Abendmahl

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Leonardo da Vinci: Das letzte Abendmahl, 1495-1498, Santa Maria delle Grazie (Mailand)

Das Abendmahl (auch Eucharistie, Altarsakrament oder Gedächtnismahl) und die damit verbundene Wandlung von Brot und Wein zu Fleisch und Blut Christi, die man ursprünglich als geistige Tatsache auffasste, wurde seit der Mitte des Mittelalters zunehmend materialistisch mißdeutet.

"Solange vom Abendmahl gewußt wurde, daß es den lebendigen Beweis dafür bedeutet, daß Materie nicht bloß Materie ist, sondern daß es zeremonielle Handlungen gibt, durch die der Materie der Geist beigefügt werden kann, solange der Mensch wußte, daß diese Durchdringung der Materie mit dem Geist eine Durchchristung ist, wie sie im Abendmahl zum Ausdruck kommt, so lange wurde es hingenommen, ohne daß man sich stritt." (Lit.: GA 131, S. 203)

Schon auf dem Konzil von Konstantinopel (869), das u.a. auch die Lehre von der Trichotomie verworfen hatte ("den Geist abgeschafft hatte", wie sich Rudolf Steiner öfter ausdrückt), war die vergröberte Lehre des Paschasius Radbertus (+859) aus dem Kloster Corbie heftig diskutiert worden, in die recht ekelhafte "Wundergeschichten" eingestreut waren, die etwa von der Verwandlung der Hostie in blutiges Fleisch zu berichten wussten. Hrabanus, der Abt von Fulda (+856), widersprach Radbertus. Die Wandlung sei mystisch und sakramental zu verstehen; Brot und Wein seien nur Symbole. Auch Ratramnus, ebenfalls Mönch in Corbie, trat Radbertus entgegen. Das Messopfer diene lediglich dem Gedächtnis des Kreuzopfers Christi. Der Volksaberglaube neigte sich aber zunehmend der materialistischen Deutung des Radbertus zu.

Später trat Berengar von Tour (+1088), ein Schüler des Fulbertus aus der Schule von Chartres, bei dem der Intellekt schon stark entwickelt war, zurecht gegen diesen materialistischen Aberglauben auf und entfachte schon im 11. Jh. einen Abendmahlsstreit, indem er die Transsubstantiation überhaupt leugnete. Damit war ihm aber auch der Begriff von der geistigen Realität der Wandlung verlorengegangen. Sie verflüchtigte sich für ihn zu einem bloß symbolischen Akt. Er wurde damit geradezu zu einem Vorläufer des Nominalismus, der die geistige Wirklichkeit der (platonischen) Ideen leugnete. Die Kirchengeschichte nennt ihn als Ketzer, der aber stets milde behandelt wurde, weil Papst Gregor VII., der ehemalige Mönch Hildebrand, seine schützende Hand über ihn hielt.

Tatsächlich ist in der Hostie real die Sonnenkraft anwesend, durch die der Christus wirkt; in diesem Sinne ist die Realpräsenz des Christus bei der Eucharistie eine Tatsache:

"Solange man wußte, daß es sich in dem Christus um ein Wesen von der Sonne handelt, hatte die Monstranz mit der Hostie darin seinen guten Sinn. Darin ist zusammengebackenes Mehl. Dieses Mehl konnte dadurch entstehen, daß die Sonne Licht und Wärme auf die Erde fallen läßt, daß Getreide wächst und aus dem Getreide das Mehl wird. Es ist wirklich, wenn man es so ausdrücken will: Körper, vom Sonnenlicht gemacht. Solange man das gewußt hat, so lange hatte das Ganze einen Sinn." (Lit.: GA 353, S. 118)

Dass sich bei der Wandlung um eine geistig reale Handlung vollzieht, konnte Rudolf Steiner aus eigener Anschauung bestätigen:

"Sie mögen über das, was ich Ihnen jetzt sage, denken wie Sie wollen, aber ich kann ja nur von meinem Gesichtspunkt, vom Gesichtspunkte meiner Erfahrung aus sprechen. Ich habe viel beobachtet die Transsubstantiation. Nun ist heute innerhalb der katholischen Kirche allerdings eine starke Differenzierung vorhanden, je nachdem, ob der eine oder der andere Priester die Transsubstantiation bewirkt, aber immerhin habe ich doch gesehen, namentlich während meiner letzten Reise in Italien, wie während der Wandlung, während der Transsubstantiation, die Hostie eine Aura bekam. Also ich habe den objektiven Vorgang, der sich, wenn die Wandlung würdig vollzogen wird, vollzieht, durchaus als eine Realität kennengelernt. Ich sage, Sie mögen darüber denken wie Sie wollen, ich sage Ihnen eben dasjenige, was auf der einen Seite beobachtet werden kann, und was auf der anderen Seite auch als eine Grundüberzeugung der Kirche galt in denjenigen Zeiten, als die Kirche noch eine einige katholische war, und die evangelische Kirche noch nicht als eine Abzweigung da war. Also wir kommen schon zu Realitäten zurück, wenn wir diese Dinge anschauen, und da muß dann eben gesagt werden, es ist allerdings das Meßopfer, indem es zelebriert wird, etwas, das eine reale Handlung ist, das nicht bloß ein äußeres Zeichen ist, sondern eine reale Handlung. Und wenn Sie alle Messen zusammennehmen, die jemals gehalten worden sind, so bilden sie alle wiederum ein zusammenhängendes Ganzes, und das ist etwas, was als solches unmittelbar eben als eine Tatsache dasteht. Es ist etwas, wo man allerdings an Dinge rührt, wo das evangelische Gemüt sagt: Ja, dann liegt ja in der katholischen Messe etwas Magisches. - Das liegt auch darin. Das liegt eben auch darin, und das Magische darin empfindet dann das evangelische Gemüt vielleicht als ein Heidnisches. Gut, darüber ließe sich diskutieren. Aber jedenfalls begründet das, daß man es durchaus mit einer Realität zu tun hat, daß man nicht ohne weiteres, ohne heranzugehen an den Träger dieser Realität, eine Messe heute zelebrieren kann. Ich sage zelebrieren; man kann sie demonstrieren, man kann alles mögliche zeigen, aber man kann sie nicht zelebrieren mit dem Anspruch, daß durch die Messe dasjenige geschieht, was am Altar geschehen soll, ohne daß sie gelesen wird [von einer Persönlichkeit] mit dem absoluten Auftrag. Sehen Sie, so ist es überall da, wo mit Mysterien gearbeitet wird; es ist einmal so, wo mit Mysterien gearbeitet wird. Und ebensowenig, wie im Bewußtsein des Freimaurers eine freimaurerische Zeremonie von einem Nichtfreimaurer vollzogen werden darf, ebensowenig darf im Bewußtsein der katholischen Kirche von einem Nichtgeweihten eine richtige katholische, aus dem Katholizismus heraus gearbeitete und gewordene Zeremonie zelebriert werden, ausgeführt werden mit voller Geltung." (Lit.: GA 343a, S. 146f)

