportwesen

Im Transportwesen ist der Absender Vertragspartner des Frachtführers. Für den Frachtführer entsteht aus diesem Vertrag die Verpflichtung, das Frachtgut an den vereinbarten Ort zu transportieren und dort an den Empfänger auszuliefern. Dem Absender wiederum entsteht aus dem Frachtvertrag die Verpflichtung, die vereinbarte Fracht zu bezahlen (§ 407 HGB).

Siehe auch

 Wiktionary: Absender – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Julia Haberstroh/Katharina Neumeyer/Johannes Pantel, Kommunikation bei Demenz, 2016, S. 28
  2. Dietmar Brunner, Information, Kommunikation und Planung im Beruf, 2014, S. 88
  3. Georg Hans Wiebecke, Das Interface zwischen F&E und Marketing, 1989, S. 103
  4. Helmut Fickenscher, Zielorientiertes Informationsmanagement, 1991, S. 5
  5. Deutsche Post (Memento vom 22. Januar 2014 im Internet Archive) (PDF; 1,8 MB)
  6. Schweizer Post (PDF; 67 kB)
  7. Österreichische Post (PDF; 748 kB)
  8. Schreib- und Gestaltungsregel, gültig ab 18. Januar 2005


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Sender (Information) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.