Mit der Einsetzung des Abendmahls erneuerte und erhöhte der Christus das Opfer, das Melchisedek vor Abraham dargebracht hatte, und begründete damit einen neuen zukunftsweisenden Kultus, durch den die blutigen Tieropfer, die seit der atlantischen Zeit üblich geworden waren, überwunden werden und nun statt dessen Brot und Wein geopfert werden sollten.

"An die Stelle des blutigen Opfers, soll das unblutige, das geistige Opfer, das Abendmahl treten als Symbol dafür, daß auf geistigem Felde Schuld und Sühne für menschliche Taten leben. Dies ist aber die Lehre von Karma, daß alles dasjenige, was der Mensch irgendwie in seinen Handlungen verursacht hat, seine Wirkungen nach sich zieht durch rein geistige Gesetze, daß Karma nichts zu tun hat mit physischer Vererbung." (Lit.: GA 052, S. 82)

Damit wird zugleich darauf hingewiesen, dass wir künftig von der Ernährung vom toten Tiere überzugehen haben zu der Ernährung von der toten Pflanze. In der 6. nachatlantischen Kulturepoche wird sich der Mensch vegetarisch ernähren und noch später wird eine rein mineralische Ernährung kommen. Der Mensch wird sich dann selbst aus dem toten Stoff das bilden, was er als Nahrung braucht; er wird Lebendiges aus Totem schaffen können. Dann wird auch die geschlechtliche Fortpflanzung überwunden werden und der Mensch wird seinesgleichen aus sich selbst heraus reproduzieren können.

In seiner ganzen geistigen Tiefe kann das Abendmahl nur dann verstanden werden, wenn die Worte des Christus "dies ist mein Fleisch" und "dies ist mein Blut" in dem Sinn wörtlich genommen werden, dass sich mit dem Mysterium von Golgatha Christus mit der Erde verbunden hat und die ganze Erde zu seinem Leib geworden ist. Mit dem Abendmahl kündigt sich an, wie die lebendigen Ätherkräfte des Christus sich von seinem physischen Leib zu lösen beginnen und in die Ätherkräfte der Erde überfließen. Wesentlich ist nicht, dass der Christus Brot und Wein in sich aufnimmt, sondern dass seine Lebenskräfte in Brot und Wein, als Repräsentanten der äußeren Natur, übergehen. Nur so kann man die Worte aus dem Johannes-Evangelium verstehen: «Der mein Brot ißt, tritt mich mit Füßen.» (Joh 13,18)

Das Abendmahl ist die Vorschule für die geistige Vereinigung mit dem Christus, der in der Erdenwelt gegenwärtig ist. In der Zukunft wird dafür die äußere kultische Handlung nicht mehr nötig sein, wenn sich die Menschen durch die meditative Versenkung in das Denken mit dem Christus verbinden können. Dann kann die Auferstehung im Denken dadurch beginnen, dass sich die Ätherkräfte des Gehirns vom physischen Gehirn lösen und in die umgebende Ätherwelt, in die lebendig wirkenden Weltgedanken, die formend in der Natur wirken, eintauchen. Darauf hat Rudolf Steiner hingewiesen mit den Worten:

"Das Gewahrwerden der Idee in der Wirklichkeit ist die wahre Kommunion des Menschen." (Lit.: GA 001, S. 126)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften, GA 1 (1987)
  2. Rudolf Steiner: Spirituelle Seelenlehre und Weltbetrachtung, GA 52 (1986)
  3. Rudolf Steiner: Von Jesus zu Christus, GA 131 (1988)
  4. Rudolf Steiner: Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, II, GA 343 (1993), ISBN 3-7274-3430-9 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  5. Rudolf Steiner: Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, II. Dokumentarische Ergänzungen GA 343pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  6. Rudolf Steiner: Die Geschichte der Menschheit und die Weltanschauungen der Kulturvölker, GA 353 (1988)